Drittes Kapitel.

Maximilian Friedrich (1761–1784) und seine Hofmusiker.

Nach dem unglücklichen Balle von Ehrenbreitstein gingen Szepter und Hirtenstab von Köln von der Bayrischen Familie, welche dieselbe so lange besessen hatte, in die Hände von Maximilian Friedrich über, aus dem schwäbischen Geschlechte Königsegg-(Königseck) Rothenfels. Ein Jahrhundert oder länger hatte dieses Haus in der Kirche von Köln fette Pfründen genossen; in dieser Stadt war der neue Kurfürst am 13. Mai 1708 geboren. Er war der vierte seines Stammes, welcher die wichtige Stelle eines Domdechanten bekleidete. Von dieser Stelle wurde er am 6. April 1761 zur Kurfürstenwürde erhoben und im nächsten Jahre zur kirchlichen Herrschaft über Münster berufen, mit welchen beiden Sitzen er sich begnügen mußte. Er war von Natur ein ruhiger, gutmütiger, freundlicher, indolenter Mann, von keiner großen Charakterstärke; Eigenschaften, welche bei dem Inhaber einer reichen Sinekure, der eben sein 53. Lebensjahr vollendet hatte, sich schon zu sehr durch die Gewohnheit befestigt und entwickelt haben mochten, um mit einem Wechsel der Verhältnisse zugleich zu wechseln, und welche, wie Stramberg sagt, ihn im Lande ungemein beliebt machten, dem bekannten Verslein zum Trotz:


»Bei Clemens August trug man blau und weiß,

Da lebte man wie im Paradeis.

Bei Max Friedrich trug man sich schwarz und roth,

Da litt man Hunger wie die schwere Noth.«


Durch die übermäßige Verschwendung Klemens Augusts war die Lage der Finanzen eine solche geworden, daß sehr entschiedene Einschränkungen nötig waren, und den Wirkungen derselben während der ersten Jahre von Max Friedrichs Regierung, welche manche Personen außer Beschäftigung setzte, verdankten ohne Zweifel jene Verse ihre Entstehung.

Zum Glück für seine Untertanen wurde die Indolenz des Kurfürsten ausgeglichen durch die Tätigkeit und Energie eines Premierministers, welcher sein staatsmännisches Ideal in Friedrich II. von Preußen sah und dessen Regierungsweise nachahmte, soweit es der verschiedene Charakter der beiden Herrschaften erlaubte. Dasselbe war in gleicher Weise, wenn nicht[42] noch mehr, in der Regierung von Münster der Fall. Zu der Achtung, welche man dem Gedächtnisse Belderbuschs, des allmächtigen Ministers von Bonn, in seiner Eigenschaft als Staatsmann zollen muß, kommt bei Fürstenberg, dem gleich mächtigen Minister zu Münster, Bewunderung und Verehrung für den Mann hinzu; der erstere war geachtet und gefürchtet, aber nicht geliebt in dem Fürstentume; der letztere war in seinem Lande nicht nur geachtet, sondern auch in hohem Grade populär.

Kaspar Anton von Belderbusch war es, durch welchen der neue Kurfürst seine Stellung erhalten hatte; seiner Sorgfalt vertraute er den Staat an; seiner Kenntnis und der Festigkeit seines Charakters verdankte er die Befreiung von den pekuniären Bedrängnissen, welche ihn drückten, sowie die Genugtuung, im Laufe der Jahre seine Staaten zu den glücklichsten und blühendsten von Deutschland gezählt zu sehen. Belderbuschs erste Sorge war, die Ausgaben zu vermindern. »Er stellte die Bauten ein«, sagt Ennen1, »verabschiedete einen Theil der Schauspieler, schränkte die Zahl der Akademieen und Hofbälle ein, schaffte die kostspieligen Jagden ab, beschnitt den Hofbeamten, Offizieren und Domestiken ihre Gehälter, verringerte den Etat für Küche, Keller und Tafel des Fürsten, machte die Hinterlassenschaft des Clemens August zu Gelde und vertröstete die zahlreichen Gläubiger desselben auf bessere Zeiten.« Aber wenngleich Sparsamkeit die Regel war, so konnte der Kurfürst doch auch verschwenden, wo er es seiner Stellung schuldig zu sein glaubte, wie z.B. bei Gelegenheit der Kaiserwahl in Frankfurt a. M. im Jahre 1764. »Vorgestern Morgen«, sagt die Bönnische Anzeige vom 20. März jenes Tages, »sind erst die Churfürstl. Herrn Kämmerer, Edelknaben, Hof-Beamte, fort; übrige Bediente, bey 250 Personen, nebst 50 Garde du Corps, unter Anführung des Herrn Grafen von der Lippe unter Pauken- und Trompetten-Schall von hier nach Frankfurt mit 10 Yachten abgefahren. Se Churfürstl. Gnaden werden auf künftigen Samstag dahin zu Lande abreisen.«

Kaspar Risbeck, jener scharfe Beobachter, dessen Zeugnis um so gewichtiger ist, als er keineswegs Vorurteile zugunsten der kirchlichbürgerlichen Herrschaften hegte, sagt in einem Briefe von 17802: »Die jetzige Regierung des Erzbisthums Köln und des Bisthums Münster ist ohne Vergleich die aufgeklärteste und thätigste unter allen geistlichen Regierungen Deutschlands. Die ausgesuchtesten Männer bilden das Ministerium des Hofes von Bonn, und nebst dem Einfluß desselben [43] wirkt für das Wohl des Bisthums Münster besonders noch der kluge und warme Patriotismus seiner Landstände. Die Geistlichkeit beyder Fürstenthümer sticht mit jener der Stadt Köln durch gute Sitten und Aufklärung erstaunlich ab. Vortreffliche Erziehungsanstalten, Aufmunterung des Ackerbaues und der Industrie, und Vertreibung des Mönchswesens, sind die einzigen Beschäftigungen des Kabinets von Bonn.«

Welche Ansicht man immer darüber hegen mag, inwieweit es klug und angemessen sei, Geistliche mit weltlicher Macht zu bekleiden: es würde ungerecht sein, wollte man nicht die Lichtseite so gut wie die Schattenseite des Bildes geben. Jene wird von Risbeck in bezug auf die rheinischen Staaten, deren Fürsten Geistliche waren, gut hervorgehoben, und seine Bemerkungen sind hier durchaus an der Stelle, da sie sich zum Teil auf einen Staat beziehen, in welchem Beethoven seine Kindheit und Jugend verlebte.

»Der ganze Strich Landes«, sagt er3, »von hier bis nach Maynz ist einer der reichsten und bevölkertesten von Deutschland. Man zählt in diesem Strich von 18 deutschen Meilen gegen 20 Städte, die hart am Ufer des Rheines liegen, und größtentheils aus den Zeiten der Römer her sind. Noch sieht man deutlich genug, daß diese Gegend in Deutschland am ersten angebaut wurde. Weder Moräste noch Heiden unterbrechen den Anbau, der sich mit gleichem Fleiß weit von den Ufern des Flusses über das benachbarte Land ausdehnt. Während daß viele Städte und Schlösser, die unter Karl dem Großen und seinen Nachfolgern, besonders unter Heinrich dem Ersten in andern Gegenden Deutschlands gebaut wurden, wieder eingegangen sind, haben sich in dieser Gegend nicht nur alle alten Orte erhalten, sondern es sind auch viele neue dazu gebaut worden.« – »Der natürliche Reichthum des Bodens im Vergleich mit andern deutschen Ländern, und der leichte Absatz der Producte vermittelst des Rheines tragen ohne Zweifel das meiste dazu bey. Allein, so sehr man auch in Deutschland gegen die geistlichen Regierungen eingenommen ist, so haben sie doch gewiß auch zu dem blühenden Zustande dieser Gegenden beygetragen. In den drey geistlichen Kurfürstenthümern, welche den größten Theil dieses Landstriches ausmachen, weiß man nichts von den gehäuften Auflagen, worunter die Unterthanen vieler weltlicher Fürsten Deutschlands seufzen. Diese Fürsten haben die Gränzen der alten Steueranlage sehr wenig überschritten. Man weiß in ihren Landen wenig [44] von der Leibeigenschaft. Die Appanage vieler Prinzen und Prinzessinnen zwingen sie zu keinen Erpressungen. Sie haben kein unmäßiges Militäre und verkaufen ihre Bauernsöhne nicht, und sie haben an den innern und äußern Kriegen Deutschlands nie so viel Theil genommen, als die weltlichen Fürsten. Wenn sie gleich nicht so geschickt sind, ihre Unterthanen zum Kunstfleiß aufzumuntern, so ist doch der mannigfaltige Landbau in ihrem Gebiete auf einen sehr hohen Grad von Vollkommenheit gekommen. Die Natur thut von selbst, was man durch Verordnungen und Gesetze erzwingen will, sobald man ihr nur die Steine des Anstoßes aus dem Wege räumt.«

In der Tat konnte man das im Eingange unserer Erzählung erwähnte Wort, daß unter dem Krummstabe gut wohnen sei, in jener Zeit auf die rheinischen Lande anwenden.

Wir kehren zu Max Friedrich zurück.

Henry Swinburne, dessen Briefe an seinen Bruder lange nach seinem Tode unter dem Titel »Die Höfe von Europa« veröffentlicht worden sind, schreibt am 29. November 1780:

»Bonn ist eine hübsche, reinlich gebaute Stadt, und seine Straßen leidlich gut gepflastert, alle mit schwarzer Lava. Es ist in einer Ebene am Flusse gelegen. Das Schloß des Kurfürsten von Köln begrenzt den südlichen Eingang. Es bietet keine Schönheiten in der Architektur, und ist durchaus einfach weiß, ohne irgendwelche Ansprüche.«

»Wir gingen zum Hofe und wurden zum Diner beim Kurfürsten (Königsegge) eingeladen. Er ist 73 Jahre alt, ein kleiner, kräftiger, schwarzer Mann, sehr freundlich und leutselig. Seine Tafel ist keine der besten; es wurden keine Dessertweine herumgegeben, überhaupt gar keine fremden Weine. Er ist bequem und angenehm, da er sein ganzes Leben in Gesellschaft von Frauen verlebt hat, woran er, wie man sagt, mehr Geschmack gefunden hat als an seinem Brevier. Die Hauptleute seiner Garde4 und wenige andere Leute vom Hofe bildeten die Gesellschaft, bei welcher sich auch seine beiden Großnichten, die Frau von Hatzfeld und die Frau von Taxis befanden.«

»Das Schloß ist von ungeheurer Ausdehnung, der Ballsaal besonders breit, aber niedrig ... ... Der Kurfürst geht fast in alle Gesellschaften [45] und spielt Trick-Track. Er bat mich, an dem Spiele theilzunehmen, aber ich war mit ihrer Art zu spielen nicht bekannt. Jeden Abend ist Gesellschaft oder Spiel bei Hofe. Der Kurfürst scheint sehr kräftig und gesund, und wird, wie ich glaube, den Erzherzog noch eine gute Weile aufhalten.«

Dieser Erzherzog war Max Franz, der jüngste Sohn der Maria Theresia, dessen Bekanntschaft Swinburne in Wien gemacht hatte, und welcher kurz vorher zum Koadjutor Max Friedrichs gewählt worden war.

Die Einschränkung, welche durch Belderbusch beim Regierungsantritte Max Friedrichs in den Ausgaben für Theater und andere »Plaisir-Anschaffungen« eingetreten war, scheint, mit Ausnahme des Kapellmeisters, auf die eigentliche Hofmusik nicht ausgedehnt, und in Hinsicht auf die »Operette und Comödie« überhaupt nicht lange fortgeführt worden zu sein.

Die beiden ersten in der Reihenfolge der Dokumente, welche sich auf die musikalischen Einrichtungen dieses Kurfürsten beziehen, sind von besonderem Interesse; das erste ist das Gesuch Ludwigs van Beethoven um die erledigte Kapellmeisterstelle, und das zweite das Dekret, durch welches ihm das Amt verliehen wird. Wir lassen beide folgen.


»Hochwürdigster Erzbischoff und Churfürst gnädigster Herr Herr!


Ewer Churfl. Gnaden geruhen sich unterthänigst vortragen zu lassen, welcher gestalten ich über die geraume Zeit Meiner Treu schuldigst geleisteten Dienste als vocalist, nach absterben aber des Cappellmstr, über ein ganzes Jahr die Dienste in Dupplo versehen, Benantlich: mit singen und führung deren Batuten, worüber auch annoch meine forderung ad referendum beruhet, wie nicht weniger der Stelle versicheret worden bin. Weillen aber auß besonderer recomendation mir der Dousmolin vorgezogen worden ist, und zwar wiederrechtlich, so muste ich Mich biß hiehin dem geschicke unterwerfen.

Dannun aber gnädigster Churfürst und Herr wegen vorgefallener Verschmällerung deren gehaltern, der Cappelmstr Dousmolin entweder schon würcklich, oder aber annoch seine Demission verlangen wird, ich auch auß geheiß des Baron Belderbusch de novo wieder angefangen seine stelle zu betretten, fort auch selbe ganz sicher ersetzet werden muß. Alß

Gelanget an Ewer Churfl. Gnaden meine unterthänigste bitte Höchst dieselben geruhen gnädigst (: in deme ohnehin der Toxal mit benöthigter Musique sathsam versehen, ich auch bey denen vorfallenden Kirchen Ceremonien [46] ohne hin das Ruder führe und Muß in puncto des Corals:) Mir das Recht wiederfahren zu lassen, welches bei Höchst Ihro antecessori Seele« andenkens mir benohmen worden ist, und alß Cappellmstr. zu ernennen mit etwaiger augmentirung meines nunmehro obhabenden Gehaltes, wegen meiner in Duplo leisteten dienste. Von welche höchste gnade ich Niemahls unterlassen werde Mein Gebett um Langwirige geneß- und Regierung Ewer Churfln Gnaden vor Gott außgießen, der ich in Tieffester Submission mich zu füssen lege


dahin

Ewer Churfürstl. Gnaden

Unterthänigster

Ludwig van Beethoven

Passist.


M. F. »Demnach wir Maximilian Friderich Churfürst zu Cölln auff erfolgte dimission unseres ehemaligen Capellenmeistern Touche Moulin, und unthgstes bitten unseres bassisten Ludwig van Beethoven, denselben nunmehro ferner zu unseren Capellenmeistern mit beybehaltung seiner bassisten stelle ernennet, und beneben seiner vorherigen bestallung ad 292 rthr.species 40 alb. neunzig sieben rthr. species 40 alb. jährlichs in quartalien eingetheilt und mit künftigem anzufangen zugelegt haben, gleichwie hiemitt ggst ernennen und zulegen; alß ist demselben darüber gegenwärtiges decretum in gnaden mittgetheilt worden, wornach Unsere hofcammer, und ein jeder den es angehet, sich zu achten, und daß ferner nöthiges zu verfügen hatt.

Urkund. etc.

Bonn den 16. Juli 1761.«


Das nächste in der Reihe der Dokumente, nach einem Zwischenraume von etwas mehr als einem Jahre, ist folgende kurze Erwiderung auf eine (nicht erhaltene) Bittschrift des Sohnes des neuen Kapellmeisters, Johann van Beethoven.


»Supplicanten wird hiermit die gdste Versicherung ertheilt, daß bei sich ereignender vacatur eines Hofmusicantengehalts auf ihn vorzüglich reflectiret werden soll. Urkund gdstn Handzeichens und vorgetruckten geheimen Cantzley-Insiegels.


Bonn den 27. November 1762.


Max Fried.

v. Belderbusch.«

Churfürst.

(: L. S. :)


[47] Am 30. Dezember 1763 wurde Maria Anna Paduli, nach dem Abgange der Ansion, als Hofsängerin mit 400 Gulden angestellt. Schon 1765 ist sie »heimlich und malitiöß entwichen«, und die benachbarten Regierungen werden ersucht, sie »mit ihren reißgefährten und sämmtlichen Effecten« anzuhalten. Eine Wittwe Steinhauß richtete eine Klage gegen sie wegen Entführung ihrer Tochter und einer Schuld von 500 Talern.

Um dieselbe Zeit gab Frau Lentner nach etwa 41/2 Dienstjahren ihre Stelle auf; die hierdurch verursachte Vakanz veranlaßte die folgenden Bittschriften und Dekrete.


»Hochwürdigster Churfürst, gnädigster

Herr Herr!


Ew. Churfürstl. Gnaden wollen gnädigst erlauben vorstellen zu lassen, was gestalten, der Hoff-Musicus Dauber in andere Diensten gedreten so ist Ew. Churfürstl. Gnaden ein Gehalt von 1050 rth. zu Dero Disposition anheim gefallen, dahero ich Joannes van Beethoven die höchste gnad hab eine geraume Zeit als Hoffmusicus zu dienen, und auch auf das erste vacierende gnädigst Decredirt worden, und auch allzeit meine Dienste Treufleisigst versehen und höchstnöthig bey der stim alzeit geweßen, also gelanget an Ew. Churfürstl. Gnaden höchste gnad mich mit denen obbemelten 1050 rth. oder einen gnädigen theil davon in höchsten gnaden zuzulegen, welche höchste gnad mit meinem Treuen Diensteifer zu demerieren werde.


Ew. Churfürstl. Gnaden

unterthänigst. Diener

Joannes van Beethoven

Vocalisten.«


(Auf der Rückseite) »An Ew. Churfürstl.

Gnaden zu Cöllen pp. meines gnädigsten und Herrn Herrn unterthänigstes bitten mein

unterthänigster Diener

Joannes Beethoven, Hoffmusicus.«


Dieses Gesuch wurde vom Vater in folgender Weise unterstützt:


»Hochwürdigster Ertzbischoff und Churfürst,

Gnädigster Herr Herr.


Ew. Churfl. Gnaden haben gnädigst geruhet, das von höchst Dero Hoffmusico Joann Ries in betreff unterthänigst gebettener- seine Tochter zu höchst dero Hoffmusic an platz der ihren Dienst quittirten Sopranisten [48] Lenterin gnädigst aufzunehmen unterthänigst übergebene sub. Litt. A. hiebeyliegende supplicatum um meinen unterthänigsten Bericht und gutachten hinzuverweisen;

Zu unterthänigster Befolgung solch gnädigsten Befehls habe hiemit den unpartialen Bericht dahin unterthänigst abstatten sollen, das ohngefehr ein jahr Dero Hofmusici Ries Tochter den Duc sahl frequentiert und alda die sopran stim gesungen, ich auch davon satisfaction bekommen habe;

Da nun aber mein Sohn Joannes Beethoven bereits 13 jahr lang5 ohne Gehalt mit seiner Singstimme den sopran, Conteral und tenor in jeden Vorfallenden nothwendigkeiten auf dem Duc sahl abgesungen, zugleich auch vor die Violin capabel ist, derenthalben Ew. Churfl. Gnaden unterm 27. Novembris 1762 beyliegendes vorzügliches höchsteigenhändiges gnädigstes Decretum sub Litt. B. mitzutheilen gnädigst geruhet;

Als wäre mein unterthänigstes jedoch ohnvorgreiffliches gutachten, das von dero hoffsängerin Lenterin nunmehro vacante gehalt ad 300 Florins (: welche ohne gnädigste erlaubnus höchst dero Dienst über ein Viertel jahr Verlassen: und mir in specie gemeldet hat, sie ginge ohne erlaubnus fort und käme nicht mehr wider:) solchergestalten gnädigst zu repartiren, das meinen Sohn 200 Florins und dero Hoffmusici Ries Tochter 100 Florins gnädigst decretirt werden möchten;

Zu Ewr. Churfürstl. gnaden beständige hulden und gnaden mich unterthänigst erlassendt in tiefester submission ersterbe.

Ew. Churfl. Gnaden

unterthänigster

Ludwig van Beethoven

Cappell Meister.«


(Auf der Rückseite) »An Ihro Churfl. Gnaden zu

Cöllen pp. unterthänigster Bericht von höchstdero Capellmeister Bethoven.«


Darauf ergingen denn die beiden folgenden Dekrete:


»Zulag von 100 rthr. für den Hofmusicanten Johann Bethoven.


M.F.


Demnach wir Maximilian Friderich. Churfürst zu Cöllen auf untgsts Bitten Unseres Hofmusici Johann Bethoven demselben die gnad gethan [49] und ihm aus dem durch abreiß der Sängerin Lenderin erledigten Gehalt für hundert rthr. jährlichs in quartalien eingetheilt und von gehöriger Zeit anzufangen mildest zugelegt haben, thuen und zulegen auch hirmit und Kraft dieses; alß wird demselben darüber gegenwärtiges Decret in Gnaden mitgetheilt, wonach sich Unsere Churfürstl. Hofkammer zu achten, und das weitere untgst zu verfügen hat. Urkund. p. – Bonn den 24. April 1764.«


Unter dem gleichen Datum erging das Dekret als Hofsängerin für Anna Maria Ries, die Tochter von Johann Ries, mit 100 Talern Gehalt, ebenfalls aus dem Gehalte der Lentner. Wenige Tage nachher wurde folgendes verfügt:


M. F. E.


»An die Churfl. Hof Cammer die bestallung des Hofmusici

Bethoven und sangrin Ries betr.


Wir ohnverhalten euch hiemit in gnaden, was maßen unser Hofmusikus Bethoven junior und sängerin Anna Maria Ries euch erster tagen zwei bestallungs-Decreta vorbringen werden. Da nun hierdurch das Gehalt, so die ehemalige sängerin Lendnerin genossen, von selbsten cessirt, dieselbe aber aus Unserer Land Rhentmeisterey einen Vorschuß von 371,2 rth. cour. erhalten so dan an ihre schuldner 18 rthr.spec. bezahlet worden; so befehlen Wir euch hiemit gdst die anschaffung obbesch. beyden gehälter also einzurichten, damit zuvordrist der Vorschuß aus dem gehalt der beshr. sängerin Lendnerin getilget, so dan die an die schuldner bezahlte 18 rth. vergütet werden. allermaßen bis dahin das gehalt deren beyden erw. Ries und Bethoven nicht den anfang nehmen soll.

Wir etc. Bonn den 27. April 1764.«


Am 3. April 1778 erhielt dann Anna Maria Ries weitere 100 Gulden.

Einige weitere Dokumente führen uns wieder zu der Familie des uns schon bekannten (S. 37) Johann Peter Salomon.


»ad Supplicam Philippen Salomon.


An unseren Capellenmeisteren van Betthoven gestalten Supplicanten zu bedeuten daß Wir das von ihm unthgst. gebettenes schreiben an den Fürsten v. Sulkowsky zu erlassen nicht gemeint, sondern im Fall sein sohn [50] vor anfang künftigen monats 8bris sich nicht wieder einfinden sollte, Wir über dessen Stelle und gehalt anderwärts zu disponiren ggst. entschlossen seyen. Urkund. Münster d. 8. Aug. 1764.

abgeschickt d. 22. dito.«


Doch wurde am 1. Juli 1765 dem Sohne Johann Peter Salomon vom Kurfürsten ein Zeugnis ausgestellt, daß er treu und fleißig gedient und »sich so aufgeführt habe, daß selbiger verdiene jedem nach Standesgebühr recommandirt zu werden«. Von da an begann seine große Laufbahn; er wurde Konzertmeister des Prinzen Heinrich von Preußen, trat dann in Paris auf und wandte sich 1781 nach London, wo er als Violinspieler und Konzertdirigent eine glänzende Tätigkeit entfaltete. Wiederholt hat er später Bonn noch besucht; 1790 war er dort mit Joseph Haydn, den er mit sich nach London nahm6. Der Vater Philipp Salomon und seine Tochter Anna Maria wurden durch Dekret vom 11. August 1764 auf ein Gesuch des erstern als »Hofmusikanten« angestellt. Auch die Töchter, Anna Maria und Anna Jakobina, wurden namhafte Mitglieder der Hofmusik. Am 21. Mai 1768 erhalten beide, »Accessistinnen« bei der Vokalmusik, »50 Thlr. Zulage«, die ihnen zugesagt waren; am 3. April 1772 weiter beide 100 Gulden. Anna Jakobina erhielt am 5. Mai 1773 sechs Monate Urlaub und verließ den Dienst am 18. Mai des folgenden Jahres. Anna Maria erscheint später als Frau Geyers.

Wir kehren zu der chronologischen Reihenfolge zurück. Am 18. Mai 1765 wurde Valentina Schwachhofer aus Mainz an Stelle der Paduli als Kontra-Altistin angestellt; sie verheiratete sich später mit dem Sänger Delombre. Am 1. und 4. Juli bittet Belseroski um eine Unterstützung zur Erstattung seiner Forderungen an den »entwichenen Zdenick«. Der Kabinettsmusikus Zdenick war schon im Mai des Jahres unter irgendeinem Vorwande abgereist; darauf deutet eine am 31. Mai 1765 an den Kapellmeister Beethoven erlassene Verfügung, worin ihm gesagt wird, »daß er sich nicht mehr unterstehe dergleichen Erlaubnisse zu ertheilen«, und daß er dem Zdenick bedeuten solle, er habe binnen 8 Tagen zurückzukehren, falls er nicht seine Stelle verlieren wolle. Die zurückgelassenen Güter Zdenicks hatten, wie man fand, nur einen Wert von 30 Talern. Gleichzeitig mit Philipp Salomon wurde Johann Konrad Rovantini, bisher in kurtrierischen Diensten, Hofmusikus an Stelle des verstorbenen Kiechler mit 400 Gulden Gehalt: zwischen seiner Familie und der von [51] Beethovens Mutter bestanden verwandtschaftliche Beziehungen. (S. den Anhang VII über den Fischerschen Nachlaß.) Am 3. Oktober wurde das Gesuch der Therese Trewer (Drewer), daß ihr Sohn Ferdinand (Protestant) Hofmusikus werde, gewährt (s. o. S. 35); er heiratete später eine der Schwestern Ries. Am 6. November wird Walthers Gesuch um Gehaltszulage dahin beantwortet, daß, wenn er unzufrieden sei, »er soll sich um andere Dienste bewehren«. Schon 1756 hatte Gottwaldt über ihn berichtet, daß er »zwar etwas schwach in der Musik ist, allein – – durch großes Studiren und Exerciren mit der zeit könnte vollkommene Dienste leisten«.

Am 10. April 1767 erhielt Johann Ignatius Willmann7 als Violinist die Stelle des schon 1766 verstorbenen Joh. Konr. Rovantini. [52] Bei diesem Dokumente ist zugleich ein Zeugnis erhalten, unterzeichnet von De Berghes, Schultheiß zu Montjoie, über Willmanns gute Aufführung daselbst als Konzertmeister. Das Dokument erwähnt ihn als gerade im Begriffe stehend, nach »Wien, seinem Vaterlande«, zurückzukehren. Es wird lange dauern, ehe wir den Namen Willmann wieder aus dem Gesichte verlieren. Ein Dekret aus Arnsberg vom 4. September gewährt dem Joseph Meuris die Bitte, daß sein Sohn als »Substitut«-Organist und Violoncellist angestellt werde. Am 20. November wird Christoph Herm. Jos. Brandt, welcher »ein erster Violinist ist und eine Tenorstimme hat, die sein Lehrer sehr rühmt«, als Akzessist angestellt. Gerade 49 Jahre später (19. November 1816) »trat eine totale Sonnenfinsterniß ein und im Augenblicke, wo die Sonne wieder im vollen Glanze strahlte, erhob sich [Karl Maria von] Weber an der kleinen Tafel [in Berlin], an welcher Lichtensteins, Lauska, Wollanks, Rungenhagen und Fräulein Koch saßen, und proclamirte zum großen Jubel und unter Freudenrufen der Anwesenden, seine Verlobung mit Caroline Brandt« – der Tochter des eben genannten Akzessisten. (M. M. von Webers Lebensbild seines Vaters, I, S. 507)8.

Vom 26. April 1768 sind ein paar Dokumente datiert, welche, wiewohl sie Gegenstände von sehr geringer Wichtigkeit betreffen, doch ein gewisses Interesse haben, da sie zum Teil offizielle Mitteilungen aus der [53] Feder des Kapellmeisters Beethoven sind und in gewisser Weise seine Stellung und Pflichten beleuchten. Sie zeigen, daß sein Pfad keineswegs immer mit Rosen bestreut war. Sie erklären sich selbst und bedürfen keines Kommentars.


1.


»Hochwürdigster Ertz-Bischoff und Churfürst,

Gnädigster Herr Herr!


Ewer Churfürstl. Gnad. geruhen unterthänigst Beschwehrnus weiß fürzutragen, daß aus ordre Sr. Excellenz Freyherrn von Belderbusch der Hofsängerin Schwachhoverin Bedeutet, sie solle mit der Jacobina Salomons die bey der Kirchen-Music vorfallende Solo wie es Brauch und Manier ist, Abwechslungs Weiße singen, so hat gemeldte Schwachhoverin in beyseyn der ganzen Hoff-Music mir impertinent mit diesen formalien geantwortet: Ich acceptire ewer ordre nicht, und ihr habt mir nichts zu befehlen.

Ew. Churfürstl. Gnad. werden verschiedene disordre von der Hoff-Music ohngezweiflet in gnädigstem Andenken ruhen, bevorab aller respect und ordonance mir bey der Hoff-Music benommen, mithin ein jeder nach seinem Wohlgefallen handlen will, mir aber solches gar zu empfindlich fallet;

Gelanget daher an Ew. Churfürstl. Gnad. meine unterthänigste bitt mir über den von der Schwachhoverin erzeigten öffentlichen affront billige satisfaction anzugedeihen, ansonsten aber um Verhütung noch mehrerer Unordnung ein höchst-eigenhändig gnädigstes Decretum ergehen zu lassen, daß die gesambte Hoff-Music bei Vermeidung von Ew. Churfürstl. Gnaden höchster Ahndung oder nach beschaffenheit der Vorfallenheiten bestrafung ohne Anstand meinerordre pariren solle.

Ewer Churfürstlichen Gnaden

Unterthänigst-treu-gehorsambster

Ludovicus van Beethoven.«


»An Ihro Churfürstliche Gnaden zu Cölln etc. Unterthänigste Beschwehrnus Supplication und Bitt


Mein


Ludovici van Beethoven Capellen Meister.«


[54] 2.


»An Capellen Meister van Beethoven

in Betreff deren Hof-Musicanten.

M. F. E.


Du empfangest nebengehenden Befehl zu dem End ambey, daß du solchen sämbtlichen unseren Hof-Musicanten bekannt machen oder auf dem toxal afligiren lassen sollest. Wir verbleiben etc.


Bonn den 26. April 1768.«


3.

»Befehl in Betreff deren Hof Musicanten.


Nachdem wir mißfälligst vernohmen haben, was gestalten Einige unter unsere Hoffmusique der von unserem Capell Meister ertheilter ordre zu pariren oder selbige von ihm anzunehmen verweigeret, nicht weniger sich und vielmahls gantz ungebührend gegen Einander aufführen, so wird hiemit sämbtlichen Unseren Hof Musicanten wohlernstlich anbefohlen, daß sie denen von unserem Capellenmstr in Unserem nahmen ertheilenden Befelcheren und anordnungen ohne wiederred und so gewisser die schuldige einfolg leisten, auch sich friedfertig gegen Einander betragen sollen, als Wir bey dessen entstehung gegen die frevelende mit scharffer ahndung und befindender umbständen nach mit der Cassation zu verfahren nicht entstehen werden.

Sig. Bonn den 26. April 1768.«


Eine ähnliche Unannehmlichkeit erwuchs dem vielbeschäftigten Kapellmeister durch die ihm aufgegebene Untersuchung eines heftigen, zwischen den Musikern Trewer [Drewer] und Willmann im Wirtshause ausgebrochenen Streites, über welchen er am 11. Mai 1768 berichtete. Die hierauf bezüglichen Aktenstücke sind aber für eine Mitteilung zu ausgedehnt und nicht wichtig genug9.

Unterm 17. November 1769 wurde ein Gesuch Johanns van Beethoven, worin er von neuem seine Gabe zeigt, seinen Namen in den mannigfachsten Variationen zu schreiben, zu seinen Gunsten in Betracht gezogen. Daß er nicht länger von 100 Talern leben konnte, ist sehr erklärlich, [55] da er sich zwei Jahre vorher verheiratet hatte; da aber mehrere Bewerber um das durch Havecks Tod erledigte Gehalt vorhanden waren, so wurde es unter die vier Bedürftigsten verteilt. Beethovens Eingabe, welche wir nachstehend mitteilen, enthält einige Angaben in bezug auf seine Pflichten als Hofmusikus, welche neu sind.


»An

Ihro Churfürstl. gnaden

zu Cöllen etc. etc.


unterthänigste supplication

und bitt

von

Johann Bethof Hoffmusico.«


»Hochwürdigster Ertzbischoff und Churfürst, gnädigster Herr Herr.


Ew. Churfl. gnaden geruhen gnädigst unterthänigstsupplicando vordragen zu lassen, wie das ich Höchstderoselben lange jahr sowohl auf dem Duc saahl als auf dem theater nicht nur die treufleisige diensten abgestattet, sonderen auch verschiedene supjecta zu verrichtung bemelter diensten, und zu Ewr. Churfl. gnaden nunmehro völliger satisfaction instruiret habe, und noch mehrerer zu diesem Zill und Ende zu lernen und zu perfectioniren würklich im Begriff bin;

Mein Vatter leget auch bei dieser supplic seine unterthänigste capacität des theatri zu füssen, und nehmet antheil, wenn Ewr. Churfl. Gnaden eine gnad mir wiederfahren lassen; Da nun mir eine ohnmöglichkeit ist mit denen gnädigst mir zugelegten einhundert Rth. leben zu können;

Als bitte Ewr. Churfl. gnaden unterthänigst auf ab sterben dero Hoffmusici Philip Haveck das erledigte Gehalt von einhundert Rth. gnädigst mir zuzulegen; diese höchste gnad durch die fernere treufleisige Diensten zu demeriren mir möglichst werde angelegen sein lassen.

Ewr. Churfl. gnaden

unterthänigster

Joannes Bethof

Hoffmusicus.«


Darauf erfolgte nachstehendes Dekret.


»Demnach Wir Max Frid. p. auf erfolgtes Absterben des Hof-Musicanten Philipp Haveck und unthgstes bitten unseres Hof-Musicanten [56] Philippen Salomon, demselben die gnad gethan, und ihme für seine beyde döchter aus dem durch absterben oberwhn Haveck erledigten gehalt 50 Flor. inquartalien eingetheilt und mit künftigem anzufangen, zu seinem bereits genießenden gehalt jährlichs zugelegt haben; dhuen und zulegen auch hiemit und kraft dieses; als wird demselben darüber gegenwärtiges Decret in gnaden mitgetheilt, wornach sich unsere Churfl. Hofcammer unthgst. zu achten und das fernere zu verfügen hat.


Urkund. p. Münster den 17ten 9bris 1769.«


(Am Rande) »Gdste Zulage von 50 Fl. für den Hofmusicanten Philipp Salomon«, und außer Brandt und Meuris noch »in Simili für den Hofmusicanten Joann Bethoff von 25 Fl.«


Aus den Jahren 1770 und 1771 haben sich drei Dokumente gefunden. Das eine, vom 1. Juni 1771, enthält die Anstellung des Johann Franz Sandali als »Tenorist aufm Churf. Toxal u. aufm Theater und wo es sonsten die Churf. höchsten Dienste erfordern«, welcher hier erscheint und verschwindet, da keine andere Erwähnung von ihm vorhanden ist. Die beiden andern sind erwähnenswert, weil sie einen Beleg zu der bereits angedeuteten Sitte geben, junge Musiker zum Orchester zuzulassen, damit ihnen Gelegenheit gegeben werde, sich auszubilden und zu der Stellung eines Hofmusikus zu befähigen. In dieser Absicht wurde am 3. März 1770 dem Johannes Clee auf sein Gesuch der »Zutritt zum Doxal und sonstigen churfürstlichen Musiken gnädigs verstattet«, und am 13. Dezember 1771 dem Franz Rovantini, welcher um die Erlaubnis gebeten hatte, das »Toxal sowohl als Comedien und Operetten zu besuchen«, dieses »gestattet, wenn er Fähigkeit genug besitzt«. Er war der Sohn des bereits genannten, 1766 verstorbenen Johann Konrad Rovantini; die Witwe des letzteren genoß eine kleine Pension von 60 Talern jährlich bis zu ihrem 1772 erfolgten Tode. Diese Pension wurde durch Dekret vom 1. Mai 1772 auf ihre Kinder übertragen, deren Erziehung der Sorge des Hofmusikus Salomon unter der Oberaufsicht des Kammerfouriers Vogel anvertraut wurde. Franz Georg Rovantini, Akzessist bei der zweiten Violine, erhielt 1773 (28. Januar) zu weiterer Ausbildung einen Urlaub von zwei Jahren. Sein Name wird uns in Verbindung mit der Familie Beethoven wieder begegnen.

[57] Als am 3. April 1772 Christoph Brandt und die Schwestern Salomon Zulagen von je 100 Gulden erhielten, ging auch Johann van Beethoven nicht leer aus; dasselbe Datum bringt folgende Verfügung:


»ad Supplicam des Hof-Capellen Tenoristen Bethof: Dem Supplicanten werden weiter jährliche fünfzig Gulden, in gnaden hiemit zugelegt. Urkund p. Bonn d. 3. April 1772.«


Am 30. Mai wurde »Ad supplicam Hofmusicus Joann Gottlieb Walther« verfügt:


»Churfürstliche Capellenmeister hat dem Supplicanten einsweil das Verdiente, wie anderen, auszahlen zu lassen. Urkundlich, Bonn May 30. 1772.«


Am 14. Dezember erbittet Elisabeth Trewers [Drewer], welche schon zwei Jahre lang gesungen hatte, ein decretum als Hofsängerin. Es wird ihr gewährt; doch noch mehrere Jahre später nennt der Hofkalender sie »Accessistin«.

Am 16. Juni 1773 bittet Clemens August Rzika, dessen Vater, wie er sagt, Tenorist in Diensten Clemens Augusts und Max Friedrichs gewesen war, um eine Anstellung als Violinist-Akzessist; er erhält dieselbe.

Am Schlusse dieses Jahres, Weihnachtsabend den 24. Dezember 1773, starb der Kapellmeister van Beethoven. Da der Hofkalender für 1774 schon die Presse verlassen hatte, stand sein Name noch in dieser Ausgabe an der Spitze der Hofmusiker. Das in jenem Kalender enthaltene Verzeichnis der Hofmusiker möge dieses Kapitel beschließen, da es als eine Art von Zusammenfassung der oben gegebenen Notizen gelten kann und die genauere Beschaffenheit der musikalischen Einrichtungen nach Mitgliederzahl und Instrumenten in dieser Periode kennen lehrt.


Musique du Cabinet, de la Chapelle

et de la cour.

Intendantvacat.

Maître de la ChapelleMons. Louis van Beethoven.

Musiciens Respectives.


[58] Voix.


Mess. Lucas Charles Noisten.

Jean van Beethoven.

Christophe Herm. Jos. Brandt.

[Joseph] Daumer, accessist.

Mad. Anne Marie Ries.

Maximil. Valentine Delombre,

née Schwachhofer.

Anne Marie Geyers, née Salomon.

Anne Jacobine Salomon.

Elisabeth Trewers, accessistin.


Organiste.


Mess. Gilles van den Eeden.

Joseph Clement Meuris, adj.


Bassons.


Jean [Jos.] Antoine Meuris.

[Theodor] Zillicken.


Violons.


Mess. Jean Ries.

Erneste Riedel.

Erneste Haveck.

Ferdinand Trewer.

Philippe Salomon.

Ignace Willmann.

Louis Toepser, accessiste.


Basse de Viole.


Jean Joseph Magdefrau.

Francois Tussy.


Contre Basse.


Math. Ant. Marie Poletnich.


Braccistes.


Jos. Clem. Belserosky.

Jean Gottlieb Walter.


Es ist bemerkenswert, daß mit Ausnahme der beiden Fagotte keine Blasinstrumente angegeben sind.

Der Kompagnie der Leibgarde waren zwei Trompeter beigegeben: Diederich Baumgarten und Ludwig Toepser (der Akzessist bei der Violine); dieselben werden zusammen mit Franz Bayer und Wilhelm Stumpff auch als Hoftrompeter angegeben bei dem Hof-Fuder-Amt; außer ihnen noch Joh. Bap. Regnard (oder Renard), Hof-Paucker.

Fußnoten

1 Frankreich und der Niederrhein II, S. 387.


2 Briefe eines reisenden Franzosen in Deutschland II, S. 370.


3 Bd. II, S. 349.


4 »Hauptmann: Der Hochwohlgebohrne Herr Heinr. Joseph Freiherr von Wassenaer, Kurfürstl. Geheimrath und Kämmerer. Erster Lieutenant: Der Hochgebohrne Herr Klement Horatz Markis de Buffalo, Kurfürstl. Kämmerer.« Hofkalender 1781. S. 10.


5 Wenn diese Angabe richtig ist, dann wäre Johann schon als 10jähriger Knabe, wie in der Schule, so auch bei der Hofmusik mit seinem Gesange verwendet worden. Anm. d. Herausg.


6 Weiteres über Salomon bei Pohl »Mozart und Haydn in London« II, S. 73f.


7 Wenn dieser Johann Ignaz Willmann überhaupt mit den Geschwistern Max, Marie und Magdalene Willmann am Bonner Nationaltheater unter Max Franz (vgl. Kapitel 14) verwandt ist, wird er wohl der Vater derselben sein. Da Wien seine Heimat ist und die Karriere der Genannten in Wien ihren Ausgang nimmt, ist das sehr wohl möglich. Rätselhaft bleibt freilich Forchtenberg als überlieferter Geburtsort seiner Kinder. (Die protestantischen Kirchenregister von Forchtenberg sowohl wie die katholischen von Westernhausen, zu dem die Forchtenberger Katholiken gehörten, wissen nichts von irgendwelchen Willmanns.) Nach Pohl »Tonkünstler-Sozietät« (1871) S. 106 und 126 kam J.I. Willmann 1777 nach Wien und starb 1821. Ein seine bevorstehende Anstellung als kurfürstlicher Kapellmeister in Mainz betreffender französischer Brief V. Righinis vom 31. Mai 1787 aus Wien an Johann Willmann, Directeur de musique de Son Excellence le Comte Jean Palffy in Mainz (im Kgl. Geh. Staatsarchiv in Berlin), spricht von Willmanns Tochter Madeleine und seinen andern begabten Kindern. Da Righini Magdalene ausgebildet hat, so ist wohl ein Zweifel an der Identität ausgeschlossen. Die Mitteilung des »alten Fischer« (vgl. Anhang VII), daß Max Franz den Ignaz Willmann mit zwei Söhnen (!) und zwei Töchtern aus Wien kommen ließ, ist vielleicht nicht so konfus wie Deiters meint, nur irrt er wohl mit der Angabe, derselbe sei 1794 nach London berufen worden. In London wurde zwar nach Groves Lexikon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein deutscher Musiker Willmann Militär-Kapellmeister (der Schwiegervater Logiers), aber da dessen als Klarinettist gefeierter Sohn Thomas Lindsay Willmann 1783 in London geboren ist, so muß das ein anderer als Ignaz gewesen sein. Schillings Lexikon weiß von einem Musikdirektor J. Willmann, der 1815 in Kassel starb, und dessen Tochter eine geschätzte Opernsängerin war. Die Kirchenregister von Montjoie enthalten die Eintragung der Taufe eines Sohnes von Johann Willmann vom 25. Nov. 1765: Joan. Franc. Xaver. Georgius Josephus. Parentes: Joannes Willmann, Dna Maria Elisabetha Ertmannsdorffer, Patrini: Dnus Georg Joseph Deberges, Dominella Gertrudis Kessler (der Pate ist wohl der Bürgermeister, der 1767 das Attest ausstellte). Das Kind könnte der nach Fischers Bericht im Hause gestorbene Sohn sein; doch gibt das Register in H. A. O. Reichards Theaterkalender 1791 dem Violinisten Willmann den Namen Karl (vgl. unten, Kapitel 14). Diese Feststellungen klären zwar noch nicht alle Zweifel auf, beseitigen aber doch die ärgsten Wirrnisse bezüglich der Descendenzverhältnisse der Familie Willmann. Anm. d. Herausg. (H.R.)


8 Dieser Christoph Brandt war in Bonn 1747 geboren und wird uns später (1774) als »Hofgeiger und Sänger« und in dem Verzeichnisse von 1784 als »sehr guter Violinist« wieder begegnen. Er heiratete 1780 eine Schwester der Frau Großmann, Christina Hartmann, und erhielt damals vom Kurfürsten einige Monate Urlaub (s.u.). Ein Bruder von ihm, Stephan Brandt, geboren in Bonn 1738, wurde geistlich, in einer am 18. März 1860 auf Befehl Clemens Augusts stattgehabten Aufführung des Grafen Essex von Thomas Corneille in deutscher Übersetzung trat er, nach dem uns vorliegenden Texte (Bonn bei Rommerskirchen), neben mehreren Hofmusikern als Ss. Th. Candidatus in der Rolle des Grafen Essex auf. Vielleicht ist er auch der N. Brandt, den wir weiter unten unter den Personen der Komödie Silvain finden (S. 70). Er wurde 1760 Kanonikus des Stifts S. Clemens in Schwarz-Rheindorf, 1761 Priester, und gab seit 1771 den »Bonnischen Sitten-, Staats- und Geschichtslehrer« heraus, an dessen Stelle 1772 das »Intelligenzblatt« trat, ebenfalls von ihm herausgegeben. 1777 wurde er als Lehrer der französischen Sprache nach Mitau in Kurland berufen, wo er 1813 gestorben ist. Ein dritter Bruder, Gottfried Brandt (geb. 1753), war Waldhornist. Man wird es entschuldigen, daß über diese in das musikalische Leben Bonns immerhin eingreifenden, offenbar begabten Brüder hier diese weiteren Notizen gegeben sind, welche der Herausgeber seinem Freunde Herrn Eberhard von Claer in Vilich verdankt. Anm. d. Herausg.


9 Das Haus, in welchem dieser Streit stattfand, war nach den Dokumenten »ein Weinhauß auff'm Markt beym Wirten Dung – wo die Musici umb einen schoppen Wein zu trinken, hinzugehen pflegen«. Anm. d. Herausg.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 1, 3. Auflage, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1917.
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