Achtzehntes Kapitel.

Was hat Beethoven in Bonn komponiert?

Wäre nicht die französische Revolution ausgebrochen, so war Bonn allem Anscheine nach bestimmt, ein glänzender Mittelpunkt für Künste und Wissenschaften zu werden. Im Vorhergehenden ist die geistige Erhebung und Tätigkeit daselbst, welche schon die letzten Jahre Max Friedrichs auszeichnete, und welche sich unter der Regierung seines Nachfolgers in glänzender Weise erhöhte, ausführlich geschildert worden. Der anregende Einfluß solcher Perioden, wenn die kirchlichen und staatlichen Autoritäten einen vernünftigen Grad von Freiheit der Gedanken und Ansichten zulassen, wird auf allen Gebieten geistiger Tätigkeit empfunden; Wissenschaft, Literatur und Künste blühen; das schöpferische Genie findet Nahrung, und unter der Wirkung und Gegenwirkung der Geister untereinander entfaltet es sich, breitet sich aus und erlangt ein kräftiges Wachstum. Oder, wenn originelle und produktive Geister nicht vorhanden sind, ersetzen gewöhnliche Menschen durch die Quantität, was der Qualität ihrer Produktivität abgeht. In Bonn wurde durch des Kurfürsten Geschmack und Liebe für Musik diese Kunst, was in Weimar durch Goethes Einfluß Poesie und Drama war, künstlerischer Ausdruck und Inbegriff der Bestrebungen der Zeit. In dieser Kunst, unter Musikern und Komponisten, lebte und webte Beethoven, ausgestattet mit einem Genie, dessen Originalität selten, wenn überhaupt jemals übertroffen worden ist. Seine Vorgesetzten, Lucchesi, Reicha, Neefe, waren unermüdlich in ihrer Tätigkeit für die Kirche, die Bühne und den Konzertsaal; seine Genossen Andreas Perner, Anton Reicha, die beiden Romberg, waren fruchtbar in allen Gattungen der Komposition von der Variation bis zur Oper und zum Oratorium; und bei der Aufführung ihrer Werke wirkte er natürlich als Organist, Klavierspieler oder Bratschist mit. Die Trophäen des Miltiades ließen den Themistokles nicht schlafen. Mußte nicht der Beifall, der den Szenen, Duos, Trios, Quartetten, Konzerten, Sinfonien und Opern seiner Freunde gezollt wurde, den Trieb der Nacheiferung in ihm erwecken? Sollte er damit zufrieden gewesen sein, nur der Ausführende zu sein und die Komposition anderen zu überlassen? Wie unbegreiflich klein erscheint demgegenüber die Zahl der Kompositionen, von [293] denen bisher bekannt und erwiesen war, daß sie in diese Periode seines Lebens gehören!

Es ist wahr: wenn man an die reiche Tätigkeit, welche andere, namentlich Mozart, schon in ihrer Knabenzeit entfalteten, und wenn man an die Anregungen dachte, welche dem jungen Beethoven in Bonn geboten waren, so durfte man sich wundern über die geringe Zahl und die geringe Bedeutung der Kompositionen, welche erweislich seinem Op. 1, den drei großen Trios, durch die er zuerst als fertiger Künstler im Alter von 24 Jahren der Welt sich zeigte, vorhergegangen waren. Noch Otto Jahn (Ges. Aufs. S. 301) konnte von den ehemals bekannten sagen: »sie erregen mehr Erstaunen, daß nach diesen Anfängen so große Leistungen haben erfolgen können, als daß sie uns die Keime gewahren ließen, aus denen sie sich entwickeln konnten.«

Etwas anders ist das Bild nun doch geworden. Nicht nur sind die Anfänge mancher Werke, welche er als reife Erzeugnisse seines Genius später hat ans Licht treten lassen, bis in die Bonner Zeit zurückzuverfolgen; es sind uns Werke der Jugendzeit, welche unbekannt und teilweise ganz verschollen waren, durch die Gunst des Schicksals wiedergegeben worden, welche im Anschlusse an die bedeutsamen drei Klavierquartette von 1785 nicht nur ein stetiges Fortschreiten erkennen lassen, sondern uns den selbständigen, individuell entwickelten Künstler viel früher zeigen, als man bisher anzunehmen gewohnt war. Mochte der junge Mann persönlich sich gern abschließen und mit seinem Innern sich beschäftigten; sein künstlerischer Drang hatte nicht bloß äußere Anregung, sondern auch inneren Antrieb genug, sich in den Formen, welche ihm Studium und Erfahrung vertraut gemacht hatten, auszusprechen. Seitdem wir die Kantaten und verschiedene andere Arbeiten der Bonner Zeit wieder besitzen oder genauer als solche kennen, werden wir uns von der üblichen Vorstellung frei machen müssen, welche uns Beethoven als langsam und spät entwickelten Meister zu betrachten gewöhnt hatte.

Die bis zum Jahre 1785 geschriebenen Arbeiten, soweit sie als solche feststehen, sind früher besprochen1; es war hervorgehoben, wie die Quartette von 1785, wesentlich unter Mozartscher Einwirkung, schon mehrfach auf die Haydn gewidmeten SonatenOp. 2 hinüberweisen. Wenn wir jetzt die von Beethoven bis zu seiner Abreise von Bonn komponierten Werke an unserem Blicke vorüberführen, so können wir bei derselben eine chronologische [294] Reihenfolge nicht mehr beobachten, weil die Zeit der Entstehung nur in wenigen Fällen feststeht; wir ordnen sie daher nach den Kompositionsgattungen2.

Das größte Interesse unter Beethovens Bonner Kompositionen bieten zweifellos die beiden neuerdings wieder aufgefundenen Kantaten auf den Tod Josephs II. und auf die Erhebung Leopolds II. Beethoven hatte dieselben weder zur Aufführung gebracht, noch herausgegeben; sie waren gänzlich verschollen. Nottebohm machte darauf aufmerksam, daß geschriebene Partituren derselben in dem Auktionskataloge des Baron de Beineschen Nachlasses (Wien im April 1813) angezeigt waren3. Wahrscheinlich hat Hummel sie damals erworben; wenigstens kamen sie aus seinem Nachlaß in das Antiquariat von List und Francke in Leipzig, aus welchem sie Herr Armin Friedmann in Wien kaufte (1884). Die Nummer stimmte mit dem de Beineschen Verzeichnisse; zu der inneren Gewähr, welche dem Kundigen sofort deutlich sein mußte, kam also die äußere Beglaubigung hinzu. Ed. Hanslick machte die Welt zuerst mit dem neuen Funde bekannt4; im November 1884 erlebte die Trauerkantate in Wien ihre erste Aufführung, welcher am 29. Juni 1885 die in Bonn folgte. Dann wurden beide im Supplementbande der neuen Gesamtausgabe5 veröffentlicht.

Die »Cantate auf den Tod Joseph's des Zweiten. In Musik gesetzt von L. van Beethoven« ist zwischen März und Juni 1790 geschrieben. [295] Der Tod des Kaisers war am 20. Februar 1790; am 24. Februar erreichte die Nachricht Bonn. Alsbald bereitete die Lesegesellschaft eine Trauerfeier vor, die am 19. März stattfand; Professor Eulogius Schneider hielt die Gedächtnisrede. Bei der Vorberatung (28. Febr.) hatte er den Wunsch geäußert, »daß entweder vor oder nach der Rede etwas Musikalisches aufgeführt würde; eine Cantata werde einen herrlichen Effect machen; ein hiesiger junger Dichter habe ihm heute einen Text vorgelegt –; es komme also nur darauf an, daß einer von den vortrefflichen Tonkünstlern, welche Mitglieder unserer Gesellschaft sind, oder auch ein auswärtiger Tonkünstler sich die Mühe der Komposition geben wollte«. Einen Berufeneren als Beethoven konnte es in Bonn nicht geben; seine einflußreichen Freunde (vor allen Waldstein) waren Mitglieder der Gesellschaft; hier haben wir also zweifellos die Veranlassung zur Entstehung der Kantate zu suchen. Bei der letzten Vorberatung heißt es (17. März): »Die vorgeschlagene Cantate kann aus mehreren Ursachen nicht aufgeführt werden.« Zu diesen Ursachen kann die angeblich zu große Schwierigkeit für die Blasinstrumente gehört haben, welche später der Aufführung in Mergentheim entgegenstand6; eher noch dürfte der Umstand angeführt werden, daß Beethoven in der freilich sehr kurz bemessenen Frist nicht fertig geworden war.

Auch den Namen des Textdichters kennen wir jetzt. In dem Briefe eines Ungenannten an den Kammerherrn Freiherrn Clemens August von Schall7 vom 16. Brachmonat [Juni] 1790 heißt es: »Im musikalischen Fache hat Bethof eine Sonate auf den Tod Josephs II.– der Text ist vom Averdonk – so vollständig verfertigt, daß sie nur von einem hiesigen ganzen, oder deßgleichen Orchester aufgeführt werden kann.« Severin Anton Averdonk, »Kanonikuskapitul. in Ehrenstein, Kandidat auf der hohen Schule zu Bonn«, ist Verfasser einer »Ode auf den Tod Josephs und Elisens«, welche Eul. Schneider im März 1790 mit einem Vorbericht in Bonn herausgab; darin führt er den Dichter als zwanzigjährigen Jüngling ein, was zu dem »jungen Dichter« in dem Protokoll der Lesegesellschaft [296] stimmt8. Kurfürst Max Franz schrieb am 31. Oktober 1791 an v. Spiegel in Sachen des Bonner Gymnasiums, es sei dem Leiter aufzutragen, »unter denen jungen Leuten stets künftige Gymnasienlehrer nachzuziehen, damit man weder Schneidere aus der Fremde mit großen Kösten herbeikommen zu lassen noch zur Seelsorge sich qualificirende Mönche wie z.B. Averdonk von selber abwendig zu machen und zum Minnesänger zu machen brauche«9. Offenbar ist das derselbe Averdonk, wie schon aus der sehr unmutigen Anspielung auf Schneiders Einfluß hervorgeht. Noch 1813 erscheint Averdonk unter den Dichtern zur Feier des 25 jährigen Bestehens der Lesegesellschaft10.

Von der dichterischen Gabe Averdonks gewährt dieser Text keine hohe Meinung. Seine Trauer und seine Verehrung mag ja aufrichtig gewesen sein; aber den einfachen Ausdruck derselben müssen große Worte, die ihm reichlich zu Gebote stehen, ersetzen. Nachdem in schwülstigen Ausdrücken die Totenklage eingeleitet ist (»Todt! stöhnt es durch die öde Nacht; Felsen, weinet es wieder, und ihr Wogen des Meeres, heulet es durch eure Tiefen; Josef der Große, der Vater unsterblicher Thaten, ist todt!«), läßt er das Ungeheuer »Fanatismus« aus den Tiefen der Hölle steigen und sich zwischen Erde und Sonne ausbreiten, so daß Nacht ward; da kam Joseph mit Gottes Stärke, zertrat ihm das Haupt, und nun stiegen die Menschen ans Licht und erlebten selige Zeiten. Nun schlummert entgegen dem Tage der Vergeltung, »wo du glückliches Grab ihn zu ewigen Kronen gebierst«, er, der große Dulder, »der hienieden kein Röschen ohne Wunde brach«, »der unter seinem vollen Herzen das Wohl der Menschheit unter Schmerzen bis an sein Lebensende trug«; er ist dahin!

Beethoven hat die Kantate für Solo, Chor und Orchester (letzteres ohne Trompeten und Pauken) geschrieben. Um es gleich zu sagen: er erst [297] hat uns über den Bombast des Textes zu einfach menschlicher Empfindung zurückgeführt. Er hatte die Verehrung für seinen unmittelbaren Landesherrn auf dessen kaiserlichen Bruder Joseph, den er ja bei seinem ersten Wiener Besuche schon gesehen hatte, übertragen und gab jetzt dem allgemeinen Schmerzgefühle unmittelbaren Ausdruck. Der erste Chor (dessen Worte vorher angeführt wurden) zeigt tief ernsten, fast düstern Ausdruck; die Gänge der Blasinstrumente, besonders eine abgebrochene Flötenfigur, wie auch die ersten Rufe und Motive des Chores entsprechen ganz dem Gefühle der Verlassenheit; in den eingeschobenen, imitierend sich folgenden Solostimmen kommt weicherer Schmerz zur Darstellung. Die Empfindung ist einfach und wahr; die formelle Gestaltung und die Behandlung der Tonmittel zeigt genaue Kenntnis und geübte Künstlerhand. Ein Rezitativ mit heftig bewegter Begleitung und darauf eine kräftige Arie, für Baß, gibt dem Zorn über jene dem Kaiser entgegenstehenden Gewalten Ausdruck. Bei aller Anerkennung der Sicherheit, mit welcher der Ton getroffen wird, müssen wir doch sagen, daß hier der junge Künstler etwas zu sehr dem Bühnengeschmack der Zeit folgt; es bringt fast zum Lächeln, wie er sich ordentlich darin wiegt, in den Gängen der Stimme den Triumph zu schildern, mit welchem Joseph dem Ungeheuer aufs Haupt tritt. Vermutlich hat er, als er die Arie schrieb, einen bestimmten, ihm bekannten Sänger, etwa Lux, vor Augen gehabt. Dann folgt eine Sopranarie mit Chor, von obligaten Blasinstrumenten begleitet; sie stellt das Glück dar, welches die Menschheit in dem von der kaiserlichen Sonne ausstrahlenden Lichte genießt. Die edle Würde der Melodie und der herrliche Wohllaut der Instrumentierung breiten über dieses Stück einen wunderbaren Zauber. Diese Nummer in dem frühen Jugendwerke blieb auch dem gereiften Meister besonders wert; fünfzehn Jahre später hat er sie im Fidelio wieder verwertet, an der Stelle des zweiten Finales, wo die Abnahme der Ketten des Gefangenen durch die rettende Gattin tiefe Rührung und Hoffnung auf neues, dauerndes Glück über die Anwesenden ausgießt. Der äußere Anlaß ist ganz verschieden; darauf kommt es für die Musik nicht an; aber der ganz verwandten Stimmung, der einer Lösung von schwerem Drucke und einer dankerfüllten Hoffnung, wie sie im Gemüte des Komponisten lebte, konnte sie sich anpassen. In der vierten Nummer, Rezitativ und Arie für Sopran, kommt der persönliche Schmerz noch einmal in edlen, wahr empfundenen Motiven zum Ausdruck; man wird an Mozartsches Vorbild erinnert. Dann wird der Anfangschor wiederholt, mit geändertem und ausgeführtem, langsam verhallendem Schlusse; in den kurz abgestoßenen [298] Akkorden der Blasinstrumente (die freilich große Präzision des Zusammenspiels fordern) zu den klagenden Weisen der Singstimmen wird die Schmerzbewegung recht sprechend dargestellt.

Man wird bei genauerem Studium gewiß manche Stellen finden, in denen man die Melodieführung fließender, die Verbindungen ausgeführter, vielleicht auch die Modulation korrekter wünschen könnte. Aber gerade die Merkmale, die uns den noch strebenden Jüngling zeigen, wollen wir nicht wegwünschen; gerade sie zeigen die volle Naivetät des Schaffenden, den keine Absicht leitet, mehr zu scheinen, als er ist. Wer das Werk in seiner Gesamtheit betrachtet, erkennt nicht nur die voll und selbständig entwickelte Erfindungskraft, sondern auch das ernstliche und unablässige Studium an den Quellen, welche ihm in Bonn flossen. Zu den theoretischen Unterweisungen Neefes war die volle Kenntnis des Orchesters, der Leistungsfähigkeit der Singstimmen, außerdem die Bekanntschaft mit den Hauptwerken nicht allein Mozarts, sondern überhaupt der hervortretenden Meister der Bühnen- und Orchester-Musik hinzugekommen; aber auch Vorbildern gegenüber macht sich die Künstlerpersönlichkeit Beethovens als gleichberechtigt, man darf schon sagen als überragend geltend. Er hat hier keine Gelegenheit gehabt und gesucht, die schwierigen Künste des polyphonen Satzes anzuwenden; aber in dem Gebiete, welches ihm erschlossen war, stand er fest und bewies nicht nur die Fähigkeit, die Tonmittel seiner Intention gemäß zu verwenden, sondern zeigte auch in schönen und der Stimmung entsprechenden Melodien und zahlreichen, oft unscheinbaren Zügen der Begleitung den Reichtum seiner Erfindungskraft. »Es ist alles und durchaus Beethoven«, sagte Johannes Brahms beim Durchspielen des neu entdeckten Werkes; »man könnte, wenn auch kein Name auf dem Titelblatte stände, auf keinen andern raten11

Auch von der zweiten Kantate auf Kaiser Leopolds II. Krönung (sie führt den Titel: »Cantate auf die Erhebung Leopolds des Zweiten zur Kaiserwürde, in Musik gesetzt von L. van Beethoven«) kann man dasselbe sagen: sie ist ganz Beethoven. Trotzdem wird man es erklären können, wenn man von derselben weniger angezogen wird als von der ersten. War doch auch der junge Meister selbst von dem Gegenstande weit weniger ergriffen. Bei der Trauerkantate war er mit dem Herzen beteiligt; hier sollte nur ein glänzendes Feststück geliefert werden; von [299] dem neuen Herrscher wußte er ja nichts. Auch hier sind die Melodien meist edel und ansprechend; die Orchesterbehandlung zeigt den genauen Kenner und weist manche ganz eigentümliche Züge auf; die Behandlung der Singstimmen in Chor- und Solosätzen läßt Übung und Einfluß guter Vorbilder erkennen.

Die Wahl Leopolds II. zum römischen Kaiser erfolgte am 30. September 1790, die Krönung am 9. Oktober; Kurfürst Max Franz war seiner Stellung entsprechend in Frankfurt anwesend. Das gibt uns den Fingerzeig für die Zeit der Komposition der Kantate; ob Beethoven zu derselben vom Kurfürsten beauftragt war, wissen wir nicht12. Der Dichter war wohl wieder Averdonk; der Anfang gibt sich als Fortsetzung der früheren zu erkennen; von seinem Geschmack mag es zeugen, daß er Jehova vom Olymp herabsehen läßt13. So mutet uns auch Beethovens Musik gleich zu Anfang wie eine Fortsetzung der Trauerkantate an. Ein langes begleitetes Rezitativ (im 4. Takt von einem kurzen Chorsatze unterbrochen) gibt noch einmal kurz der Klage Ausdruck (»Er schlummert! Laßt sanft den großen Fürsten ruhen!«), um dann von dem Erbarmen Jehovas Kunde zu geben; nach Donner und Blitz teilen sich die Wolken, und Leopold erscheint. Mit Geschick und richtigem Nachempfinden folgt der junge Meister den Worten und weiß mit einer kurzen, schlichten Wendung der Harmonie, welche den genialen Künstler verrät, die veränderte Stimmung einzuleiten. Das Gefühl der Wonne wird dann in einer großen Koloraturarie mit langem Vorspiele ausgeführt, in welcher obligate Flöte und Violoncell mit ihren anmutigen Freudenmotiven den Glanz erhöhen. An die Höhe und Geläufigkeit der Sängerin werden hier starke Anforderungen gestellt, wobei ihm wohl lebende Muster in Bonn vorschwebten; aber trotz aller Selbständigkeit, mit welcher er auch diesen ihm neuen Stil handhabt, werden wir doch sagen müssen, daß er dem Zeitgeschmack etwas mehr wie nötig gehuldigt hat. Nach zwei kurzen Rezitativen für Baß und Tenor folgt ein Terzett für Sopran, Tenor und Baß (»Ihr, die Joseph ihren Vater nannten, weinet nicht mehr!«), in seiner schlichten Anmut ein hübscher Gegensatz zu dem vorangegangenen Bravourstück; die drei Stimmen sind geschickt ihrer Natur gemäß behandelt und in imitierenden Figuren selbständig, wenn auch nicht immer korrekt und zuweilen etwas [300] steif geführt; die Begleitung zeigt wieder den gewiegten Kenner. Über den großen Schlußchor ist nur zu sagen, daß er der Festesfreude einen hellen, glänzenden Abschluß geben will und diese Absicht auch vollständig erfüllt. Deklamation der Worte, Führung der Singstimmen, die Behandlung des vollen Orchesters, alles verrät Kenntnis und Sicherheit im Treffen des rechten Tones; freilich wird man die Übung in eigentlicher Mehrstimmigkeit noch nicht suchen dürfen. Er macht wohl Ansatz dazu, läßt mehrfach die Stimmen nach Fugenart (nicht gerade immer regelrecht) nacheinander auftreten, um dann bald sie wieder zusammengehen zu lassen; gleichsam ein unwillkürliches Geständnis, daß er der ausgeführten Fugenform noch nicht Herr war. Die Motive fallen durch besondere Bedeutung nicht auf, das der zweiten Abteilung (»Erschallet, Jubelchöre, daß laut die Welt es höre«) klingt sogar etwas alltäglich, führt aber doch wieder zu kräftiger Erhebung. Daß der junge Beethoven die Worte: »Stürzet nieder, Millionen!« zu komponieren hatte, mag als Vorbedeutung gelten und zur Vergleichung auffordern, wie er später solche Empfindungen zu vertiefen gewußt hat14. Auch eine den Satz beherrschende Violinfigur hat er in späteren Werken wieder verwendet. Ein mächtiges »Groß ist er!« schließt das Stück.

Die beiden Kantaten bezeichnen jetzt für uns den Höhepunkt von Beethovens Bonner Schaffen und geben uns, mögen ihnen auch noch Mängel anhaften, ein ganz anderes Bild von seinem Streben und Können, als man es früher hatte. Seine künstlerische Individualität war innerlich gereist; was ihn in technischer Hinsicht Bonn lehren konnte, darüber verfügt er mit souveräner Sicherheit15. Kompositionen dieser Art hatte gewiß auch Professor Fischenich im Auge, als er bei Übersendung eines Liedes (s.u.) an Charlotte von Schiller schrieb: »Ich erwarte etwas vollkommenes, denn so viel ich ihn kenne, ist er ganz für das Große und Erhabene.«

[301] Den Kantaten reihen wir zwei Arien für eine Baßstimme mit Begleitung des Orchesters an, welche nach der Handschrift ebenfalls in die Zeit um 1790 zu setzen sind. Die erste, deren Autograph sich auf der Berliner Bibliothek befindet, hat die Überschrift: »Prüfung des Küssens, in musik gesetzt v. L. v. Beethowen.« Schon die Schreibung des Namens deutet auf frühe Zeit. Die Arie, zweiteilig (doch ohne Wiederholung), ist melodisch hübsch erfunden und mit Humor, dem Buffo-Charakter gemäß, durchgeführt16. Den Text zu der zweiten Arie, »Mit Mädeln sich vertragen«, deren Autograph sich in der Sammlung von Artaria befand (dann im Besitz vonDr. Prieger in Bonn), hat Beethoven aus der ersten Bearbeitung von Goethes Claudine von Villa Bella entnommen. Diese war 1776 erschienen und von C. G. Weber 1784 in Musik gesetzt; mit Musik von v. Beecke war das Stück schon 1780 in Wien aufgeführt worden. Beethoven konnte es wohl in seinem Kreise kennen gelernt haben17. Die Aufschrift ist die gleiche wie bei der ersten Arie, auch mit der unrichtigen Namensform; auch Schrift und Papier deuten auf dieselbe Zeit. Die Arie, nicht zweiteilig, sondern in raschem unaufhaltsamen Zuge sich entwickelnd, ist lebhaft und munter, folgt glücklich den Nuancen des Ausdrucks im Texte und enthält wieder überraschende humoristische Züge; man beachte den kecken Ausdruck in den Worten »und steht der Neider an der Wand« am Schlusse. Wir erkennen die frühe Sicherheit, charakteristisch zu schreiben, und die schon in dem jungen und in sich gekehrten Manne vorhandene Neigung zu Scherz und Humor, welche sich noch so reich entwickeln sollte. Das Orchester ist, wie schon in der ersten Arie, einfach zusammengesetzt; zum Streichquartett treten nur Oboen und Hörner. Darf eine Vermutung geäußert werden, so hat Beethoven die Arien für einen der Bonner Sänger, vermutlich wiederum Lux, geschrieben. Lange unbekannt, wurden [302] sie erst in neuerer Zeit im Supplementbande der Gesamtausgabe bekannt gemacht18.

Eine nicht ganz kleine Anzahl von Liedern aus der Bonner Zeit sind den beiden Arien anzuschließen. Das schöne, tief gemütvolle Lied: »Ich der mit flatterndem Sinn bisher ein Feind der Liebe bin«, von edlem, echt Beethovenschen Zuge der Melodie, ist auch erst durch die neue Gesamtausgabe bekannt geworden19. Das Autograph, ohne Überschrift, befindet sich auf der Berliner Bibliothek; ein Entwurf des Liedes steht auf einem Skizzenblatte neben Entwürfen zu den Variationen über Se vuol ballare; daraus schloß Nottebohm (II. Beeth. S. 573) auf 1792 als Jahr der Entstehung. Charakteristisch ist die feinsinnige, »flatternde« Begleitungsfigur; ein Motiv in den Zwischenspielen findet sich ähnlich im letzten Satz des Klavierkonzerts in C-dur.

Von den Liedern der als Op. 52 veröffentlichten Sammlung gehört das zweite, Feuerfarb', Text von Sophie Mereau20, in die Zeit des Übergangs von Bonn nach Wien. Am 26. Januar 1793 schrieb Fischenich an Charlotte von Schiller: »Ich lege Ihnen eine Composition der Feuerfarbe bei und wünschte Ihr Urtheil darüber zu vernehmen. Sie ist von einem hiesigen jungen Mann, dessen musikalische Talente allgemein gerühmt werden, und den nun der Churfürst nach Wien zu Haydn geschickt hat. Er wird auch Schillers Freude und zwar jede Strophe bearbeiten. Ich erwarte etwas vollkommenes, denn soviel ich ihn kenne, ist er ganz für das Große und Erhabene. Haydn hat hierher berichtet, er würde ihm große Opern aufgeben, und bald aufhören müssen zu componiren. Sonst gibt er sich nicht mit solchen Kleinigkeiten ab, wie die Beilage ist, die er nur auf Ersuchen einer Dame verfertigt hat.« Daraus darf man wohl schließen, daß das Lied vor Beethovens Abreise fertig war. Beethoven gab ihm nach der Beendigung noch ein neues Nachspiel, welches in einer Skizze unter Motiven des Oktetts und des C-moll-Trios begegnet, und welches nicht recht zum Ganzen paßt. Das Lied ist strophisch komponiert [303] (immer zwei Strophen zusammen), die Melodie schlicht und anmutig und mehr dem Rhythmus wie den einzelnen Worten angepaßt21.

Von den übrigen Liedern unter Op. 52 mögen mehrere noch aus der Bonner Zeit stammen, was z.B. für das erste (Urians Reise) feststeht. Die meisten sind Strophenlieder und dem vorigen entsprechend zu beurteilen. Daß diese Lieder, welche im Vergleiche mit anderen großen Werken Beethovens von der Kritik sehr ungünstig aufgenommen wurden, heimlich und ohne Beethovens Wissen veröffentlich worden sind22, wird vom Verfasser (Bd. II, S. 210 der ersten Auflage) bezweifelt. Außerdem werden noch folgende Lieder mit Wahrscheinlichkeit in diese Übergangszeit oder noch früher gesetzt: »An Minna« (Br. & H., G.-A. S. 25 Nr. 280), auf einem Bogen mit anderen Entwürfen und der Feuerfarbe befindlich, jedenfalls erst in der ersten Wiener Zeit niedergeschrieben. Ferner ein Trinklied »beim Abschied zu singen« (»Erhebt das Glas mit froher Hand«) (S. 25 Nr. 282), mit kurzem Chor-Refrain, einfach und treffend im Ausdruck, dessen Komposition nach der Handschrift in sehr frühe Zeit (um 1787) gesetzt wird23; dies geschieht auch bezüglich der »Elegie auf den Tod eines Pudels« (S. 25 Nr. 284), einem in seiner humoristischen Klage ganz ausdrucksvollen Liede, dessen letzte Strophe er hübsch nach dem schwermütigen F-moll in der Durtonart behandelt; im übrigen ohne hervortretende Züge. Etwas höher steht »Die Klage« von Hölty (S. 25 Nr. 283); da die ursprüngliche handschriftliche Fassung gleichzeitig mit Skizzen zu der Trauerkantate erscheint, ist das Lied dem Jahre 1790 zuzuweisen. Die von Beethoven im Autograph beigeschriebenen Bemerkungen über Tempo und Vortrag lassen erkennen, wie er schon in dieser frühen Zeit über die Art der Darstellung nachgedacht hat. Einer sehr frühen Zeit gehört nach Wegelers Zeugnis (Not. S. 47) das Lied »Wer [304] ist ein frei er Mann?« an24, dessen erste Bearbeitung auch durch die Handschrift spätestens dem Jahre 1790 zugewiesen wird; eine zweite entstand wahrscheinlich 1795. Einer dritten legte Wegeler einen andern Text unter (»Was ist des Maurers Ziel?«), mit welchem es 1806 zuerst erschien. Das Lied, in welchem der Chor (einstimmig) mit einer Einzelstimme wechselt, ist einfach und kräftig; es kann auch seinem Gehalte nach recht wohl aus früher Zeit stammen. Vielleicht noch etwas älter ist ein bisher nicht gedrucktes, kleines Punschlied in G-dur (6/8)25, ebenfalls durchaus anspruchslos und für gesellige Zwecke bestimmt. Endlich wird auch das kleine Lied: »Man strebt, die Flamme zu verhehlen« (Br. & H., G.-A. S. 25 Nr. 278) vermutungsweise in die Zeit um 1792 (Mandyczewski im Rev.-Ber. 1792–95) gesetzt. Das Autograph, im Besitze der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, trägt von Beethovens Hand die Aufschrift: pour Madame Weissenthurm par Louis van Beethoven. Frau von Weißenthurn, Schauspielerin und Schriftstellerin, gehörte seit 1789 dem Burgtheater an; Beethoven hat sie also doch wohl, obgleich sie geborne Rheinländerin war, erst in Wien kennen gelernt, und so mag das Lied auch erst in die ersten Wiener Jahre gehören. In der Einfachheit seiner Form und melodischen Gestaltung weist es auf frühe Zeit; allerdings auch dadurch, daß es in der Deklamation entschiedene Mängel zeigt.

Die genannten Lieder, den Texten und der Behandlung nach verschieden und wohl meist, wie es von der Feuerfarbe bezeugt ist, zufälligen Anlässen entsprungen, gestatten nicht, einen besonderen Stil für das Lied in dieser Jugendperiode Beethovens aufzustellen. Zu einer Zeit, da von einem eigentlichen Kunstliede noch nicht gesprochen werden konnte, da auch die höhere Lyrik in der Literatur, zumal die Goethesche, im Gemüte des Jünglings noch selten erklungen sein mag, schloß er sich ohne viel Wahl und Kritik der überlieferten Form an. Man darf auch hier Mozart als sein Vorbild bezeichnen, während auch sein Lehrer Neefe, der selbst Lieder komponierte, nicht ohne Einfluß geblieben sein wird. Er komponiert am liebsten strophisch und erfindet dementsprechend aus der Stimmung und nach dem Rhythmus wohlklingende Melodien, welchen sich dann meist die Worte anpassen müssen. Es sind ihm »Kleinigkeiten«. Anderseits [305] zeigt er sich in den Kantaten und Arien mit Orchester mit den durch die Bühne entwickelten Formen des Kunstgesangs wohl vertraut und läßt Größeres für die Zukunft ahnen. Eine allgemeine Bemerkung sei hier gestattet. Es ist öfters gesagt worden, daß Beethoven nach seiner Hauptanlage mehr auf die Instrumentalmusik als auf die Vokalmusik hingewiesen gewesen sei und daher auch jener sich häufiger und lieber zugewandt habe, und ferner, daß es ihm immer schwer gewesen sei, den Forderungen des Gesanges und der Leistungsfähigkeit der Singstimme sich anzupassen. Ob es überhaupt ästhetisch haltbar ist, einen solchen Unterschied der Anlage in das Innere des schöpferisch begabten Musikers hineinzutragen, ist uns sehr zweifelhaft; man verwechselt da leicht, was in der Natur des schaffenden Genius selbst begründet ist, mit dem, was Gewöhnung, Wahl und Übung mit sich brachten. Jene erstere Meinung wird nun doch wohl eine Einschränkung erfahren müssen, seitdem wir wissen, daß die Hauptwerke aus Beethovens Bonner Zeit Vokalwerke waren26; es wäre doch auch wunderbar, daß der Knabe, der aus einer Sängerfamilie stammte und täglich in seiner Umgebung singen und über Gesang sprechen hörte, der vokalen Kunst geringere Aufmerksamkeit zugewendet haben sollte. Wenn er trotzdem sowohl in seiner frühesten wie periodenweise auch in späterer Zeit die Komposition für Klavier mit besonderem Eifer gepflegt hat, so erklärt sich dies völlig aus dem Umstande, daß er auf diesem Instrumente früh Meister war, während von eigener stimmlicher Fertigkeit nichts bekannt ist. Sieht man weiter auf die aufgezählten Kompositionen des Jünglings (von den naiven Versuchen des Knaben wollen wir hier absehen) für Gesang, so wird man über die Sangbarkeit derselben nicht im Zweifel sein können27. Wenn er an die Höhe und Geläufigkeit der Stimme [306] z.B. in den Kantaten starke Anforderungen stellte, so kannte er die Sänger, welche ihm beim Schreiben vorschwebten. In den Chorsätzen dürfte z.B. dem Alt zuweilen zu große Höhe zugemutet sein; dazu mag ihn auch, was er in Bonn hören konnte, berechtigt haben. In den getragenen Gesängen aber und zumal in den Liedern gewahren wir durchaus genaue Beachtung des Stimmumfangs und der bequemen Ausführbarkeit durch die Stimme; die einfachen und natürlichen Melodien singen sich, möchte man sagen, fast von selbst; und der Ausdruck der Worte ist, wo nicht strophisch komponiert wird, durchaus in Tempo und Betonung feinsinnig beachtet. Wie er sich in späteren Zeiten, als ihm durch sein Leiden die Freude am frischen, frohen Klingen nicht mehr gegönnt war, als er die Forderungen der Stimme, aber auch der Instrumente, seiner künstlerischen Idee rücksichtslos unterordnete, in diesen Dingen verhielt, das muß besonderer Betrachtung der einzelnen Werke vorbehalten bleiben. An dieser Stelle war nur die Absicht, die Warnung auszusprechen, daß man sich bei Betrachtung von Beethovens Wesen nicht unbesehen landläufigen Vorstellungen hingebe, welche weder ästhetisch noch tatsächlich genügend begründet sind. –

Wir haben uns nun den Instrumentalwerken zuzuwenden, welche aus der Bonner Zeit stammen.

Den Anfang machen wir mit einem Werke, welches Beethoven zum ersten Male in gewisser Weise mit einer Bühnenaufführung in Verbindung brachte: der Musik zu einem Ritterballett, welches am Fastnachtssonntage den 6. März 1791 im Redoutensaale von dem hohen Adel aufgeführt wurde und demnach nicht lange vorher, 1790 auf 1791, komponiert war. Das Ballett war von Waldstein in Verbindung mit dem Tanzmeister Habich aus Aachen eingerichtet; er galt auch als Verfasser der Musik, da Beethoven, der sie für ihn geschrieben hatte, sich nicht nannte28. Über den Inhalt der Darstellung wissen wir nichts weiter, als was der früher (S. 256) mitgeteilte Bericht aus Bonn erzählt, daß nämlich die Hauptneigungen unserer Urväter zu Krieg, Jagd, Liebe und [307] Zechen darin berücksichtigt waren; auch die Musik kann uns, da sie ohne Text29 ist, weitere Aufklärung nicht geben. Sie besteht aus acht Stücken, alle in kurzer Form, welche die Pantomime zu begleiten bestimmt sind. Das erste (»Marsch«, D-dur), auf ein charakteristisch, glücklich erfundenes Motiv gebaut, begleitet den Einzug; das Orchester besteht außer dem Streichquartett aus Hörnern, Trompeten, Klarinetten, Pauken und Pikkoloflöte, der Beziehung auf festlichen Glanz entsprechend. Das zweite (»Deutscher Gesang«, D-dur), noch einfacher und kürzer, hat neben dem Quartett nur Hörner und Klarinetten; das Motiv kehrt ähnlich, nur edler und ausdrucksvoller, in einer späteren Sonate wieder. Ebenso schlicht und anspruchslos ist Nr. 3 (»Jagdlied«), außer den Tuttistellen nur für Hörner und Klarinetten geschrieben. Zart und anmutig ist die Romanze (Nr. 4, H-moll), pizzicato von den Streichinstrumenten gespielt, charakteristisch in Bewegung und Modulation; sie ist jedenfalls das von Wegeler erwähnte Minnelied. Kraft und Mut atmet das Kriegslied (Nr. 5, D-dur) derb und kräftig ist das Trinklied (Nr. 6, D-dur), von einem zarten, humoristischen Zwischensatz in G-dur unterbrochen. Nach den drei letzten Stücken wird jedesmal der deutsche Gesang wiederholt. Es folgt ein [308] munterer deutscher Tanz (Nr. 7, D-dur) und zum Schluß eine fröhliche, frische Coda (wieder D-dur), in welcher als Zwischenstück nochmals der deutsche Gesang, etwas erweitert, auftritt; in jubelnder Festesfreude klingt das Stück aus. Wie erkennen in der Sicherheit der Erfindung charakteristischer Motive und der Behandlung des Orchesters wohl den jungen Meister wieder und gewahren in der Einfachheit der Mittel und der Abwesenheit jedes unnötigen Prunkes, in der bewußten Anpassung an einen gegebenen Vorgang jene künstlerische Maßhaltung, welche ihm stets eigen blieb. Aber ebenso dürfen wir sagen, daß er sich, da ihm diese Schranke einmal auferlegt war, doch nicht ganz als das gab, was er war; die Einfachheit dieser Stücke kann wohl für seine künstlerischen Grundsätze, aber nicht für sein ganzes damaliges Können zeugen. Er schrieb eben, was man nicht vergessen soll, nicht in seinem Namen; das Werk sollte als Waldsteins Arbeit gelten. So hat er es denn auch nie herausgegeben.

Wir lassen nunmehr die größeren Instrumentalkompositionen der Bonner Periode folgen. Die bisher besprochenen Werke haben uns schon hart an die Zeit des Abschieds von Bonn geführt. Das letzte Jahr seines Bonner Aufenthalts muß für seine Entwicklung besonders bedeutsam gewesen sein; wir haben aus dem Jahre 1792, außer kleineren Sachen, zwei größere Werke zu nennen, welche jeder beim Studium und Hören, wenn er es nicht anders wüßte, ohne Bedenken in die reife Wiener Zeit verlegen würde.

Das Oktett für Blasinstrumente, erst nach Beethovens Tode herausgegeben (später mit Op. 103 bezeichnet)30, trägt auf dem Autograph die Überschrift: Parthia in Es (darüber: dans un Concert), Due Oboe, Due Clarinetti, Due Corni, Due Fagotti di L. v. Beethoven. Aus einer Skizze zu diesem Werke, welche vor einer andern zu dem Liede »Feuerfarbe« begegnet, schloß Nottebohm (2. Beeth. S. 518), daß das Oktett frühestens 1792, spätestens 1793 komponiert sei. Im letzteren Falle wäre es erst in Wien geschrieben; es ist aber unwahrscheinlich, daß Beethoven schon in seiner ersten Wiener Zeit Gelegenheit und Anregung zu einem solchen Werke erhalten hätte; begegnet uns doch diese Zusammenstellung von 8 Instrumenten in seiner späteren Zeit überhaupt nicht wieder31. In Bonn aber hatte er diese Anregung. In dem Berichte des Kaplans [309] Junker (S. 268) ist von der vorzüglichen Tafelmusik des Kurfürsten die Rede, welche aus 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörnern und 2 Fagotts bestand. Nach den früher gegebenen Verzeichnissen und einem noch mitzuteilenden Aktenstücke waren die Spieler folgende: die Oboisten Liebisch und Joseph Welsch, die Klarinettisten Meuser und Pachmeier, die Hornisten Bamberger und Simrock und die Fagottisten Zillicken und Georg Welsch. Diese hatte er im Sinne, als er das Werk schrieb; das geht auch aus seiner brieflichen Äußerung an Simrock vom 2. August 1794 hervor: »Haben Sie schon meine Partie aufgeführt?« Daß er es im ersten Wiener Jahre im Gedanken an die Bonner Freunde geschrieben und dorthin geschickt hätte, ist auch im Hinblick auf die Wiener Studien und sonstigen Arbeiten, die er dort sehr bald in Angriff nahm, sehr unwahrscheinlich. Wir halten es für das Werk des letzten Bonner Jahres, 1792.

Eine ausführliche Analyse dieses schönen Werkes32 wird man uns, da sie den Rahmen unserer Darstellung überschreiten würde, erlassen; den leichten Fluß der Erfindung, die Klarheit die Sicherheit der Formgebung, die Feinheit und Selbständigkeit der Modulation, die genaue Kenntnis der Instrumente würden wir dabei überall hervorzuheben haben. Besonders glauben wir darauf hinweisen zu sollen, wie er die ganze Wärme seines Empfindens, verbunden mit sonniger Heiterkeit der Stimmung, dem besonderen Zwecke leichter Unterhaltung dienstbar macht. Die Motive sind einfach, ansprechend und ganz aus der Natur der Instrumente heraus erfunden; die Sätze alle in knapper Form gehalten, aber in voller Freiheit behandelt. Edel und wohlklingend entwickelt sich der erste Satz, in dessen Durchführungspartie der selbständig gewordene junge Meister ein ganz neues Thema einführt; ein wunderbarer Liebreiz ruht auf dem Andante; kecken Humor entwickeln die beiden letzten Sätze, und alles ist in eine Fülle von Wohllaut getaucht, der kaum beschrieben werden kann. Das führende Instrument ist meist die erste Oboe, mehrfach mit dem ersten Fagott hübsch konzertierend; aber auch die Klarinette kommt zu ihrem Recht, und die Hörner machen ihre Wirkung ihrer Natur entsprechend geltend. Außer den Motiven und Figuren breiten namentlich die lang gehaltenen Töne der verschiedenen Instrumente einen leuchtenden Glanz [310] über das Ganze. Sollte das Tafelmusik sein, so ist gewiß selten eine ähnliche geschrieben worden33.

Für dieselbe Zusammensetzung von acht Instrumenten schrieb Beethoven noch ein Rondino inEs-dur, welches nach seinem Tode wahrscheinlich 1829 von Diabelli aus dem Nachlaß herausgegeben wurde34. Nach dem bei Spina befindlichen Autograph setzt es Nottebohm ebenfalls in die Bonner Zeit, und dazu stimmen sowohl die bei dem Oktett angeführten Gründe, wie auch der innere Charakter; es war nach des Verfassers gewiß richtiger Vermutung für die Tafelmusik des Kurfürsten geschrieben. Die reizende, zarte Melodie des Horns, das weiche Gegenmotiv in Moll, das sanfte, nachdenkliche Verklingen am Schlusse, die kunstvolle Behandlung der Instrumente und manche hübsche Einzelzüge, alles gewährt dem Werkchen ein hohes Interesse und zeigt wiederum die geübte Meisterhand.

[Daß auch die 3 Duos für Klarinette und Fagott (die übrigens außer bei André auch ca. 1815? in Paris bei Lefort erschienen) wahrscheinlich der Bonner Zeit angehören, ist Bd. II2 S. 39 bereits angemerkt worden. H.R.] Ein kleines Duett für zwei Flöten inG-dur, aus zwei Sätzen bestehend (Allegro con brio und Menuett mit Trio 3/4), ein anspruchsloses niedliches Gelegenheitsstück, trägt auf dem Autograph35 die Aufschrift: »für Freund Degenharth von L. v. Beethoven


1792 den 28ten

August

Abends 12.«


Freund Degenharth lernen wir aus dem Stammbuche kennen (s. Anhang). Das Stück mag ein Erinnerungszeichen bei dem nahenden Abschiede gewesen sein.

Auf eine höhere Stufe hebt uns nun wieder ein Werk, welches durch Erfindung und Gestaltung die bereits genannten und noch zu nennenden [311] Instrumentalwerke überragt und uns den ganzen, voll entwickelten Beethoven zeigt, wie wir ihn kennen: das Trio für Violine, Bratsche und Violoncell in Es Op. 336. Auf dem Autograph steht von fremder Hand: »komponirt 1796«; im Februar 1797 wurde sein Erscheinen von Artaria angezeigt. Nach Wegelers Erzählung (S. 29) hatte Beethoven 1795 von dem Grafen Apponyi den Auftrag erhalten, ein Quartett zu schreiben; bei zweimaligem Versuche sei aber zuerst ein Trio (Op. 3) und dann ein Quintett (Op. 4) entstanden. Den Ursprung des letzteren kennen wir nun besser; aber auch bezüglich des ersteren waltet ein Irrtum ob; das Trio ist, wie der Verfasser glücklich nachgewiesen hat, in Bonn geschrieben. »Bei der allgemeinen Flucht aus Bonn37, entweder der zu Ende Oktober oder der am 15. Dezember 1792, befahl der Kurfürst seinem Kaplan, dem Abbé Clemens Dobbeler (vgl. Hofkalender 1782 S. 14), eine englische Dame, die ehrwürdige Mrs. Bowater, nach Hamburg zu begleiten. ›Während sie dort waren‹ (erzählt William Gardiner, Music and Friends III. 142), ›wurde er als Emigrant erklärt und sein Eigenthum confiscirt. Glücklicherweise hatte er einiges Geld in unseren [englischen] Capitalien angelegt und es blieb ihm nichts übrig als nach England zu gehen.‹ Dobbeler begleitete Mrs. Bowater nach Leicester. ›Sie hatte lange in Deutschland gelebt und sich einen seinen musikalischen Geschmack erworben; und da der Abbé ein fertiger Violinspieler war, so war die Musik eine wesentliche Ausfüllung dieser langweiligen Periode‹ [während Mrs. B. ein Logis bewohnte, bevor sie Old Dolby Hall bezog]. ›Unsere Gesellschaft wurde ersucht, mit der von zweien meiner Freunde gelegentlich ein Instrumentalquartett aufzuführen .... Unsere Musik bestand aus Quartetten von Haydn, Boccherini und Wranizky. Der Abbé, der niemals ohne seine Violine reiste, hatte zum Glück in seinen Violinkasten ein Trio von Beethoven gelegt, welches gerade vor seiner [Dobbelers] Abreise componirt war, und welches so im Jahre 1793 seinen Weg nach Leicester fand. Diese Composition, so verschieden von allem, was ich je gehört hatte, erweckte in mir einen neuen Sinn, eine neue Freude [312] an der Wissenschaft der Töne. Beethoven war der Sohn eines Tenoristen an der Bonner Domkirche, und wurde als Knabe von meinem Freunde beschützt und später vom Kurfürsten in Haydns Unterricht nach Wien geschickt. Diese Composition eröffnete mir einen neuen Blick in die Kunst. Es war eine Sprache, die meine Einbildungskraft so mächtig anregte, daß mir alle andere Musik zahm und geistlos erschien. Als ich zur Stadt [London] kam, suchte ich nach Werken dieses Componisten, konnte aber nichts mehr erfahren, als daß er als ein toller Mensch betrachtet werde und daß seine Musik sei wie er selbst. Ich hatte jedoch einen Freund in Hamburg, durch welchen ich, obgleich der Krieg damals wüthete, gelegentlich einige dieser unschätzbaren Werke erhielt.‹ Diese Quartettunterhaltungen wurden zwei Jahre hindurch fortgeführt, und Gardiner gibt uns folgende Einladung zu einer derselben an einem unfreundlichen Regentage, als eine Probe von des Abbes Englisch: ›As the day is good for nothing but a dinner and music, Mrs. Bowater hopes for your company at four and a quartett in the Evening.

Welches Trio war dies, welches der enthusiastische Engländer so preist? Auf der vorletzten Seite seines Buches: Italy, her Music, Arts and People, schreibt Gardiner, wo er von seiner Rückkehr den Rhein abwärts spricht, folgendes: ›Gleich darauf kamen wir nach Bonn, dem Geburtsorte Beethovens. Um das Jahr 1786 bemerkte mein Freund, der Abbo Dobler, Caplan des Kurfürsten von Cöln, zuerst diesen schwarzlockigen Knaben, den Sohn eines Tenoristen an der Domkirche. Durch den Abbo wurde ich mit dem ersten Producte dieses wundervollen Componisten bekannt. Wie groß war mein Erstaunen, als ich die Violastimme seines Trios in Es spielte, so unähnlich allem was ich je gehört hatte. Es war eine neue Empfindung für mich, ein geistiger Genuß, den ich niemals von Tönen empfangen hatte.‹ Und wieder sagt Gardiner in einem Briefe an Beethoven: ihr Trio in Es (für Violine, Viola und Baß.) Für alle, nur die Blinden nicht, verbreitet diese Erzählung eine Fluth von Licht über die ganze Frage.«

So weit der Verfasser. Es sei hinzugefügt, daß das Werk, welches Dobbeler mit nach England nahm, eine Abschrift gewesen sein muß, da die Veröffentlichung erst 1797 erfolgte.

Das Trio, wie wir es kennen, besteht aus sechs Sätzen; man hat schon für diese große Ausdehnung auf das Mozartsche Vorbild in dem bekannten Divertimento hingewiesen und bemerkt, daß sich dieses Vorbild noch weiter verfolgen lasse. Der erste Satz erhebt sich in seinem Reichtum [313] an selbständigen Motiven und der kunstvollen, weit angelegten Struktur entschieden über alle vorangegangenen Bonner Kompositionen dieser Art; wir gewahren in Melodie und Rhythmus jene organisch sich entwickelnden Stimmungsbilder, wie wir sie bei dem reisen Beethoven gewohnt sind; der Durchführungssatz ist reich ausgestattet, die Rückführung ins Thema überaus sein und zart, die Coda entwickelt sich natürlich aus den Themen des Hauptsatzes. Der junge Meister führt uns in seine Seele und läßt uns teilnehmen an dem Gefühle stolz gehobener Männlichkeit und froher, stellenweise unruhiger Hoffnung, deren Ungeduld er aber zu beschwichtigen weiß. Auch ist der Ansatz jener später so bewunderungswürdig entwickelten Kunst thematischer Arbeit mit den Elementen des Hauptthemas schon hier wahrzunehmen. Das Andante (3/8) ist zierlich erfunden und ausgeführt, wie nur irgend ein Stück der demnächst folgenden Epoche; die beiden Menuettsätze (3 und 5) sein und humoristisch, wohl etwas unter Mozartschem Einflusse. Von wunderbarer Innigkeit ist das Adagio in As-dur, so recht der Ausdruck einer gleichmäßig gestimmten, vertrauensvoll aufblickenden Seele; es erinnert an manche ähnliche Sätze gerade in dieser Tonart, welche aus der ersten Wiener Zeit stammen (so in dem ersten Trio Op. 1, der ersten Sonate Op. 10, dem C-dur-Konzert), denen es nicht nur ebenbürtig, sondern auch in der Stimmung nahe verwandt ist. Der munter bewegte letzte Satz, in der Beethoven beliebten Form des Rondos, schlägt in seinem zweiten Thema einen besonders warmen Ton an; mit unnachahmlicher Kunst ergehen sich die Instrumente in abwechselnder Aufnahme der Motive; in der ausgeführten Coda wird auch ihre Virtuosität in Anspruch genommen; meisterlich wird der Schluß gestaltet, wo das Thema plötzlich in langsamem Tempo erklingt, um sich dann um so kräftiger aufzuraffen.

Dem Herausgeber sei hier noch eine Vermutung gestattet, um derentwillen der Verfasser ihn wohl nicht zu den »Blinden« gerechnet haben würde. Denn daß das Werk in Bonn spätestens 1792 nicht nur entworfen, sondern in der zunächst beabsichtigten Weise fertiggestellt war, ist durch die vom Verfasser ermittelten Umstände festgestellt. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, daß es bereits in Bonn die Gestalt gewonnen hatte, in welcher wir es kennen. Aus dem Quintett Op. 4 ersehen wir, wie es Beethoven verstand, eine Umarbeitung einer bereits fertigen Komposition so zu gestalten, daß die Spuren derselben völlig verwischt waren und uns ein neuer organischer Aufbau entgegentrat. Auch das B-dur-Konzert Op. 19 hat eine Umarbeitung erfahren, und in dieser Gestalt kennen wir [314] es38; und so hat er, wie sich schon ergeben hat und noch weiter ergeben wird, mehrfach auf früher bereits fertiggestellte Arbeiten in neuer Bearbeitung zurückgegriffen. Wenn der gegen sich selbst so strenge Beethoven ein bereits 1792 oder früher geschriebenes Werk im Jahre 1797, als er bereits hohen Ruhm erlangt hatte, mit einer Opuszahl herausgab, so kann man von selbst annehmen, daß er es einer gründlichen Bearbeitung unterzogen haben wird; es wäre auch kaum denkbar, daß Beethoven, der bisher die Arbeiten für Kammermusik nur dreisätzig geschrieben und erst im Oktett den Menuettsatz beigefügt hatte, nun plötzlich gleichzeitig ein solches Werk in sechs Sätzen geschrieben haben sollte; man müßte denn etwa hier das Mozartsche Vorbild uns entgegenhalten. Der innere Gehalt des Trios unterstützt die Vermutung, daß das in Bonn komponierte, aber nicht publizierte Werk erst in Wien die Gestalt erhalten hat, in welcher es bekannt ist39.

Wir haben uns den Kompositionen zuzuwenden, in welchen Beethovens eigentliches Hauptinstrument, das Klavier, in Anspruch genommen wurde; sie führen uns zum Teil in der Zeit etwas zurück. Der ersten fügen wir noch eine verwandte Arbeit für Violine bei.

Man sollte doch denken, daß Beethoven nach dem ersten knabenhaften Versuche von 1784 noch weitere Konzerte oder Konzertsätze für Klavier und Orchester geschrieben und nicht bis zum Jahre 1795, in welchem er das »ganz neue« Konzert in B öffentlich spielte, damit gewartet habe; brachte es ja sogar seine amtliche Stellung mit sich, vor dem Kurfürsten zu spielen40. Nun ist in neuerer Zeit der erste Satz eines Klavierkonzertes in D bekannt geworden, über welches zuerst Guido Adler 1888 Bericht gab41, welches am 7. April 1889 in Wien zum ersten Male gespielt wurde und dann im Supplementbande der Gesamtausgabe (S. 25 Nr. 311) durch Adler herausgegeben ist. Dasselbe befand sich in Abschrift [315] (Klavier- und Orchesterstimmen) im Besitze des Leiters der Blindenerziehungsanstalt Hradschin in Prag Joseph Bezeczny, von dessen Hand geschrieben; nähere Nachricht über die Herkunft dieses Besitzes, über das Vorhandensein des Originals fehlt ganz. Deshalb wurde nach der ersten Aufführung des Werkes die Echtheit von Dr. Paumgartner42 angezweifelt, wobei zugleich der ganz Mozartsche Charakter desselben betont wurde. Es bleibt allerdings auffallend, daß weder in Wien noch sonst irgend etwas über das Werk bekannt war; aber daraus kann nur folgen, daß Beethoven auf dasselbe keinen besonderen Wert legte und jedenfalls in Wien keinen weiteren Gebrauch davon machte. Gründe, aus welchen dem Zeugnisse eines auch musikalisch geachteten Mannes der Glaube zu versagen sei, sind nicht angeführt. Was nun die innere Beschaffenheit betrifft, so ist die Verwandtschaft mit Mozart schon auf den er sten Blick ganz augenscheinlich; sie ist auch von Adler betont, und niemand wird sich diesem Eindrucke entziehen können. Gleich das erste Thema sieht dem einer Mozartschen Sonate (Köchel 330, 3. Satz) in den beiden ersten Takten zum Verwechseln ähnlich; das zweite Thema bringt in seinen Fortsetzungen ein Motiv, welches sich ganz so in Mozarts D-moll-Konzert findet, an dessen harmonische Akkordgänge ebenfalls eine längere Passage in unserm Konzert erinnert; eine mehrfach die Abschnitte schließende Tutti-Figur des Orchesters findet sich wiederholt bei Mozart (z.B. in der Ouvertüre zu Figaro), wie denn überhaupt die ganze Klaviertechnik die Mozartsche ist und von den eigentümlichen neuen Wirkungen der späteren Zeit Beethovens nur wenig erkennen läßt. Daraus aber zu folgern, das Stück sei nun wirklich von Mozart geschrieben, würde in hohem Grade voreilig sein; im Gegenteil, man würde sich wundern müssen und es kaum verstehen, daß Mozart sich so geradezu wiederholt haben sollte; ein noch in seiner Entwicklung stehender, ihn aufs höchste bewundernder junger Künstler konnte dieser Nachahmung sehr wohl ausgesetzt sein. Von der anderen Seite gibt sich in der Gestaltung, der Instrumentierung, in vielen melodischen Figuren und Wendungen, in der über das Ganze gebreiteten Anmut und Klangschönheit Beethovens geniale Eigenart wohl zu erkennen. Nun wissen wir, daß Beethoven in seiner Entwicklungszeit, also besonders in der zweiten Hälfte der 80 er Jahre und zumal nachdem er Mozart persönlich kennen gelernt, ganz im Mozartschen Banne stand; schon in den Quartetten von 1785 fanden wir die deutlichsten Anklänge, das spätere [316] Trio mit den Blasinstrumenten zeigt sie ebenfalls. Er studierte und spielte ohne Zweifel die Mozartschen Konzerte eifrig und hatte für das in D-moll eine besondere Vorliebe. Daß ein Werk aus jenen Zeiten Mozartsche Erinnerungen bringt, hat nichts Auffallendes; in einer Komposition aus der reisen Wiener Zeit würde es uns mehr befremden, und wir wundern uns nicht, daß er das Stück später nicht mehr schätzte, sondern in Vergessenheit geraten ließ. Wenn Adler die Jahre 1788 bis 1793 als die der mutmaßlichen Entstehung betrachtet, so wird er wohl das Richtige treffen; wir möchten es eher vor als nach 1790 setzen. Daß diesem ersten Satze noch andere folgten, ist nicht notwendig anzunehmen; bestimmt aber möchten wir glauben, daß er es in Wien nicht mehr öffentlich gespielt hat.

Ein Seitenstück zu diesem Konzertsatze bildet das Bruchstück eines Konzerts für Violine in C-dur, dessen Autograph sich im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindet, und dessen Handschrift jedenfalls in die frühe Wiener, vielleicht noch in die Bonner Zeit weist. Es ist eine erste Niederschrift, wie daraus zu erkennen, daß manches ausgestrichen und verbessert ist. Erhalten ist die Orchestereinleitung, der erste Solosatz, ein zweites Tutti und der Anfang des folgenden, die Durchführung eröffnenden Solosatzes; im ganzen 259 Takte. Mit dem Schlusse der Seite, wo gerade ein neues, überleitendes Motiv eintritt, bricht das Stück ab; man darf vermuten, daß der Satz fertig war und das Fehlende verloren gegangen ist43. Das Stück ist kräftig und festlich angelegt und zeigt durchaus den edlen, hoch gerichteten Zug jener aufblühenden Beethovenschen Epoche. Die einzelnen, zum Teil getragenen Motive, wenn auch neben anderen Beethovenschen Weisen aus jener Zeit nicht gerade eigenartig und bedeutsam, atmen doch Wohllaut und Lebensfreude; ein ernster Zug spricht sich, auch ganz Beethovensch, in der Neigung aus, in Molltonarten auszuweichen. Nicht immer erscheint die Modulation ganz natürlich begründet, einmal auch (wenn nicht Verschreibung vorliegt) für den jugendlich unbefangenen Künstler auffallend gesucht. Die Solostimme zeigt genaue Kenntnis des Instruments; Kraft des Tones, geschmackvoller Vortrag getragener Stellen, [317] Sicherheit und Geläufigkeit glänzender Passagen bis in die höchste Höhe wird verlangt, während besondere Künstlichkeiten sich nicht finden. Der junge Komponist mag an seinen Lehrer Franz Ries oder an Andreas Romberg gedacht haben; es ist unerheblich, dies feststellen zu wollen, da er an Fertigstellung zur Herausgabe gewiß nie gedacht hat.

Wir haben noch folgende Jugendwerke zu nennen, bei welchen das Klavier beteiligt ist. Ein Trio in Es-dur für Klavier, Violine und Violoncell44 wurde 1836 aus Beethovens Nachlaß herausgegeben; bei dieser Gelegenheit bezeugten die Echtheit Diabelli, Czerny und Ferd. Ries mit dem Hinzufügen, daß die Originalhandschrift sich in Schindlers Besitz befinde; daß es Beethovens Handschrift sei, bestätigte Wegeler. Schindler (S. 10) führt Beethovens Äußerung an, er habe das Werk im Alter von 15 Jahren komponiert; er habe es, sagt Schindler, als »einen der höchsten Versuche in freier Schreibart« bezeichnet, was entweder ein Mißverständnis Schindlers war oder von Beethoven nur ironisch gemeint sein konnte. Näher der Wahrheit kommt jedenfalls die Bemerkung in Gräffers handschriftlichem Kataloge von Beethovens Werken: »Componirt anno 1791 und ursprünglich zu den 3 Trios Op. 1 bestimmt, aber von Beethoven, als zu schwach, weggelassen.« Freilich wird nicht angegeben, ob diese Bemerkung auf authentischer Quelle beruht.

Daß das Werk von Beethoven ist und aus seiner Jugendzeit stammt, darüber kann niemand, der es kennt, im Zweifel sein; ebensowenig darüber, daß es mit den Trios Op. 1 keinen Vergleich aushält. Wie alle diese früheren Werke für Kammermusik hat es drei Sätze – kein Adagio – alle einfach gestaltet und in der Form nicht ausgedehnt. Die Motive sind leicht und anmutig, die Instrumente geschickt und ihrer Natur entsprechend behandelt; die Klavierstimme bietet keine besonderen Schwierigkeiten, fordert aber, namentlich für die linke Hand, Genauigkeit und Sauberkeit der Ausführung; in der Modulation gewahren wir wiederholt den uns vertrauten Beethoven späterer Zeit; die Entwicklung zeigt Übung und Sicherheit. Daß das Werk nicht von dem 15jährigen Knaben, sondern längere Zeit nach den Klavierquartetten geschrieben ist, geht nicht nur aus dem freieren Zuge der Erfindung und Weiterführung, sondern auch aus manchen einzelnen Erscheinungen hervor, z.B. der selbständigeren, wenn auch noch nicht sehr ausgeführten Durchführungspartie, aus welcher er fast unvermerkt ins [318] Hauptthema zurückzuleiten weiß, und der Einführung der Coda im ersten Satze. Einzelne Motive dieses Satzes kehren ähnlich in späteren Werken wieder, z.B. in der F-moll-Sonate Op. 2, in demC-dur-Klavierkonzert. Das Scherzo – Beethoven braucht, wie es scheint, hier diese Bezeichnung zum ersten Male – ist schlicht und naiv und in der Gruppierung der Instrumente recht unterhaltend45; auch das Rondo ist hübsch konzipiert und durchgeführt, enthält aber keine hervorstechenden Züge und gibt sich durchaus als Jugendarbeit zu erkennen.

Ob die Klaviertrios Op. 1 bereits in Bonn geschrieben waren, wie der Verfasser vermutete46, lassen wir an dieser Stelle unerörtert, da wir im Zusammenhange darauf zurückkommen müssen. Fest steht, daß sie 1795 erschienen, daß sie 1794 in der erschienenen Gestalt noch nicht fertig waren, daß sie aber 1793 schon in Haydns Gegenwart gespielt wurden. Die Vermutung einer früheren und einer umgearbeiteten Gestalt ist also auch hier nicht ausgeschlossen. Da uns aber hier nicht die gleichen Beweise, wie für Op. 3, zu Gebote stehen, glauben wir ihre Besprechung für die Wiener Zeit aufheben zu müssen.

Dagegen scheinen in das letzte Jahr des Bonner Lebens zu gehören die Variationen für Klavier, Violine und Violoncell in Es, welche 1804 bei Hoffmeister in Leipzig als Op. 44 erschienen sind. Nottebohm47 fand eine Skizze derselben zusammen mit der Feuerfarbe, was auf das Jahr 1792 weist; und Beethoven scheint sie nach einem Briefe an den Verleger nicht besonders hochgeschätzt zu haben, was neben den großen Arbeiten, die er seither geschaffen, einem Jugendwerk gegenüber immerhin erklärlich ist. Trotzdem bieten sie Interesse; schon das seltsam einfache Thema, welches sich in abgestoßenen Achtelnoten einstimmig fast nur durch die Töne des Akkords bewegt, überrascht, und mit Feinheit weiß er durch Figurierung, harmonische Füllung und Hervortreten einiger selbständiger Motive dem Gerippe des Themas gleichsam Fleisch und Farbe zu verleihen. Wenn das Werkchen auch nicht hohen Empfindungen und großen Leidenschaften Ausdruck gibt, wenn sogar eine gewisse Eintönigkeit nicht ganz [319] überwunden ist, sollte man es doch nicht so unterschätzen, wie es gemeinhin der Fall zu sein scheint.

Außer diesen Werken ist neuerdings noch ein Trio für Klavier, Flöte und Fagott zur Veröffentlichung gelangt, von welchem man bisher nur aus dem Auktionskataloge des Beethovenschen Nachlasses wußte48. Die Bezeichnung Beethovens als Hoforganist verbürgt den Bonner Ursprung, und die Handschrift verbietet es, die Ansetzung der Zeit nach zu weit vorzurücken. Die Formgebung – drei Sätze, der letzte ein Thema mit Variationen – ist noch die der Klavierquartette; der leichtere Fluß und die größere Lebendigkeit der Entwicklung und einzelne besondere Züge weisen allerdings über dieselben hinaus, ohne doch den Schwung und die Selbständigkeit der Werke von 1790 und später zu erreichen. In der Bildung der Motive und Melodien ist der Mozartsche Einfluß stärker zu erkennen, wie in manchem anderen Werke; die Modulation ist geschickt, wenn auch von Inkorrektheiten nicht frei; auch die rhythmische Gliederung nicht überall tadellos. Die Durchführung bringt ein neues Thema; das Adagio leitet unmittelbar in den letzten Satz über; dergleichen zeigen die Quartette noch nicht. Das Werk mag zwischen 1786 und 1790 entstanden sein; Genaueres wird sich nicht angeben lassen. Bemerkenswert ist die virtuose Behandlung der Instrumente; die Klavierstimme fordert in hohem Maße Treffsicherheit und Übung in weitgriffigen Passagen; die beiden andern Stimmen sind auf Virtuosen berechnet. Dabei könnte er Mitglieder der Kapelle im Auge gehabt haben; eine andere Vermutung liegt näher, welche freilich an die Voraussetzung geknüpft ist, daß Beethoven zur Zeit, als er das Werk schrieb, im Breuningschen Kreise verkehrte und in Familien, welche zu demselben gehörten, als Lehrer tätig war. Jenes Fräulein von Westerholt, von welchem wir früher zu berichten hatten, war fertige Klavierspielerin; ihr Vater, der Oberstallmeister, blies Fagott, und ein Bruder, Graf Wilhelm, spielte meisterhaft Flöte. (S. o. S. 283.) Die Seltenheit der Zusammensetzung dieser Instrumente führt fast von selbst auf die Vermutung, daß Beethoven das Trio für die Familie von Westerholt geschrieben habe49.

[320] Im Nachlasse Beethovens befand sich das Manuskript einer Sonate für Klavier und Flöte in B-dur, welches in den Besitz von Artaria u. Co. überging, sodann in den von Dr. Erich Prieger in Bonn und nun sich in der Königlichen Bibliothek zu Berlin befindet. Da jedoch die Beglaubigung des nicht von Beethoven selbst geschriebenen Stückes keine ganz zuverlässige ist und auch der innere Charakter mehrfach Bedenken erregt, darf die Verfasserschaft Beethovens bezweifelt werden50.

[321] Nicht ohne Wahrscheinlichkeit können aber die Variationen für Klavier und Violine über Mozarts Se vuol ballare der letzten Bonner Zeit zugeschrieben werden. Sie erschienen im Juli 1793 mit einer Widmung an Eleonore von Breuning, welcher er das Werk mit einem Briefe vom 2. Nov. 1793 übersandte51. Diese Widmung läßt wenigstens vermuten, daß er das Werk schon fertig nach Wien mitgebracht und hier nur die letzte Feile daran gelegt hat. Den Grund der raschen Herausgabe verrät er in der Nachschrift: er wollte den Wiener Klavierspielern, welche ihm die Eigentümlichkeiten seines Spiels beim Phantasieren ablauschten, und von denen entsprechende Veröffentlichungen zu erwarten waren, zuvorkommen. Beethoven erhebt sich in diesen Variationen über das bloße Figurieren, läßt ganz neue Motive hervortreten, macht von der Imitation freieren und ausgedehnten Gebrauch und überrascht durch viele geistreiche Züge im einzelnen.

Für Klavier allein schrieb Beethoven in Bonn außer den früher schon genannten Stücken noch folgende:

[322] 1. Ein Präludium in F-moll52, nach einer Aufschrift auf einem gedruckten Exemplar, welche sich anderswo als zuverlässig erwiesen hat, im Alter von 15 Jahren, also 1786 oder, da das Alter ehemals nicht klar feststand, 1787 geschrieben. Das Stück ist ersichtlich Ergebnis seiner Studien und Übungen in der Kunst der Nachahmung; die Anregung dazu boten zweifellos die Bachschen Präludien; in der thematischen Hauptfigur zeigt es eigene, an gutem Vorbilde erwachsene Erfindung, in der Art, wie alle Stimmen sich an der Nachahmung beteiligen, bemerkenswertes Geschick und Ernst der Arbeit, und läßt gegen den Schluß, wo die oberste und die unterste Stimme zu der lebhaften Bewegung einen gewichtigen Gang imitierend bringen, eine gewisse Selbständigkeit nicht verkennen. Es ist noch nicht unser Beethoven, aber der werdende kündigt sich an.

2. Zwei Präludien durch alle 12 Durtonarten für Pianoforte oder Orgel, 1803 von Hoffmeister alsOp. 39 herausgegeben; eine revidierte Abschrift trägt die Jahreszahl 178953. Es sind offenbar Übungsstücke nach einer ihm von Neefe oder von ihm sich selbst gestellten Aufgabe; der hier angewendete Zirkelgang durch die Tonarten, der verschiedene Weg, den Leitton der folgenden Tonart zu gewinnen, war eine bei den Theoretikern beliebte Übungsaufgabe. Der junge Beethoven hat sie zwar im engen Anschluß an theoretische Belehrung, doch nicht ohne Selbständigkeit durchgeführt; zu bemerken ist im ersten Stücke, wie er ein festes Motiv durchführt, kleine Zwischenmotive nachahmend behandelt, nach dem Erreichen von Cis-dur ein längeres Zwischenstück folgen läßt, dann mit neuen Bewegungen durch die B-Tonarten weitergeht und das wieder erreichte C-dur mit einer längeren, gewichtigen Periode einleitet und befestigt, so daß man nirgendwo den Eindruck des Zwangs oder der Schablone hat. Das zweite Stück vollzieht trotz des kürzeren Umfangs den Kreislauf zweimal, mehr schulmäßig, doch auch geschickt und wohlklingend. Die Stücke sind auch abgesehen von dem besonderen Zwecke durch sich selbst anmutend; man kann sich denken, daß Beethoven sich wert hielt.

[323] 3. Die Variationen über die Ariette von Righini: Venni Amore in D-dur54, um 1790 komponiert und 1791 in Mannheim erschienen; sie wurden der Gräfin Hatzfeld, geb. Gräfin von Girodin, gewidmet, welche oben (S. 89) als hervorragende Klavierspielerin erwähnt wurde. Beethoven spielte sie, wie früher erzählt wurde, 1791 im September auf der Mergentheimer Reise in Aschaffenburg bei Sterkel. Man darf wohl annehmen, daß er Righini persönlich kennen gelernt hatte55 und hierdurch angeregt worden war, sich mit seinen Kompositionen bekannt zu machen, so daß er nun eine seiner Arietten, deren derselbe mehrere Sammlungen veröffentlich hatte, zur Variierung wählte – eine Kompositionsgattung, welche er damals und in den folgenden Jahren mit besonderer Vorliebe pflegte. Diese 24 Variationen gewähren einen Einblick in die stetige Entwicklung sowohl des Pianisten wie des Komponisten, deren einzelne Stufen wir nicht verfolgen können, die ihn aber in dieser Gattung schon zu einem bemerkenswerten Höhepunkte geführt haben, auf welchem, vereinzelte Stellen etwa ausgenommen, alles Schülerhafte abgestreift ist. Auch sie stehen begreiflicherweise noch im ganzen auf dem überlieferten Boden der Figural-Variation; aber wie viel seiner, selbständiger, inhaltsvoller erscheinen hier die Figuren und Gänge, zu denen das schlichte Thema sich entwickelt! Mehrfach gestalten sie sich zu selbständigen, neuen, durch rhythmische Gestaltung und harmonischen Schmuck charakteristischen Melodien, in denen sich in ihrer Folge wechselnde Stimmung zu erkennen gibt. Einen hochernsten Ton schlägt er in der vorletzten Variation (23) an; das Adagio [324] des großen B-dur-Trios kündigt sich hier an. Hervorzuheben ist die ausgeführte Coda, in welcher er unerwartet in die Tonart der großen Unterterz ausweicht und durch verschiedene Tonarten, in denen er das Thema anklingen läßt, wieder zurückleitet, um schließlich die Bewegung sanft verklingen zu lassen; diese Art genialer Züge mag man damals noch kaum gehört haben. Imitation der Motive, ein Erzeugnis seiner technischen Studien, handhabt er mit Geschick und wagt sich sogar auf das Gebiet polyphoner Behandlung, dessen Geheimnisse ihm erst später ganz erschlossen werden sollten. Überall aber weht uns der warme, edle Ton entgegen, den seine Bonner Eindrücke gezeitigt hatten, und der ihn nicht mehr verlassen hat, gehalten und beherrscht durch die künstlerische Hand und das unbedingte Schönheitsgefühl, welches keine Konzessionen kennt. Beethoven hielt sie wert; nach Czernys Mitteilung an O. Jahn brachte er sie mit nach Wien, wo er sich mit ihnen »zuerst« produzierte.

Noch zwei Hefte Variationen werden sowohl mit Rücksicht auf den zur Herausgabe gewählten Ort, wie auf andere biographische Umstände der Bonner Zeit zuzuschreiben sein: die Variationen inA-dur über ein Thema aus Dittersdorfs Oper: »Das rote Käppchen« (»Es war einmal ein alter Mann«), und die vierhändigen Variationen über ein Thema des Grafen Waldstein. Beide hat Simrock in Bonn verlegt; es ist das erstemal, daß Beethovensche Arbeiten zuerst dort erscheinen. Sie kamen allerdings erst 1794 heraus; aber nach dem Briefe an Simrock vom 2. August 1794 (s.u.) hatte letzterer das eine der Hefte schon längere Zeit erhalten und Beethoven nur die Korrektur lange behalten, während die anderen schon druckfertig waren56. Die Oper Dittersdorfs war im Winter 1791/92 in Bonn mit großem Beifall aufgeführt worden; dies wird für Beethoven die Veranlassung zur Komposition der Variationen gewesen sein. Sie sind anmutig und wohlklingend; der humoristischen Erweiterung des Themas in seinem ersten Gegensatze weiß Beethoven in der Veränderung sich hübsch anzuschließen und überhaupt durch Wechsel des Tempos und Rhythmus dem Thema neue Seiten abzugewinnen. Besondere neue Gedanken bringen die Variationen nicht, und einzelne Unebenheiten des Stils und Wiederholungen kleiner harmonischer Motive lassen rasche Entstehung in früher Zeit vermuten57. Den vierhändigen[325] Variationen in C liegt ein weiches, zartes Thema zugrunde, welches sowohl zu hübschen Verzierungen, wie auch zu neuen Gestaltungen Anlaß bietet, in denen nicht nur der geschickte Klavierspieler, sondern auch der erfinderische Künstler sich zu erkennen gibt; die gleichmäßige Berücksichtigung beider Spieler war wohl eine Freundlichkeit gegen den gräflichen Komponisten des Themas. Daneben lassen harmonische Härten und der rhythmisch nicht sehr geschickte Schluß auf eine frühe, noch weniger gereifte Zeit schließen. Beethoven verkehrte in Bonn fortgesetzt mit Waldstein, während wir aus der ersten Wiener Zeit davon nichts hören; ein solches, schnell konzipiertes Gelegenheitsstück dürfte aber doch unmittelbarem Verkehre und dem Wunsche baldiger Ausführung entsprungen sein. Daß Beethoven nur äußerst selten und sicherlich nie ohne besondere Veranlassung für vier Hände schrieb, darf wohl als allgemein bekannt gelten58.

Auch die nur als Bruchstück auf uns gekommene, nach Beethovens Tode mit der Widmung an Eleonore von Breuning herausgegebene Sonate für Klavier in C-dur59 wird noch in die Bonner Zeit zu setzen sein. Denn es ist doch wohl dieselbe, welche Beethoven nach dem später zu erwähnenden Briefe an Eleonore (vgl. Wegeler Not. 61) ihr versprochen hatte, und welche damals im Entwurf fertig war. Die Entstehung der Sonate in Bonn würde zweifellos sein, wenn der Brief selbst (wie der Herausgeber vermutet) noch in Bonn geschrieben ist; aber auch, wenn er in die erste Wiener Zeit fallen sollte, erscheint es wahrscheinlich, da er sie »längst« versprochen hatte und nur noch nicht zur Abschrift gekommen war. Im übrigen steht nur fest, daß Eleonore sie im Jahre 1796 von Beethoven erhielt60. Auch der Charakter des Werkes weist in frühe Zeit und nicht in die so sehr angeregte, schaffensfrohe erste Wiener Periode. Der erste Satz, in sehr kurzen Abschnitten sich entwickelnd, ohne eine ausgeprägte Melodie, kann eigentlich nur als eine wohlklingende und nach [326] der Sonatenform gestaltete Klavierübung gelten, wobei besondere Schwierigkeiten vermieden sind. Das folgende Adagio ist nach Erfindung und Entwicklung überaus anmutig und trägt entschieden Beethovensches Gepräge. Der Komponist hat bei der Sonate gewiß an das eigene Spiel seiner Schülerin und Freundin gedacht. Bei der Vorlage zum Drucke fehlte der Schluß des Adagios (11 Takte), welchen Ferd. Ries in Beethovens Sinne hinzukomponierte; Beethoven hat doch ohne Zweifel das Adagio beendigt, und so darf man auch vermuten, daß er einen letzten Satz komponiert hatte, welcher jetzt nicht mehr vorhanden ist.

Wir überblicken hiernach im Gegensatze zu der bisherigen Annahme eine recht stattliche Zahl von Kompositionen aus Beethovens Bonner Jugendzeit, welche uns nicht nur einen Einblick in das allmähliche Erstarken seiner produktiven Kraft und seines technischen Geschickes gestatten, sondern in mehreren Beispielen eine bemerkenswerte Reise der Entwicklung zeigen. Gewiß würde die Zahl durch Hinzufügung mancher Werke, welche später erschienen, noch vermehrt werden können; denn es darf als sicher gelten, daß Beethoven nicht bloß seine Skizzen, sondern auch seine handschriftlich fertigen Kompositionen, jedenfalls größtenteils, mit nach Wien nahm. Es ist eine61 für jeden, der Gelegenheit gehabt hat, die Chronologie der Veröffentlichung von Beethovens Werken sorgfältig zu untersuchen, überraschende Tatsache, daß bis ungefähr zum Schluß des Jahres 1802 alles, was unter seinem Namen erschien, dieses Namens würdig war: daß aber dann, zur Verwunderung der Kritiker jener Zeit, dieselbe Anzeige des »Kunst und Industriecomtoirs« in Wien neben großen und gewichtigen Werken, wie der 2. Sinfonie und mehrerer großer Sonaten, so manches weniger Bedeutende und jenen Werken nicht Ebenbürtige enthielt. Die oben angeführten Worte von Ries (N. S. 124) können einiges zur Lösung des Rätsels beitragen, soweit es darauf ankommt, wahrscheinlich zu machen, daß viele später veröffentlichte Sachen früher entstanden sind; daß die Veröffentlichung heimlich durch andere geschah, bedarf freilich der Einschränkung.

[327] Wenn wir nun auch bei dem Versuche, aus den in jenen Jahren veröffentlichten Werken noch einzelne für die Bonner Zeit in Anspruch zu nehmen, dem Urteil den weitesten Spielraum lassen, so bleibt doch die Gesamtsumme von Beethovens Kompositionen von seinem 12. bis zu seinem 22. Lebensjahre hinter denen anderer weit zurück. Mozart hatte nach Köchel in diesem Alter bereits eine Zahl von 293 Kompositionen erreicht. Händel vollendete sein 20. Jahr am 23. Febr. 1705; zwei Tage später, am 25., wurde seine zweite Oper Nero aufgeführt, und was hatte er nicht vorher schon geschrieben?

Man hat die geringere Produktivität Beethovens dadurch erklären zu können geglaubt, daß man annahm, er habe in späteren Jahren die unbenutzten Manuskripte seiner Jugend vernichtet, um der Möglichkeit vorzubeugen, daß durch ihre nachträgliche Veröffentlichung seinem Ruhme Eintrag geschehe. Daß diese Annahme durchaus unvernünftig ist, weiß jeder, welcher Gelegenheit gehabt hat, die Autographensammlungen in Wien zu durchforschen und dabei zu bemerken, mit wie ängstlicher Sorgfalt selbst die wertlosesten Erzeugnisse von dem Komponisten bei allen seinen Umzügen von einem Hause zum andern oder von der Stadt aufs Land während seines ganzen Wiener Lebens aufbewahrt wurden. Andererseits legte Beethoven, wenn sie einmal gedruckt waren, »gar keinen Werth auf seine eigenhändig geschriebenen Sachen; sie lagen meistens, wenn sie einmal gestochen waren, im Nebenzimmer oder mitten im Zimmer mit andern Musikstücken auf dem Boden. Ich habe seine Musik oft in Ordnung gebracht; allein, wenn Beethoven etwas suchte, so flog wieder alles durcheinander. Ich hätte dazumal sämmtliche Compositionen, die schon gestochen waren, in der Original-Handschrift wegnehmen können; auch würde er sie mir, wenn ich ihn darum gebeten hätte, wohl selbst unbedenklich gegeben haben.« Diese Worte von Ries (Not. S. 113) wer den bestätigt durch die kleine Zahl von Autographen gedruckter Werke in dem Auktionskatalog von Beethovens Nachlaß; die meisten derselben blieben in den Händen der Verleger, oder sie wurden verloren, vernichtet, entwendet.

Ein anderer Schriftsteller hat versucht, die Leere dadurch auszufüllen, daß er die Chronologie von Beethovens Werken aus ihrer Form, ihrem Inhalt und allgemeinen Charakter, wie er sich seinen Augen darstellte, ableitete, indem er alle, die ihm unter dem Standpunkte des Komponisten in einer bestimmten Periode zu stehen schienen, in eine frühere verlegte; und so entwirft er eine wahrhaft komische Chronologie von denselben. [328] Sein Erfolg ist wahrlich kein solcher gewesen, daß er uns verleiten könnte, hier irgend einen Versuch der Art zu machen; daß er aber in der allgemeinen Tatsache das Richtige getroffen, ist die Annahme, welche unsere Bemerkungen als wahr zu erweisen versuchen.

Schindler, der oft sehr entschieden darauf baut, daß das, was er nicht wisse, auch nicht wahr sein könne, bemerkt zur Einleitung seiner chronologischen Tabelle von Beethovens veröffentlichten Werken aus den Jahren 1796 bis 1800 (I, 50): »Als ganz zuverlässig gilt, daß keines der weiter unten verzeichneten Werke vor 1794 verfaßt worden«; wir möchten aber behaupten, daß Schindler hier ganz und gar im Irrtum ist, und daß manche der in den ersten 12 Jahren des Wiener Lebens veröffentlichten Werke von Bonn dorthin mitgebracht waren62; ohne Zweifel wurden sie mehr oder weniger verändert, vermehrt und vervollkommnet, aber trotzdem gehören sie als Kompositionen in die Zeit, wo, wie es früher hieß, Herr van Beethoven Klavierkonzerte spielte und Herr Neefe akkompagnierte »bei Hofe, im Theater und in Konzerten«. Während die übrigen jungen Männer ihre Kraft in Werken für Orchester und Bühne versuchten, durch deren Aufführung sie notwendigerweise bekannt werden mußten, beschränkte sich der Hofpianist natürlich meist auf sein eigenes Instrument und auf Kammermusik, auf Werke, deren Ausführung vor einem kleinen Kreise, in den Salons des Kurfürsten, der Gräfin Hatzfeld und anderer, nur eine begrenzte, wenn überhaupt eine weitere Beachtung finden konnte63. Hier aber schlug er einen so neuen und in jener Zeit so fremden Weg ein, riß sich so kühn von den überlieferten Regeln und Formeln los und wurde, wie Mozart und Haydn in anderen Richtungen, sein eigener Gesetzgeber (weshalb man hinlänglich Grund hat zu glauben, daß er ebensowenig Gunst unter den Bonner Musikern fand, als er in anderen Perioden bei anderen gefunden hat), daß man dem Scharfsinne des Grafen Waldstein kein geringes Lob spenden muß, welcher seine Ziele verstand, seine Größe fühlte und ihn ermutigte, auf seinen eigenen Instinkt und Genius zu vertrauen und sich von demselben leiten zu lassen. Daß Beethoven jedoch seine Kräfte auch in einem weiteren Felde versuchte, sehen wir aus den beiden Kantaten, den beiden Baßarien und dem Ritterballett. Herr Carl Haslinger in Wien besitzt auch eine Orchestereinleitung [329] zum zweiten Akte einer ungenannten Oper, welche man ebensogut in die Bonner Periode seines Lebens verlegen kann, als in irgend eine andere; und es ist keineswegs eine vage Vermutung, daß er seine Kraft auch in anderen Konzerten für Klavier und volles Orchester versucht habe, als in dem von 1784. Was die Kompositionen für acht Blasinstrumente betrifft, so läuft man wohl schwerlich Gefahr, zu irren, wenn man annimmt, daß sie für des Kurfürsten »Harmoniemusik« geschrieben sind. Doch dies führt uns von der Sache ab, welche zu beweisen die folgenden Bemerkungen versuchen wollen64.

Wenn man ein Verzeichnis der zwischen Januar 1795 und Dezember 1802 veröffentlichten Kompositionen Beethovens entwirft und andere Werke hinzufügt, von denen bekannt ist, daß sie in diesen Jahren komponiert worden sind, so wird das Resultat annähernd folgendes sein (mit Weglassung einzelner Lieder und anderer kleiner Stücke): 2 Sinfonien, 1 Ballett (Prometheus), 32 Sonaten (Solo und mit Begleitung), 2 Romanzen (Violine mit Orchester), 2 Serenaden, 3 Duos (Klarinette und Fagott), 15 Hefte Variationen, 5 Sammlungen Tänze, 2 größere Gesänge (Ah perfido, Adelaide)65, 3 Klavierkonzerte, 9 Trios, 6 Quartette, 3 Quintette, 1 Septett, 3 Rondos für Klavier, 3 vierhändige Märsche, 1 Oratorium (Christus). Eine Summe von 93 Kompositionen in 8 Jahren oder 96 Monaten, und die meisten derselben solche Kompositionen! Die Größe Beethovens bewundert alle Welt; aber daß er in diesem Umfange komponieren, bei Salieri Opernkomposition studieren, seinen Ruf als Klaviervirtuose behaupten, ja sogar vermehren, nach Prag, Berlin und anderen Orten reisen, die Probebogen für seine Verleger korrigieren, Stunden geben und außerdem noch Zeit finden konnte, an seine Freunde lange Briefe [330] zu schreiben, zu schlafen, zu essen und zu trinken und mit Altersgenossen fröhlich zu verkehren, das ist doch, zum wenigsten gesagt, äußerst unwahrscheinlich, und dies um so mehr, als zu der Zeit, wo er wirklich sich ausschließlicher der Komposition zu widmen begann, diese wunderbare Fruchtbarkeit plötzlich nachließ. Die Folgerung liegt auf der Hand.

Ferner. Wenn Neefe im Jahre 1793 Beethoven »unstreitig einen der ersten Klavierspieler« nennt, so überrascht das nicht; 10 Jahre früher hatte er den größten Teil von Bachs Wohltemperiertem Klavier gespielt, und hatte nun schon lange das Amt eines zweiten Hoforganisten und Konzertspielers bekleidet; aber welchen genügenden Grund konnte Waldstein für sein Vertrauen haben, daß dieser Pianist durch Studium und Ausdauer befähigt sein sollte, das Szepter Mozarts zu ergreifen und zu behaupten? Und in ähnlichem Sinne schrieb Fischenich am 26. Januar 1793 von Bonn an Charlotte von Schiller die oben bereits angeführten Worte von dem jungen Manne, »dessen musikalische Talente allgemein angerühmt werden, und den nun der Kurfürst nach Wien zu Haydn geschickt hat«. Haydn habe nach Bonn berichtet, »er würde ihm große Opern aufgeben, und bald aufhören müssen zu componiren«. Man beachte das Datum: den 26. Januar 1793. Haydn muß demnach kurz vorher geschrieben haben, als Beethoven noch nicht länger wie 6 bis 8 Wochen bei ihm sein konnte. Gründete der Meister seinen Bericht auf das, was er in seinem Schüler sah, oder auf die Kompositionen, die dieser Schüler ihm vorlegte?66 Wegeler hat (N. 60, 61) einen undatierten und unvollständigen Brief Beethovens an Eleonore von Breuning abgedruckt, sicherlich nicht später als Ende Frühjahr 179467 geschrieben, der von einem Hefte Variationen und einem Rondo für Klavier und Violine begleitet war. Sollen die folgenden Stellen aus dem Briefe nichts andeuten? »Ich habe sehr viel zu thun, sonst würde ich die schon längst versprochene Sonate abgeschrieben haben. In meinem Manuskript ist sie fast nur Skizze, und es würde dem sonst so geschickten Paraquin selbst schwer geworden sein, sie abzuschreiben. Sie können das Rondo abschreiben lassen, und mir dann die Partitur zurückschicken. Es ist das Einzige, das ich Ihnen hier schicke, was von meinen Sachen ohngefähr für Sie brauchbar war.« Können diese Worte nicht in folgender Weise erklärt werden: Was die Sonate betrifft, welche ich in[331] Ihrem Hause, gespielt und von der ich Ihnen eine Abschrift versprochen habe, so ist sie in meinem Manuskript kaum mehr wie eine Skizze, so daß ich sie einem Kopisten nicht anvertrauen kann, nicht einmal Paraquin, und ich habe noch nicht Zeit gehabt, sie selbst abzuschreiben.

Auch sind die letzten Zeilen eines kurzen Artikels über Beethoven in dem Jahrbuche der Tonkunst für Wien und Prag (1796), welcher nicht später geschrieben wurde als im Frühling 1795, 9 oder 10 Monate vor der Veröffentlichung der Sonaten Op. 2, in besonderem Grade zur Aufklärung dieser Frage geeignet: »Man hat schon mehrere schöne Sonaten von ihm, worunter sich seine letzten besonders auszeichnen.« Diese Werke waren demnach im Manuskript wohlbekannt, gerade zu der Zeit, als er mit seinen Studien unter Haydn und Albrechtsberger beschäftigt war.

Endlich. Wenn man dem Obigen zum Trotz noch einwerfen will, daß die Werke von Opus 1 bis 15 oder 20, wie man will, einen Charakter tragen, der über Beethovens Kräfte während seines Bonner Lebens hinausgehe – wer weiß denn bestimmt, daß dieses der Fall ist? hat ein solcher Einwurf irgend eine andere Grundlage als die eines reinen Vorurteils68? Nachdem einmal ein Pedant gesagt hat, daß Shakespeare wenig Latein und noch weniger Griechisch gewußt habe, ist es Sitte geworden, ihn als eine Art von inspiriertem Ignoranten zu betrachten; als wenn nicht die Werke selbst bewiesen, daß ihr Verfasser ein Mann von hoher Bildung und ausgedehnter Kenntnis gewesen sei und ein Genius, vor welchem die Welt sich mit Ehrfurcht beugt. Als die Verkehrtheit jener Meinung endlich zu deutlich geworden war, begegnete die gute Miß Bacon der Schwierigkeit nicht durch die natürliche Ansicht, daß man sich hinsichtlich der Art der Erziehung des großen Dichters im Irrtum befunden haben müsse, sondern durch die wahnsinnige Behauptung, daß die Dramen Erzeugnisse eines andern seien, der sich den Namen des Spielenden angeeignet habe, um sein eigenes Inkognito zu bewahren; ähnlich wie Steffani, nachdem er die Musik mit der Politik vertauscht hatte, seinen Kompositionen den Namen seines Kopisten Gregorio Piva gab69. Einiges jenem Ähnliche hat man auch in Beziehung [332] auf Beethoven angenommen; und eine phantastische Theorie, auf diesen Gedanken gestützt, stellt ihn uns als ein rohes, unentwickeltes Genie vor, welches nach Wien gekommen war und nach zweijährigem Unterrichte bei Haydn und Albrechtsberger mit den Trios Op. 1 begann und seinen Weg in 8 Jahren in einer geometrischen Progression aufwärts machte durch die 23 Kompositionen von Op. 2 bis Op. 14 und bis zu den ersten Klavierkonzerten, dem Ballett Prometheus und der C-dur-Sinfonie.

Nun hat aber Beethoven im März 1795 sein erstes Konzert [nach jetziger Ermittelung das in B-dur] in Wien gespielt, hat kurz nachher die Trios Op. 1 herausgegeben und 1796 in Berlin die beiden Sonaten für Klavier und Violoncell komponiert. Ein junger Mann, welcher im Alter von 24 bis 25 Jahren dem Publikum derartige Werke vorführen konnte, kann wohl nicht drei oder vier Jahre vorher ein solcher »roher Diamant« gewesen sein.

So überzeugend diese Betrachtungen dem gewöhnlichen Leser erscheinen mögen, so verlangt der kritische Forscher mit Recht noch etwas mehr. Ihm genügt nicht zu wissen, daß das Klavierkonzert in B (Op. 19) vor der Veröffentlichung von Op. 1 komponiert war; daß Motive aus den Klavierquartetten von 1785 in die Sonaten Op. 2 übergegangen sind; daß das QuintettOp. 4 nur eine Neubearbeitung der Parthia in Es ist, und daß, wie wir jetzt hinzufügen, ein ganzer Satz der Oper Leonore schon in der Trauerkantate von 1790 steht; er wünscht zu wissen, ob eins oder mehrere der später erschienenen Werke sich bestimmt als Bonner Kompositionen erweisen lassen. Dies ist bezüglich des Trios Op. 3 in zwingender Weise geschehen70, und ebenso war es von der Parthia nach allen begleitenden Umständen anzunehmen. Außer diesen Werken haben die Kaiser-Kantaten, das Klaviertrio mit Flöte und Fagott und manches Kleinere über die frühe Entwicklung Beethovens keinen Zweifel gelassen. So mag denn weitere Vermutung, welche später erschienenen Werke vielleicht schon in Bonn geschrieben oder wenigstens entworfen waren, ihren freien Spielraum behalten. –

Ein Punkt ist hier, wenn man das Schaffen Beethovens mit dem anderer Künstler vergleicht, nicht außer acht zu lassen. Als charakteristisch [333] für Beethovens ganzes späteres Schaffen wird uns mehr und mehr entgegentreten die strenge, ja unbeugsame Selbstkritik, die er an seinen Arbeiten übte. Die Spuren genauester, bis ins Einzelne gehender Vorarbeiten liegen in den jetzt namentlich durch Nottebohms unermüdlichen Fleiß zahlreich bekannt gewordenen Skizzenbüchern vor. Diese Art des Skizzierens hatte er, wie verschiedenen Spuren zu entnehmen ist, schon in Bonn angenommen; mehrfach ging er sogar dazu über, ganze bereits fertiggestellte Werke neu zu bearbeiten, bis sie die ihn befriedigende endgültige Form erhielten. Beethoven arbeitete langsam, es dauerte geraume Zeit, bis er sich selbst genug getan; darin unterscheidet er sich wesentlich z.B. von Mozart, der selten und nur, um einen Gedanken festzuhalten, skizzierte71, während bei Beethoven die Skizzen das Wesentliche der Vorarbeit enthalten72. Nimmt man nun hinzu die amtlichen Pflichten, die er in Bonn zu erfüllen hatte, die häuslichen Sorgen, welche auf ihm lasteten, vielfache Abhaltung durch Unterricht usw., so konnte es nicht wundernehmen, daß die Zahl seiner früheren Kompositionen mit der bei anderen Komponisten, welche naiver und leichter arbeiteten, einen Vergleich nicht aushält.

Für uns bleibt das Ergebnis, daß Beethoven, als er von seiner Vaterstadt Abschied nahm, nicht bloß die Formen, in denen er schuf, namentlich die der Kammermusik, technisch beherrschte, sondern auch seine künstlerische Eigenart entwickelt hatte. Wer sich die Trauerkantate, das Oktett, das Trio Op. 3 noch einmal vergegenwärtigt – um nur einige Höhepunkte zu nennen –, ist darüber nicht im Zweifel, daß hier nicht bloß Übung und Können, nicht bloß Nachahmung anderer Meister, sondern eine ausgeprägte Künstler-Individualität vor uns steht, die freilich ihrer vollen Ausgestaltung und Entwicklung noch harrt, die ihn aber sofort von andern unterscheidet und kenntlich macht. Worin zeigt sich diese? Sie ist nicht in gewissen wiederkehrenden Zügen der Melodiebildung, der Modulation, des Baues und etwa der Erweiterung der Sätze beschlossen, ihre Voraussetzungen liegen tiefer.

[334] Die künstlerische Individualität läßt sich von der menschlichen nicht trennen73, wer will aber diese in dem Leben der Seele, welches zum musikalischen Ausdruck drängt, genau verfolgen und mit Worten bezeichnen? Durch Vergleichung läßt sich der Sache vielleicht näher kommen. Für Beethoven in seinen jüngeren Jahren war Mozart das leuchtende Vorbild alles Schaffens. Wie verschieden aber waren, menschlich betrachtet, diese beiden Naturen! Mozart, der lebhafte, gemütvolle Süddeutsche, war in glücklichem Familienkreise, getragen von der unwandelbaren Liebe und der hohen Einsicht eines stets sorgenden Vaters aufgewachsen, heiter, bescheiden, offen und mitteilsam, eine innerlich harmonische Natur. Die Grundzüge seines Wesens konnten auch nicht unterdrückt werden, als ihn das Leben etwas härter anfaßte; mit Liebe umfaßte er Welt und Menschen und fand diese Liebe reich erwidert. Sein Schaffensdrang war unbezwinglich, er brauchte Gelegenheiten und Aufforderungen nicht abzuwarten, er komponierte, weil er nicht anders konnte; und da er den Maßstab des Wahren und Schönen in sich trug, beirrte ihn in seinen jüngeren Jahren Reflexion weniger als viele andere. Was er schuf, war Ausdruck dieses harmonischen Innern; selten gibt uns musikalisch Geschaffenes eine so unmittelbare Mitempfindung mit dem ganzen Seelenleben des Künstlers, wie wir es bei Mozart zu gewahren von jeher gewohnt sind.

Ganz anders hat sich Beethoven entwickelt. Von Hause aus zu warmem Empfinden, zu hoher Gesinnung angelegt (man denke an die Selbstbeurteilung in dem Heiligenstädter Testamente), empfing er vom Vaterhause außer vieler Musikübung, welche ihm noch durch die Behandlung des Vaters vergällt wurde, nur unerquickliche Eindrücke, und das Herz ging, zumal nachdem er die Mutter verloren hatte, leer aus. Die Verhältnisse trieben den zur Verschlossenheit neigenden Knaben und Jüngling noch mehr in sich zurück, während in seinem Innern das hohe Kunstideal lebte und sich entwickelte. Bewunderung seiner Kunstgenossen und anderer Kreise, Verkehr mit gebildeten und sittlich hochstehenden Menschen waren geeignet, ihn allmählich aus sich herauszuziehen und ihn zum Bewußtsein dessen, was er zu sein und zu leisten berufen war, zu führen. Warme Freundschaft, Liebe zur Natur, Eindruck der Dichterlektüre öffneten sein Herz; aber es bildete sich zugleich ein starkes Selbstgefühl aus, welches uns ja auch in seinen reisen Jahren, nicht immer in erfreulicher Form, [335] entgegen tritt. Von allem Gewöhnlichen und Alltäglichen abgewandt, über enge Anschauungen hinausstrebend und Höheren sich gleichstellend, von unbeugsamer Strenge gegen sich, dabei schon in jungen Jahren mit amtlichen und häuslichen Verpflichtungen betraut, steht er im Leben und in der Kunst früh auf sich selbst, und es gelingt nur Bevorzugten, auf den eigensinnigen, »störrischen« Jüngling innerlich Einfluß zu gewinnen. Kopf und Herz trägt er höher als andere, seine Bedeutung kommt ihm zeitig zum Bewußtsein. Ganz ausgeglichen haben sich die inneren Gegensätze seiner menschlichen Natur niemals. Nur künstlerische Erhebung vermochte in ihm zu vereinigen, was getrennt schien; da erst gelangte die stolze Männlichkeit, die vornehme Erhebung über das Gemeine, die im Leben oft verborgene tiefe, glühende Wärme des Gemütes zu voller Entfaltung; da beherrschte ihn das von Anbeginn in ihm lebende und ihn nie verlassende Gefühl für Schönheit und Ebenmaß, welches wir auch in den leidenschaftlichsten Momenten nie vermissen.

Die Verschiedenheit des Eindrucks, welchen Beethovensche und Mozartsche Werke, in ihrer künstlerischen Vollendung so nahe verwandt, auf den Hörer machen, wird man nie auf eine kurze Bezeichnung bringen können; mit allgemeinen Worten, wie stolz, erhaben, vornehm, ist hier nicht viel gewonnen. Um der Sache wenigstens näher zu kommen, wird man sich den verschieden angelegten Grundzug des Charakters und die verschiedene Entwicklung beider Meister vor Augen halten müssen.

Damit sei der Abschnitt über »Beethoven in Bonn« geschlossen; nur ein kurzer Nachtrag soll noch folgen.

Menschlich zu Selbständigkeit entwickelt, in seiner Kunst zwar noch technischer Weiterbildung bedürftig, aber in den geläufigen Formen geübt, in seiner Erfindung neu und eigenartig, auf seinem Instrument alle Gleichzeitigen überragend, voll strotzender genialer Kraft des Wollens und Könnens – so trat er in die musikalischen Kreise der großen Hauptstadt ein.

Fußnoten

1 Auf ein kleines Werk kommen wir noch zurück.


2 Die beiden vom Verfasser in der ersten Auflage (S. 232) an dieser Stelle genannten Arien als Einlage in Umlaufs schöne Schusterin bleiben hier weg, weil sie nach Nottebohms Ermittelung (2. Beethov. S. 30, vgl. Rev.-Bericht zu Serie 25 Nr. 270) frühestens 1796 entstanden sind. Auch sehen wir von einer Erörterung über die 3 Trios Op. 1 hier ab, von welchen die beiden letzten nachweislich erst in Wien fertig geworden sind. Daß Stücke derselben schon in Bonn skizziert waren, halten wir dabei nicht für ausgeschlossen. Anmd. Herausg.


3 »Verzeichniß einer Bücher- und Musikaliensammlung, welche den 21. April 1813 u. die folgenden Tage in der Rimerstraße im Managetaischen Stifthause Nro. 871 im ersten Stock öffentlich versteigert wird. – Wien (N.. [?] V 1117 C 5).« Darin sind die Kantaten so angegeben: »Beethoven, Trauerkantate auf Joseph des Zweiten Tod. G. P.« (Geschriebene Partitur); und »Beethoven, Kantate auf Leopold II. S. (Schrift).« Nach Nottebohms Handexemplar und. Thayers chronol. Verz. Nr. 10, 19. Anm. d. Herausg.


4 Neue freie Presse 1884, 13. Mai. Vgl. Suite S. 153 fg.


5 Br. & H., G.-A. S. 25 Nr. 264, 265. Die Abschriften befinden sich jetzt auf der K. K. Fideikommiß-Bibliothek zu Wien.


6 Wegeler S. 10. Nach unseren heutigen Begriffen ist diese Schwierigkeit überhaupt nicht vorhanden oder höchstens auf die Forderung genauen Zusammenspiels zu beziehen. Die übrigen Mitteilungen verdanken wir den Protokollen der Lesegesellschaft. Anm. d. Herausg.


7 Der Brief befindet sich im Besitze des Herrn Amtsgerichtsrats Degen in Bonn und wurde von demselben dem Herausgeber freundlichst zur Einsicht mitgeteilt. Anm. d. Herausg.


8 Severin Anton Averdonk, Sohn eines Beamten bei der kurfürstlichen Rechnungskammer, war am 21. September 1768 getauft, was trefflich zu dem Alter paßt. Er war der Bruder der uns bekannten Hofsängerin Johanna Helene Averdonk. Es gab noch einen älteren Geistlichen Averdonk, Minorit und später Pfarrer in Grau-Rheindorf, welcher aber zu jener Zeit 42 Jahre zählte und daher hier nicht in Betracht kommen kann. Der Herausgeber verdankt die Mitteilungen über Averdonk der großen Freundlichkeit des über die Geschichte von Bonn genau unterrichteten, leider inzwischen verstorbenen Herrn Eb. von Claer in Vilich und des Herrn Dr. Bischof in Bonn. [Die Schreibung Averdonck, Averdonc, Averdonk, Averdunck wechselt in den Aufzeichnungen.] Anm. d. Herausg.


9 Vgl. Buschmann, Zur Geschichte des Bonner Gymnasiums I, S. 34. Anm. d. Herausg.


10 Giers Festschrift S. 25.


11 Vgl. auch die Ausführungen von Alb. Mayer-Reinach i. d. »Musik«, Jahrgang VI Heft 24 (Beethovens »Trauerkantate«).


12 Thayer vermutete es für beide. Bei der ersten war es ausgeschlossen; bei der zweiten ist es immerhin wahrscheinlich. Anm. d. Herausg.


13 Vgl. Mandyczewski im Revisionsbericht der neuen Ausgabe. Anm. d. Herausg.


14 Auch Hanslick (Suite S. 161) macht auf diese Übereinstimmung der Worte aufmerksam. Anm. d. Herausg.


15 Der Herausgeber glaubt hier betonen zu sollen, daß er in dem, was hier gesagt worden und noch zu sagen ist, ganz in Thayers Bahnen geht. Thayer hatte durch Kombination aus den Quellen und Betrachtung von Beethovens Lebensgang zu entwickeln gesucht, daß er weit früher, als zu der Zeit, da er die Trios Op. 1 herausgab, seine Reise erlangt haben müsse. Mag man in einzelnen Punkten von ihm abweichen: die neuen Entdeckungen und der gesamte Überblick über das, was nun erwiesenermaßen der Bonner Zeit zufällt, lassen seinen Grundgedanken als richtig erscheinen. Anm. d. Herausg. [Der hier ausgesprochenen Ansicht wird man ohne Einschränkung beipflichten, wenn man den Schwerpunkt von Beethovens Schaffen und das Hauptziel seines Strebens nicht auf dem Gebiete der Vokalkomposition, sondern in der Instrumentalkomposition sucht. Ja, man muß noch weiter gehen und speziell die Komposition für Klavier ohne und mit andern Instrumenten in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Man wird dann inne, daß Beethoven bereits um die Zeit der Veröffentlichung der Trios Op. 1 der erste Klavierkomponist seiner Zeit ist und bereits über Mozart, Haydn und auch Clementi hinausgewachsen ist. H.R.]


16 Auch Mozart hatte den Text komponiert (Nottebohm, Mozartiana S. 126), doch hat sich seine Komposition bisher nicht gefunden. Anm. d. Herausg.


17 Auch Neefe hatte ein Lied aus Claudine »Liebliches Kind« komponiert (O. Lindner, Geschichte des deutschen Liedes, Beilage S. 142), gedruckt in seinen 1777 erschienenen Serenaten. Anm. d. Herausg.


18 Br. & H. S. 25 Nr. 269 mit Mandyczewskis Revisionsbericht. Thayers Verzeichnis enthielt nur die zweite (Nr. 15). Letztere war Beethoven selbst geneigt herauszugeben; er bot sie 1822 Peters an. Anm. d. Herausg.


19 Br. & H. S. 25 Nr. 275 mit Mandyczewskis Bericht. Das gleich zu nennende Skizzenblatt befindet sich im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, wo es auch der Herausgeber einsah.


20 Sophie Schubert, geb. 1773 (?) zu Altenburg, heiratete zuerst Professor Mereau, und 1803 Clemens Brentano. Sie starb 1806. Vgl. Goedekes Grundr. der d. Dichtung V, S. 429. Anm. des Herausg.


21 Nottebohm, 1. Beeth. S. 7, 2. Beeth. S. 517. In »Beethovens Studien« S. 219 unterwirft er das Lied hinsichtlich der logischen Betonung der Worte einer strengen Beurteilung. Das Autograph mit dem ursprünglichen Schlusse besitzt die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Anm. d. Herausg.


22 Das könnten Ries' Worte (Notizen S. 124) glauben machen. »Alle Kleinigkeiten und manche Sachen, die er nie herausgeben wollte, weil er sie nicht seines Namens würdig hielt, kamen durch seine Brüder heimlich in die Welt. So wurden Lieder, die er jahrelang vor seiner Abreise nach Wien noch in Bonn komponirt hatte, dann erst bekannt, als er schon auf einer hohen Stufe des Ruhmes stand. So wurden sogar kleine Compositionen, die er in Stammbücher geschrieben hatte, in dieser Art entwendet und gestochen.« Vgl. auch Bd. II. 2. Aufl. S. 367 u. 369.


23 Veröffentlicht Ges.-Ausg. S. 25. Nr. 282. Vgl. Thayer, Verz. Nr. 20.


24 Thayer Verz. Nr. 23. Br. & H., Ges.-Ausg. S. 23 Nr. 232. Autograph der ersten Bearbeitung im Brit. Museum mit der Unterschrift: ipse fecit L. v. Beethoven. (Nottebohm, handschr. Bemerkung.) Anm. d. Herausg.


25 Früher in der Sammlung Artaria (Nr. 171), jetzt über Dr. E. Prieger in der Berliner Kgl. Bibliothek. Thayer, Verz Nr. 26. Anm. d. Herausg.


26 Hier ist der Einwand nicht zu unterdrücken, daß ja auch nach der Ansicht von Thayer und von Deiters eine erhebliche Zahl später veröffentlichter Instrumentalwerke Bearbeitungen, Umgießungen bereits in Bonn geschriebener sind. Die Klavierquartette von 1785 geben sicher keinen Anlaß, von der Beschaffenheit der in den nächsten zehn Jahren entstandenen, aber nicht veröffentlichten Werke geringer zu denken. Des Herausgebers persönliche Überzeugung ist hier eine durchaus abweichende, nämlich, daß freilich Beethoven nicht die Fähigkeit abgegangen ist, für Gesang zu komponieren, daß aber der Schwerpunkt seiner historischen Bedeutung und auch der seines Strebens nach Neuem, Größerem doch auf dem Gebiete der Instrumentalmusik liegt. [H.R.]


27 Das erkennt auch Nottebohm bezüglich der früheren Lieder an (Studien S. 231), »nur fehlt ihnen«, meint er »das auf cantilenenartiger Führung und auf der Anbringung gehaltener Töne beruhende Sangliche, welches die späteren Lieder haben.« Er vergleicht ihn also hier nur mit sich selbst. Anm. d. Herausg.


28 Wegeler Not. S. 16. Das Autograph (früher bei Artaria, jetzt durch Dr. Prieger in der Berliner Kgl. Bibliothek), ohne Aufschrift, zeigt eine feste, nicht mehr knabenhafte Handschrift. Dasselbe wurde, wie aus verschiedenen Bemerkungen und kleinen Änderungen von fremder (aber alter) Hand hervorgeht, bei einer Aufführung benutzt. (Nott. h. Bem.) Eine Abschrift besaß O. Jahn. Einen Klavierauszug gab 1872 Dulcken bei Rieter-Biedermann heraus. In der Originalgestalt kam es erst durch Br. & H., Gesamtausgabe (S. 25 Nr. 286) aus Licht. Anm. d. Herausg.


29 Ein Rest des Textes bzw. der vokalen Bestandteile der Musik hat sich möglicherweise erhalten in einem zweiseitig vollbeschriebenen oblongen Folioblatt, das ca. 1910 bei einem Londoner Antiquar versteigert wurde. Dasselbe war katalogisiert als »Beethoven-Autograph. Vierstimmiger a capella-Gesang aus der Bonner Zeit«. Edward Speyer, der das Blatt sah, aber leider nicht ersteigerte, ist der Meinung, daß die Handschrift möglicherweise die Beethovens in der Bonner Zeit ist (über den Verbleib des Blattes ist nichts bekannt geworden); Herr Speyer hat den Text des Gesanges kopiert; derselbe lautet (wohl nicht ganz korrekt):

»Doch liebt gleichwohl Amynt und spricht, daß nichts so süß wäre. Voll Ungewißheit fleh' ich dir, gieb du, o Liebe, selber mir Verstand, zu entscheiden.


Bringt Liebe Luft, bringt sie Gefahr,

Sagt der Amynt der Mutter wahr.«


Das könnte wohl der Text des »Minneliedes« (der Romanze Nr. 4) und des als Ritornell mehrmals wiederkehrenden »Deutschen Gesangs« (Nr. 2) sein. Die Melodie des letzteren paßt (in naiver, volksmäßiger Deklamation) recht gut zu den Worten:


18. Kapitel. Was hat Beethoven in Bonn komponiert

Der unrhythmische Anfangsteil ist dann wohl rezitativisch behandelt oder gar gesprochen worden. Der unbekannte jetzige Besitzer des Blattes würde die Frage entscheiden können, wenn er die leider von Herrn Speyer nicht kopierte Melodie des Gesanges mitteilte. (H.R.)


30 Br. & H., Ges.-A. S. 8 Nr. 59. Autograph früher bei Artaria, jetzt über Dr. Prieger im Besitze der Berliner Kgl. Bibliothek. Anm. d. Herausg.


31 Vergleichen kann man etwa das einige Jahre später geschriebene Sextett für Blasinstrumente. Anm. d. Herausg.


32 Bei Betrachtung des Oktetts muß man sich von der Erinnerung an das Quintett Op. 4, dessen Urgestalt es ist, ganz freimachen. Letzteres ist nicht nur, wie Thayer chron. Verz. Nr 25 sagt, ein Arrangement, sondern eine ganz neue, mehrfach erweiterte Bearbeitung. Anm. d. Herausg.


33 Auch Mozart hatte zu ähnlichem Zwecke mit etwas verschiedenen, zum Teil geringen Mitteln mehrere Kompositionen geschrieben, vgl. O. Jahn I, S. 346f. Wie die Bezeichnung Partie (Partita) zeigt, hatte Beethoven wohl solche Vorbilder vor Augen. Anm. d. Herausg.


34 Titel: »Rondino für achtstimmige Harmonie componirt von L. van Beethoven. Nachgelassenes Werk, nach dem Originalmanuscript.« In der Br. & H.schen G.-A. S. 8, Nr. 60. Thayer, Verz. Nr. 27. Anm. d. Herausg.


35 Das Autograph besaß Dr. Prieger in Bonn, mit dessen gütiger Erlaubnis das anderweit nicht gedruckte Stück in der Beilage mitgeteilt ist. Vgl. Thayer, Verz. Nr. 17. Anm. d. Herausg.


36 Br. & H., G.-A. Serie 7. Nr. 54. Das Autograph, früher in S. Thalbergs Händen, befand sich dann im Besitze des Herrn Ch. Malherbe (gest. 1911) in Paris. Anm. d. Herausg.


37 Der Herausgeber hat, wie er bereits in der Vorrede gesagt, mit Rücksicht auf den jetzigen Stand der Kenntnis den Abschnitt über Beethovens Bonner Kompositionen bei Thayer umgearbeitet und hofft dafür die Entschuldigung der Leser zu finden. An dieser Stelle sind aber, wie natürlich, Thayers Worte (1. Aufl. I, S. 249f.) unverkürzt wiedergegeben. Anm. d. Herausg.


38 Nottebohm 2. Beeth. S. 479f.


39 Die Sonate für Klavier und Violoncell, welche als Op. 64 von Artaria in der Wiener Zeitung vom 27. Mai 1807 angezeigt wurde, ist ein nicht von Beethoven herrührendes Arrangement dieses Trios. (Vermutlich war der Bearbeiter Fr. X. Kleinheinz, der bereits 1803 derartige Arrangements besorgte. Vgl. Bd. II2, S. 619.)


40 Auch der Verfasser hatte die Vermutung ausgesprochen, daß es wohl noch andere Konzerte Beethovens außer dem von 1784 gegeben haben müsse. (Vgl. u. S. 330.) Anm. d. Herausg.


41 Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft, 4. Jahrgang S. 451f. Anm. d. Herausg.


42 Wiener Abendpost 1889, Nr. 111.


43 Das Bruchstück ist von Josef Hellmesberger in Wien bei Friedrich Schreiber (vormals Spina) herausgegeben und mit Benutzung der vorhandenen Motive mit Geschick ergänzt. Leider ist bei Wiedergabe des erhaltenen Teiles die erforderliche Pietät zu vermissen; Hellmesberger hat sich mehrfach willkürliche Änderungen erlaubt. Es wäre zu wünschen, daß das erhaltene Stück im Supplement der großen Breitkopf-&. Härtelschen Ausgabe eine treue Wiedergabe fände. Anm. d. Herausg.


44 Zuerst herausgegeben als Oeuvre posthume bei Dunst in Frankfurt a/M. 1836. In Br. & H., Ges.-A. S. 11. Nr. 86. Vgl. Thayers chron. Verz. Nr. 13. Nottebohms chron. Verz. S. 143. Anm. d. Herausg.


45 Das Anfangsthema und seine Verwertung zu Anfang des zweiten Teiles ist seinem Charakter nach dem Diabellischen Walzer, über den Beethoven die 33 Variationen Op. 130 schrieb, eng verwandt; vielleicht hat darum der Meister sich so für diese Arbeit erwärmt. (H.R.)


46 Erste Aufl. I, S. 239f.


47 Nottebohm 1. Beeth. S. 7. Brief Beethovens an Hoffmeister vom 22. Sept. 1803, Neue Zeitschr. für Musik VI. Nr. 21. Br. & H., G.-A. S. 11. Nr. 88. Anm. d. Herausg.


48 Angabe im Katalog: »Nr. 179. Unbekanntes Trio für Pianoforte, Flöte und Fagott, frühere Arbeit noch in Bonn.« Titel des Autographs (in Berlin), am Ende befindlich: Trio concertant a clavicembalo, flauto, fagotto, composto da Ludovico van Beethoven organista di S. S ... (unleserlich) cologne. Siehe Thayer, chron. Verz. 22. Br. & H., Ges.-Ausg. S. 25. Nr. 294 mit Mandyczewskys Revisionsbericht. Anm. d. Herausg.


49 Die Nachkommen der Familie v. Westerholt bestätigen, wie dem Herausgeber mitgeteilt wurde, daß Beethoven Kompositionen für dieselbe geschrieben habe. Die obige Zusammensetzung von Instrumenten findet sich noch einmal in Bonn, in einer Romanze inE-moll für Klavier, Flöte und Fagott mit Begleitung kleinen Orchesters. Die Melodie kommt im Trio nicht vor, es ist also ein besonderes Stück, welches aber nur als Bruchstück in einer Skizze erscheint. Nottebohm 2. Beeth. S. 70, und handschr. Bem. zu Thayers Verz. Nr. 22. Anm. d. Herausg.


50 Thayer hatte das Werk in sein chronologisches Verzeichnis unter Nr. 21 aufgenommen und die Themen von drei Sätzen angegeben, dabei aber übersehen, daß die Sonate aus 4 Sätzen besteht; dem letzten Satze geht noch ein selbständiges kleines Largo voraus. Das Manuskript, welches dem Herausgeber durch die Güte des Herrn Dr. Prieger vorliegt, ist nicht Abschrift einer fertigen Komposition, da sich noch viele Striche, Zusätze und Änderungen finden; es ist vielmehr ein vielleicht nach Skizzen niedergeschriebener Entwurf, der dann durchgesehen und verbessert wurde. Über der Sonate steht mit Bleistift eilig geschrieben: 1 Sonata.. di Bethoe–, der Schluß des Namens ist verkürzt, das Wort nach Sonate ganz unleserlich, weder comp. noch Kl. u. Flöte (wie Nottebohm meinte) kann es heißen; am ehesten fecit, was aber nicht passen würde; es scheint, daß jemand der Orientierung wegen die Bemerkung darüber geschrieben habe. Der erste Satz (B-dur) bringt ein einfaches, wohlklingendes Thema; ohne viel Umstände wird zum Dominantenakkord übergeleitet und ein zweites sehr reizendes Thema gebracht, welches ganz wohl von Beethoven sein könnte, ebenso wie die Fortsetzungen, in welchen sich ein hübsches Wechselspiel der Instrumente entwickelt. Auch ein ernsteres drittes Thema und die zum Schlusse führenden Akkordgänge klingen an Beethoven an. Dann beginnt der zweite Teil unvermittelt in D-dur mit einem ganz neuen Thema; es erregt Bedenken, ob Beethoven sich in jungen Jahren eine solche nicht organische Freiheit erlaubt haben würde. Auch der weitere Fortgang der Durchführung mit seinen Triolenfiguren und Modulationen macht den Eindruck ungeschickten Versuchens, nur die nochmalige Verwendung des 2. Themas wirkt gut. Beethoven aber würde auch in früherer Zeit die Durchführung entweder kürzer oder organischer gestaltet haben. Bei der Wiederholung wird das hübsche 2. Thema nicht wieder gebracht. Der zweite Satz, Polonaise mit Trio, ist einfach und anspruchslos, zeigt auch keine charakteristischen Eigentümlichkeiten; aus Beethovens Jugendzeit könnte er immerhin stammen. Der dritte Satz (Largo, Es-dur) besteht seinem Hauptinhalt nach aus zwei kurzen Teilen, denen ein dritter gleichsam als Abschluß folgt; das Thema ist ernst und gewichtig und könnte von Beethoven sein; die Fortsetzung erregt kein besonderes Interesse und weist, abgesehen von der geschickten Behandlung der Instrumente, nicht auf ihn hin. Den letzten Satz bilden Variationen nach der üblichen Art über ein ganz anmutiges Thema, mit guten Klangwirkungen und hübschem Wechsel des Ausdrucks; eine Variation in B-moll mit sehr schönem Übergang nachDes möchte man ohne weiteres Beethoven zuschreiben. Auch eine Coda läßt er folgen. Das könnte immerhin eine Jugendarbeit Beethovens sein; es kann aber auch von einem geschickten Nachahmer herrühren. Die Behandlung der Instrumente, besonders das Ineinandergreifen derselben, zeigt überall Geschmack und Kenntnis An die Klaviertechnik werden nicht übermäßige Anforderungen gestellt; dagegen wird ein geübter Flötenspieler verlangt, wenngleich man nicht sagen kann, daß die eigenartigen Wirkungen dieses Instrumentes voll zur Geltung kommen.

Von dem Gedanken an Beethovens reife Manneszeit muß natürlich ganz abgesehen werden. Aber auch der Annahme, es stamme von dem jugendlichen Meister der Bonner Zeit, steht, von verschiedenen Unebenheiten abgesehen, der Umstand entgegen, daß keine einzige Komposition dieser Art aus der Bonner Zeit in 4 Sätzen geschrieben ist, und daß die Handschrift nicht die Beethovens ist. Wir glauben daher, dis wir eine bessere Beglaubigung haben, von der Annahme absehen zu müssen, daß wir hier eine Arbeit Beethovens vor uns haben. Weitere Vermutungen, wer denn der Verfasser und wie das Werk in Beethovens Hand gelangt sei, würden des genügenden Anhalts entbehren. Anm. d. Herausg.


51 Den Brief teilen wir weiter unten mit. Die Variationen stehen in Br. & H., Ges.-A. S. 12 Nr. 103. In einem früheren Verzeichnisse von Br. & H. (1793) werden sie sogar als Op. 1 angezeigt, ebenso 1794 in einem Verzeichnisse von Geyl und Hedler, Daß die Coda erst bei der Veröffentlichung die bleibende Gestalt erhielt, geht aus den Worten des Briefes an El. v. Breuning (»Nie würde ich so etwas gesetzt haben« usw., s. u,) hervor. Der Verfasser wollte deshalb die Coda selbst als später hinzugefügt ansehen (1. Aufl. I, S. 285). Anm. d. Herausg.


52 Das Stück wurde 1805 in Wien im Kunst- und Industriecomptoir herausgegeben. Br. & H., Ges.-Ausg. bringt es S. 18. Nr. 195. Vgl. Nottebohm, Beethovens Studien S. 12. Anm. d. Herausg.


53 Die Abschrift war im Besitze von Artaria. Überschrift von 1: »Praeludium durch die 12 Dur Tonarten von Ludwig van Beethoven«; von 2: »Praeludium durch die 12 Harte Tonarten.« Br. & H., G.-A. S. 18. Nr. 184. Vgl. über sie Nottebohm, Beethovens Studien S. 6. Anm. d. Herausg. [Vgl. die Anmerk. 2 zu S. 149f. H.R.]


54 Venni Amore, nicht Vieni, wie in den Ausgaben steht. »Venni Amore nel tuo regno, ma compagno del Timor« beginnt der Text. Die Ariette steht im 2. Heft der »Sammlung deutscher und italienischer Gesänge von Vincenz Righini. Leipzig, Hoffmeister und Kühnel«. Righini schrieb selbst schon eine Anzahl Variationen der Singstimme dazu. Die Gesänge wurden ein oder zwei Jahre vor Beethovens Zusammenkunft mit Sterkel in Aschaffenburg veröffentlicht (Nottebohm, handschr. Bem.). Über dasselbe Thema schrieb etwa 1890 Franz Danzi Variationen für Streichquartett in seinem Op. 5 (Nr. 4, 2. Satz.) Beethoven gab die Variationen 1801 nochmals in Wien bei Traeg heraus. Br. & H., G.-A. bringt sie S. 17. Nr. 178. Anm. d. Herausg.


55 Vincenzo Righini, 1756 in Bologna geboren [1780–88 Gesanglehrer am Wiener Hof und Operndirektor], war seit 1788 Kapellmeister des Kurfürsten von Mainz. Von dort aus führte er 1790 im Auftrage des Kurfürsten von Trier in Koblenz eine Oper Alcide al Bivio auf. Über ihn schreibt Mozart am 29. Aug. 1781: »Er schreibt recht hübsch; er ist nicht ungründlich, aber ein großer Dieb. Er gibt seine gestohlenen Sachen aber so mit Ueberfluß wieder öffentlich Preis und in so ungeheurer Menge, daß es die Leute kaum verdauen können.« [Von 1793 bis zu seinem Tode 1812 war Righini Hofkapellmeister in Berlin.] Anm. d. Herausg.


56 »Wenn Sie mir doch auch von den ersten Variationen einige Ex. schickten« am Schlusse des Briefes.


57 Br. & H., G.-A. S. 17. Nr. 175. – Titel der ersten Ausgabe; Ariette tirée de l'Operette (: das rothe Käppchen, Es nur einmal ein alter Mann :) Variée pour le Clavecin ou Piano Forte par L. v. Beethoven a Bonn chez Simrock. prix 48 xr.


58 Vgl., was O. Jahn über diese Gattung sagt, Mozart 3. Aufl. II. S. 176. – Titel der ersten Ausgabe der Variationen: Variations à quatre Mains pour le Piano-Forte sur un Theme de Monsieur le Comte de Waldstein. Composées par Louis van Beethoven. chez Simrock à Bonn. Br. & H., G.-A. S. 15. Nr. 122.


59 Erschienen 1830 bei Dunst in Frankfurt a/M. Neue Ausgabe (Br. & H.) Serie 16. Nr. 159.


60 Vgl. G. Weber in der Cäcilia Bd. 13. S. 284. Auch Nottebohm (handschr. Bem. zu Thayers Verz. Nr. 41) hielt die gedruckte Sonate für die des Briefes.


61 Was hier folgt, sind Erörterungen des Verfassers, soweit sie angesichts der Erweiterung unserer Kenntnis auch jetzt noch gelten. Der Gesichtspunkt, unter welchem sie gebracht werden, ist ein etwas anderer: daß Beethoven mehr, als bisher bekannt war, in Bonn geschrieben, braucht nicht mehr bewiesen zu werden; zu fragen ist nur noch, ob vielleicht noch andere Werke, die wir als spätere zu betrachten gewohnt sind, schon für diese frühere Zeit in Anspruch zu nehmen sind. Jedenfalls glaubte der Herausgeber sich verpflichtet, hier wieder den Verfasser tunlichst selbst reden zulassen. [H. D.]


62 Für mehrere ist der Beweis für letztere Ansicht im Obigen bereits geführt. Anm. d. Herausg.


63 Die Kantaten und das Oktett wurden allerdings, soweit unsere Kenntnis reicht, in Bonn damals nicht aufgeführt. Anm. d. Herausg.


64 Hier ist auch die rechte Stelle, der 1909 von Fritz Stein in Jena aufgefundenen C-dur-Sinfonie zu gedenken, über welche Bd. II2, Seite 60 unter Mitteilung der Satzanfänge bereits berichtet worden ist. (Dazu die Berichtigung, daß Karl Stamitz bereits 1794 als Konzertmeister des akademischen Konzerts nach Jena kam, also 7 Jahr daselbst wirkte.) Ein Grund, diese Sinfonie Beethoven abzusprechen, liegt nicht vor, wenn auch rätselhaft bleibt, wie sie nach Jena gekommen. Daß der vielgereiste Virtuose auf der Viola und der Viola d'amour auch am Bonner Hofe gespielt haben wird, ist sehr wahrscheinlich. Gründe, die Jenaer Sinfonie, wenn sie echt ist, nahe an die Zeit derC-dur-Sinfonie Op. 21 zu setzen, sind nicht ersichtlich. Der Komponist der Kaiserkantate (1790) könnte sehr wohl der Autor dieser Jenaer Sinfonie sein, deren Stil dem der Mannheimer sehr nahe steht. Die Sinfonie würde dann also zu den zurückgehaltenen Werken der letzteren Bonner Jahre zu zählen sein, welche nicht in späterer Umarbeitung verwertet worden sind. (H.R.)


65 Wir werden sehen, daß ihrer noch mehr sind. Anm. d. Herausg.


66 Der Herausgeber kann sich des Verdachtes nicht erwehren, daß Haydns Worte nicht ganz ernst gemeint waren.


67 Wahrscheinlich viel früher und noch in Bonn. S. u. Anm. d. Herausg.


68 An dieser Stelle sei es gestattet zu bemerken, daß es doch kein bloßes Vorurteil ist, bei Bestimmung der Zeitangabe auch den inneren Charakter der Werke in Betracht zu ziehen. Der Verfasser denkt hier wohl wesentlich an die bisher so wenig bekannte Bonner Periode. Anm. d. Herausg.


69 Dieser Piva war 1722 bis zu seinem Tode (S. 22, 29, 33) Mitglied der Bonner Hofkapelle. Daß Steffani wirklich unter dessen Namen Kompositionen habe aufführen lassen, ist durch nichts belegt. Vgl. Denkmäler der Tonkunst in Bayern II2, S. XV.


70 Die Beweisführung, welche der Verfasser an dieser Stelle brachte, ist schon oben (S. 312ff.) der Besprechung des Trios beigefügt. Anm. d. Herausg.


71 Vgl. O. Jahn II, S. 133f.


72 Diese Behauptung kann nicht unwidersprochen bleiben. Gerade bei Beethoven haben die Skizzen nur den Zweck, Momentbilder seiner Phantasietätigkeit zu fixieren und nicht Ausarbeitungen im Detail. Vgl. Bd. IV, S. 420 die Aufzeichnungen Louis Schlössers. Der Herausgeber hat versucht, im Jahrbuch der Musikbibliothek Peters 1909 (»Spontane Phantasietätigkeit und verstandesmäßige Arbeit in der künstlerischen Produktion«) diese Frage zu klären. [H.R.]


73 »Der Stil des Musikers ist immer der Mensch selbst«, soll Haydn zu Beethoven gesagt haben. S. u.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 1, 3. Auflage, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1917.
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