Viertes Kapitel.

Beethovens Charakter und Persönlichkeit.

Beethoven in seinen Briefen. Skizzenbücher. Gehörverlust.

Wäre Beethovens ebenso schneller wie außerordentlicher Erfolg in künstlerischer, geselliger und pekuniärer Beziehung nur der eines Virtuosen, oder eines populären Opernkomponisten gewesen, so wäre sein gutes Glück nicht von dem verschieden gewesen, welches so manche andere erreichten, deren Namen jetzt lediglich dadurch bekannt sind, daß die Geschichte der Musik ihrer Erwähnung tut; ein solcher Erfolg würde wie bei jenen sich als ein rascher und glänzender, aber flüchtiger erwiesen haben. Der Ruhm jedoch, zu welchem er gerade um jene Zeit gelangt war, hatte eine dauerhafte und bleibende Grundlage in seiner Kammermusik. Die Begierde, mit welcher die Verleger seine Manuskripte suchten, war eine Folge und zugleich ein Maßstab der Gunst, welche trotz der absprechenden Beurteilungen der Fachkritiker seine Werke beim Publikum fanden.

Wir haben jetzt den Zeitpunkt erreicht, in welchem er im Begriffe war, seinen Flug höher zu nehmen und seine Kräfte an Werken von größerer Bedeutung zu versuchen. Das Jahr 1800 bildet einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte Beethovens. Es ist das Jahr, in welchem er, vom Klavier sich losreißend, in den höheren Formen der Kammer- und Orchesterkomposition, dem Quartett und der Symphonie, seinen Platz neben Mozart und dem noch lebenden und schaffenden Haydn zu erringen unternahm. Es ist ferner auch das Jahr, in welchem das bittere Bewußtsein einer sich steigernden Zerrüttung des Gehörorgans sich seiner bemächtigte, und in welchem die schreckliche Voraussicht, daß dieses Übel unheilbar sein und schließlich mit einer völligen Taubheit endigen werde, ihn zu quälen und niederzudrücken begann. Von dieser Zeit an wurde einerseits durch den glücklichen Erfolg jener für den Geschmack und das Urteil des Publikums neuen Erscheinungen, andererseits durch das unglückliche Fortschreiten seiner Krankheit, welches beides eine so ungewöhnliche Natur teils anspornen, teils wieder hemmen mußte, der Gang seines Lebens in entschiedener Weise verändert. So scheint denn hier der geeignete Ort zu sein, ehe wir die Erzählung der Ereignisse wieder aufnehmen, über Beethovens persönlichen Charakter und seine Gewohnheiten [137] in dieser Periode seines Lebens, sowie über einige andere Punkte einige allgemeine Bemerkungen einzuschalten.

Eine vollständige und gerechte Analyse des Charakters seines Helden zu geben, ist vielleicht die schwierigste Aufgabe für den Biographen. Eine solche ist jedoch in unserm Falle weder nötig, noch beabsichtigt. Bei Beethoven würde eine solche Aufgabe ohne Zweifel eine sehr undankbare sein; denn die große Masse dessen, was bisher über ihn geschrieben worden ist, kann man kurz als eine ausführliche Lobrede auf denselben bezeichnen. Ein treues und erschöpfendes Bild von ihm als Menschen würde einen seltsamen Kontrast zu jenem bilden, welches gemeinhin als das richtige betrachtet wird. Wie die Bildhauer und Maler, welche ihn darstellten, einer nach dem andern das Werk ihrer Vorgänger idealisierten, bis der Komponist gleich einem homerischen Gotte vor uns stand, so daß die, welche ihn persönlich kannten, könnten sie auf die Erde zurückkehren, niemals vermuten würden, daß die große Gestalt und die edeln Züge der am anspruchsvollsten auftretenden Porträts die kurze muskulöse Figur und das pockennarbige Gesicht ihres alten Freundes darzustellen beabsichtigten; so hat sich in der Beethoven-Literatur ein ähnlicher Prozeß vollzogen, und in entsprechender Weise unterdrückte man immer mehr das, was gewöhnlich und trivial erschien, bis man ihn zu einem Wesen gemacht hatte, welches erhaben und getrennt von den übrigen Menschenkindern in dem ihm eigentümlichen Reiche gigantischer Ideen lebte und in seiner Musik geheimnisvolle Enthüllungen über unaussprechliche Dinge machte. Für einen besonnenen Erforscher seiner Geschichte ist es aber doch wirklich einige Generationen zu früh, ihn als eine halbmythische Persönlichkeit zu betrachten, oder zu entdecken, daß seine Zettelchen an Freunde, worin er sie um Federn ersucht, oder Vorschläge zum Essen im Gasthofe macht, oder sich über Dienstboten beklagt, »zyklopische Felsblöcke« seien, welche gleich den chops and tomato sauce des Mr. Pickwick unergründliche Tiefen des Gedankens enthielten. Unser gegenwärtiges Zeitalter muß zufrieden sein, in Beethoven bei all seiner Größe eine durchaus menschliche Natur zu finden, die, wenn sie mit ungewöhnlichen Kräften ausgestattet war, gleichzeitig auf der andern Seite ungewöhnliche Schwächen zu erkennen gibt.

»Wer langsam zum Zorne ist, ist besser als der Mächtige, und wer seinen Geist bändigt, besser als der, welcher eine Stadt nimmt«, sagt der weise Prediger. Es war das große Mißgeschick von Beethovens Jugend, da seine guten und schlimmen Neigungen von Natur außergewöhnlich lebhaft und stark waren, daß er nicht unter dem Einflusse einer weisen [138] und strengen elterlichen Zucht aufgewachsen war, und daß er nicht früh zu jener Gewohnheit der Selbstbeherrschung geführt wurde, die, wenn sie sich einmal befestigt hat, den Charakter läutert und umgestaltet, und durch welche die Leidenschaften, beherrscht und gemäßigt, nur Quellen einer edlen Kraft und Energie bleiben. Sein sehr früher Eintritt ins Theaterorchester als Klavierspieler war sicherlich mehr zum Vorteil seiner musikalischen als seiner sittlichen Entwickelung, und es lag ohne Zweifel ein ferneres Mißgeschick eben darin, daß er gerade in den Jahren, in welchen die strenge Leitung einer Schule in gewisser Hinsicht einen Ersatz für die unverständige, ungleichmäßige und oft rauhe Disziplin des Vaters gegeben haben würde, durch seine Stellung in eine so enge Verbindung mit Schauspielern und Schauspielerinnen gebracht wurde, welche in jenen Tagen sich durch die Art ihres Verhaltens und ihrer Sitten nicht besonders auszeichneten. Vor der Zeit, da er mit der Familie Breuning und dem Grafen Waldstein näher bekannt wurde, konnte er kaum die Notwendigkeit kennen gelernt haben, jene hohen Grundsätze von Leben und Betragen zu kultivieren, auf welche er in späteren Jahren so großes Gewicht legte. Inzwischen konnten manche Gewohnheiten sich bereits so weit ausgebildet und befestigt, und es konnten angeborene Neigungen und Willensrichtungen eine solche Stärke erlangt haben, daß es vielleicht schon zu spät war, die Kraft einer vollkommenen Selbstbeherrschung zu erlangen. In allen Beziehungen begleiteten Beethoven die Folgen einer fehlenden sittlichen Jugenderziehung durch sein ganzes Leben hindurch und sind in dem häufigen Zwiespalte zwischen seiner schlimmeren und seiner besseren Natur und in seiner beständigen Neigung zu Extremen sichtbar. Heute gerät er über irgendeine vielleicht ganz kleinliche Sache in einen ganz unmäßigen Zorn; morgen überschreitet seine Reue bei weitem das Maß seines Fehlers. Heute ist er stolz, eigensinnig, beleidigend sorglos gegenüber den Ansprüchen, welche die Gesellschaft Menschen von hohem Range zugesteht; morgen ist seine Unterwürfigkeit noch größer, als es die Verhältnisse erfordern. Ferner war auch die Armut, in welcher er aufwuchs, nicht ohne ihren Einfluß auf seinen Charakter. Er lernte nie das Geld in seinem wahren Werte schätzen; nicht selten freigebig und großmütig bis zum äußersten, selbst verschwenderisch, konnte er zu anderen Zeiten in das gerade entgegengesetzte Extrem verfallen. Bei all seiner Gesinnung von Adel und Unabhängigkeit nahm er doch früh die Gewohnheit an, sich auf andere zu stützen, namentlich infolge der Zunahme seines Leidens, worin allerdings eine teilweise Rechtfertigung lag; aber er wurde dadurch geneigt, [139] unklugen Ratschlägen zu folgen, oder, wenn sein Stolz verletzt war, eine ebenso unkluge Unabhängigkeit geltend zu machen. Nicht selten wurde er auch, bei der großen Menge von Ratgebern, das Opfer der äußersten Unentschlossenheit, wo Entschiedenheit und Festigkeit zu seinem Besten unerläßlich und wesentlich waren. Indem er infolgedessen bald dem Antriebe des Moments folgte, bald durch langes Schwanken Zeit verlor, wo eine schnelle Entscheidung erforderlich gewesen wäre, konnte es nicht fehlen, daß er manchen verkehrten Schritt tat, welchen er dann bei ruhigem Nachdenken bitter bereute, ohne ihn rückgängig machen zu können.

Man würde sowohl Beethoven als dem Verfasser der gegenwärtigen Biographie großes Unrecht tun, wenn man die vorhergehenden Bemerkungen so deuten wollte, als beabsichtigten sie, die Fehler unseres Komponisten in dieser Hinsicht als etwas anderes darzustellen denn als unerfreuliche und traurige Episoden in dem allgemeinen Verlaufe seines Lebens. Da dieselben ihm jedoch selbst den größten Nachteil bereiteten, so durften sie nicht mit Stillschweigen übergangen werden.

Zur Zeit von Beethovens Jugend war jene romantisch-gefühlvolle Bewunderung der Heroen der altklassischen Literatur, welche ihren Ursprung in Paris hatte, in weitesten Kreisen Mode geworden. Die demokratischen Theorien der französischen Sentimentalisten hatten einen neuen Antrieb erhalten durch die würdevolle Einfachheit der fremden Vertreter der jungen amerikanischen Republik, Franklin, Adams, Jay, durch das zurückgezogene Privatleben der großen militärischen Führer im Kampfe, Washington, Greene, Schuyler, Knox usw., auf ihren Pflanzungen und Pachtgütern, nachdem der Krieg mit England beendet war, durch den Stolz, mit welchem die französischen Offiziere, die in Amerika gedient hatten, in ihren Insignien des Ordens von Cincinnati auftraten, und endlich auch durch die Briefe und Tagebücher deutscher Offiziere, welche in der Gefangenschaft Freundschaft mit manchen der besseren unter den republikanischen Führern geschlossen hatten und mit ihren eigenen Augen gesehen hatten, in welcher Einfachheit dieselben lebten, während sie die Geschicke der neugeborenen Nation lenkten. So fand in dem größeren Teile von Mitteleuropa die Idee einer reinen und hohen Menschlichkeit, welche über und außer dem Einflusse der Leidenschaften stand, Eingang, als deren Vertreter man Cincinnatus, Scipio, Cato, Washington, Franklin betrachten zu können glaubte. Zschokke läßt seinen Heuwen sagen: »Die Tugend- und Heldenbilder des ganzen Alterthums hatten mich zur Tugend, zum Heldenthum begeistert.« In gleicher Weise erhob auch Beethoven [140] seine Gedanken und seine Phantasie durch eifrige Lektüre der deutschen Dichter und der Übersetzungen einzelner der alten und der englischen Klassiker, namentlich Homers, Plutarchs und Shakespeares, und verweilte gern bei ihren großen Gestalten, die ihm als würdige Vorbilder zur Einrichtung des eigenen Lebens erschienen. Aber zwischen den Gefühlen, die man hegt, und den wirklichen Prinzipien, nach denen man handelt, ist oft eine weite Kluft. Daß Beethoven sich nicht als Stoiker bewährte, daß es ihm niemals glückte, seine Leidenschaften mit völliger Sicherheit zu beherrschen, hatte allerdings seinen Grund nicht darin, daß der Geist nicht willig war – das Fleisch war schwach Er hatte in frühen Jahren die erforderliche Stärke des Charakters nicht erworben. Aber diejenigen, welche sein Leben am eingehendsten erforscht haben, wissen auch am besten, wie rein und lauter seine Wünsche und Bestrebungen, wie aufrichtig und tief seine Sympathien für alles, was gut ist, waren, wie groß sein Herz, wie heroisch, im ganzen genommen, seine Ausdauer in seinem großen Mißgeschick. Sie können am besten die wahre Größe des Mannes empfinden, den Adel seiner Natur bewundern und seinen Fehlern und Verirrungen die Träne des schmerzlichen Mitleids weihen. Wer in hohem Grade empfindlich und über seine Leidenschaften beständig zu wachen und auf dieselben aufmerksam zu sein genötigt ist, der wird Beethoven als Menschen am besten verstehen und mit ihm fühlen können.

Wahrheit und Aufrichtigkeit zwingt uns, zu gestehen, daß Beethoven in jenen Tagen des Glückes seine Ehren nicht mit der Demut trug, die wir wünschen möchten, und daß er von jener Bescheidenheit und Offenheit, welche Junker zehn Jahre vorher in seinem Mergentheimer Briefe an ihm rühmt, manches eingebüßt hatte1. Sein »etwas hoher Ton« war sogar von dem Korrespondenten der Allgemeinen Musikalischen Zeitung erwähnt worden. Züge von Selbstgefühl und selbst Anmaßung, Fehler, die freilich bei jungen Talenten, deren Leistungen Erfolg haben, fast allgemein sind und sich häufig in weit höherem Grade und mit weit geringerer Berechtigung als bei Beethoven finden, sind ohne Frage bei ihm erkennbar. Niemand kann ohne Bedauern seine Bemerkungen über gewisse nicht genannte Personen lesen, mit welchen er gerade zu dieser Zeit auf [141] einem offenbar intimen Fuße stand. »Ich taxire sie«, schreibt er 1801 an Amenda, »nur nach dem, was sie mir leisten – ich betrachte sie als bloße Instrumente, worauf ich, wenn's mir gefällt, spiele.« Sein »etwas hoher Ton« war auch für den würdigen Haydn eine Veranlassung zu Scherzen; derselbe pflegte nach einer glaubwürdigen Überlieferung, als Beethovens Besuche bei ihm seltener wurden und nur in langen Zwischenräumen erfolgten, andere Besucher zu fragen: »Was macht unser Großmogul?« Auch die jungen Edelleute, mit denen Beethoven umging, nahmen ihm jene Art des Auftretens wohl nicht übel; sicherlich jedoch machte sie ihm Feinde unter jenen, die er »nach ihren Leistungen taxirte und als bloße Instrumente betrachtete«, und wir werden uns darüber nicht wundern dürfen. Diese Eigenschaft blieb Beethoven bis in seine letzten Jahre und wurde unter seinen Bekannten besprochen. Der Verleger Steiner, dessen Verhalten zu Beethoven nicht gerade unsere Sympathie erweckt, suchte Beethovens letzten Freund Holz von ihm wegzubringen und hielt ihm die Möglichkeit vor, daß ihn Beethoven selbst gelegentlich wieder abstoßen werde; er habe es jedem so gemacht, der um ihn war; eine Zeitlang habe er ihn gebraucht und dann wieder zur Tür hinausgestoßen. Das erzählte Holz in aller Naivetät Beethoven selbst (Konv.-B. von 1826). Diese Erfahrung hatte ja freilich auch Schindler gemacht, unter dessen Einfluß vielleicht jene Äußerung steht.

Pierson hatte in seiner Ausgabe der sogenannten Beethovenschen Studien Seyfrieds persönlichen Skizzen einige Erinnerungen Griesingers beigefügt, jenes langjährigen sächsischen Gesandten in Wien, dem wir die wertvollen biographischen Notizen über Joseph Haydn verdanken. Eine seiner Erzählungen ist hier am Orte und kann im wesentlichen als wohl verbürgt angesehen werden. Als er nämlich noch Attaché war, traf er einst mit dem, abgesehen von seinem Klavierspiel noch wenig bekannten Beethoven im Hause des Fürsten Lobkowitz zusammen; sie waren beide damals noch junge Männer. In der Unterhaltung mit einem anwesenden Herrn äußerte Beethoven, daß er von aller Sorge um den Verkauf und Absatz seiner Werke befreit zu sein wünschte, und daß er gern jemanden finden möchte, der ihm ein bestimmtes Einkommen für sein Leben bezahlte, wofür er das ausschließliche Recht haben sollte, alles, was er schreiben würde, zu publizieren; »und ich wollte«, fügte er hinzu, »im Componieren nicht faul sein. Ich glaube, Goethe macht es so mit Cotta, und wenn ich nicht irre, hatte Händels Londoner Verleger eine ähnliche Übereinkunft mit ihm.« »Mein lieber junger Mann«, erwiderte der [142] andere, Sie müssen nicht klagen; denn Sie sind weder ein Goethe, noch ein Händel, und es ist nicht zu erwarten, daß sie es je sein werden; solche Meister werden nicht wieder geboren. Beethoven biß sich auf die Lippen, warf dem Sprecher einen äußerst verächtlichen Blick zu und sagte nichts weiter. Lobkowitz suchte ihn zu beruhigen, und in einer darauffolgenden Unterhaltung sagte er zu ihm: »Mein lieber Beethoven, der Herr hatte nicht die Absicht, Sie zu verletzen. Die meisten Menschen hegen die bestimmte Meinung, daß die gegenwärtige Generation nicht im Stande sei, so mächtige Talente hervorzubringen, wie jene hingeschiedenen, welche bereits ihren Ruhm sich erworben haben.« »Um so schlimmer, Ew. Hoheit«, antwortete Beethoven »aber mit Menschen, die keinen Glauben und kein Vertrauen zu mir haben, weil ich dem all. gemeinen Rufe noch unbekannt bin, kann ich keinen Umgang haben.«

Für die jetzige Generation, welche die Schöpfungen aus dem ganzen Leben des Komponisten als Grundlage des Urteils über seine Fähigkeiten vor sich hat, ist es leicht, über seine Zeitgenossen abzusprechen, weil sie nicht imstande gewesen seien, in den ersten zwölf oder fünfzehn seiner Werke einen genügenden Grund zu finden, um ihn mit Goethe und Händel in eine Linie zu stellen. Aber wer auf einem Berge steht, wird sich mit Unrecht darüber aufhalten, daß die Aussicht in der Ebene eine weniger ausgedehnte ist. Damals war es eben schwer zu begreifen, wie es möglich sei, die Instrumentalmusik noch über die von Mozart und Haydn erreichte Höhe zu erheben, wie es uns unmöglich scheint, daß Beethoven künftig übertroffen werde. Vertrauen auf unsere eigene Kraft ist freilich das erste Erfordernis, Erfolg zu erringen, und Griesingers Erzählung ist uns ein fernerer, erfreulicher Beweis dafür, wie wohl Beethoven die vor ihm liegende Aufgabe begriff. Auch Mozart hat nicht selten ein solches Vertrauen mit größerer oder geringerer Deutlichkeit geäußert; aber immer bescheiden, und nie anders als in der Freiheit der privaten und vertraulichen Korrespondenz, wie namentlich in den Briefen an seinen Vater. Es war ein Irrtum und eine Schwäche bei Beethoven, daß er sich einem vergleichenden Fremden gegenüber offen über diesen Punkt aussprach und dann verdrießlich darüber wurde, daß dieser Fremde ihn nach dem Maßstabe seiner eigenen Schätzung nicht anerkennen wollte oder konnte.

In den kurzen persönlichen Mitteilungen, welche wir über die Freunde Beethovens gegeben haben, sind die Daten ihrer Geburt, so weit sie bekannt sind, angegeben worden, so daß der Leser beobachten kann,[143] wie viele von ihnen mit dem Komponisten gleichalterig oder noch jünger waren als er; einige waren noch völlige Knaben, als er nach Wien kam. So blieb es auch später; und wir werden finden, während die Jahre in unserer Erzählung vorübergehen und die uns bekannten Namen verschwinden, an die Stelle derselben immer wieder Leute traten, welche um vieles jünger waren als Beethoven selbst.

Die ältere Generation musikalischer Liebhaber in Wien, van Swieten und andere seiner Art, hatten den jungen Bonner Organisten als Klavierspieler aufgenommen und beschützt. Als aber Beethoven seine Ansprüche als Komponist geltend zu machen und etwas später, bei der Zunahme seiner Taubheit, sein Spiel zu vernachlässigen begann, waren einige seiner älteren Freunde dahingegangen, andere hatten sich aus der Gesellschaft zurückgezogen, und die Zahl derjenigen war klein, welche, wie Lichnowsky, zu begreifen imstande waren, daß Abweichungen von den Formen und dem Stile Mozarts und Haydns nicht notwendig Fehler seien. Die größte Zahl derer, welche noch tätig waren, und deren Liebe zur Kunst noch dieselbe war, waren mit Mozart und Haydn aufgewachsen; sie waren Zeugen ihrer Entwicklung gewesen und hatten sich an ihrem wachsenden Ruhme erfreut; indem sie vergaßen, daß manche der allmählich gestalteten Schönheiten in deren Kompositionen ebenfalls einst als Umwälzungen und Neuerungen erschienen waren, die ihre Väter entschieden mißbilligt hatten, waren sie nicht imstande, einzusehen, daß die gleiche Erscheinung sich bei Beethoven nun wiederholte, daß er auf seinem Wege, wie seine Vorgänger auf dem ihrigen, die Grenzen erweiterte und die Quellen des musikalischen Genusses vermehrte. Sie wußten aus ihrer eigenen Erfahrung und Beobachtung, welche erstaunlichen Fortschritte in der Instrumentalmusik gemacht worden waren, seitdem die Sonatenform durch die Söhne Bachs ausgebildet und durch Haydn aufs Quartett und die große Symphonie übertragen worden war2. Das Vollkommene [144] ist natürlich einer weiteren Verbesserung nicht fähig; da nun sowohl das Quartett als die Symphonie durch Haydn und Mozart zur Vollkommenheit der Form gebracht war, so schlossen sie logisch, daß ein weiterer Fort schritt nicht möglich sei. Sie konnten nicht begreifen, daß für Erfindung und Entdeckung neuer Elemente des Interesses, der Schönheit, der Kraft noch Raum vorhanden sei; denn freilich, ihre Auffindung ist Sache des Genies. Bei Beethoven war sie instinktiv. Wir fügen noch eine weitere Bemerkung hinzu. Gegen das Ende des Lebens pflegen oft Meisterwerke der Literatur und Kunst, an welchen sich der Geschmack gebildet hat, im Gemüte mit einer Art von Heiligenschein umkleidet zu werden. In solchem Falle treten dann die Werke eines jungen und kühnen Neuerers, selbst wenn das sich in ihnen offenbarende Genie empfunden wird und sein richtiges Verständnis findet, nicht allein mit dem Anscheine einer unmäßigen und verkehrten Verschwendung übel angewandter Kräfte auf, sondern sogar mit dem einer gewissen profanen Verwegenheit. Aus diesen und ähnlichen Gründen fanden Beethovens neue Arbeiten wenig Gunst bei den Veteranen des Konzertsaales.

Die Tageskritik war natürlich von demselben Geiste geleitet und stand unter denselben Einflüssen. Beethovens eigenes Geständnis, wie sehr sie ihn anfangs verletzte, wird seinerzeit zur Sprache kommen; als er jedoch fühlte, daß sein Sieg über dieselbe entschieden war – und bei der jüngeren Generation errang er in der Tat den Sieg –, lachte er nur über die Kritiker; ihnen zu antworten, ausgenommen bei neuen Werken, hielt er unter seiner Würde. Seyfried sagt von ihm (seine Worte beziehen sich gerade auf die Jahre der Eroica, des Fidelio usw.): »Wenn ihm – Kritiken zu Gesichte kamen, worin ihm Vorwürfe über grammatikalische Verstöße gemacht wurden, dann rieb er sich schmunzelnd und seelenvergnügt die Hände, und rief hell auflachend: ›Ja, ja! da staunen sie und stecken die Köpfe zusammen, weil sie es noch in keinem Generalbaßbuche gefunden haben‹«.

Aber für die Jugend beider Geschlechter hatte Beethovens Musik einen außerordentlichen Reiz; und zwar nicht aus technischen Gründen, sondern einzig wegen des in ihnen hervortretenden Neuen, was auf die Jugend immer große Anziehungskraft ausübt; und dann, weil sie sich an die Empfindung wandte, das Gemüt erregte und das Herz rührte, [145] wie es niemals bloße Instrumentalkompositionen anderer in ähnlicher Weise getan hatten. Wir haben gesehen (I2 289 ff.), wie lebhaft William Gardiner im hohen Alter sich des tiefen Eindrucks von Beethovens Trio Op. 3 erinnerte, welches er ein halbes Jahrhundert vorher gehört hatte. Eine noch bessere Erläuterung bietet die Erzählung des ehrwürdigen Moscheles, welche in der Einleitung zu der englischen Übersetzung von Schindlers Biographie (1840) mitgeteilt wird. »Ich war (sagt er) der Leitung und dem Schutze von Dionysius Weber anvertraut worden, dem Gründer und gegenwärtigen Direktor des Konservatoriums der Musik in Prag; und da dieser fürchtete, ich möchte bei meinem Eifer, neue Musik kennen zu lernen, der systematischen Ausbildung meines Klavierspielens schaden, so verbot er mir die Benutzung der Leihbibliothek und machte es in einem Plane für meine musikalische Erziehung, welchen er meinen Eltern vorlegte, zur ausdrücklichen Bedingung, daß ich keine anderen Komponisten studirte außer Mozart, Clementi und S. Bach. Ich muß jedoch gestehen, daß ich trotz dieses Verbotes die Leihbibliothek benutzte, wozu mir mein Taschengeld die Möglichkeit gewährte. Um diese Zeit hörte ich von einigen Mitschülern, in Wien sei ein junger Komponist aufgetreten, welcher das sonderbarste Zeug von der Welt schreibe, so daß es niemand weder spielen noch verstehen könne; eine barocke, mit allen Regeln in Widerspruch stehende Musik; und dieser Komponist heiße Beethoven. Als ich mich nun wieder zu der Leihbibliothek verfügte, um meine Neugierde nach dem excentrischen Genie, welches diesen Namen führte, zu befriedigen, fand ich Beethovens Sonate pathéthique. Das war im Jahre 18043. Da mein Taschengeld zur Anschaffung derselben nicht ausreichte, so schrieb ich sie heimlich ab. Die Neuheit ihres Stiles war für mich so anziehend, und ich faßte eine so enthusiastische Bewunderung zu derselben, daß ich mich selbst so weit vergaß, meinen neuen Erwerb meinem Lehrer gegenüber zu erwähnen. Dieser erinnerte mich an seine Vorlchrist und warnte mich davor, excentrische Productionen zu spielen oder zu studiren, ehe ich meinen Stil auf Grund soliderer Muster ausgebildet hatte. Ohne jedoch seine Vorschrift zu berücksichtigen, legte ich Beethovens Werke der Reihe nach, wie sie erschienen, auf das Klavier und fand in denselben einen Trost und ein Vergnügen, wie es mir kein anderer Komponist gewährte.« Hier möge auch auf die schon Bd. I2 368 f. ausgezogenen Beethoven-Erinnerungen der Frau v. Bernhard, [146] geb. v. Klissow, zurückverwiesen sein, deren Lehrer sich aber im Gegenteil freute, eine Schülerin gefunden zu haben, die für Beethovens Musik Verständnis entwickelte.

Und so geschah es, daß Beethoven auch in seiner Eigenschaft als Komponist bald einen Kreis junger Verehrer, die ihn enthusiastisch bewunderten, um sich bildete. Ihre Huldigungen mögen ihm wohl angenehm gewesen sein, wie sie dies jedem genialen Künstler sind, welcher, indem er neue Wege anbahnt und konsequent verfolgt, sich den scharfen Bemerkungen der Kritiker aussetzt; können doch diese bei aller Aufrichtigkeit der Gesinnung in Wirklichkeit wenig oder nichts Gutes in solchen Erzeugnissen erblicken, die sich nicht von dem alten Standpunkte aus messen und beurteilen lassen. Unter solchen Umständen ist die Stimme des Lobes doppelt erfreulich. Es ist bekannt, daß, als Beethovens Werke von einer neuen Generation von Kritikern, die in der Tat durch dieselben herangebildet worden war, eine gerechte Würdigung zu finden begannen, er eine ansehnliche Zahl lobender Artikel sammelte und aufbewahrte, deren Schicksal nicht mehr verfolgt werden kann. Wenn jedoch die natürliche und gerechte Genugtuung, die durch die Huldigung aufrichtiger Bewunderer und einer nach Verdienst lobenden Kritik gewährt wird, in eine Freude an unüberlegtem Lobe und an Schmeichelei ausartet, so wird sie eine Schwäche, ein Fehler. Von diesem Fehler finden sich bei Beethoven unverkennbare Züge, namentlich in seinen späteren Jahren; es gibt in den Konversationsbüchern Seiten voll des unmäßigsten ihm dargebrachten Lobes, welche den Leser für ihn erröten machen würden, wenn nicht die bloße Tatsache der Existenz solcher Bücher uns an das bittere Los des Komponisten erinnerte. Diese Schwäche war zuweilen auch sein Unglück; denn die Leute, welche mit ihren Schmeicheleien am verschwenderischesten umgingen und dadurch Gehör bei ihm erlangten, waren keineswegs die besten seiner Ratgeber.

Aber abgesehen von der anziehenden Kraft seiner Kompositionen hatte auch Beethovens Persönlichkeit einen gewissen Zauber, der seine jungen Verehrer an ihn fesselte, und zwar im ganzen genommen, wie man sagen kann, zu seinem entschiedenen und dauernden Vorteil in bezug auf alle seine Privatangelegenheiten. Gerade in jener Zeit und noch einige Jahre später leisteten ihm freilich meist seine Brüder den Beistand, dessen er bedurfte; von da an jedoch bis zum Ende seines Lebens wird uns in unserer Erzählung eine ununterbrochene Reihenfolge von Namen junger Männer begegnen, welche ihm zu bestimmten Zeiten[147] unentbehrlich und auf seinen Ruf jederzeit zu freiwilligen Diensten bereit waren.

Beethovens Liebe zur Natur war damals bereits ein ausgeprägter Zug seines Charakters. Dieselbe wurde gepflegt und erhöht durch seine langen Wanderungen auf den sanften Anhöhen und in den außerordentlich schönen Tälern, welche die Umgebungen Wiens nach Norden und Westen so reizend machen. Wenn er daher die Stadt verließ, um die heißen Sommermonate auf dem Lande zuzubringen, was er mit einer oder zwei Ausnahmen in der ganzen Reihe der folgenden Jahre regelmäßig tat, so wählte er seinen Aufenthalt mit Rücksicht darauf, daß er jener edlen Neigung Genüge leisten konnte. Daher auch seine große Vorliebe für das ehemals berühmte Buch Christian Sturms »Betrachtungen über die Werke Gottes«, welches, so absurd auch manches in seiner Naturphilosophie (in den älteren Ausgaben) gegenwärtig im Lichte fortgeschrittener Erkenntnis erscheint, damals bei weitem das beste unter den populär-wissenschaftlichen Handbüchern war, und sich zur Erweckung und Befestigung des Geschmacks und Verständnisses für die Schönheiten der Natur in unübertrefflicher Weise eignete. Aus Schindlers Mitteilung wissen wir, daß der Meister dieses Buch sein Leben lang fortwährend las und bewunderte. Dasselbe war imstande, seiner Verehrung für den Schöpfer und Erhalter des Weltalls Nahrung zu geben, ohne ihn in seinen freien Anschauungen über religiöse Systeme und kirchliche Dogmen zu beschränken. Die Worte Bryants, daß die Natur zu dem, welcher bei der Liebe zu ihr eine Gemeinschaft mit ihren sichtbaren Formen unterhalte, eine mannigfaltige Sprache rede, finden auf Beethoven volle Anwendung; wenn in Tagen von Sorge und Bekümmernis seine Kunst, sein Plutarch, seine Odyssee zu schwach waren, ihn aufzurichten, so suchte er Trost bei der Natur, und derselbe blieb ihm selten versagt.

Die Kunst ist so oft durch die schlechten sittlichen Grundsätze und. das schamlose Leben ihrer Bekenner herabgesetzt worden, daß man mit doppelter Freude und Genugtuung von Beethoven vernimmt, daß er, gleich Händel, Mozart und Bach, seiner Kunst durch seinen Charakter und seine Lebensweise Ehre machte. Wenngleich unregelmäßig, war er doch einfach und mäßig im Essen und Trinken, soweit es die Art der Gesellschaft, in welcher er lebte, zuließ. Fern war er von jeder ungeordneten Neigung zu Wein und starken Getränken4. Keine Anspielung in irgend [148] einem seiner Briefe oder in den Tage- und Konversationsbüchern deutet auf Liebhaberei am Hazardspiel oder sonstigen derartigen Unterhaltungen; es scheint nicht, daß er ein Kartenspiel vom andern unterscheiden konnte. Musik, Bücher, Unterhaltung mit Männern und Frauen von Geschmack und Einsicht, Tanzen5 und außerdem lange Spaziergänge bildeten seine Unterhaltungen und Erholungen. Seine Lust am Reiten (Bd. I2 S. 371) war von kurzer Dauer; die letzte Erwähnung eines ihm gehörigen Pferdes ist die auf S. 21 erzählte Anekdote.

Ein etwas delikater Punkt verlangt in diesem Zusammenhange noch ein Wort; und gewiß, was Franklin in seiner Selbstbiographie von sich eingesteht, und was Lockhart ohne Bedenken von seinem Schwiegervater Walter Scott mitteilt, braucht hier nicht unterdrückt zu werden. Dies darf um so weniger geschehen, als man auf eine irrige Annahme über diesen Punkt bereits mehrfach schönklingende Schilderungen gebaut und dieselben dazu benutzt hat, in gewissen Tatsachen Beziehungen zu Beethovens Kompositionen zu suchen. Beethoven verbrachte bekanntlich sein ganzes Leben in einer gesellschaftlichen Umgebung, in welcher das Gelübde der Ehelosigkeit keineswegs zugleich ein Gelübde der Keuschheit, die Vaterschaft von Kindern eines Kardinals weder ein Geheimnis noch ein Vorwurf war, wo die illegitimen Kinder von Fürsten und Großen auf ihre Abstammung stolz waren und auf dieselbe wohlbegründete Hoffnungen auf Fortkommen und Erfolg im Leben gründeten, und wo eine gemäßigte Nachgiebigkeit gegenüber den geschlechtlichen Neigungen nicht mehr verpönt war, als die Befriedigung irgend einer andern natürlichen Neigung. Daß Beethoven unter solchen Verhältnissen in bezug auf diesen Punkt puritanische Skrupel gehabt hätte, erscheint nicht glaublich; diejenigen, welche bei Erforschung seines Lebens Gelegenheit gehabt haben, die Tatsachen kennen zu lernen, wissen, daß er solche nicht hatte, und sind überzeugt, daß er nicht immer den gewöhnlichen Gelegenheiten, die Gesetze der strengsten Reinheit zu übertreten, aus dem Wege ging6. [149] Doch hatte er ein zu starkes Gefühl von der Würde des Charakters, um jemals an Szenen niedriger Ausschweifung teilzunehmen. Auch war ihm die zu seiner Zeit nicht ungewöhnliche Sitte, mit einem unverheirateten Frauenzimmer wie mit einer Frau zusammenzuleben, immer zuwider, wie uns eine häßliche Geschichte weiterhin zeigen wird; und noch mehr verabscheute er ein Verhältnis zu der Frau eines andern. In seinen späteren Jahren brach er seinen ehemals vertrauten Verkehr mit einem ausgezeichneten Komponisten und Kapellmeister in Wien so weit ab, daß er kaum die Grüße desselben mit der gewöhnlichen Höflichkeit erwiderte. Schindler versichert, der einzige Grund hierzu sei gewesen, daß der Betreffende mit der Frau eines andern in unerlaubtem Umgange lebte.

Wir könnten hier die Namen zweier verheirateten Frauen nennen, denen Beethoven in einer späteren Periode mit Wärme zugetan war; da dieselben aber zum Glück bisher den Augen unserer literarischen Gassenkehrer entgangen sind, sollen sie auch hier unterdrückt bleiben. Einzelne seiner Freunde pflegten ihn mit diesen Frauen zu necken, und es steht fest, daß er an ihren Scherzen ein ziemliches Vergnügen fand, selbst wenn die Andeutungen, als ob seine Zuneigung die Grenzen der platonischen Liebe überschritten hätte, etwas plump waren; aber einer sorgfältigen Untersuchung ist es nicht gelungen, irgend einen Beweis dafür zu finden, daß er sich gerade in diesen Fällen seinen Grundsätzen untreu erwiesen hätte.

Eine Geschichte, die Jahn berichtet, gehört ebenfalls hierher. Beethofen ließ sich einst auf die dringenden Bitten der Czernyschen Familie, nach langem Sträuben, überreden, in Gegenwart einer gewissen Frau Hofdemel zu phantasieren. Sie war die Witwe eines Mannes, der einen Angriff auf ihr Leben gemacht und dann sich selbst getötet hatte; und Beethovens Weigerung, vor ihr zu spielen, beruhte darauf, daß er den allgemeinen Glauben teilte, zwischen dieser Frau und Mozart habe ein allzu vertrautes Verhältnis bestanden. Jahn hatte später, wie hier bemerkt werden mag, die große Genugtuung, die Unschuld Mozarts in dieser Sache beweisen und die Erinnerung an den einzigen dunkeln Schatten, der auf ihm geblieben war, auslöschen zu können. Er hat auch von dem Eindrucke berichtet, welchen Beethovens Spiel auf die Dame [150] gemacht hat. Als nämlich Czerny ihm eines Tages über Beethovens außerordentliches Phantasieren mancherlei berichtet, habe er hinzugefügt, auch die Frau Hofdemel, die begeisterte Schülerin und Freundin Mozarts, habe erklärt, das gehe doch noch über Mozart7.

So viel schien uns nötig über diesen Punkt hier zu sagen, nicht bloß aus dem oben angegebenen Grunde, sondern auch um den so lange obwaltenden Mißverständnissen und falschen Deutungen von Stellen in Beethovens Briefen und Privataufzeichnungen ein Ende zu machen und das etwaige Auftauchen fernerer Erfindungen zu verhüten.

Rochlitz berichtet in seinen Briefen aus Wien (1822) über Beethovens eigene humoristische Erzählung von seinem Enthusiasmus für Klopstock in jüngeren Jahren. »Seit dem Carlsbader Sommer lese ich im Göthe alle Tage – wenn ich nämlich überhaupt lese. Er hat den Klopstock bei mir todt gemacht. Sie wundern sich? Nun lachen Sie? Aha, darüber, daß ich den Klopstock gelesen habe! Ich habe mich jahrelang mit ihm getragen; wenn ich spazieren ging, und sonst. Ei nun: verstanden hab' ich ihn freilich nicht überall. Er springt so herum; er fängt auch immer gar zu weit von oben herunter an; immer maestoso! Des dur! Nicht? Aber er ist doch groß und hebt die Seele. Wo ich ihn nicht verstand, da rieth ich doch – so ungefähr. Wenn er nur nicht immer sterben wollte! Das kömmt so wohl Zeit genug! Nun! wenigstens klingts immer gut« u.s.w.8

[151] Wie vereinzelt also auch die Andeutungen, welche in bezug auf diesen Punkt zu unserer Kenntnis gekommen sind, sein mögen, so gewähren sie uns doch in ihrem Zusammenhange eine hohe Vorstellung von Beethovens poetischem Geschmack und poetischer Bildung und zeigen, daß die Anspielungen auf die altklassischen Schriftsteller in seinen Briefen und seiner Unterhaltung nicht gemacht wurden, um damit zu glänzen, sondern daß sie einer wirklichen Bewunderung und Würdigung ihrer Werke entsprangen, welche die Folge häufiger Lektüre von Übersetzungen derselben war.

Da im Verlaufe unserer Darstellung Beethovens Korrespondenz immer mehr eine Hauptquelle für uns sein wird, so glauben wir auch über Beethoven als Briefschreiber an dieser Stelle einige Worte sagen zu müssen. Wie sich aus einer genaueren Kenntnis ergibt, tragen wenige seiner eigenhändigen Briefe die Spuren vorherigen Studiums und sorgfältiger Ausarbeitung; der beiweitem größte Teil dessen, was er auf dem Wege der Privatkorrespondenz von sich gab, war von dem Antrieb des Augenblicks eingegeben und ohne jeden Gedanken niedergeschrieben, daß es jemals unter andere Augen kommen könnte, als die, für welche es bestimmt war. Man kann sich daher leicht vorstellen, wie energisch er protestiert haben würde, wenn er hätte wissen können, daß seine bedeutungslosesten Zettel in solch großer Zahl aufbewahrt worden wären, und daß die Zeit kommen würde, in welcher sie alle würden veröffentlicht werden; ja sogar, daß einzelne derselben, die nur der Ausfluß momentaner Verletztheit waren, nach seinem Tode zum Schaden solcher würden benutzt werden, mit welchen er in den engsten Beziehungen lebte, und daß hinwiederum anderen, in denen er einer plötzlich ausbrechenden Leidenschaft sich überließ – wobei das Unrecht wahrscheinlich ebensooft auf seiner, wie auf der anderen Seite war –, nachdem alle beteiligten Parteien hingeschieden waren, noch einmal eine beinahe richterliche Autorität würde zugesprochen werden. Wer kann denn von sich sagen, daß er 30 Jahre lang zu allen Zeiten und unter allen Umständen sein Gemüt so frei von Leidenschaft, Vorurteil, Irrtum und Mißverständnis zu halten gewußt habe, daß er [152] gern die Veröffentlichung alles dessen, was er geschrieben habe, auf sich nehmen wollte, ungesichtet, ohne Überarbeitung, Bemerkung, Kommentar oder Erläuterung von ihm selbst oder dem Korrespondenten? Beethoven würde am wenigsten jemals eine Unfehlbarkeit gleich dieser beansprucht haben.

Beim Studium einer Sammlung von einigen 8009 Briefen und Zetteln Beethovens im Original oder in Abschrift, gedruckter sowohl als ungedruckter, tritt als die am meisten überraschende Tatsache die völlige Bedeutungslosigkeit der beiweitem größten Zahl derselben hervor. Nur eine sehr geringe Zahl von Briefen zeigt Spuren einer sorgfältigen vorherigen Überlegung; nur in den seltensten Fällen werden Gegenstände von irgendwelchem tieferen Werte behandelt. Ja, vielleicht der größere Teil der kurzen Briefchen an Zmeskall und andere verdankt seinen Ursprung lediglich der Abneigung Beethovens, seinen Dienstboten mündliche Aufträge anzuvertrauen. In der Mehrzahl seiner Briefe sucht man vergeblich irgend etwas auf die Theorie oder die Kunst der Musik Bezügliches; sehr selten wird eine Meinung über die Erzeugnisse irgend eines gleichzeitigen Komponisten geäußert; lebendige, Skizzen von Menschen und Sitten, ähnlich jenen, welche die Briefe Mozarts und Mendelssohns so anziehend machen, entfließen seiner Feder nicht. Ein großer Teil der Korrespondenz dieser Männer hat wirklich einen mehr als bloß biographischen Wert; bei Beethoven ist dies nur in geringem Maße der Fall.

Natürlich zeigen diese Briefe die gewöhnlichen Unvollkommenheiten einer lebhaften und vertrauten Korrespondenz, zuweilen sogar bis zum Übermaße. Es finden sich in ihnen mitunter obenhin gemachte Angaben von Tatsachen, wie sie jeder von uns infolge von Eile oder unvollständiger Kenntnis machen kann; für andere Stellen gibt uns nur Schindlers Erzählung, daß Beethoven sich zuweilen mit harmlosen Mystifikationen anderer unterhielt, eine vollständige Erklärung. Vergleicht man die wichtigeren Briefe miteinander, so zeigen sie freilich einerseits, wie schwer es Beethoven häufig wurde, den besten Ausdruck seiner Gedanken zu finden, ja daß er mit den Regeln seiner Muttersprache in einem fortwährenden Zwiespalte lebte; andererseits aber setzen sie seine Wahrheitsliebe und Aufrichtigkeit in das günstigste Licht und erheben sich nicht selten zu einer [153] gewissen natürlichen Beredsamkeit. Der Leser fühlt, daß, wo der Schreiber ungerecht ist, er unter dem Einfluß eines Mißverständnisses oder einer Leidenschaft steht, und in der Regel ist es nicht zu spät, derartige Ungerechtigkeiten aufzudecken; die tatsächlichen Irrtümer geben sich als einfache Mißverständnisse zu erkennen, ohne Arg gemacht und leicht zu verbessern; und wenn uns endlich in der großen Menge der Briefe einzelnes begegnet, was weder völlig gerechtfertigt noch entschuldigt werden kann, so darf man nicht vergessen, daß dieselben nicht für unsere Augen bestimmt waren, und daß sie unter dem fortwährenden Drucke eines großen Mißgeschicks geschrieben sind, welches ihn doppelt empfindlich und reizbar machte, so daß die große Teilnahme, die dasselbe einflößt, uns zu einer Milderung unseres Urteils leicht geneigt macht.

Ein Überblick über die Korrespondenz Beethovens in ihrer Gesamtheit führt uns noch eine andere überraschende Tatsache zum Bewußtsein. Dieselbe liefert nämlich den Beweis, daß, wenn wir von jenen Stunden tiefster Niedergeschlagenheit absehen, Beethoven weit entfernt war, der melancholische und düstere Charakter zu sein, für den man ihn gewöhnlich hält. Er zeigt sich im Gegenteil – wie er dies auch von Natur war – als ein Mann von heiterem und lebhaftem Temperamente, als Liebhaber von Scherzen, als hartnäckiger, wenn auch nicht immer glücklicher Aufsucher von Wortspielen, als großer Freund von Witz und Humor. Und er durfte seinem Geschick danken, daß es so war; denn nur so bewahrte er sich jene Elastizität des Geistes, welche ihn vor den Folgen eines einsamen Brütens über sein großes Mißgeschick bewahrte; nur so gelang es ihm, sich über sein Geschick zu erheben, seine großen Fähigkeiten auf die Aufgaben, die er sich gestellt, zu konzentrieren, und mit Mut und Hoffnung dem grausamen Lose zu begegnen, welches so manchen seiner wohlbegründeten Hoffnungen und ehrgeizigen Pläne ein Ziel setzte und ihn auf einen einzigen Weg zu Ruhm und Ehre, den der Komposition, hinwies. Einige der wertvollsten und interessantesten seiner Briefe stammen aus der Zeit, welche auf die bis hierher behandelte unmittelbar folgt; in diesen können wir mit ziemlicher Genauigkeit die Wirkung verfolgen, welche seine beginnende und zunehmende Taubheit auf ihn machte. Wir erkennen zuerst die Angst, welche durch die ersten Symptome hervorgerufen war; dann den tiefen, an Verzweiflung grenzenden Kummer, als das schließliche Resultat sicher vor ihm stand; und endlich die völlige Ergebung in sein Geschick. Die Art, wie Beethoven sich zuletzt über sein großes Unglück erhob, hat in der Tat etwas Edles und Heroisches, und [154] in der großartigen Reihe von Werken, die er in dem Jahrzehnt von 1798 bis 1808 hervorbrachte, haben wir nicht allein Denkmäler seines Genius zu bewundern; sie geben ebensosehr Zeugnis von der übermenschlichen Entschlossenheit, mit welcher er den Eingebungen dieses Genius unter Umständen Ausdruck verlieh, welche ganz geeignet waren, dessen Wirkungen zu schwächen und seine Energie zu lähmen.

Beethoven hat sich eine wohl kaum bei einem zweiten Komponisten ähnlich nachweisbare Art zu arbeiten ausgebildet, von welcher seine Skizzenbücher und andere Manuskripte Zeugnis ablegen. Nach übereinstimmenden Berichten war er selten ohne einen oder zwei gefaltete Bogen Notenpapier in der Tasche, auf denen er mit seinem Bleistift innerhalb zweier oder dreier Taktstriche Andeutungen über musikalische Gedanken, die ihm in den Sinn kamen, wo er auch gerade sein mochte, in einer für jeden andern unverständlichen Weise notierte. Gegen Ende seines Lebens dienten auch seine Konversationsbücher oft zu diesem Zwecke; ja nach gewissen Erzählungen hatten mitunter Speisezettel in Wirtshäusern die Ehre, mit Gedanken angefüllt zu werden, die nachmals unsterblich wurden. Wer je für die öffentliche Presse geschrieben hat, weiß aus Erfahrung, wie die allgemeine Form und der Inhalt eines Artikels gleichsam blitzartig in der Phantasie entsteht, so daß wenige in ein Notizbuch eingetragene Worte genügen, denselben in seiner Länge und seinem Umfange ins Gedächtnis zurückzurufen. So beklagt Addison im 46. Spectator in humoristischer Weise den Verlust eines Blattes, auf welchem solche Winke für die Fortsetzung jener Zeitschrift notiert waren. In ähnlicher Weise dienten auch Beethoven drei oder vier Noten als Schlüssel zu ganzen Gedankenreihen, und er verarbeitete dieselben oft erst nach Jahren, und mitunter in seinen größten Schöpfungen.

Abbé Gelinek, welcher kurze Zeit hindurch dem jungen Bonner Organisten einen verdienstlichen und unvergessenen Schutz angedeihen ließ, schöpfte aus jener Gewohnheit Beethovens Veranlassung zu folgendem unterhaltenden Unsinn, welchen Tomaschek10 aus einem mit ihm geführten Gespräche mitteilt. »Er erklärte«, erzählt Tomaschek, »ganz apodiktisch, daß allen seinen (Beethovens) Tonwerken der innere Zusammenhang fehle, und daß sie nicht selten auch überladen sind. Dies nannte er grobe Übelstände seiner Komposition und suchte ihr Dasein in dessen Kompositionsart und Weise zu begründen, indem er vorgab, daß B. von jeher gewohnt [155] sei, jede musikalische Idee, die ihm einfiel, auf ein Stückchen Papier zu notiren und das Papierchen in einen Winkel seines Zimmers zu werfen, wo dann mit der Zeit die mit Notizen bezeichneten Papierchen zu einem Haufen anwuchsen, den die Magd beim Auskehren und Aufräumen nicht anrühren durfte. Kam nun B. die Lust an, zu componiren, so suchte er aus diesem Ideenschatz sich einige Motive heraus, die er zu Haupt- und Mittelsätzen des vorhabenden Tonwerkes zu verwenden glaubte, wobei er aber selten eine glückliche Wahl traf. Ich (Tomaschek) störte den Fluß seiner leidenschaftlichen, dabei aber holprigen Rede nicht und erwiederte nur dies Wenige darauf, daß ich mit Beethoven's Kompositionsweise ganz unbekannt sei und daß ich eher geneigt wäre, die Absprünge in seinen Compositionen, die sich manchmal vorfinden, seiner Individualität zuzuschreiben, und daß nur ein unbestochener, scharfsichtiger Psycholog, der die Gelegenheit gehabt hätte, Beethoven von Beginn seiner künstlerischen Entwickelung bis zu dessen männlicher Entschiedenheit zu betrachten, um nach und nach mit dessen Ansichten über Kunst vertraut zu werden, allein im Stande wäre, der Musikwelt über die geistigen Querstände in Beethoven's herrlichen Tonwerken Aufschluß zu geben, was seinen blinden Enthusiasten so wenig als seinen animosen Widersachern gelingen dürfte. Gelinek mag die letzten Worte und zwar nicht mit Unrecht auf sich bezogen haben.« Diese Unterhaltung fand im Jahre 1814 statt, am Tage nach einer Probe der Beethovenschen A-Dur-Symphonie! Gelineks »Haufen von Papierchen« in einem Winkel des Zimmers verwandeln sich, wenn wir sie mit dem Zauberstabe der Wahrheit berühren, in leere Notenbücher, in welche Beethoven seine neuen Gedanken aus den ursprünglichen schlichten Bleistiftskizzen übertrug, wobei er denn häufig mit zwei oder drei Worten die Gattung der Komposition bezeichnete, für welche sie verwendet werden sollten.

Verschiedene von den Anekdoten, die über unseren Meister in Umlauf sind, erheben den Anspruch, die Entstehung einiger Themen anzugeben, welche auf diese Weise niedergeschrieben und später ausgearbeitet wurden. Urteilsfähige Leser werden jedoch den wenigsten derselben viel Gewicht beilegen. Es kann zuweilen vorkommen, daß ein musikalischer Gedanke unmittelbar auf die ihn veranlassende Ursache bezogen werden muß; in der Regel wird der schaffende Künstler nichts Weiteres sagen können, als daß er ihm an diesem Orte und zu jener Zeit eingefallen sei, und häufig nicht einmal dieses. Beethovens Verehrer werden ihn gewiß über diesen Punkt befragt haben, wie z.B. Schindler bezüglich [156] der Pastoralsymphonie tat, und er war auch wohl imstande, ihnen genugzutun; im allgemeinen aber kann jene Anekdote von dem musikalischen Grobschmiede Händels als der Typus der meisten derartigen Geschichten betrachtet werden, welche eben nur der Wahrheit entbehren, um interessant zu sein. Einige längere Erzählungen – Geschichten über den Ursprung berühmter Werke in der Manier der Gartenlaube – sind in traurigem Grade absurd; so zum Beispiel eine weitverbreitete Erzählung über die Cis-Moll-Sonate, nach welcher dieselbe zu einer Komposition der Bonner Periode gemacht und doch in ihrem Datum später als die F-Dur-Symphonie angesetzt wurde.

Um zu den Skizzenbüchern zurückzukehren, so hatten dieselben eine doppelte Bestimmung. Sie dienten nicht allein zum Eintragen neuer Gedanken, sondern enthielten auch die vorbereitenden Studien zu den größeren Werken, zu welchen sie verarbeitet wurden. Eine Analyse eines solchen Skizzenbuches, welche zur Erläuterung dieser Punkte vorbereitet war, ist jetzt glücklicherweise überflüssig geworden durch die vortreffliche Untersuchung Nottebohms, die er in der 1865 bei Breitkopf und Härtel erschienenen Abhandlung: »Ein Skizzenbuch von Beethoven, beschrieben und in Auszügen dargestellt«, niedergelegt hat. Vieles von dem, was er als Einleitung vorausgeschickt hat, gilt nicht allein von dem von ihm speziell beschriebenen Buche, sondern läßt sich auf viele andere, die wir genau untersucht haben, in gleicher Weise anwenden. Was wir daher im folgenden aus Nottebohms Schrift auszüglich mitteilen, ist der Leser berechtigt auf den größeren Teil der Beethovenschen Skizzenbücher zu beziehen11.

»Vor uns«, sagt er, »liegt ein Heft in Querfolio (teatro) von 192 Seiten und mit 16 Notenzeilen (Liniensystemen) auf jeder Seite. Es enthält, einige leere Stellen und dgl. ausgenommen, durchgängig Skizzen oder Entwürfe von Beethovens Hand zu Compositionen verschiedener Art. Das Heft besteht nicht, wie manche andere, aus zusammengefädelten Bogen, sondern ist echt buchbindermäßig gebunden, ist beschnitten und hat einen festen pappenen Umschlag. So war es gebunden, bevor es gebraucht und beschrieben wurde.« Mit Ausnahme der Seitenzahl paßt diese Beschreibung auf die meisten der Skizzenbücher. – »Die Skizzen sind [157] meistentheils einstimmig, d.h. auf ein Liniensystem, selten auf zwei und mehr geschrieben.« In einigen der späteren Bücher ist freilich die Zahl der zwei- und mehrstimmigen Skizzen eine bei weitem größere als in jenem. »Es läßt sich im voraus annehmen, daß sie ziemlich in der Folge und so niedergeschrieben wurden, wie die Blätter des Skizzenbuchs aufeinander folgen. Wenn ein flüchtiger Blick über das Ganze solcher Voraussetzung nicht zu widersprechen scheint, so erleidet deren Richtigkeit bei genauerem Zusehen doch einige Beschränkung. Es läßt sich nämlich bemerken, daß Beethoven mit einem neuen Stück auch meist eine neue Seite anzufangen pflegte; und ferner, daß er sehr häufig an verschiedenen Sätzen abwechselnd oder zugleich arbeitete. Dies hatte zur Folge, daß verschiedene Skizzengruppen häufig so dicht aneinander rückten, daß er genötigt war, um Platz zu gewinnen, frühere oder spätere leer gebliebene Stellen zu benutzen und auszufüllen, so daß schließlich die Skizzen zu den verschiedensten Stücken durcheinander geraten und nebeneinander herlaufen mußten.« Um den Schlüssel in dem Labyrinthe der Skizzen zu bewahren, bediente sich Beethoven nicht selten des Wortes vide in der Weise, daß die Silbe vi- auf der einen, die zweite Silbe -de auf einer der nächsten Seiten steht und so die Zusammengehörigkeit der Skizzen andeutet. Andere Zeichen in den Büchern sind NB, Nr. 100, Nr. 500, Nr. 1000 usw., und in denen der späteren Zeit häufig das Wort meilleur. Schindler sah in diesen Zeichen nichts als eine grillenhafte Art, den vergleichsweisen Wert verschiedener musikalischen Gedanken, oder verschiedener Gestaltungen eines und desselben Gedankens zu schätzen.

Nottebohm fährt fort (S. 5): »Trotz solchen Durcheinanderarbeitens zeigt sich, daß Beethoven in der Regel von Anfang an über ein zu erreichendes Ziel klar war, daß er dem ersten Concept treu blieb und die einmal erfaßte Form bis aus Ende durchführte. Es kommt auch das Gegenteil vor, und das Skizzenbuch kann (gleich anderen) einige solche Fälle aufweisen, wo nämlich Beethoven im Verlaufe einer Arbeit von der ursprünglich erfaßten Kunstform auf eine andere geführt wurde, so daß am Ende etwas anderes zu Tage kam, als anfangs vorgenommen war.« Und weiter (S. 6): »Im Allgemeinen läßt sich bemerken, daß Beethoven bei allen Arbeiten, welche in Skizzenbüchern unternommen wurden, auf die verschiedenste Art und Weise zu Werke ging, auch wohl auf entgegengesetzten Wegen zum Ziele gelangte.« – Zuweilen »waltet die thematische Gestaltung vor; die erste Skizze bricht gleich mit dem [158] Hauptthema ab und beschränkt sich die folgende Arbeit darauf, den einmal hingeworfenen thematischen Kern so zu verändern und umzubilden, bis er zur Durchführung geeignet erscheint; dann wird ein Gleiches mit den Mittelpartieen vorgenommen; überall sehen wir Ansätze, nirgends ein Ganzes; ein Ganzes tritt uns erst außerhalb des Skizzenbuches entgegen, in den gedruckt vorliegenden Compositionen, wo dann die Theile, die im Skizzenbuche zerstreut auseinander liegen, zusammengestellt erscheinen«. In anderen Fällen »ist die thematische und musivische Arbeit ausgeschlossen; jede Skizze ist auf ein Ganzes gerichtet und gibt ein abgeschlossenes Bild; gleich die erste gibt den vollständigen Umriß zu einem Satzteil; die nächstfolgenden erscheinen als vollständige Umarbeitungen der ersten, als andere Lesarten, wobei es theils auf eine Veränderung des summarischen Charakters, theils auf eine Umgestaltung im Großen, auf eine Ausbildung der Mittelpartien u. dgl. abgesehen ist. – Es ist natürlich, daß die Mehrzahl der Skizzen keiner von beiden Richtungen ausschließlich angehört, sondern sich zwischen beiden bewegt, sich bald der einen, bald der anderen nähert.«

Es ist leicht einzusehen, daß, wenn der allgemeine Plan eines Werkes klar und bestimmt vor der Seele steht, es durchaus gleichgültig ist, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Teile ausgearbeitet werden. Beethoven nahm also einfach die Methode mancher dramatischen und anderer Schriftsteller an, welche ihre Szenen und Kapitel nicht in fortlaufendem Zusammenhange entwerfen, sondern wie es ihnen Stimmung, Phantasie und Gelegenheit eingibt. Ebenso leicht erklärt es sich, daß der Komponist mehrere Werke zu gleicher Zeit unter Händen haben konnte, nicht nur ohne Nachteil für eins derselben, sondern zum Vorteil aller; denn wie der Geist des Schaffens ihn trieb, konnte er sich dem einen oder andern zuwenden, gleich dem Verfasser eines gelehrten Werkes, welcher sein Gemüt dadurch erleichtert und erquickt, daß er seinen Arbeiten Mannigfaltigkeit gibt, und welcher seine große Aufgabe desto befriedigender löst, wenn er von Zeit zu Zeit seine Aufmerksamkeit anderen und leichteren Gegenständen zuwendet und sich dadurch wieder von neuem erfrischt. Als Beethoven an Wegeler schrieb: »So wie ich jetzt schreibe, mache ich oft drei, vier Sachen zugleich«, konnte er damit nur die vorbereitenden Studien in den Skizzenbüchern meinen.

Zuweilen freilich wurden Werke unvollendet beiseite gelegt, nachdem er schon angefangen hatte, sie vollständig auszuschreiben, und erst dann vollendet, wenn die Gelegenheit es forderte; in der Regel aber folgte er [159] einem hiervon durchaus verschiedenen Verfahren. Nachdem sämtliche Teile eines Werkes auf die oben angegebene Weise vorbereitet waren, bis die Form, der Charakter und der Ausdruck aller Hauptteile und Unterabteilungen entschieden und die Resultate in dem Skizzenbuch durch einige der ersten Noten, auf welche dann etc. oder u.s.w. folgte, eingetragen waren, war die Arbeit des Komponierens sozusagen beendigt, und es blieb nur noch die Aufgabe, die Komposition, wie sie nunmehr vollständig und deutlich vor seinem Geiste stand, in ihrem ganzen Umfange niederzuschreiben und etwaige kleinere Änderungen und Verbesserungen, wie sie ihm bei der Revision in den Sinn kamen, in derselben anzubringen. Die Manuskripte zeigen, daß diese zuweilen sehr zahlreich waren, wenn sie sich auch selten bis auf eine Änderung in der Form, eine Umgestaltung in der Hauptwirkung ausdehnten, ausgenommen um dieselbe zu erhöhen, oder sie unerwarteter und überraschender zu machen. Wenn er infolge sorgfältigerer Prüfung mit einem Satze im ganzen unzufrieden war, so scheint er selten versucht zu haben, durch bloßes Korrigieren denselben zu verbessern; er zog es vielmehr vor, denselben einfach beiseite zu legen und einen neuen zu komponieren, der entweder auf dieselben Themen oder auch auf völlig neue Motive basiert war. Die verschiedenen Ouvertüren zur Leonore können dies veranschaulichen.

War ein Werk vollständig skizziert, so hatte der Komponist keineswegs Eile, dasselbe auszuschreiben. Denn wenn auch jene Vorarbeiten für keinen andern verständlich waren, der nicht das vollendete Werk kannte, so waren sie doch für Beethoven völlig hinreichend, selbst wenn Jahre darüber hingingen. Das Gesagte wird durch Vergleichung der Daten der Manuskripte mit den Skizzenbüchern erwiesen und findet in glaubwürdigen Zeugnissen seine Bestätigung.

Es ist eins der charakteristischen Kennzeichen des Genies, daß es gleichsam instinktmäßig die Teile eines Werkes dem Ganzen unterordnet und ihnen meistens ohne Reflexion die ihnen angemessenen Formen und Verhältnisse gibt. Mit einem Blick faßt er das Ganze auf, sieht das Ende vom Anfang aus und schreitet mit sicherem Schritte dem vorgesetzten Ziele zu. So führt der Gelehrte oder Künstler nach Beendigung der vorbereitenden Studien seine Werke mit einer beinahe unglaublichen Geschwindigkeit aus, und es erscheint in ihnen jene Einheit der Wirkung und jenes beständige und regelmäßige Aufsteigen zu den großen Höhepunkten, Eigenschaften, welche zu den edelsten Kennzeichen großartiger Schöpferkraft in Künsten und Wissenschaften gehören. Die Skizzenbücher [160] zeigen, eine wie lang ausgedehnte und an dauernde Mühe selbst der Genius Beethovens zu überwinden hatte, ehe er sich ungehindert und frei bewegen konnte; wären die Studien Händels, Bachs, Haydns und Mozarts aufbewahrt, so würde vielleicht auch bei ihnen die Schnelligkeit, mit welcher jene Meister schließlich ihre großen Werke hervorzubringen imstande waren, weniger erstaunlich erscheinen. Aber selbst diese – von Händel und Haydn ist es gewiß – machten häufig Verbesserungen und Veränderungen; von einigen Symphonien Haydns kann man geradezu sagen, daß sie völlig umgewandelt und umgeschrieben worden sind. Die Änderungen und Verbesserungen, welche Beethoven machte, bezogen sich im allgemeinen lediglich auf die Art des Ausdrucks, weil er denselben seinen Gedanken nicht entsprechend fand; ähnlich wie ein Schriftsteller einen Satz korrigiert oder einen Paragraphen umschreibt, weil er findet, daß es der Darstellung an Kraft, Deutlichkeit und Anmut fehlt, während er die ursprüngliche Folge der Gedanken unverändert läßt.

Nottebohm vergleicht (a. a. O. S. 7) die Entstehung des Kunstwerkes mit dem Wachstum der Pflanze12, muß aber zugestehen, daß, wenn bei [161] letzterem die genetische Erklärung möglich ist, das fertige Tonstück, welches Gesetzen des Geistes folgt, uns seine Genesis verschweigt. Ist es auch organisch entstanden, so mögen uns die Skizzenbücher manches über Entstehung, Gestaltung usw. enthüllen; von dem, was organisch heißt, erfahren wir aus denselben nur wenig. Das Fehlende müssen wir in Beethoven, dem Künstler selbst suchen, »in der Einheit seines ganzen Wesens und Geistes; in der Harmonie seiner Seelenkräfte. Der ganze Mensch mit seiner geistigen und seelischen Tätigkeit muß hinzugezogen werden, um die Einheit zwischen Erscheinung und Idee herzustellen«.

Mit welcher außerordentlichen Sorgfalt Beethoven seine Melodien ausarbeitete, beweisen die größtenteils erhaltenen Skizzen der von ihm nach der Bonner Zeit komponierten Gesänge. So ist z.B. die Melodie zu Matthissons Opferlied in dem von Nottebohm analysierten Skizzenbuche nicht weniger als sechsmal vollständig ausgeschrieben, während das Thema in seinem Wesen unverändert blieb. Absolute Korrektheit des Akzents, des sprachlichen Ausdrucks und der Prosodie war ihm dabei ein leitender Gesichtspunkt, und sowohl verschiedene Papiere wie seine Konversationsbücher beweisen seine Vertrautheit mit metrischen Zeichen und seine ängstliche Beobachtung metrischer Gesetze. Ein Bogen Papier in der Sammlung von Artaria enthält fünf abgeschriebene Lieder: Die laute Klage, Morgengesang der Nachtigall, Die Perle, Unmacht des Gesanges und Macht des Gesanges. Von den beiden ersten sind je zwei oder drei Verse auf folgende Weise metrisch bezeichnet:


4. Kapitel. Beethovens Charakter und Persönlichkeit

Seit der abscheulichen Verstümmelung und Zerstreuung der Beethovenschen Manuskripte zur Zeit ihres Verkaufes ist schwerlich jemand in der Lage gewesen, auch nur die Hälfte der Skizzenbücher durchzugehen und zu untersuchen. Während unserer Untersuchungen ist jedoch eine hinreichende Anzahl derselben vor unsere Augen gekommen, um folgende Punkte mit ziemlicher Sicherheit als feststehend betrachten zu können.

[162] 1. Jedes Skizzenbuch wurde in ziemlich regelmäßigem Fortgange von Anfang bis zu Ende ausgefüllt, ehe ein neues angefangen wurde.

2. Läge die Sammlung derselben vollständig vor, so würde sie die Mittel darbieten, mit einem hohen Grade von Sicherheit die Chronologie der meisten in Wien komponierten Instrumentalkompositionen Beethovens ihrer ersten Konzeption und den vorbereitenden Studien nach zu bestimmen, mit Ausnahme natürlich derjenigen, welche er in einer oder der anderen Form von Bonn mitgebracht hatte.

3. Die wichtigsten Vokalkompositionen wurden getrennt für sich entworfen (doch nicht ausnahmslos, wie wir sehen werden).

4. Nur aus den Skizzenbüchern kann eine angemessene Vorstellung von der großen Fruchtbarkeit von Beethovens Genie gewonnen werden. Sie bieten das Zeugnis eines nie unterbrochenen Flusses von neuen Gedanken und Ideen, dessen Quelle erst der Tod für immer versiegen machte. Da finden sich Themen und Motive, die nie benutzt worden sind, für alle Arten von Instrumentalkompositionen, von den Kleinigkeiten, die er Bagatellen nannte, bis zu Symphonien, die offenbar von den uns bekannten ebenso verschieden sein sollten, wie es diese untereinander sind. Die Zahl solcher Motive ist eine sehr beträchtliche, sodaß die in den gedruckten Kompositionen enthaltenen wahrscheinlich bei weitem der kleinere Teil des Ganzen sind. Wer den Willen und die Gelegenheit hat, einige Stunden auf eine Prüfung von nur wenigen dieser Denkmäler von Beethovens Erfindungstalent zu verwenden, der wird leicht die Bemerkung verstehen, welche er gegen das Ende seines Lebens machte: »Es scheint mir, daß ich erst angefangen habe zu komponieren!«

Die Kenntnis und Erforschung von Beethovens Skizzenbüchern hat hauptsächlich durch Nottebohm selbst seit Erscheinen der ersten Auflage dieses Bandes einen sehr bedeutenden weiteren Aufschwung genommen. Derselbe hat in ähnlicher Weise, wie das oben besprochene Keßlersche Skizzenbuch, im Jahre 1880 wieder ein Skizzenbuch aus dem Jahre 1803 beschrieben und in den beiden Bänden »Beethoveniana« (1872, 1887) zahlreiche Proben aus anderen Skizzen gegeben. Erst durch Nottebohm haben wir gelernt, welche hohe Bedeutung diese Bücher und Hefte sowohl für die chronologische Bestimmung der Werke, als auch für die Erkenntnis ihres allmählichen Werdens und ihrer Beziehung zueinander besitzen; durch Nottebohms Hinscheiden ist einstweilen die Hoffnung geschwunden, eine zusammenfassende Beschreibung und Durchforschung der vielen, überallhin zerstreuten Skizzenbücher zu erhalten. Hermann Deiters hatte auch seinerseits eine [163] größere Anzahl von Skizzen, wie sie das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und das Beethovenhaus in Bonn besitzen, durchgesehen und was daraus für einzelne Kompositionen sich ergab, an geeigneter Stelle verwertet; umfangreichere Studien darüber aufzustellen, hat es ihm an Zeit und Gelegenheit gefehlt. Es bleibt ein Desideratum für die Beethovenforschung, daß diese Studien im Sinne und nach dem Beispiele Nottebohms fortgesetzt und beendigt werden13.

Bei Besprechung der Skizzen zur Eroica in der Schrift von 1880 bringt Nottebohm wieder höchst feinsinnige und grundlegende Gedanken über Beethovens Schaffen, von denen einiges auch hier stehen möge. Nachdem er noch erwähnt, wie Beethoven in den Skizzen immer ein Folgendes auf ein Vorhergehendes bezog, fährt er fort (S. 54): »Beethoven hat reflectirt, und die Kraft, welche ins Spiel gezogen wurde, war reflektirender Verstand. Die Reflexion aber ist kalt; sie ist nicht schöpferisch und nicht fähig, Schönheit hervorzubringen. Sie ist in der Kunst nicht das Erste und kann es nicht sein. Das Erste war bei Beethoven die Phantasie, und das Letzte war wieder die Phantasie, aber die durch die Reflexion hindurchgegangene Phantasie. – Beide Kräfte arbeiteten getrennt und wechselsweise. Das Bewußtlose vereinigte sich mit dem Besonnenen. Der Verstand prüfte, sichtete, deutete Mängel an, und die schöpferische Kraft gab alles, was jener verlangte, und behauptete dadurch die Freiheit ihrer Operationen und damit ihre Herrschaft. Sie war gefeit gegen jeden hemmenden Einfluß, der ihrem Wesen drohen konnte. Anders als bei anderen Sterblichen, bei denen die Phantasie während der Arbeit erschlafft, war es bei Beethoven, bei dem die Phantasie ungeschwächt fortarbeitete und sich oft erst im letzten Augenblick zu ihrem höchsten Fluge erhob. Diese Geschmeidigkeit der Phantasie und der Rigorismus, die Kälte, Besonnenheit und ausdauernde Geduld beim Arbeiten bilden einen Theil der Eigenschaften, auf denen die Größe Beethovens beruht und ohne welche Beethoven nicht Beethoven geworden wäre.« Einen Teil, sagt er; es gebe noch andere Eigenschaften, die an Beethovens Größe partizipieren, welche unter dem Namen Genie zusammengefaßt wurden. Es sei aber zu unterscheiden zwischen angeborenen Fähigkeiten und errungenen Eigenschaften, »welche nicht mehr dem Individuum und dem Naturell, sondern der Person und dem Charakter zuzuschreiben [164] sind. Und diese letzteren Eigenschaften sind es, deren Thätigkeit auf eine der Betrachtung offen stehende Weise in den Skizzen niedergelegt ist. Im Skizzenbuch fällt der Accent auf die zwischen der ursprünglichen Totalidee und der vollendeten Schöpfung liegende Arbeit«.

Die Wichtigkeit der Skizzenbücher für die Ermittlung der Entstehungszeit vieler Werke und für die Erkenntnis der Art, wie Beethoven arbeitete, ist auch von Otto Jahn (Ges. Auff. S. 332) hervorgehoben worden. Von ausschlaggebender Bedeutung ist, was Beethoven selbst zu L. Schlösser über seine Art zu arbeiten sagt (s. Bd. IV, S. 420 f.); er eröffnet da einen Einblick in die Phantasietätigkeit des Komponisten, wie er kaum ein zweites Mal aufweisbar sein dürfte.

Von neueren Arbeiten über Beethovens Skizzenbücher seien ergänzend angeführt die leider nicht erschöpfende Beschreibung des von Nottebohm nur gestreiften 1875 aus dem Besitze von J. N. Kafka in den des British Museum übergegangenen Sammelbandes von Skizzenheften aus weit auseinander liegenden Epochen bis zurück in die Bonner Zeit, welche J. S. Shedlock in den Musical Times 1892 Juli bis Dezember veröffentlicht hat. Hoffentlich setzt derselbe die Ausschachtung dieses sehr wichtigen Manuskripts noch einmal weiter fort. Ein Skizzenbuch aus dem Jahre 1825, das die letzten Quartette angeht, besitzt Cecilio de Roda in Madrid (beschrieben als »Un quaderno di autografi di Beethoven del 1825« in der Rivista musicale Italiana XI–XIV, auch separat 1907).

Noch ein Gegenstand verlangt eine kurze Betrachtung, ehe wir dieses Kapitel beschließen.

In dem »lustigen Zusammensein der Landleute« in Beethovens Pastoralsymphonie, an der Stelle, wo die Lustigkeit am ungestümsten, wildesten wird und die Aufregung zu ihrer höchsten Höhe steigt, gibt ein geheimnisvoller Ton, wie von fernem Donner, die erste leise Warnung vor dem kommenden Sturme. So auch im Leben unseres Komponisten. In dem Augenblicke seines höchsten Erfolges und Glückes, welches wir uns bemühten dem Gemüte des Lesers lebhaft vor Augen zu führen, gerade als er zuerst mit wohlbegründeter Hoffnung auf die edelste Genugtuung, die dem edlen Ehrgeize eines Musikers geboten wird, vorwärts blicken konnte, da drängte sich ein neues und mißtönendes Element in die Harmonie seines Lebens: die Symptome der herannahenden Taubheit. Seine eigene Erzählung setzt ihr erstes Auftreten in das Jahr 1799; doch waren sie so schwach und unterbrochen, daß sie ihm zunächst noch keine ernstliche Besorgnis einflößten. Im folgenden Jahre aber [165] hatten sie schon in solchem Grade die Gestalt eines chronischen und stetig wachsenden Übels angenommen, daß sie ihn nötigten, jene großen Reisepläne, zu welchen er sich mit Fleiß und Ausdauer vorbereitet hatte, um in der doppelten Eigenschaft als Virtuose und Komponist aufzutreten, fallen zu lassen. Statt also im Jahre 1801 »schon lange die halbe Welt durchreiset« zu haben, hatte er sich zwei Jahre lang auf Wien und dessen nächste Nachbarschaft beschränkt und bei Ärzten und Wundärzten umsonst Hilfe gesucht.

Man kann sich gewiß leicht ein noch größeres Mißgeschick vorstellen als jenes, welches Beethoven damals bedrohte. Der Verlust des Gesichts für einen Raphael oder Rubens auf der Höhe ihres Ruhmes und ihres Schaffens; eine Krankheit der geistigen Kräfte bei einem Shakespeare oder Goethe, einem Baco oder Kant würde jede Hoffnung vernichtet, jede Quelle des Trostes für die Mitlebenden vertilgt haben; und in solchen Fällen müßte man das frühzeitig vollendete Geschick eines Buckle und anderer gewiß dem vergeblichen Schmerze über vereitelte Hoffnungen und Versprechungen eines früheren Alters vorziehen. Ein so hartes Los traf Beethoven allerdings nicht; und als seine schlimmsten Befürchtungen sich als prophetisch erwiesen und seine Krankheit ihm wenigstens jede Aussicht auf eine Laufbahn als Virtuose oder Kapellmeister verschließen mußte, da blieb ihm das Feld der Komposition noch geöffnet. Das wußte er, und dieser Gedanke bewahrte ihn vor völliger Verzweiflung. Wer kann sagen, ob die Welt nicht vielleicht gewonnen hat durch ein Mißgeschick. welches die verborgensten Tiefen seines Wesens aufgeregt und ihn zur Konzentration aller seiner Kräfte nach einer Richtung hin gezwungen hat?

Doch trotz solcher gegenwärtig vielleicht gestatteten Betrachtungen werden wir es begreiflich finden, daß das Wachsen des Übels und das Schwinden der Aussicht auf Besserung den Meister zeitweise in die tiefste Melancholie versetzte14. Dabei wußte er das Übel längere Zeit mit gutem Erfolge zu verheimlichen, und bis zum Jahre 1802 findet sich keine Erwähnung desselben, ausgenommen in einigen seiner Briefe an ganz nahe und vertraute Freunde. Dieselben bilden einen ergreifenden Gegensatz zu seinen Briefen an andere Korrespondenten; man würde weder den Verstand noch das [166] Herz dessen beneiden, der sie ohne Bewegung lesen könnte. Die beiden wichtigsten sind an Wegeler gerichtet und enthalten vollständige Details über seinen Zustand; sie sind doppelt wertvoll, weil sie nicht allein Briefe an einen Freund sind, sondern zugleich ein Bericht über die Symptome und die medizinische Behandlung seines Übels an einen in angesehener Stellung befindlichen Arzt, der die Konstitution des Kranken von Grund aus kannte. Sie sind daher ebenso bezeichnend für das, was sie enthalten, wie für das, was sie verschweigen; und man wird keine Annahme über die Entstehung des Übels aufstellen dürfen, welche mit denselben im Widerspruche wäre. Wir wollen dieselben für ihre angemessene Stelle in der chronologischen Folge aufbewahren; doch mögen hier einige Erzählungen ihren Platz finden, welche mit jenen nicht vereinbar sind. Das sogenannte Fischhoffsche Manuskript15 sagt: »Im Jahre 1796 kam Beethoven an einem sehr heißen Sommertage ganz erhitzt nach Hause, riß Thüren und Fenster auf, zog sich bis auf die Beinkleider aus und kühlte sich am offenen Fenster in der Zugluft ab. Die Folge war eine gefährliche Krankheit, deren Stoß sich bei seiner Genesung an die Gehörswerkzeuge setzte, von welcher Zeit an seine Taubheit successiv zunahm.« In dieser Angabe lassen sich weder das Datum noch die angegebene Ursache mit den Briefen an Wegeler vereinigen. Dr. Weißenbach gibt in seiner »Reise zum Kongreß« (1814) folgende kürzere, mit jener wie es scheint übereinstimmende Erzählung. »Er (Beethoven) hat einmal einen furchtbaren Typhus bestanden. Von dieser Zeit an datirt sich der Verfall seines Nervensystems und wahrscheinlich auch der ihm so peinliche Verfall des Gehörs.« Daß er 1797 eine solche Krankheit überstanden, ist keineswegs ausgeschlossen (s. oben S. 22), wenn man nicht gar auf die Bonner Zeit zurückgehen will; spricht er doch selbst von seinem traurigen Gesundheitszustande zur Zeit des Todes seiner Mutter.

Daß sich keine bestimmte Nachricht über eine solche Krankheit findet, beweist nichts; denn auch darüber, daß er einmal einen Anfall der Pocken überstanden hat, gibt es kein weiteres Zeugnis, als jenes, welches das Übel auf seinem Antlitze zurückgelassen hatte.

Die auffallendste und unerklärlichste Erzählung vom Ursprunge seiner Taubheit ist jedoch die, welche der englische Pianist Charles Neate im Jahre 1815 aus Beethovens eigenem Munde hörte. Neate drängte einst Beethoven, England zu besuchen, und machte als besonderen Grund das [167] große Geschick gewisser englischer Ärzte, Ohrenkrankheiten zu behandeln, geltend, indem er ihn versicherte, daß er ihm Hoffnung auf Besserung machen könne. Beethoven antwortete im wesentlichen folgendes: »Nein. Ich habe bereits alle Arten von ärztlichen Ratschlägen erhalten. Ich werde niemals geheilt werden. Ich will Ihnen erzählen, wie die Sache entstanden ist. Ich war einst damit beschäftigt, eine Oper zu schreiben.«

Neate. »Fidelio?«

Beethoven. »Nein. Fidelio war es nicht. – Ich hatte mit einem sehr launenhaften und unbequemen ersten Tenor zu thun. – Ich hatte schon zwei große Arien über denselben Text geschrieben, mit welchen er nicht zufrieden war, und hierauf noch eine dritte, welche er bei dem ersten Versuche zu billigen schien und mit sich nahm. Ich dankte dem Himmel, daß ich endlich mit ihm fertig war, und setzte mich unmittelbar darauf zu einem Werke nieder, welches ich um dieser Arien willen bei Seite gelegt hatte und dessen Beendigung mir am Herzen lag. Ich war noch nicht eine halbe Stunde bei der Arbeit, als ich ein Klopfen an meiner Thür hörte, welches ich sofort als das meines ersten Tenors wieder erkannte. Ich sprang vom Tische mit einer solchen Aufregung und Wuth auf, daß, als der Mann ins Zimmer trat, ich mich auf den Boden warf, wie sie es auf der Bühne machen (hier breitete Beethoven seine Arme aus und machte eine erläuternde Bewegung) und auf meine Hände fiel. Als ich wieder aufstand, fand ich mich taub und bin es seitdem geblieben. Die Ärzte sagen, der Nerv sei verletzt.«

Daß Beethoven wirklich diese sonderbare Geschichte erzählte, kann nicht bezweifelt werden; das Wort des ehrwürdigen Charles Neate ist in diesem Punkte hinreichend. Was man von derselben denken soll, ist eine ganz andere Sache. Hier wenigstens mag sie ohne weiteren Kommentar stehen.

Fußnoten

1 Vgl. Bd. I2 217 ff. In Czernys Aufzeichnungen für Otto Jahn heißt es: »Seit seinen Jünglingsjahren in den vornehmsten Kreisen aufgenommen und geehrt, fühlte Beethoven in ihrer Mitte sich stets heimisch und völlig ungezwungen, während er besonders in seinen früheren Jahren gegen jeden anderen seine Überlegenheit fühlen ließ.«


2 Der Herausgeber läßt hier den Text der 1. Auflage (1872) unverändert, um nicht den Fluß der Darstellung zu unterbrechen. Es sei aber wenigstens darauf hingedeutet, daß heute an dieser Stelle vor den Söhnen Bachs und vor Haydn und Mozart Johann Stamitz (geb. 1717, gest. 1757) genannt werden muß als der Schöpfer des neuen Stils der Instrumentalmusik und der Form der modernen Symphonie. Des näheren verweist er auf die drei Bände Mannheimer Symphonien in den Denkmälern deutscher Tonkunst, zweite Folge: Denkmäler der Tonkunst in Bayern Ihrg, III1 (1902), VII2 und VIII2 sowie auch die Spezialstudie »Beethoven und die Mannheimer« (»Musik« Ihrg. VII 13–14, 1908). Leider fällt auch die Neubearbeitung des 1. Bandes vorliegenden Werks durch Hermann Deiters (erschienen 1901), noch in die Zeit vor Wiederaufdeckung der Bedeutung der Mannheimer Schule, und ist es daher unerörtert geblieben, in welch eminentem Maße deren Werke überall, auch in Bonn, zu der Zeit dominierten, wo Beethoven aufwuchs. H. R.


3 Ignaz Moscheles, am 30. Mai 1794 geboren, war damals 10 Jahre alt.


4 Nach Doležaleks Mitteilung (an O. Jahn) »kneipte er gern, war aber mäßig im Trinken. Er trank rothen Wein im Kameel« (eine noch vorhandene, wohlbekannte Weinstube in Wien).


5 So berichtet Ries, mit dem Zusatze, daß Beethoven niemals lernen konnte, im Takte zu tanzen. Die Tage von Beethovens Tanzen waren überhaupt bald vorüber.


6 In seiner früheren Jugend, ehe er nach Wien kam, war er in diesem Punkte strenger. Vgl. die Erzählung Bd. I2 S. 247. – »Wenn das Gespräch auf Zoten und dergleichen kam, betheiligte sich Beethoven nicht«, nach Doležaleks Mitteilung. [Wen die Neugierde treibt, der mag bei Nohl, Bd. III S. 827 Anm. 30 einiges Weitere darüber nachlesen. Wenn dieser Schriftsteller aber schließlich sagt: »Allein sich diesen echten Mann und Menschen als mittelalterlichen Asketen vorstellen und so recht eigentlich unter das natürlich Menschliche stellen, davor wolle man sich hüten«, so würde gewiß Beethoven selbst gegen eine solche Auffassung Verwahrung eingelegt haben. H. D.]


7 Jahn, Gesamm. Aufs. über Musik, S. 230 fg.


8 Wer Rochlitz' Brief liest (Für Freunde der Tonkunst IV, 319 fg.), wird vermuten, daß Beethoven hier ausschließlich von der Zeit unmittelbar vor und nach dem »Carlsbader Sommer« von 1812 spricht, weil Rochlitz ihn gerade vorher hat sagen lassen, daß seine Egmontmusik unter dem Eindrucke des Enthusiasmus komponiert sei, der aus seinem Verkehr mit Goethe zu Karlsbad und Teplitz entsprungen sei. Aber sowohl diese Musik als alle Goethe-Lieder waren dem Publikum schon zwei Jahre oder mehr vor dieser Zeit bekannt. Trotz dieses Widerspruchs zwischen Beethovens Erzählung und den bekannten Tatsachen ist es jedoch nicht nötig, Rochlitz einer Fälschung zu beschuldigen: denn auch die Besten von uns sind im Feuer der Unterhaltung, wenn sie auf Gedanken, Gefühle und Absichten längst vergangener Perioden kommen, zu ähnlichen Mißverständnissen imstande, und es hindert nichts, hier einen Irrtum Beethovens anzunehmen. Hinsichtlich des Egmont hat sich Beethoven auch in dem einen und allein echten Briefe an Bettina geirrt. Der Rochlitzsche Brief enthält aber auch noch andere Irrtümer und Unwahrscheinlichkeiten und zeigt eine nicht zutreffende Anschauung von Beethovens Natur. Der Hauptinhalt desselben ist gewiß in das Gebiet der Dichtung zu verweisen. – Hier sei gleich beigefügt, daß Beethoven auch die Gedichte Lessings mit Rücksicht auf eventuelle Komposition las. Auf einem Blatte in der Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien steht von seiner Hand: »aus Lessing einiges das Gespenst u. ein duett«. Hat er dies nachträglich aus dem Gedächtnis niedergeschrieben? Das Gedicht »Die Gespenster« (Lachmanns Ausgabe I. S. 49) ist ein Zwiegespräch; Beethoven dürfte es gemeint haben. Die Komposition eines Klopstockschen Liedes skizzierte er 1803 (Nottebohm, Ein Skizzenb. B.s a. d. J. 1803 S. 86).


9 Heute ist diese Zahl bei weitem nicht hoch genug gegriffen, da z.B. Kalischers durchaus noch nicht vollständige Ausgabe über 1200 Nummern zählt. Emerich Kastner ordnet alphabetisch nach den Anfängen in Frimmels 2. Beethoven-Jahrbuch (1909) 1380 »Briefe und Schriftstücke«.


10 Libussa 1847 S. 436.


11 Das Skizzenbuch wurde bei der Versteigerung des Beethovenschen Nachlasses von dem Klaviermacher C. Stein gekauft und ging dann in den Besitz des Komponisten und Klavierspielers J. C. Keßler über, wird daher kurzweg als das »Keßlersche« Skizzenbuch zitiert.


12 Nottebohm war selbst, wenn auch in bescheidenem Maße, Komponist und stand mit Brahms in so langjährigem intimen Verkehr, daß seinem Versuche, das Rätsel des Werdens und Wachsens eines Werkes begrifflich zu formulieren, wohl ernstliche Beachtung zu schenken ist. Ohne Zweifel hat er es an sich selbst erfahren oder aus Brahms' Munde bestätigt erhalten, daß die tonkünstlerische Phantasie Gebilde hervorbringt, welche alle Merkmale des klingend zur Ausführung gebrachten Werkes aufweisen, daß ganz ebenso wie der bildende Künstler sein künftiges Werk in vollkommenster Weise schaut, sieht, so der Tonkünstler das seine innerlich hört und zwar nicht nur in seinen Umrissen sondern mit all seiner Farbenpracht. Selbst das volle Fortissimo großer Instrumental- und Vokalkörper erreicht dabei in der Vorstellung dieselben erschütternden Wirkungen wie beim wirklichen Erklingen. Speziell für Beethoven ist es bestimmend belegt, daß die innerlich arbeitende Phantasie oft genug auffällige äußere Reflexe erzeugte, daß er heftig gestikulierte, ja stöhnte und schrie und dadurch unliebsame Aufmerksamkeit derjenigen erregte, welche ihn nicht schon näher kannten. Das ist durchaus nichts vereinzeltes, sondern mehr oder weniger bei jedem Komponisten zu beobachten. Es ist aber dazu weiter ergänzend zu bemerken, daß eine noch nicht niedergeschriebene Komposition in der Phantasie mit ihren Hauptideen immer wieder auftaucht und dabei sehr verschiedene Entwickelungen durchmachen kann, so lange sich der Komponist noch mit dem Werke »trägt«. Das wunderbarste ist aber, daß der Komponist selbst zugleich produzierend und hörend, urteilend ist und doch nur in bescheidenem Maße die Phantasie dirigieren kann. Die in ihm arbeitenden Ideen wachsen wirklich in einer dem organischen Wachsen vergleichbaren Weise spontan, und wenn der Komponist zum Notenhefte greift, um festzuhalten, was ihn dabei selbst besonders ergriffen hat und der Fixierung wert scheint, so ist er sogar genötigt, die Arbeit der Phantasie zu unterbrechen, um das zu bewerkstelligen. Nur wenn man dieses Leben der Werke in der Phantasie vor ihrer endgiltigen Niederschrift fest im Auge behält, wird man einigermaßen begreifen, was es mit Beethovens Skizzen für eine Bewandtnis hat. Man versteht dann auch, warum sogar gleichlautende Skizzen an verschiedenen Stellen wieder vorkommen können. Sie beweisen nur ein erneutes Erscheinen derselben Idee und den Wunsch, dieselbe festzuhalten, wobei es sehr wohl möglich ist, daß der Komponist nicht genau weiß, ob er dieselbe schon einmal notiert hat und wo oder wann.

H. R.


13 Vor allem ist zu wünschen, daß die glücklichen Besitzer einzelner Skizzenbücher deren Inhalt durch ausführliche Beschreibung bekanntgeben.


14 Daß Beethovens Verzweiflung einmal einen Grad erreichte, der ihn an Selbstmord denken ließ, wissen wir nur aus dem sog. Heiligenstädter »Testament« (10. Kapitel), das aber zugleich die dauernde Überwindung dieser Anwandlung von Schwäche feststellt.


15 Bd. I2 XVII.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1910..
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