Heftige Auseinandersetzung mit dem Erzbischof

[134] Mozarts Brief an den Vater;

Wien, am 9. Mai 1781


Mon trés cher Père!


Ich bin noch ganz voll der Galle! – und Sie als mein bester, liebster Vater, sind es gewiß mit mir. – man hat so lange meine Geduld geprüft – endlich hat sie aber doch gescheitert. Ich bin nicht mehr so unglücklich in Salzburgerischen Diensten zu seyn – heute war der glückliche Tag für mich; hören Sie; –

Schon zweymal hat mir der – ich weiß gar nicht, wie ich ihn nennen soll – die größten Sottisen und Impertinenzen ins Gesicht gesagt, die ich Ihnen, um Sie zu schonen, nicht habe schreiben wollen, und nur – weil ich Sie immer, mein bester Vater, vor Augen gehabt habe, nicht gleich auf der Stelle gerächt habe. – Er nennte mich einen Buben, einen liederlichen Kerl – sagte mir, ich sollte weitergehen – und ich – litte alles – empfand, daß nicht allein meine Ehre sondern auch die Ihrige dadurch angegriffen wurde – allein – Sie wollten es so haben – ich schwieg; – Nun hören Sie; – vor 8 Tägen kam unverhofft der Laufer herauf und sagte, ich müßte den Augenblick ausziehen; – den andern allen bestimmte man den Tag, nur mir nicht; [134] – ich machte also alles geschwind in den Koffer zusamm und – die alte Madme Weber war so gütig, mir ihr Haus zu offeriren – da habe ich mein hübsches Zimmer; bin bey dienstfertigen Leuten, die mir in allem, was man oft geschwind braucht, und (wenn man allein ist, nicht haben kann) an die Hand gehen. – Auf Mittwoch setzte ich meine Reise (als heute, den 9ten) mit der Ordinaire fest – ich konnte aber meine Gelder, die ich noch zu bekommen habe, in der Zeit nicht zusammen bringen, mithin schob ich meine Reise bis Samstag auf – als ich mich heute dort sehen ließ, sagten mir die Kammerdiener, daß der Erzbischof mir ein Paquet mitgeben will – ich fragte, ob es pressirt; so sagten sie Ja, es wäre von großer Wichtigkeit – so ist es mir leid, daß ich nicht die Gnade haben kann, S.H. Gnaden zu bedienen, denn ich kann, (aus obengedachter Ursache) vor Samstag nicht abreisen; – ich bin aus dem Hause, muß auf meine eigene Kösten leben – da ist es nun ganz natürlich, daß ich nicht eher abreisen kann, bis ich nicht imstands dazu bin – denn kein Mensch wird meinen Schaden verlangen. – Kleinmayer, Moll, Benecke und die 2 Leibkammerdiener gaben mir ganz recht. – Als ich zu ihm hineinkam; – NB. muß ich Ihnen vorher sagen, daß mir der Schlaucher geraten, ich mochte die Excuse nehmen, daß die Ordinari schon besetzt seye. Das seye bey ihm ein stärkerer Grund; – als ich also zu ihm hineinkam, so war das erste: – Erz: Nun, wann geht er denn, Bursch? – Ich: Ich habe wollen heute nacht gehen, allein der Platz war schon verstellt. Dann gings in einem Odem fort: – ich seye der liederlichste Bursch, den er kenne – kein Mensch bediene ihn so schlecht wie ich – er rate mir, heute noch weg zu gehen, sonst schreibt er nach Haus, daß die Besoldung eingezogen wird – man konnte nicht zu Rede kommen, das ging fort wie ein Feuer – ich hörte alles gelassen [135] an – er lügte mir ins Gesicht, ich hätte 500 fl. Besoldung – hieße mich einen Lumpen, Lausbub, einen Fexen – o ich möchte Ihnen nicht alles schreiben. – Endlich, da mein Geblüt zu stark in Wallung gebracht wurde, so sagte ich – sind also Ew. H. Gnaden nicht zufrieden mit mir? – Was, er will mir drohen, o er Fex! – Dort ist die Tür, schau er, ich will mit einem solchen elenden Buben nichts mehr zu tun haben – endlich sagte ich – und ich mit Ihnen auch nichts mehr – also geh er – und ich: im Weggehen – es soll auch dabey bleiben; morgen werden Sie es schriftlich bekommen. – Sagen Sie mir also, bester Vater, ob ich das nicht eher zu spät als zu frühe gesagt habe? – – Nun hören Sie; – meine Ehre ist mir über alles und ich weiß, daß es Ihnen auch so ist. –

Sorgen Sie sich gar nichts um mich; – ich bin meiner Sachen hier so gewiß, daß ich ohne mindester Ursache quittirt hätte – da ich nun Ursache dazu gehabt habe, und das 3mal – so habe ich gar keinen Verdienst mehr dabey; o contraire, ich war zweymal Hundsfott – das drittemal konnte ich es halt doch nicht mehr seyn; –

Solange der Erzbischof noch hier seyn wird, werde ich keine Accademie geben – daß Sie glauben, daß ich mich bey der Noblesse und dem Kaiser selbst übeln Credit setzen werde, ist grundfalsch – der Erzbischof ist hier gehaßt und vom Kayser am meisten. – Das ist eben sein Zorn, daß ihn der Kayser nicht nach Laxenburg eingeladen hat – ich werde Ihnen mit künftigem Postwagen etwas weniges von Geld überschicken, um Sie zu überweisen, daß ich hier nicht darbe. Übrigens bitte ich Sie, munter zu seyn – denn itzt fängt mein Glück an und ich hoffe, daß mein Glück auch das Ihrige seyn wird. – Schreiben Sie mir heimlich, daß Sie vergnügt darüber sind und das können Sie in der Tat seyn – und öffentlich aber zanken Sie mich recht [136] darüber, damit man Ihnen keine Schuld geben kann – sollte Ihnen aber der Erzbischof ungeachtet dessen die mindeste Impertinenz tun, so kommen Sie alsogleich mit meiner Schwester zu mir nach Wien – wir können alle 3 leben, das versichere ich Sie auf meine Ehre – doch ist es mir lieber, wenn Sie ein Jahr noch aushalten können – schreiben Sie mir keinen Brief mehr ins teutsche Haus, und mit dem Paquet – ich will nichts mehr von Salzburg wissen – ich hasse den Erzbischof bis zur Raserey.

Adieu – ich küsse Ihnen 1000mal die Hände und meine liebe Schwester umarme ich von Herzen und bin ewig Dero gehors: Sohn

W.A. Mozart


Schreiben Sie nur:

abzugeben auf dem

Peter im Aug Gottes

im 2t Stock.


Geben Sie mir Ihr Vergnügen

bald zu erkennen, denn nur

dieses fehlt mir noch zu

meinem itzigen Glück, Adieu.

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 134-137.
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