Bericht über Mozarts Tod

[248] Aus einem Briefe Sophie Haibels an den Schwager Nissen und die Schwester Konstanze; Diakovar, am 7. April 1825 Herzensbruder! und Schwester! ... Nun zur letzten Lebenszeit Mozarts. Mozart bekam unsere selige Mutter immer lieber und selbe ihn auch, daher Mozart öfters auf die Wieden (wo unsere Mutter und ich beym goldenen Pflug logirten) in einer Eile gelaufen kam, ein Säckchen unter dem Arme trug, worinnen Gofée und Zucker war, überreichte es unserer guten Mutter und sagte: Hier, liebe Mama, haben Sie eine kleine Jause. Dies freute sie dann wie ein Kind. Dies geschah sehr oft. Kurz Mozart kam nie mehr leer zu uns. Nun als Mozart erkrankte, machten wir beyde ihm die Nachtleibel, welche er vorwärts anziehen konnte, weil er sich vermög Geschwulst nicht drehen könnte, und weil wir nicht wußten, wie schwer krank er seie, machten wir ihm auch einen wattirten Schlafrock, daß, wenn er aufstehet, er gut versorgt sein möchte, und so besuchten wir ihn fleißig, er zeigte auch, eine herzliche Freude an dem Schlafrock zu haben. Ich ging alle Täge in die Stadt, ihn zu besuchen und als ich einmal an einem Sonnabend hineinkam, sagte Mozart zu mir: Nun, liebe Sophie, sagen Sie der Mama, daß es mir recht sehr gut gehet und daß ich ihr noch in der Oktave zu ihrem Namensfeste kommen werde, ihr zu gratulieren ... Den andern Tag war Sonntag, ich war noch jung und gestehe es auch: eitel und putzte mich gerne, mochte aber aufgeputzt nie gerne [248] zu Fuß aus der Vorstadt in die Stadt gehen und zu fahren, war mir ums Geld zu tun, ich sagte dahero zu unserer guten Mutter, Liebe Mama, heute gehe ich nicht zu Mozart – Er war ja gestern so gut, so wird ihm heute wohl noch besser sein und ein Tag auf oder ab, das wird wohl nichts machen. Sie sagte darauf, weißt Du was, mache mir eine Schale Cofée und nach dem werde ich Dir schon sagen, was Du tun sollst. Sie war ziemlich gestimmt, mich zu Hause zu lassen, denn die Schwester weiß, wie sehr ich immer bey ihr bleiben mußte. Ich ging also in die Küche. Kein Feuer war mehr da. Ich mußte ein Licht anzünden und Feuer machen. Mozart ging mir denn doch nicht aus dem Sinne. Mein Cofée war fertig und mein Licht brannte noch. Nun sah ich, wie verschwenderisch ich mit meinem Licht gewesen, so viel verbrannt zu haben. Das Licht brannte noch hoch auf, jetzt sah ich starr in mein Licht und dachte, ich möchte doch gerne wissen, was Mozart macht. Und wie ich dies dachte und ins Licht sehe, löschte das Licht aus und so aus, als ob es nie gebrannt hätte. Kein Fünkchen blieb an dem großen Dochte, keine Luft war nicht, dies kann ich beschwören, ein Schauer überfiel mich, ich lief zu unserer Mutter und erzählte es ihr. Sie sagte: Genug, ziehe Dich geschwinde aus und gehe hinein und bringe mir aber gleich Nachricht, wie es ihm gehet. Halte Dich aber ja nicht lange auf. Ich eilte, so geschwinde ich nur konnte. Ach Gott, wie erschrak ich nicht, als mir meine halb verzweifelnde und doch sich moderiren wollende Schwester entgegenkam und sagte, gottlob, liebe Sophie, daß Du da bist, heute nacht ist er so schlecht gewesen, daß ich schon dachte, er erlebt diesen Tag nicht mehr, bleibe doch nur heute bey mir, denn wenn er heute wieder so wird, so stirbt er auch diese Nacht. Gehe doch ein wenig zu ihm, was er macht. Ich suchte mich zu fassen und ging an sein[249] Bette, wo er mir gleich zurief, ach gut, liebe Sophie, daß Sie da sind. Sie müssen heute nacht dableiben, Sie müssen mich sterben sehen. Ich suchte mich stark zu machen und ihm es auszureden, allein er erwiderte mir auf alles, ich habe ja schon den Totengeschmack auf der Zunge und wer wird denn meiner liebsten Constance beystehen, wenn Sie nicht hier blieben. Ja, lieber Mozart, ich muß nur noch zu unserer Mutter gehen und ihr sagen, daß Sie mich heute gern bey sich hätten, sonst gedenkt sie, es seye ein Unglück geschehen. Ja das tun Sie, aber kommen Sie ja bald wieder. Gott, wie war mir da zu Mute. Die arme Schwester ging mir nach und bat mich, um Gottes Willen zu denen Geistlichen bey St. Peter zu gehen und Geistlichen zu bitten, er möchte kommen, so wie von ungefähr. Das tat ich auch. Allein selbe weigerten sich lange und hatte viele Mühe, einen solchen geistlichen Unmenschen dazu zu bewegen – – – Nun lief ich zu der mich angstvoll erwartenden Mutter. Es war schon finster. Wie erschrak die Arme! Ich beredete selbe, zu der ältesten Tochter, der seligen Hofer, über Nacht zu gehen, welches auch geschah und ich lief wieder, was ich konnte, zu meiner trostlosen Schwester. Da war der Süßmayer bey Mozart. Am Bette dann lag auf der Decke das bekannte Requiem und Mozart explicirte ihm, wie seine Meinung seye, daß er es nach seinem Tode vollenden sollte. Ferner trug er seiner Frau auf, seinen Tod geheim zu halten, bis sie nicht vor Tag Albrechtsberger davon benachrichtigt hätte, denn diesen gehört der Dienst vor Gott und der Welt. Clossett, der Doktor, wurde lange gesucht, auch im Theater gefunden, allein er mußte das Ende der Piece abwarten – dann kam er und verordnete ihm noch kalte Umschläge über seinen glühenden Kopf, welche ihn auch so erschütterten, daß er nicht mehr zu sich kam, bis er nicht verschieden. Sein Letztes [250] war noch, wie er mit dem Munde die Pauken in seinem Requiem ausdrücken wollte, das höre ich noch jetzt. Nun kam gleich Müller aus dem Kunstkabinett und drückte sein bleiches erstorbenes Gesicht in Gips ab. Wie grenzenlos elend seine treue Gattin sich auf ihre Knie warf und den Allmächtigen um seinen Beystand anrief, ist mir, liebster Bruder, unmöglich zu beschreiben. Sie konnte sich nicht von ihm trennen, so sehr ich sie auch bat, wenn ihr Schmerz noch zu vermehren gewesen wäre, so müßte er dadurch vermehrt worden sein, daß den Tag auf die schauerliche Nacht die Menschen scharenweise vorbeygingen und laut um ihn weinten und schrien108.
Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 248-251.
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