Zehntes Kapitel

Das Jahr 1815.

Neue Opernprojekte. Beethoven vor der Fürsten des Wiener Kongresses. Neate; Beziehungen zu England. Tod des bruders Karl und Vormundschaft über den Neffen. Die Violoncell-Sonaten Op. 102. Meerestille und glückliche Fahrt.

Wenn Beethoven seine eigene Geschichte im Jahre 1814 hätte schreiben wollen, so hätte er wohl die Kotzebuesche Überschrift: »Das merkwürdigste Jahr meines Lebens« auf sich anwenden und sich in lebhafter und triumphierender Rede ergehen dürfen. Jetzt aber nimmt das Stück eine schlichtere Weise an.

»Dann handelt sich's um eine neue Oper«, sagt ein Brief an den Erzherzog aus dem Anfang des Dezember. Der Sammler vom 13. erklärt [484] uns diese Anspielung durch folgende Mitteilung: »Mit wahrem Vergnügen melden wir dem musikliebenden Publikum, daß Herr van Beethoven sich anheischig gemacht hat, eine Oper zu schreiben. Die Dichtung ist von Herrn Treitschke und führt den Titel: Romulus und Remus.«

Diese Mitteilung gründete sich auf folgendes Billett an Treitschke:


»Ich schreibe Romulus, und werde dieser Täge anfangen, ich werde selbst zu ihnen kommen, erstlich einmal, hernach mehrmals, damit wir über das Ganze sprechen und berathen.


in Eil

mit Achtung

ihr

Freund Beethoven.«


Da war also wieder ein vielversprechendes Opernprojekt. Aber ehe sechs Wochen vergangen waren, brachte die Allg. Mus. – Zeitung aus der Feder von Johann Fuß1 eine musikalische »Uebersicht des Monats December«, worin unter den Mitteilungen über Wiener Neuigkeiten sich eine Notiz befand, daß »Hr. Fuß eine Oper in drei Aufz. betitelt Romulus und Remus für das Theater an der Wien gesetzt habe«! Und so verhielt es sich wirklich; Teile dieser Oper wurden später von einer musikalischen Gesellschaft gesungen, zu deren Mitgliedern Dr. L. Sonnleithner gehörte, und in Preßburg wurde sie 1818 auf die Bühne gebracht. Auf den Wiener Theatern ist sie niemals zur Aufführung gelangt, vielleicht infolge von Maßregeln, von denen uns der folgende Brief Beethovens an Treitschke2 Nachricht gibt.


»Lieber T. ich glaubte die Sache abzukürzen, indem ich Hrn. v. Schreyvogel die Abschrift dieses Briefes schickte – allein nichts.

Sie sehen daß dieser Fuß mich in allen Zeitungen anpacken kann, wenn ich nicht etwas schriftliches gegen ihn aufweisen kann, oder Sie – oder die Theater-Direction es übernimmt sich mit ihm abzufinden. Auf der andern Seite ist die Sache mit meinem Contract für die Oper auch noch nicht zu Ende.

Ich ersuche Sie mir eine Antwort zu geben, besonders was des Fuß Brief betrifft; beim Richterstuhle der Kunst wäre die Sache leicht abgemacht, allein dieses ist hier nicht der Fall, den man, obschon man es gern glauben möchte, ganz berücksichtigen kann.


in Eil Ihr Freund Beethoven.«


[485] Die Sache wurde mit Fuß in der Weise arrangiert, daß der Text in Beethovens Händen blieb; wie und unter welchen Bedingungen dieses Arrangement getroffen wurde, ist jedoch nicht bekannt.

Von den zahlreichen Dichtern, welche ihre Namen gern in Verbindung mit dem Beethovens gebracht hätten, ist hier der Kgl. preußische Regierungsrat Sack zu erwähnen, der am 29. Juni 1815 aus Liegnitz den Text eines Oratoriums »Das Weltgericht« mit einem längeren Briefe sandte (Brief und Text sind aus Schindlers Nachlaß in der Berliner Kgl. Bibliothek erhalten). Beethoven scheint dem Gegenstande nicht nähergetreten zu sein. Noch viel weniger wird er aber Notiz genommen haben von der Offerte eines Dr. Hellmuth Winter, die vielleicht auch in dieses Jahr gehört (datiert vom 9. Juli); derselbe schreibt aus Wien, hat aber Beethoven nicht aufgesucht und verspricht in 14 Tagen aus Prag ihm eine Ankündigung seiner »Sing-Trauerspiel-Schöpfungen« einzusenden, verheißt auch Sing-Lustspiele, welche »dem Tonkünstler den glänzendsten Weg zur Unsterblichkeit bahnen« würden. »Wenn Sie Shakespearesche und Schillersche Tonkunst beseelt, so sind Sie für mich und meine Dichtungen geboren.« Man kann sich denken, in welches homerische Gelächter Beethoven ausgebrochen ist, als er diese hochtrabenden Verheißungen las, zu deren Bewahrheitung ein paar jämmerliche Knittelverse folgten und schließlich die Versicherung »mir ist eine sehr wilde, stürmische Dichterfantasie angeboren«. Doch – es sind schon zuviel der Worte über diese gänzlich bedeutungslose Sache.

Unter den Skizzen zu dem »glorreichen Augenblick« erscheint auch das Thema zu der Polonäse für Klavier Op. 89, deren Geschichte folgende ist. Bertolini gab Beethoven den Rat, da Polonäsen damals sehr beliebt waren, eine solche zu komponieren und sie der Kaiserin von Rußland zu widmen; denn vielleicht konnte er hierdurch auch eine Erkenntlichkeit von dem Kaiser Alexander für die Widmung der Violinsonaten Op. 30 erlangen; eine solche war nämlich nie erfolgt. Wie gewöhnlich wies Beethoven diesen Rat anfänglich mit Geringschätzung zurück; schließlich jedoch gewann er eine bessere Ansicht von dem Vorschlage, setzte sich ans Klavier, improvisierte verschiedene Themen und forderte Bertolini auf, eins derselben auszuwählen, was dieser auch tat. Als die Polonäse fertig war, suchten sie Fürst Wolkonski auf, um durch seine Vermittlung die Erlaubnis zu der beabsichtigten Widmung zu erlangen. Die Erlaubnis wurde erteilt; Beethoven wurde zur festgesetzten Zeit zur Audienz bei der Kaiserin zugelassen und überreichte die Polonäse, für [486] welche er ein Geschenk von 50 Dukaten erhielt. Bei dieser Gelegenheit wurde er gefragt, ob er je irgend etwas vom Zaren erhalten habe; und da dies nicht der Fall war, wurden 100 Dukaten für die Sonaten beigefügt3.

Ein Brief an Zmeskall, der aus dem Besitz Amerlings in Wien in den von Max Donebauer in Prag überging, läßt den Hergang ein wenig anders erscheinen (eigenhändige Kopie Thayers nach dem durch Max Friedländer ihm übermittelten Original):


»Werther Freund!


Wie sie es am Besten finden, ich glaube aber besser an Fürst Narischin als an die Kaiserin zu schreiben, jedoch das Original davon aufzubewahren, daß im Fall die Krankheit Narischkins fortwährt, man sich an einen andern oder an die Kaiserin selbst wendet.

Ihre Durchlaucht haben mir die sehr angenehme Nachricht ertheilen lassen, daß die Kaiserin mein kleines Opfer mit Wohlgefallen aufgenommen habe, in so fern ist mein höchster Wunsch erfüllt – aber wie sehr würde ich mich geehrt finden wenn ich der Welt es bekannt machen könnte, Theil daran nehmen lassen (drücken sie das alles besser aus) durch Vorsetzung ihres Nahmens etc.

Da man die große Sinfonie in A als eine der glücklichsten Produkte meiner schwachen Kräfte (sehr bescheiden auszudrücken) so würde ich mir die Freyheit nebst der der Polonaise auch diese im Klavierauszuge Sr. Majestät vorzulegen. –

Deutlicher Auseinandersetzung daß man wohl was kann aber nichts will bey oder von der russischen Kaiserin –

Sollten Sr. Majestät mich wünschen spielen zu hören, wäre es mir die höchste Ehre, doch muß ich voraus um Nachsicht bitten, da ich mich seit mehrerer Zeit mehr bloß der Autorschaft (von Schaffen) widmete.

Kein Geschenk etc.

Glauben sie daß es besser ist, in Form einer Bitte an die Kaiserin etc.

??? !? !!

oder an Narischkin bittweise vortragen.

Wenn ich nur so glücklich sein könnte für ihre Majestät zu schreiben wozu sich ihr Geschmack oder Liebhaberei am meisten neigt«


(Schluß weggeschnitten.)


Ungefähr um diese Zeit4 entschloß sich Beethoven noch einmal, seinem Freunde Mähler zu sitzen, welcher des Meisters Bild seiner Tonkünstlergalerie beizufügen wünschte. Dies war das Bild, welches nach dem [487] Tode des Künstlers von Prof. Karajan gekauft wurde5. Ein anderes Porträt Beethovens, von Mähler für Gleichenstein gemalt, wird uns von Fräulein Anna von Gleichenstein in folgender Weise beschrieben:


»Das Bild ist in Oel gemalt, Brustbild u. die Höhe des Kopfes vom Kinn bis zur Haarwurzel beträgt 17 Centimeter. Die Höhe des ganzen Bildes beträgt 63 Cent., 48 Centim. die Breite (ohne den Rahmen). – – – Mein seliger Vater, welcher Beethoven ungemein liebte, ließ sich dies Bild selbst in Wien malen. Die Aufschrift auf der Rückseite lautet:


Ludwig van Beethoven

Tondichter

gebohren in Bonn im Xber

1770

gemalt in Wien von Joseph Maehler

1815.«


Vgl. Frimmel, Beethovenstudien I, 59ff. Nach Frimmel ist dieses Bild für Gleichenstein nur eine Kopie des für Mählers Künstlergalerie bestimmten.

Am 25. Januar fand auf der Burg aus Anlaß des Geburtstages der russischen Kaiserin ein großes Fest statt, von welchem ein Konzert im Rittersaal einen Teil bildete. Die letzte Nummer des Programms war der Kanon aus Fidelio: »Mir ist so wunderbar«; und durch einen eigentümlichen Glücksfall erschien Beethoven selbst und spielte hier zum letzten Male öffentlich vor einer Zuhörerschaft von Kaisern und Kaiserinnen, Königen und Königinnen, ihren Ministern und ihrem Gefolge. Wild, welcher aber das Datum des Konzerts einen Monat zu früh ansetzt, berichtet über die näheren Umstände folgendes:


»Bei der Wahl der vorzutragenden Stücke ging man zum ersten Male von dem Herkommen, nur Rococo- Musik im Zopfstyle vorzutragen, ab, und Kaiser Franz in höchst eigener Person war es, dem wir diese Neuerung zu danken hatten. Ich sollte eine Arie aus dem ›befreiten Jerusalem‹ von Abbe Stadler singen, Mayseder ich weiß nicht mehr welche Piecen spielen6. Der Kaiser, welcher bei der Probe erschienen war, erklärte diese Sachen für unpassend, gab aber seine volle Beistimmung, als ich darum ansuchte, Beethoven's ›Adelaide‹ singen zu dürfen; dies that ich dann mit vielem Beifall. Mayseder spielte, dem Wunsche des Kaisers gemäß, Variationen von Rode, für die der Kaiser von Rußland besonders eingenommen war, mit gleichem Erfolg. Es wäre eben so unwahr als abgeschmackt, wollte ich läugnen, daß die Auszeichnungen, welche die versammelten Berühmtheiten mir zu Theil [488] werden ließen, meiner Eitelkeit schmeichelten; aber dieser Vortrag der ›Adelaide‹ hatte für mich eine Folge, welche mein Künstlergemüth unendlich mehr befriedigte; es wurde nämlich die Veranlassung, daß ich mit dem größten musikalischen Genie aller Zeiten, Beethoven, in nähere Berührung kam. Der Meister, erfreut durch die von mir getroffene Wahl seines Liedes, suchte mich auf und erklärte sich bereit, es mir zu begleiten. Durch meinen Vortrag zufrieden gestellt, sprach er mir gegenüber die Absicht aus, das Lied zu instrumentieren. Dazu kam es zwar nicht, doch schrieb er für mich7 die Kantate ›An die Hoffnung‹ (Text von Tiedge) mit Klavierbegleitung, welche ich, von ihm selbst accompagnirt, in einer Matinee vor einer gewählten Gesellschaft sang.«


Wild schließt seine wenigen Mitteilungen über Beethoven durch Anführung einiger Verse »eines gemeinschaftlichen Freundes«, des damaligen Religionsprofessors Weintritt an der Wiener Universität, welche derselbe unter des Meisters Bild schrieb, und die in kurzen Worten viel Charakteristisches enthalten.


»Wie in den Klüften der Erd' aus düstrem Gesteine das Gold lacht,

Strahlet die Geniuskraft Dir aus umschattetem Aug',

Louis! wie ähnlich dem Bilde Dein Werk, aus den Tiefen des Mißklangs

Dringen, gerufen von Dir, Stimmen der Seraph' hervor!«


Ein Abschnitt aus den Friedensblättern vom 9. März mag diese Reihe kürzerer Mitteilungen schließen.


»Um die gewöhnliche Mittagszeit der Concerte hatte Herr Epinger, Administrator des Hauses zum Römischen Kaiser, im Saale desselben, zum Besten eines militärischen Unterstützungsfonds, die Aufführung von Beethovens Oratorium ›Christus am Ölberge‹ veranstaltet und unternommen. Der wohlthätige Zweck erhöhte den Genuß der schon lange nicht mehr gehörten herrlichen Musik des Oratoriums. Sie wurde fast ganz von Dilettanten (bei welchem Worte man sich in Wien sehr häufig Meister zu denken hat) und unter Direktion des Componist selbst in großer Vollkommenheit ausgeführt.« –


Bei weitem das wichtigste Ereignis in Beethovens Lebensgeschichte während dieser Monate war der durch einen Vergleich herbeigeführte endliche Abschluß der Gehaltsangelegenheit mit den Kinskyschen Erben. Am 18. Januar erging folgender


»Bescheid.


In Gemäßheit des hierüber von der fürstl. Kinskyschen Vormundschaft unterm 6ten Januar l. J. eingebrachten Gesuches wird der Obervormundschaftliche Consens ertheilt: daß die fürstliche Vormundschaft dem Lud. v. B. [489] statt demselben von dem verstorbenen H. Ferd. Fürsten Kinsky im Monat März 1809 schrift lich zugesicherten Unterhaltungsbeitrag p. 1800 fl. nominal – einen Beitrag von 1200 Gld. W. W. aus der Ferdinand fürstlich Kinsky'schen Verlassenschaftsmasse vom 3. Nov. 1812 anfangend unter nachstehenden Bedingnissen ausbezahle«: (folgen die Bedingnisse der Urkunde), »wovon hiermit die Verständigung geschieht von dem K. K. Landrecht.

Prag, den 18. Jänner 1815.«


Sobald die gesetzlichen Formalitäten beendet und Beethoven mitgeteilt sein konnten, erließ er folgende eigenhändige


»Vollmacht.


Daß Herr Baron Josef von Pasqualati in Prag die liquide Forderung aus der fürstl. Kinskyschen Masse für mich erheben, und das dazu Nöthige besorgen lassen möge, wird hiermit aufs freundschaftlichste gebeten.


Wien am 1815

(L. S.)

Ludwig van Beethoven m/p


Die Quittung unter dieser Urkunde, in welcher die Worte »Wiener Währung« in dem Sinne von »Einlösungsscheinen« verstanden werden müssen, da die Bankozettel seit 1812 außer Kurs gesetzt waren, läßt uns alle wesentlichen Tatsachen dieses Kompromisses erkennen. Dieselbe lautet so:


»Dem Ludwig van Beethoven sind statt dem von dem verstorbenen Herrn Ferdinand Fürsten Kinsky im Monate Mai, 1809 schriftlich zugesicherten 1800 fl. nominal, und auf 726 fl. in Wiener Währung reducirten Unterhaltungsbeitrag vermöge K. K. landrechtlicher Verständigung ddto Prag den 18ten Jänner 1815 jährlich und am 3ten November 1812 anfangend 1200 fl. in Wiener Währung aus der Ferdinand fürstlich Kinskyschen Verlassenschaftsmasse auszuzahlen bewilligt worden.


Von diesem landrechtlich bewilligten Unterhaltungsbeitrage pr. 1200 fl. gebührt dem Herrn Ludwig van Beethoven für die Zeit vom 3ten November 1812 bis Ende März 1815 pr. 2 Jahre 4 Monate 27 Tage ein Betrag pr

2890 fl.


Nachdem aber derselbe in Folge der vorgedachten K. K. Landrechtlichen Verständigung von dem hochseligen Herrn Ferdinand Fürsten Kinsky à Conto dieses Unterhaltungsbeitrages 60 Stück K. K. Dukaten erhalten hat, und diese nach dem zur Zeit des Empfangs im Monat Oktober 1812 bestandenen Course zu 6f. 51 eine von dem obigen Betrage abzuschlagen kommende Summe ausmachen von

411 fl.


so bleiben an dem für die obangeführte Zeit verfallenen Unterhaltungsbeitrag dem Herrn Ludwig van Beethoven noch zu bezahlen

2479 fl.


Diese zwei Tausend vier Hundert Siebzig neun Gulden in Wiener Währung an verfallenem Unterhaltungsbeitrag in Vollmacht und zu Handen [490] des Obgedachten Ludwig van Beethoven aus der fürstlich Rudolph Kinskyschen Pupillarhauptkasse an heute richtig und baar erhalten zu haben bestätiget der Gefertigte mit seiner eigenhändigen Unterschrift.

Prag am 26tenMärz 1815.


Johann Kanka Ju. Dr. m./p.


Wenzl Wezowsky, als Zeuge


Jos. B. v. Pasqualati m./p.«8.


Die Entscheidung in der Sache mit Lobkowitz folgte ebenfalls bald nachher. Dr. v. Köchel faßt dieselbe in einem Privatbriefe nach offiziellen Dokumenten klar und in wenigen Worten folgendermaßen zusammen:


»Der Beitrag des F. Lobkowitz von 700 fl. wurde am 1. Sept. 1811 sistirt und nach mehrjährigen Proceßverhandlungen durch den gerichtlichen Vergleich vom 19. April 1815 dahin ›erledigt, daß die Pension Beethovens künftig voll in Einlösungsscheinen mit 700 fl. (= 280 fl. Conv. M. Silber), der Rückstand von 2508 fl. Einlös. – Sch. aber binnen 2 Monaten bezahlt werden soll‹. Auch dieser Bestimmung wurde genau entsprochen. Diesemnach bezog Beethoven vom Jahr 1811 an gerechnet bis an seinen Tod jährlich

vom Erzherzog Rudolph = 1500 fl.

vom Fürsten Kinsky = 1200 fl.

vom Fürsten Lobkowitz = 700 fl.

zusammen 3400 fl. Einlös. = Sch. – 1360 fl. Conv. M. Silber, das 352 Thalern preuß. Cour. gleichkommt.«


Die gemeinschaftlichen musikalischen Neigungen hatten den Erzherzog Rudolf und Fürst Lobkowitz einander näher gebracht, und gewiß hat ebenso wie der Erzherzog wiederholt in den Musikaufführungen bei Lobkowitz als Klavierspieler mitwirkte, auch Lobkowitz gelegentlich beim Erzherzog als Violinspieler mitgewirkt. Wenn auch der Erzherzog im Verkehr mit dem Fürsten nicht auf einen so zwanglosen Ton eingestimmt war wie mit Beethoven, vielmehr den Standesunterschied fühlbar erhielt, so spricht doch eine gewisse herzliche Anteilnahme an Lobkowitz' Schicksalen aus 5 Briefen, welche in Abschriften des Lobkowitzschen Beamten Max Dvořak nach den im Raudnitzer Archiv bewahrten Originalen 1872 Thayer zur Verfügung gestellt wurden. Einer dieser Briefe läßt erkennen, daß der Erzherzog als Klavierspieler sich dem Violinisten Lobkowitz überlegen[491] fühlte. Derselbe ist datiert vom 11. Jänner 1814, einer Zeit, wo, wie es scheint, Fürst Schwarzenberg und der Kaiser selbst Schritte eingeleitet haben, welche die Sanierung von Lobkowitz' finanziellen Verhältnissen näher rückten. Es heißt da am Schluß:


»Ich kann nicht ausdrücken, welche Freude ich empfunden, als ich die schöne Handlung des Fürsten Karl Schwarzenberg und die damit verbundene Gnade unseres besten Kaisers erfahren, da dieselben mir die schmeichelhafte Hoffnung gegeben, Sie früher wieder in unserer Mitte zu sehen als ich mir sonst erwarten konnte. Die Kaiserin, die meine Freundschaft für Sie kennt, hatte die Gnade, mir diese frohe Nachricht alsbald zu wissen zu machen, ich rechne diesen Augenblick zu den angenehmsten, die ich während meiner dreimonathlichen Krankheit zubrachte. Zu meinem großen Leidwesen beraubten mich diese gichtischen Schmerzen lange Zeit des Gebrauches meiner Hände, und eben dadurch meines größten Vergnügens, des Klavierspielens, da ich aber jetzt Gott lob wieder verwunderlich hergestellt bin, so suche ich das Versäumte wieder einzubringen, damit ich, bis ich wieder mit Ihnen, lieber Fürst, spielen werde, Ihnen durch die wiedergekehrte Geläufigkeit meiner Finger ein Vergnügen machen könne und Sie können versichert seyn, daß die Freude Sie wiederzusehen, die vielleicht nicht ganz richtigen Töne der Violine den wird überhören machen, der stets seyn wird


Ihr Freund Rudolph

Erzherzog.«


Die Rückkehr Lobkowitz' nach Wien verzögerte sich aber doch bis ins Frühjahr 1815 hinein und zwar, wie Lobkowitz in einem Briefe vom 29. Dezember 1814 aus Prag an den Erzherzog, dem er zu Neujahr gratuliert, hervorhebt, wegen der »Meinung, welche man in Wien hat, es wäre noch nicht schicklich, daß ich dahin komme« (nach einer Abschrift des im Raudnitzer Archiv erhaltenen Konzepts in Thayers Materialien). In diesem Briefe beklagt sich Lobkowitz auch über Beethoven, aber in einer Form, die Hochachtung abnötigt:


»Obgleich ich mit dem Betragen des Bethoven gegen mich nichts weniger als Ursache habe, zufrieden zu sein, so freut es mich doch als leidenschaftlicher Musikfreund, daß man seine gewiß großen Werke nun wirklich zu würdigen anfängt. Ich habe hier den Fidelio9 gehört, und war, das Buch abgerechnet, von der Musik, mit Ausnahme der beiden Finale, die mir nicht sehr gefallen, außerordentlich zufrieden. Ich finde sie von einem großen Effekt und des Mannes würdig, der sie geschrieben hat.«


Mit diesen, gewiß aus einer edlen Gesinnung hervorgegangenen Worten möge der Leser folgende Tatsachen vergleichen. Lobkowitz war [492] damals der Kontrolle über seine Einkünfte beraubt; diese Einkünfte waren, soweit sie auf Kontrakte gegründet waren, dem Finanzpatent von 1811 unterworfen; die Kuratoren seines Vermögens waren ebenfalls an dasselbe gebunden; das Landrecht hatte keine Macht, dasselbe nach Belieben beiseite zu setzen. Was dieses Gericht tun konnte und wirklich tat, war, daß es einem Abkommen zwischen den beiden hauptsächlichsten Parteien, welches die Bestätigung der Kuratoren erhalten hatte, durch seine Zustimmung und seine Entscheidung bindende Kraft gab, und zwar wahrscheinlich mit Einwilligung der hauptsächlichsten Gläubiger des Fürsten.

Daraus folgt, daß die Zulassung von Beethovens vollständiger Forderung von 700 Gulden in Einlösungsscheinen nur durch den guten Willen und das tätige Eingreifen von Lobkowitz selbst erreicht worden sein konnte, welcher dabei seinen persönlichen Einfluß auf die übrigen beteiligten Parteien geltend machte. Dies wird beiläufig von Schindler bestätigt.

Wir bitten nunmehr den Leser, an dieser Stelle einen Augenblick innezuhalten und sich zu erinnern, welchen Eindruck die Schmähungen von Lobkowitz' Charakter in Beethovens Briefen bei ihm zurückgelassen haben. Wie wir fürchten, haben dieselben ein Vorurteil erzeugt, welches durch die häufige Wiederholung so sehr verstärkt worden ist, daß es jetzt kaum möglich erscheint, dasselbe zu überwinden und als unbegründet zu erkennen.

Lobkowitz, jung, freigebig bis zur Verschwendung, sorglos gemacht durch die große Ausdehnung seiner Besitzungen, hatte im Verlaufe von etwa 20 Jahren seine ungeheuren Einnahmequellen so verschleudert, daß er in zeitweise Verlegenheiten gefallen war, welche die Verantwortlichkeit für die Erfüllung seiner pekuniären Verpflichtungen auf andere übertragen hatten. Diese aber waren durch die Natur ihres Amtes verpflichtet, nichts anderes zu bezahlen als streng rechtliche Forderungen. So verlor Beethoven etwas, was ursprünglich eigentlich gar keine Schuld war, sondern ein Geschenk, oder wenigstens ein solches gewesen wäre, wenn nicht Lobkowitz sich eingemischt hätte. Dieser konnte daher in mancher Hinsicht zuversichtlich mit Othello sagen:


»So weit in seinem ganzen Haupt und Ansehn

Reicht mein Vergehn, nicht weiter.«


Wir erhalten hier wieder eine Warnung, wie große Vorsicht man bei der Benutzung von Privatkorrespondenzen für biographische Zwecke [493] anzuwenden hat. Wer über Beethoven schreibt, hat diese Warnung ganz besonders zu beherzigen. Ein sehr großer Teil von Beethovens Korrespondenz besteht in vertraulichen Briefen und Mitteilungen, welche der Erguß verdrießlicher Augenblicke sind; nicht selten enthalten sie völlig übereilte Beschuldigungen und mißverständliche Anklagen, welche er gern zurückzog, nach dem er die Wahrheit erfahren hatte. Diese alle ohne Prüfung anzunehmen ist überaus voreilig; wer sie ohne sorgfältigste Untersuchung als authentischen historischen Stoff behandelt, läuft Gefahr, den Toten großes Unrecht zu tun. Audi alteram partem ist eine Vorschrift, welche nirgendwo mit größerem Rechte eingeschärft wird, als hier; und die großen Schwierigkeiten, die andere Seite kennen zu lernen, müßte gerade unsere Vorsicht verdoppeln. Parteien, welche in Privatbriefen angeklagt werden, erfahren selten etwas von der Anklage und können dies auch nicht; und sicherlich verteidigt sich selten jemand gegen Beschuldigungen, von deren Existenz er nichts weiß. Ihr Stillschweigen hat dem Ankläger gegenüber kein Gewicht. Eine derartige Korrespondenz drucken zu lassen, ohne Bemerkungen oder Kommentare, welche den Leser über ihren wirklichen Charakter unterrichten, ist schon an sich selbst eine Ungerechtigkeit; wenn man aber gar die bittersten Stellen auswählt, dieselben aus ihrem Zusammenhange löst, sie dem Publikum als authentische Zeugnisse über Tatsachen vorführt, sie in das möglichst hellste Licht setzt, und zur Verstärkung des durch sie hervorgebrachten Eindruckes boshafte Konjekturen, trügerische Schlüsse und vollständig fernliegende Gegenstände hinzufügt10, was ist das anders, als eine Versündigung gegen die gewöhnlichen Vorschriften der Menschlichkeit?

Es liegen hinlängliche Beweise vor, daß Beethoven schon damals die vollständige Überzeugung gewonnen hatte, daß sowohl die Fürstin Kinsky als Lobkowitz von jedem Wunsche, irgendwelchen gerechten Anforderungen [494] sich zu entziehen, vollständig frei waren. Dennoch wird wahrscheinlich so lange, bis der größere Teil unserer gegenwärtigen Beethoven-Literatur der Vergessenheit anheimgefallen sein wird, die Erinnerung an diese edlen und hochherzigen Persönlichkeiten unter der Autorität von Beethovens voreiligen Auslassungen zu leiden haben. Daß Beethovens beste Freunde und Berater sehr ihre Not gehabt haben, ihn zur Anerkennung der effektiven Sachlage und zum Aufgeben seines unberechtigten Ingrimms und seiner oft maßlosen Invektiven zu bewegen, ist aus den mitgeteilten Belegen (vgl. Anhang III) hinlänglich zu ersehen. Es war das besonders das Verdienst Pasqualatis, des Erzherzogs Rudolf und schließlich Kankas, die alle drei hinlänglich Beethovens Charakter kannten, um heftige Äußerungen desselben nicht auf die Goldwage zu legen. Bezüglich der Kinskyschen Sache sei nochmals auf die dankenswerte Zusammenstellung des Materials durch V. Kratochvil im 2. Beethoven-Jahrbuch (1909) hingewiesen.

Ein englisch geschriebener, von Beethoven nur unterschriebener Brief an Thomson vom 7. Februar (s. Anh. I Nr. 9) gibt uns Nachricht über den Fortgang seiner Arbeiten für denselben. Es ist darin außer den Arrangements auch die Rede von 6 Kanzonetten, die er selbständig komponieren solle, und einer Ouvertüre. Für beide findet er den ihm angebotenen Preis viel zu gering und verlangt für erstere 70, für letztere 50 Dukaten; denn, abgesehen von den ungünstigen Zeitumständen, seien, wie er sagt, eine gute Originalarie und eine Ouvertüre vielleicht die schwierigsten Unternehmungen unter musikalischen Kompositionen. Auch dankt er durch Thomson dem Verfasser der geistvollen und schmeichelhaften Verse, welche ihm zu Ehren gemacht seien (vgl. S. 444).

In der Mendelssohnschen Sammlung befindet sich ein Skizzenbuch, welches uns zum Teil erkennen läßt, welche Kompositionen Beethovens Gedanken in jener Zeit beschäftigten. Dasselbe enthält Skizzen zu Märschen, zu einer »Sinfonie in H moll«, einer »Sonate Cello pastorale«, dem Chore »Meeresstille« und dem Liede »Merkenstein«. Letzteres bestätigt eine Mitteilung Czernys: »auf Merkenstein hat Beethoven 2 kleine Lieder geschrieben, ich glaube, beide für Almanache«. Das eine derselben, welches von Steiner & Co. herausgegeben wurde, scheint jedoch nicht in jener Form veröffentlicht worden zu sein. Das Datum dieser Skizzen wird bestimmt durch eine Bemerkung Beethovens über Smarts Aufführung von »Wellingtons Sieg« in London auf dem siebenten Blatte: »Im Drurylane Theater am 10ten Februar und auf allgemeines Begehren [495] am 13ten wiederholt worden. Wiener Zeitung vom 2ten März.« Diese Zeitungsnotiz hatte ihn zu näherer Nachforschung veranlaßt, und dadurch war ihm Sir George Smarts Name als der des Leiters der Londoner Fastenoratorien bekannt geworden. Deshalb veranlaßte er seinen Freund Häring, welcher viel in England gewesen und mit Smart genau bekannt war, folgenden Brief in seinem Interesse zu schreiben11:


»An Sir George Smart

Great Portland St.

London.


Mein lieber Sir George,


Ich sehe aus den Zeitungen, daß Sie Beethovens Schlacht im Theater zur Aufführung gebracht haben und daß dieselbe mit bedeutendem Beifalle aufgenommen worden ist. Ich war sehr erfreut zu erkennen, daß Ihre Theilnahme für Herrn B's Compositionen nicht vermindert ist, und ich nehme mir daher in seinem Namen die Freiheit, Ihnen für den Beistand, welchen Sie bei der Aufführung dieses ungewöhnlichen Musikstücks geleistet haben, Dank zu sagen. Er hat dasselbe für Pianoforte arrangirt; da er aber das Original Sr. K. H. dem Prinzregenten angeboten hat, so durfte er die ses Arrangement nicht an einen Verleger verkaufen, ehe er des Prinzen Willensmeinung sowohl hinsichtlich der Widmung, als auch im Allgemeinen erfahren hätte. Nachdem er nun so viele Monate gewartet hat, ohne die geringste Nachricht über den Empfang zu erhalten, richtete er an mich die Bitte, mich um Rath an Sie zu wenden. Seine Absicht ist, dieses Arrangement und einige andere Original-Compositionen an einen Londoner Verleger, oder vielleicht an mehrere gemeinsam, zu verkaufen, wenn sie ihm ein annehmbares Gebot machen würden; sie müßten sich außerdem verpflichten, ihn den Tag der Ausgabe der betreffenden Stücke zum Zwecke des Verkaufes wissen zu lassen, damit der hiesige Verleger nicht eher ein Exemplar herausgebe, als bis der Tag ihm bekannt gemacht wäre. Am Ende dieses Briefes folgt das Verzeichniß dieser Compositionen, mit dem Preise, welchen der Verfasser erwartet. – Ich bin überzeugt, Sir George, daß Sie sich selbst bemühen werden, diesen großen Genius zu unterstützen. Er spricht fortwährend davon, nach England zu gehen; ich fürchte jedoch, daß seine Taubheit, welche zuzunehmen scheint, ihm die Ausführung dieses Lieblingsgedankens nicht gestatten wird.

Sie sind ohne Zweifel davon unterrichtet, daß seine Oper Fidelio hier den glänzendsten Erfolg gehabt hat; die Ausführung ist aber so schwierig, daß sie für keins der englischen Häuser sich eignen würde.

Ich lasse hier das Verzeichnis mit den Preisen folgen. Keines der folgenden Stücke ist bisher veröffentlicht, aber Nr. 2, 4 und 9 mit dem größten Beifalle aufgeführt worden.


1. Ernstes Quartett für 2 Violin

Tenor und Baß40 Guineen.

2. Schlacht bei Vittoria – Partitur70 Guineen.

3. Schlacht bei Vittoria –

arrangirt für Pianoforte30 Guineen

4. Eine große Symphonie – Partitur70 Guineen.

5. Eine große Symphonie – arr. für P. F.30 Guineen.

6. Eine Symphonie in F – Partitur40 Guineen.

7. Eine Symphonie – arrangirt20 Guineen.

8. Großes Trio für Pianoforte,

Violin und Violoncello40 Guineen.

9. Drei Ouvertüren für volles Orchester, jede30 Guineen.

10. Die drei Arrangements – jede15 Guineen.

11. Eine große Sonate für

Pianoforte und Violin25 Guineen.


[496] Die oben genannten Werke sind das Erzeugniß vierjähriger Arbeit.

Unser Freund Neate ist hier noch nicht aufgetaucht, und es ist ganz unbekannt, wo er herumschwärmt. Wir – ich meine hauptsächlich Liebhaber – sind jetzt dabei, Händels Messias einzuüben – ich soll der Führer der zweiten Violine sein; es werden diesmal 144 Violinen sein, die ersten und die zweiten zusammengerechnet, und die Zahl der Sänger und der übrigen steht dazu im Verhältniß. – Ich bin so unglücklich gewesen, während meines Aufenthalts in Wien, welcher jetzt schon beinahe drei Monate währt, aus England auch nicht eine Zeile Antwort erhalten zu haben. Das nimmt mir den Muth zu schreiben; denn gleich nach meiner Ankunft habe ich mehrere Briefe abgeschickt und auch noch fortgesetzt Briefe gesendet; doch alles vergebens. Unter denen, an welche ich vor ungefähr zwei Monaten schrieb, befindet sich unser Freund Disi12; wenn Sie ihn und seine hochgeschätzte Familie sehen, so bitte ich ihnen meine besten Empfehlungen zu sagen. Ich habe so viele glückliche Stunden in seinem Hause verlebt, daß es in hohem Grade undankbar von mir wäre, eine so liebenswürdige Familie zu vergessen.

Beethoven sprach zufällig gerade eben bei mir ein; er wünscht einige Zeilen an Sie zu richten, welche Sie am Schlusse dieses finden. Meine Adresse ist: Monsieur Jean de Hüring, No. 298 Kohlmarkt, Vienna.

Der arme B. ist sehr in Sorge, ob er etwas von den englischen Verlegern hören wird, da er kaum die hiesigen von sich abwehren kann, welche ihn um seine Werke quälen.«


Häring schreibt dann folgende Zeilen für Beethoven, um sie von ihm unterzeichnen zu lassen:


»Gestatten Sie mir, Ihnen für die Mühe zu danken, welcher Sie, wie ich höre, mehrere Male sich unterzogen haben, um meine Werke unter Ihren Schutz zu nehmen. Ich hoffe, Sie werden es nicht indiscret finden, wenn ich Sie ersuche, den Brief von Herrn Häring sobald als möglich zu beantworten. Ich würde mich sehr geschmeichelt fühlen, wenn Sie mir Ihre Wünsche kundgeben wollten, damit ich dieselben erfüllen könne; Sie werden mich dazu jederzeit bereit finden, damit ich ihnen so meine Erkenntlichkeit für die Gunst, welche Sie meinen Kindern haben zukommen lassen, beweisen könne. –

Wien den 16. März 1815.


Ihr dankbarer

Ludwig van Beethoven.«


[497] Er schließt dann seinen Brief mit den Worten:


»Und nun bitte ich Sie, mein lieber Sir George, diesen langen Brief nicht übel zu nehmen, und überzeugt zu sein, daß ich immer mit der größten Hochachtung bin


Ihr unterthänigster und gehorsamster Diener

John Häring.

Wien, den 19. März 1815.«


Die in diesem Briefe aufgezählten Werke sind, wenn wir die Reihenfolge derselben beibehalten: Op. 95. 91. 92. 93. 97. 113. 115. 117 und 96. Der von Häring erwähnte »hiesige Verleger« aller der aufgezählten neuen Werke war S. A. Steiner (vgl. S. 427).

Die Bedingungen des Kontraktes zwischen dem Komponisten und diesem Verleger sind im einzelnen nicht bekannt; denn wiewohl die Vereinbarung zu wichtig war, um einer bloßen mündlichen Abmachung überlassen zu werden, so ist doch keine geschriebene Vertragsurkunde aufgefunden worden. Jahn besaß keine Abschrift einer solchen, und Nottebohm teilte dem Verfasser mit13, daß auch in dem Kontor von Haslinger nichts der Art zu finden sei. Die früheste Bezugnahme auf das Geschäft, welche sich bisher gefunden hat, ist ein Brief an Steiner, aus welchem hervorzugehen scheint, daß Karl van Beethoven in gewisser Weise dabei beteiligt war; vielleicht arrangierte er unter seines Bruders Aufsicht die Klavierauszüge der Orchesterwerke. Wir teilen den Brief an Steiner hier nach Jahns Abschrift mit. Möglicherweise sind die hier genannten 250 Dukaten das Gesamthonorar für die spezifizierten 13 Werke; dann wäre gewiß verständlich, daß Beethoven ablehnte, dafür auch noch die Arrangements zu besorgen.


»Wien den 1. Februar

1815.


Wohlgebohrenster General Leutenant!


Ich habe ihre Zuschrift an meinen Bruder heute erhalten, und bin damit zufrieden, doch muß ich sie bitten die Unkosten der Klavierauszüge noch außerdem zu bestreiten, da ich erstlich alles in der Welt bezahlen muß und alles theurer als andre, so würde mir das schwer fallen; ohnehin glaube ich nicht, daß sie sich über das Honorar von 25011 beschweren können – aber ich möchte mich auch nicht gern beschweren, daher besorgen Sie die Auszüge selbst, doch sollen alle von mir übersehen, und wo es nöthig, verbessert werden, ich hoffe, daß sie damit zufrieden sind. –

[498] Nebstdem könnten sie wohl meinem Bruder die Sammlungen von Clementis, Mozarts, Haidns Klavierwerke zugeben, er braucht sie für seinen kleinen Sohn, thun sie das mein allerliebster Steiner und seyn sie nicht von Stein, so steinern auch ihr Name ist – leben sie wohl vortrefflicher Generalleutenant ich bin wie allezeit


Ihr ergebenster

Obergeneral

Ludwig van Beethoven.«


Die von Steiner gekauften Werke sind in einem Verzeichnisse, welches Nottebohm mit dem oben angeführten Briefe dem Verfasser überschickte, aufgeführt. Es ist die Abschrift einer nicht unterzeichneten Quittung, die offenbar von Beethoven herrührt; der Wortlaut derselben ist folgender:


»Nota.


Ueber folgende Original-Musik-Werke, welche vom unterzeichneten componirt, und dem priv. Kunsthändler H. S. A. Steiner als Eigenthum abgetretten worden sind –

1tens Partitur der Oper Fidelio,

2tens detto der Cantate der glorreiche Augenblick,

3tens detto eines Quartettes für 2 Violinen, Viola &. Basso14,

4tens detto eines großen Terzetts zum Singen mit Clavier-Auszug15,

5tens detto der Schlacht bei Vittoria nebst Clavierauszug,

6tens Clavier-Auszug und Partitur einer Sinfonie inF dur,

7tens detto detto einer detto in A dur,

8tens Grand Trio für Clavier, Violine & Basso in Partitur16,

9tens Grand Sonate für Clavier & Violine in Partitur17,

10tens Partitur einer Grand Ouvertüre in Es dur18,

11tens detto einer detto in C dur19,

12tens detto einer detto in G dur20,

13tens 12 Englische Lieder mit Clavier-Begleitung und deutschem Text.

Für alle diese Werke, welche H. Steiner aller Orten, nur das einzige England ausgenommen, als sein Eigenthum benutzen kann, bin ich von selbem vollständig befriedigt worden.

Wien den 29. April 1815.«


Worin nun auch der angenommene Anteil Karls van Beethoven an dem Kontrakt bestehen mochte, jedenfalls machte es ihm die Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes bald unmöglich, irgend eine aus demselben übernommene Arbeit auszuführen. Die Korrespondenz mit Steiner u. Co. belehrt uns, daß das Arrangement der Orchesterwerke für Pianoforte von Haslinger und Diabelli übernommen wurde, mit gelegentlicher Hilfe von Karl Czerny, und unter Beethovens Oberaufsicht.

[499] Anton Diabelli, geb. 6. Sept. 1781 zu Mattsee bei Salzburg, gest. 7. April 1858 in Wien, war damals schon seit mehreren Jahren als einer der fruchtbareren Komponisten leichter und gefälliger Musik, und als einer der besten und beliebtesten Lehrer in Wien bekannt. Er war viel bei Steiner als Kopist und Korrektor beschäftigt, und in dieser Tätigkeit genoß er das besondere Vertrauen Beethovens, der ihn auch als Menschen aufrichtig schätzte. In dem scherzhaften militärischen Stabe Beethovens (S. 427f.) war er »General-Profoß«, und in der Korrespondenz kommt sein Name als »Diabolus« vor, da Beethoven der Versuchung zu Wortspielen nun einmal nicht widerstehen konnte.

Die Reihe von Billetts und Briefen, welche auf den Verkauf der oben genannten Werke Bezug haben, ist zu charakteristisch und zu bezeichnend für Beethovens Humor und seinen damaligen Gemütszustand, als daß wir sie nicht in der Ausdehnung, welche unser Raum gestattet, mitteilen müßten. Doch sind sie zu zahlreich und in einigen Fällen auch nicht wichtig genug, um in den Text eingefügt zu werden. Aber sie besitzen einen gewissen historischen Wert und sind deshalb im Anhange im Zusammenhang abgedruckt21.

Beethoven hatte während des letzten Sommers in Baden die Freude gehabt, seinen persönlichen Verkehr mit Varena zu erneuern; und es gehören zu der Korrespondenz dieses Jahres Briefe an denselben vom 3. Februar, 21. März und 23. Juli. Der erste derselben ist von größerem Interesse und folgt hier.


»Wien am 3. Februar 1815.


Ich habe ihnen, mein werther Freund, nicht gleich auf ihr geehrtes Schreiben antworten können, und wieder zugleich danken können für ihr Geschenk; sie wollen mich immer beschämen und zu ihrem Schuldner machen wie ich sehe. Ich hoffe, daß sich ihre Gesundheit gebessert habe, weswegen sie mir große Besorgnisse in Baden erregten, und mir war es, durch meine eigene Lage gehindert, nicht möglich ihnen so viel Antheil äußerlich zu bezeugen, als innerlich mein Gemüth an so einem vortrefflichen Mann wie sie gewonnen u. nimmt.

Wegen einem Piano für ihre Fräulein Tochter erhalten sie nächstens Nachricht, da ich ihnen gern ein recht gutes verschaffen möchte, so kann es nicht die Sache eines Augenblicks sein, doch bald erhalten sie völligen Aufschluß und vielleicht auch Befriedigung hierüber. –

Einer meiner Brüder ist kränklich und wie solche Menschen gewöhnlich Liebhabereien haben. – Da er hört, daß ich mit ihnen bekannt bin, bittet [er] mich ihnen die Einlage zu schicken, vielleicht können unsre guten Ursulinerinnen hierin helfen.

[500] Verzeihen sie, daß ich sie mit so was belästige, sollten sie ohne Anstrengung die beschriebenen Thiere22 um sich haben, so bitte ich sie, mir doch ja sogleich Auskunft zu geben; alle Kosten werde ich über mich nehmen, um ihm eine Freude zu machen; wie gesagt er ist kränklich und hängt an dergleichen. In Eile ihr sie wahrhaft verehrender


Freund

Ludwig van Beethoven.« –


Unterm 21. März 1815 berichtet dann Beethoven an Varena über die Preise der Klaviere (s. Musik V. 18 [Kalischer] und Kalischer Sämtl. Br. II. S. 267f.), nämlich daß Schanz für ein sechsoktaviges Klavier 400 fl. W. W. verlangt (»wovon ich auch eins habe«... »ein anderer muß 600 fl. bezahlen«), Seiffert 460, wovon er aber wohl auf 400 heruntergehen würde – beide gegen sofortige Barzahlung. Auch der dritte Brief behandelt dasselbe Thema.

Im Frühjahr 1815 bringt sich Freund Amenda (vgl. II. S. 116f.) wieder einmal bei Beethoven in Erinnerung durch Zusendung eines Operntextes23, den Amenda für würdig hielt, von Beethoven komponiert zu werden. Der begleitende Brief lautet nach der vollständigen Abschrift in Thayers Materialien24:


»Talsen 20. März 1815.


Mein Beethoven! Nach langem schuldvollem Schweigen, nähere ich mich mit einem Opfer deiner herrlichen Muse, daß sie dich mit mir versöhne und du deines fast entfremdeten Amenda wieder gedenkest. O! jene unvergeßlichen Tage! da ich deinem Herzen so nahe war, da dies liebevolle Herz und der Zauber deines großen Talents mich unauflöslich an dich fesselten! – sie stehen in ihrem schönsten Lichte noch immer vor meiner Seele, sind meinem innigsten Gefühle ein Kleinod, das keine Zeit mir rauben soll. Aus deinem Munde vernahm ich's damahls zuweilen, wie du dir ein würdiges Sujet zu einer großen Oper wünschtest. Ich glaube du hasts noch nicht gefunden. – Nun sieh, ich biete dirs jetzt! schicke dir hier eine Oper von der ich dreist zu behaupten wage, daß ihresgleichen noch nicht existiert. Darum aber sollst auch du und kein anderer sie componiren, das ist zugleich der Wunsch des Dichters, meines herzlichen Freundes. Diese Abschrift von seiner eigenen Hand ist zwar sein, wie wäre es aber sonst möglich gewesen eine ganze Oper in ein Briefcouvert zu bringen, mache dich aber nur mit den kleinen Schriftzügen und insbesondere mit dem Geiste des ganzen vertraut: und du wirsts bald geläufig lesen. Auch kannst du ja bald eine größere Copie davon machen [501] lassen, dann aber Freund, gehe bald ans Werk, und zeige der Welt auch hier, was Beethoven vermag, wenn er con amore arbeitet. – Du wirsts mit Vergnügen bemerken, wie die ser Text ganz mit musikalischer Rücksicht gearbeitet ist, wie einsichtsvoll die Scenen und alle Gesänge geordnet sind. Eins nur wird dich vielleicht genieren, die ziemliche Länge des Stücks, die dich wahrscheinlich nöthigen wird, einiges ohne musikalische Wiederholungen gerade durch zu komponiren. Dagegen aber freue ich mich schon im Voraus, wie du bei so manchen schönen Situationen von der dir eigene Zartheit oder Kraft überströmen, wie du verschiedenen Gruppen charakteristische Haltung geben und endlich bei der großen Vollstimmigkeit und dem mancherlei Mordspektakel die ganze Fülle der Harmonie zusammennehmen wirst, die nur dir in der Vollkommenheit zu Gebote steht. – O könnte ich und mein treuer Berge, der gleichfalls deiner großen Muse mit Bewunderung huldigt, könnten wir doch bei dieser Arbeit zuweilen um dich sein, und so schon manches beim Entstehen mit dir fühlen, mit dir genießen! – Sonst war ich einer dieser Glücklichen, der Würdigeren wirst du auch wohl jetzt nicht entbehren! – Ich kenne das Bedürfniß deines unbefangenen Herzens. Es ist Vervollkommnung der Kunst. Nun so liefere denn der Welt die erste der Opern! bin ich doch glücklich genug, daß du dabei meiner gedenken wirst und ich mich einst an dem Entzücken werde weiden können, mit welchem die Welt das Meisterwerk zweier meiner herzlichsten Freunde unfehlbar aufnehmen wird. – –

Schreibe mir nun aber recht bald, damit ich erfahre, ob du diesen Brief mit dem dir gewiß wichtigen Einschlusse erhalten habest. Schreibe mir aber insbesondere, wenn auch nur mit wenigen Worten, wie dirs geht. Zwar bin ich bisher nicht ganz ohne Kunde von dir ge wesen. Zeitungen, Reisende haben mir von dir erzählt, deine herrlichen Kompositionen oft mir von dir zu Herzen gesprochen: doch alles dies hat meine Sehnsucht nach eigenen Nachrichten von dir nur vermehrt – du leidest am Gehör? – Armer Freund! wie sehr bedaure ich dich! – Sonst aber bist du doch wohl? Du mußt es sein, der Ruhm, den du noch jüngst mit Wellington getheilt, verkündet es –

Lebt unser guter Zmeskall noch? Ich zweifle. Grüße gelegentlich unsere gemeinschaftlichen Freunde, besonders die Streichers. Ich führe noch immer das einfache Leben eines Landpfarrers auf einem angenehmen Landsitze an der Seite meiner guten Jeanette im brüderlichsten Verein mit meinem herzlichsten Freunde Berge, umgeben von einer kleinen Kinderwelt, von der fünf liebe Kinder die meinen sind; zwar nicht ganz frei von Sorgen, doch Gott sei Dank! ziemlich glücklich und einer besseren Zukunft entgegensehend. – Musikalischen Genuß hab' ich höchst selten; zuweilen noch in unserer Hauptstadt Mitau, wo ein vortreffliches Mädchen, Marianne von Berner als Violinspielerin unstreitig als eine der ersten Größen glänzt. Dort hab' ich einst auch Baillot aus Paris gehört. O! was ist doch die Violine für ein mächtig Instrument, wenn Baillots Seele aus ihr spricht! Nachdem ich dich am letzten Abend bei Zmeskall spielen hörte, bin ich von keinem Sterblichen wieder so gewaltig erschüttert worden als von Baillot. Er war damahls in Wien gewesen, sprach mit Enthusiasmus von dir, spielte nichts lieber als deine Sachen, und gestand, daß er nur einmal aber in großer Verlegenheit vor dir gespielt habe. Beglücke, lieber Beethoven, uns Violinspieler doch bald wieder mit Quartetten! Ich schließe, um unserem Freunde Berge noch Raum zu ein par Zeilen zu [502] lassen, die er dir über euren Bachus schreiben will. – Gottes besten Segen über dich mein ewig theurer Beethoven. Meine Adresse ist: Herrn Pastor Amenda zu Talsen im Curlande. – Freund Berge braucht mehr Raum und nimmt ein eigen Blatt, dies Plätzchen gehört also noch mir. Ich benutze es zu der Frage: Wirst du mein Beethoven nun nicht einmahl große musikalische Reisen machen? Du bist der Welt durch deine Werke längst rühmlich bekannt, man sehnt sich überall dich selbst kennen zu lernen, goldener Friede beglückt endlich wieder die Welt und begünstigt überall die Musen. Du müßtest vom Reisen großen Gewinn haben, sie würden besonders mit Benutzung von Bädern gewiß auch deiner Gesundheit zuträglich sein und so wie einst bei Haydn würden die guten Wiener auch bei deiner Rückkehr vom Auslande dich noch mehr schätzen lernen. Und besuchtest du endlich auch den Norden und kämst auf einer Reise nach Petersburg durch Mitau und Niga, wie solltest du aufgenommen werden! dann eilt' ich in Deine Arme, führte dich auf einige Tage zu mir – o! ich glücklichster! – Ich meinen innigst geliebten Beethoven in meinem Hause bewirthen! – Überleg dirs Freund! Nochmals, Lebewohl.«


Dieser Brief kreuzte sich mit einem Briefe Beethovens an Amenda, den er dem Grafen Kayserling mitgab (zuerst veröffentlicht 1872 von L. Nohl i. d. Neuen Zeitschrift für Musik):


Wien 12. April 1815.


»Der Überbringer dieses Graf Keyserling Dein Freund besuchte mich, und erweckte das andenken von Dir in mir, Du lebtest glücklich, Du habest Kinder, beydes trifft wohl bey mir nicht ein, zu weitläufig wäre es darüber zu reden, ein andermal, wenn Du mir wieder schreibst hierüber mehr – mit deiner patriarchalischen Einfalt fällst Du mir 1000mal ein – allein zu meinem Besten oder zu Anderer will mir das Schicksal hierin meine Wünsche versagen, ich kann sagen ich lebe beinahe allein in dieser größten Stadt Deutschlands, da ich von allen Menschen, welche ich liebe, lieben könnte, beynahe entfernt leben muß – auf was für Fuß ist die Tonkunst bey euch? hast du schon von meinen großen Werken dort gehört? groß sage ich – gegen die Werke des allerhöchsten ist alles klein – lebe wohl, mein lieber guter A. denke zuweilen


deines Freundes

Ludwig van Beethoven.


Wenn du mir schreibst, brauchst du gar keine weitere Überschrift als meines Namens.«


Beethoven hat wohl die hohe Meinung von dem Werte des Gedichts nicht geteilt; doch hat er versucht, sich mit dem Texte zu befreunden (vgl. auch S. 557). Nottebohm (II. Beeth. 329) weist in dem Eugen von Millerschen Skizzenbuche (1815–16) ein paar kleine Ansätze nach, die aber besonders durch die beigeschriebenen Bemerkungen im hohen Grade interessieren. Es scheint, daß Beethoven auf dem Wege war, Richard Wagner einiges vorwegzunehmen.

[503] Wir geben die Stelle nach Nottebohm:


10. Kapitel. Das Jahr 1815

es muß abge[lei]tet werden aus dem B[achus] M[otiv] – wo der Tanz nur absatzweis –


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Dissonanzen vielleicht in der ganzen Oper nicht aufgelöst oder ganz anders da sich in diesen Zeiten unsere verfeinerte Musik nicht denken läßt. – muß das sujet durchaus als schäfermäßig behandelt werden


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Wieweit etwa der (nicht erhaltene) Brief des Dichters Beethoven auf diese seltsam theoretisierenden Pfade geleitet hat, wissen wir leider nicht. Offenbar ist er aber schnell davon zurückgekommen, künstlich altertümliche Musik »machen« zu wollen (vgl. auch S. 290). –

Beim Herannahen der wärmeren Jahreszeit zogen Erdödys für den Sommer nach Jedlersee, um niemals zur Schottenbastei zurückzukehren; und da Lichnowsky gestorben war, hatte Beethoven keine Veranlassung, länger in jener Nachbarschaft zu bleiben, und zog daher von der Mölkerbastei weg – um ebenfalls nie dorthin zurückzukehren. Seine neue Wohnung lag im dritten Stockwerk eines Hauses, welches damals dem Grafen Lamberti gehörte, in der Sailerstätte, mit der doppelten [504] Nummer 1055 und 1056, in dessen Nähe er ein Dutzend Jahre vorher gewohnt hatte. Sie hatte dieselbe sonnige Lage und die herrliche Aussicht über das Glacis von der Karlskirche und den Belvedere-Gärten über die Donau hinweg bis zu den blauen Karpathen in der Ferne.

In diesem Hause führte um den ersten Juni Häring den trefflichen englischen Pianisten und enthusiastischen Musiker Charles Neate bei Beethoven ein, welcher nach einem fünfmonatlichen Unterricht bei Peter Winter in München nach Wien gekommen war, in der Hoffnung, von dem großen Symphoniker weitere Belehrung zu empfangen. Er brachte Beethoven sein Anliegen vor; derselbe erwiderte ihm im wesentlichen, er könne nicht Unterricht geben, aber wolle ihn seinem Lehrer Förster übergeben und ihn bei ihm einführen (er tat dies brieflich), und Neate könne ihm dann seine Kompositionen zur Durchsicht bringen; er werde dieselben prüfen und ihm seine Bemerkungen darüber machen.

Infolge dieser Erlaubnis sah ihn Neate fast täglich. Beethoven brachte einen Teil dieses Sommers in Baden zu, und Neate bezog ein Zimmer ganz in seiner Nähe. Dort pflegte Beethoven den ganzen Vormittag zu arbeiten, aß um 12 oder 1 Uhr zu Mittag und machte dann gegen Abend mit Neate einen Spaziergang, zuweilen nach dem Helenentale, öfter durch die Felder. Neate war in seinem ganzen Leben (er war beinahe 80 jährig, als er dem Verfasser dies erzählte)25 niemals mit einem Menschen zusammengekommen, welcher sich so an der Natur erfreute und eine solche Freude an Blumen, an Wolken, kurz an allem und jedem hatte, wie Beethoven; »Natur war gleichsam seine Nahrung, er schien förmlich darin zu leben«26. Bei den Spaziergängen durch die Felder setzte er sich wohl auf irgend eine grüne Bank, die zum Sitzen einlud, und ließ dann seinen Gedanken freien Lauf. Er ging damals eifrig mit dem Plane um, nach England zu reisen; aber der Tod seines Bruders und die Adoption seines Neffen machte diesem Vorhaben ein Ende. [505] Neate erinnerte sich des Knaben als eines sehr hübschen und gescheiten Burschen, wie ihn auch Schindler (in der Unterhaltung) beschrieben hat.

Beethoven war in jener Zeit, und wie Neate ihn kannte, von bezaubernder Freundlichkeit gegen die, welche er liebte; aber seine Abneigungen waren so heftig, daß er, wenn er es vermeiden wollte, mit Leuten, die er nicht leiden konnte, zu sprechen, seinen Schritt auf der Straße bis zu förmlichem Laufen beschleunigte. Seine dunkle Gesichtsfarbe war in jener Zeit stark gerötet und in hohem Grade belebt; sein üppiges Haar war in wunderlicher Unordnung. Er lachte fortwährend, wenn er bei guter Laune war, und dies war er meistenteils zu der Zeit, als Neate ihn sah. Bei ihren Unterhaltungen sprach Neate deutsch und fand keine Schwierigkeit, sich ihm verständlich zu machen, wenn er in sein linkes Ohr sprach.

Eines Tages sprach ihm Neate von der Popularität seiner Sonaten, Trios usw. in England und fügte hinzu, daß sein Septett in hohem Grade bewundert würde. »Das ist verfluchtes Zeug« (oder »ein verfluchtes Ding«), sagte Beethoven, »ich möchte, daß es verbrannt würde«, oder Worte ähnlichen Inhalts; zu Neates großer Bestürzung.

Ein anderes Mal gingen sie in den Gefilden bei Baden spazieren, und Neate sprach von der Pastoralsymphonie und von Beethovens Geschick, musikalische Gemälde zu zeichnen. Beethoven sagte: »ich habe immer ein Gemälde in meinen Gedanken, wenn ich am Komponieren bin, und arbeite nach demselben«.

Th. von Frimmel bringt in seinem zweiten Beethovenjahrbuch (1909, S. 191ff.) einen aus dem Juni 1815 datierten, von Beethoven diktierten Brief an eine nicht näher festgestellte »Durchlaucht« (in London?), durch deren Vermittelung dem Prinzregenten von England die »Schlacht bei Vittoria« überreicht worden war, wofür Beethoven, wie schon aus den Briefen Härings vom 16. und 19. März 1815 hervorgeht, vergebens auf eine Huldäußerung wartete. Beethoven wendet sich an diese Persönlichkeit [506] (in welcher Frimmel den Fürsten Paul Esterhazy vermutet, der aber allerdings erst im Oktober als Gesandter am englischen Hofe beglaubigt wurde) mit der Bitte, dafür einzutreten, daß verhindert werde, daß ihm »durch die Sorglosigkeit, womit dieser Gegenstand behandelt werde, Schaden an Ehre, Eigenthum und Vermögen zugefügt werden möge«. Er nimmt dabei Bezug auf die ihm bekannt gewordene mehrfache höchst erfolgreiche Aufführung des Werkes, auf Grund des dem Prinzregenten übersandten Exemplars, und sogar das Erscheinen eines Klavierauszugs in London. Nicht einmal die Kopiaturkosten seien ihm erstattet worden, und er werde vielleicht gezwungen sein, dem deutschen Verleger des Klavierauszuges das Honorar zurückzuzahlen. Es liegt nahe, zu vermuten, daß Neate mit dem Inhalte dieses Briefes in Beziehung zu bringen ist. Der Brief wurde »vor Jahren« von Karl Kehlendorfer in Wien nach dem nicht mehr nachweisbaren Original kopiert.

Die Mitteilung des ganzen Briefes ist hier nicht nötig, doch sei die Stelle ausgezogen: »Die Alt-Engländer thäten sich sehr viel darauf zu gute, daß die Schlacht bei Vittoria in Wien gedichtet, aufgeführt und dem Prinz-Regenten zugeeignet ward, als Österreich mit Frankreich noch im Bündniß stand«. Ganz so lag die Sache freilich nicht, aber Mälzel und Beethoven haben jedenfalls sehr prompt das Thema aufgegriffen, nachdem die neue Kriegserklärung Österreichs an Frankreich erfolgt war (12. August 1813). Wir haben einen sehr bestimmten Anhaltspunkt dafür, daß nicht Fürst Esterhazy, sondern der Viscount Castelreagh, der Bevollmächtigte Englands auf dem Wiener Kongreß, die Persönlichkeit gewesen ist, welche Beethovens Wünsche dem Prinzregenten übermittelte. Vgl. S. 445 den Brief Beethovens an den Grafen Lichnowsky vom 21. September 1814, wo es u.a. heißt: »was sie mir von Lord Castleregt sagen, so finde ich die sache aufs Beste eingeleitet, sollte ich eine Meynung hiervon haben, so glaube ich, daß es am besten seyn würde, daß Lord Castleregt nicht eher schrieb wegen dem Werke auf Wellington, als bis der Lord es hier gehört«. Da Castlereagh im Februar 1815 durch Wellington abgelöst wurde, so war er Mitte 1815 selbst wieder in London, wohin der Brief wohl gerichtet ist.

Neate brachte Beethoven einen Auftrag von derPhilharmonic Society in London, drei Konzertouvertüren für dieselbe zu schreiben, welchen Ries durch seine Bemühungen erwirkt hatte; wir werden weiter unten mehr davon hören. Hier genügt es zu bemerken, daß Beethoven, anstatt, wie man erwartete, neue Ouvertüren zu schreiben, Neate die [507] Ouvertüren zu König Stephan, zu den Ruinen von Athen und die sogenannte Namensfeier-Ouvertüre gab und für dieselben 75 Guineen erhielt. –

Die Zerstörung von Rasumowskys Palast unterbrach die Quartettaufführungen bei demselben; infolgedessen brachte Linke, der Violoncellist, den Sommer bei Erdödys in Jedlersee zu. Dies gab Beethoven die Veranlassung zur Komposition seines Hauptwerkes von diesem Jahre: der beiden Sonaten für Klavier und Violoncell Op. 102. Die erste derselben trägt das Datum: »gegen Ende Juli«; die zweite: »Anfangs August«. Während er noch an denselben beschäftigt war, forderte ihn Treitschke zur Komposition eines Schlußchors »Es ist vollbracht« für ein kleines Schauspiel auf, welches der »Guten Nachricht« ähnlich war und den Titel führte: »Die Ehrenpforten«; dasselbe wurde zur Feier der zweiten Kapitulation von Paris vorbereitet. Es wurde am 15., 16. und 23. Juli aufgeführt und zum Namenstage des Kaisers am 3. und 4. Oktober »mit angemessenen Veränderungen« wiederholt, jedoch nach den Theaterzetteln mit dem Chore »Germania« an Stelle von »Es ist vollbracht«.

Dies war das letzte Jahr von Beethovens persönlichem Verkehr mit der Familie Erdödy. Eine sehr interessante Erinnerung an diesen Verkehr, bestehend in einer Reihe von Briefen und Billetts, ist durch Otto Jahns Ruhe und Entschlossenheit erhalten und zur Veröffentlichung gebracht worden. Bei seinem Aufenthalte in München im Jahre 1852, oder ungefähr um diese Zeit, erfuhr Jahn, daß diese Korrespondenz sich, wenn unsere Erinnerung nicht trügt, in den Händen der Wittwe Brauchle befinde, und es wurde ihm erlaubt, dieselbe in Gegenwart der Eigentümerin durchzulesen. Während des Lesens sprang er plötzlich auf und rief: »ich werde dies im Gasthofe abschreiben«, und ehe noch die Dame in ihrem Schrecken und Staunen zuvorkommen oder es verhindern konnte, war er weg und besorgte eine Abschrift der Briefe – die einzige, von deren Existenz wir wissen, abgesehen von den etwa hiervon genommenen weiteren Abschriften27. Mehrere der Briefe enthalten nur Entschuldigungen, daß er »heute« oder »morgen« nicht nach Jedlersee kommen könne; einige Teile der Korrespondenz sind aber wichtig genug, um auch hier eine [508] Stelle zu verdienen. Als Einleitung dazu geben wir eine scherzhafte poetische Einladung an Beethoven:


»Ich kam von Jedlersee als Both

Zum ersten Composteur nach Gott,

Der Gräfin von Erdödy Gnaden

Läßt Sie zum Punsche laden,

Und was das Land noch sonsten beut.

Der Wagen steht zweispännig schon bereit,

Um Sie mit mir dahin zu fahren,

Bis halb zwei Uhr werd' ich Ihrer harren.


den 20. Juli 1815.


Sperl

Oberamtmann.«


Wir lassen einen undatierten Brief »An die Frau Gräfin Marie Erdödy« folgen.


»Liebe liebe liebe liebe Gräfin ich gebrauche Bäder mit welchen ich erst morgen aufhöre, daher konnte ich sie und alle ihre lieben heute nicht sehen – ich hoffe sie genießen einer bessern Gesundheit, es ist kein Trost für bessere Menschen, ihnen zu sagen, daß andere auch leiden, allein Vergleiche muß man wohl immer anstellen, und da findet sich wohl, daß wir alle nur auf eine andere Art leiden, irren. – nehmen sie die bessere Auflage des Quartetts28 und geben sie sammt einem sanften Handschlag die schlechte dem Violoncello, sobald ich wieder zu Ihnen komme soll meine Sorge seyn selben etwas in die Enge zu treiben. –

Leben sie wohl, drücken küssen sie ihre lieben Kinder in meinem Namen, obschon es fällt mir ein, ich darf die Töchter ja nicht mehr küssen, sie sind ja schon zu groß, hier weiß ich nicht zu helfen, handeln sie nach ihrer Weisheit, liebe Gräfin.


Ihr

wahrer Freund und Verehrer

Beethoven.«


Ein Brief an Brauchle (bei Schöne S. 23) schließt mit den Worten:


»Sobald ich kann, komme ich auf einige Tage zu ihnen, ich werde die beiden Violonzellsonaten29 mitbringen. Leben Sie wohl! alle 3 Kinder küsse und umarme ich in Gedanken; das Aber steht ebenfalls mit obenan bei mir.

Leben Sie wohl lieber B.

Alles Schöne und Gute der Gräfin für ihr Heil.


Ihr

Beethoven.«


[509] Ein anderes Mal wird er wieder in scherzhafter Weise eingeladen durch folgenden, von der Gräfin selbst geschriebenen poetischen Gruß:


»An

die lorbeerbekrönte Majestät

der erhabenen Tonkunst

Ludwig v. Beethoven

sehnlichste Bitte der Jedlerseer

Musen

daß ihr geliebter Apollo

noch den heutigen Tag

in ihrer Mitte zubringen

möge.


Fiat.


Apollo's erster Sohn!

Du größter großer Geister,

Der Tonkunst erster Meister,

Den jetzt Europa kennt,

Dem selbst Apollo fröhnt,

Und von dem Musenthrone

Belohnt mit seiner Krone:

Erhöre unsre Bitte,

Bleib heut in unsrer Mitte –

Der große Mann Beethoven

Gibt Fiat unserm Hoffen.

Marie die Alte

Marie die Junge.

Fritzi der Einzige

August detto

Magister ipse

Violoncello das verfluchte

Aller Reichs Baron

Ober-Mann-Amt.«


Wir geben noch zwei Briefe an die Gräfin30 und verweisen im übrigen auf Schönes Sammlung.


1.


»Ich hörte, meine werthe Gräfin, daß Sie eine Apotheke hier haben, wo man ihnen die Briefe zuschicken kann, indem ich glaubte, daß Sie was ich in Ansehung des Trio31 geschrieben, nicht hätten lesen können – ich sehe daß die Violin und Violonschell stimmen dorten schon geschrieben, schicke selbe ihnen mit, welche sie so lange gebrauchen können, als ich's nicht zum Stich gebe. – Ich habe viel Vergnügen an ihrer lieben Tochter M. Schreiben, [510] und wünsche sie wie ihre liebe Mutter sammt allen ihren zugehörigen, bald zu sehen, welches ich auch, sobald mir nur immer möglich bewerkstelligen werde – leben sie wohl werthe Gräfin


Ihr

wahrer

Freund

Beethoven.«


Sobald Bräuchle die Stadt

betritt soll er mich besuchen,

bis 12 Uhr Vormittags bin

ich immer zu finden. –


2.


»An die Frau Gräfin Erdödy

geb. Gräfin Nisky in Jedlersee.


Meine liebe werthe Gräfin!


Sie beschenken mich schon wieder und das ist nicht recht, sie benehmen mir dadurch alles kleine Verdienst, was ich um sie haben würde. – Ob ich morgen zu ihnen kommen kann, ist ungewiß, so sehr auch meine Wünsche dafür, aber in einigen Tägen gewiß, sollte es auch nur nachmittags seyn, meine Lage ist dermalen sehr verwickelt, mündlich mehr darüber, – grüßen sie und drücken sie alle ihre mir lieben Kinder in meinem Namen an ihr Herz, dem Magister eine sanfte Ohrfeige, dem Oberamtmann ein feierliches Nicken, dem Violoncello ist aufgetragen, sich aufs linke Donau-Ufer zu begeben und so lange zu spielen bis alles vom rechten Donau-Ufer herübergezogen wird, auf diese Weise würde ihre Bevölkerung bald zunehmen. Ich setze übrigens getrost den Weg wie vorhin über die Donau, mit Muth gewinnt man allenthalben, wenn er gerecht ist. – Ich küsse ihnen vielmal die Hände, erinnern sie sich gern


ihres Freundes

Beethoven.


Schicken sie also keinen Wagen,

lieber wagen! als einen Wagen!

Die versprochenen Musikalien

folgen aus der Stadt.«


Biographisch wichtig ist auch noch der folgende undatierte Brief an Brauchle32:


»Lieber Brauchle!


Kaum bin ich bei mir, so finde ich meinen Bruder lamentirend fragen nach den Pferden – ich bitte sie, erzeigen sie mir die Gefälligkeit, sich doch nach langen Enzersdorf zu begeben wegen den Pferden, nehmen sie auf meine Kosten Pferde in Jedlersee, ich werde es ihnen herzlich gern vergüten – Seine Krankheit (meines Bruders) bringt schon eine gewisse Unruhe mit, lassen sie uns doch helfen wo wir können, ich muß nun einmal so und nicht anders handeln! – Ich erwarte eine baldige Erfüllung meiner Bitte und eine freundschaftliche Antwort deswegen von ihnen – scheuen sie keine Unkosten, ich trage sie gern. Es ist nicht der Mühe werth wegen lumpigen einigen Gulden jemanden leiden zu lassen.


alles schöne

der lieben Gräfin.


In Eil

ihr

wahrer Freund

Beethoven.«


[511] Die Erzählungen über Neate und Gräfin Erdödy haben uns über die genaue Zeitfolge hinausgeführt; wir kehren zu derselben zurück und beginnen mit einem Briefe an unsern alten Bonner und Londoner Bekannten Johann Peter Salomon.


»Wien am 1. Juni 181533.


Mein geehrter Landsmann!


Immer hoffte ich den Wunsch erfüllt zu sehen Sie einmal selbst in London zu sprechen, zu hören, allein immer standen mir, diesen Wunsch auszuführen, mancherlei Hindernisse entgegen – und eben deswegen, da ich nun nicht in dem Falle bin, hoffe ich daß Sie mir meine Bitte nicht abschlagen werden, die darin besteht, daß Sie die Gefälligkeit hätten mit einem dortigen Verleger zu sprechen und ihm folgende Werke von mir anzutragen: Großes Terzett für Klavier Violine und Violonschell (80 ⌗). Sonate für Klavier mit einer Violine (60 sj), große Sinfonie in A. (eine meiner vorzüglichsten), kleinere Sinfonie in F. – Quartett für 2 Violinen, Viola und Violonschell in F moll. – Große Oper in Partitur 30 ⌗ – Kantate mit Chören und Solo- Stimmen 30 ⌗. Partitur der Schlacht von Vittoria auf Wellingtons Sieg 80 ⌗ wie auch der Klavier-Auszug (wenn er, wie man mich hier versichert, nicht schon heraus ist) – Ich habe nur beiläufig zu einigen Werken das Honorar beigefügt, welches ich glaube für England recht zu sein, überlasse aber bei diesen wie bei den anderen Ihnen selbst, was Sie am besten finden, daß man dafür giebt. Ich höre zwar Kramer34 ist auch Verleger, allein mein Schüler Rieß schrieb mir vor kurzem, daß selber öffentlich sich gegen meine Compositionen erklärt habe, ich hoffe aus keinem andern Grunde als der Kunst zu nutz en, und so habe ich gar nichts darwider einzuwenden, will jedoch Kramer etwas von diesen schädlichen Kunstwerken besitzen, so ist er mir so lieb als jeder andere Verleger. – Ich behalte mir blos bevor, daß ich selbe Werke auch meinem hiesigen Verleger geben darf, so daß diese Werke eigentlich nur in London und Wien herauskommen werden und zwar zu gleicher Zeit. –

Vielleicht ist es Ihnen auch möglich mir anzuzeigen, auf welche Art ich vom Printzen-Regenten wenigstens die Copiaturkosten für die ihm übermachte Schlacht-Simphonie auf Wellingtons Steg in der Schlacht von Vittoria erhalten kann, denn längst habe ich den Gedanken aufgegeben, auf sonst irgend etwas zu rechnen, nicht einmal einer Antwort bin ich gewürdigt worden, ob ich dem Printzen-Regenten dieses Werk widmen darf indem ich's herausgebe, ich höre sogar das Werk soll schon in London im Klavier-Auszug heraus sein, welch Geschick für einen Autor!!! Während die englischen und deutschen Zeitungen voll sind von dem Erfolge dieses Werkes im Drurylane Theater aufgeführt, das Theater selbst ein paar gute Einnahmen damit ge macht, hat der Autor nicht einmal eine freundschaftliche Zeile darüber aufzuweisen, nicht einmal den Ersatz der Copiaturkosten, ja noch den Verlust alles Gewinnstes, denn wenn es wahr ist daß der Klavier-Auszug gestochen, so nimmt ihn kein deutscher Verleger mehr, ja es [512] ist wahrscheinlich, daß der Klavier-Auszug wol bald irgendwo von einem deutschen Verleger dem Londoner nachgestochen erscheint und ich verliere Ehre und Honorar.

Ihr bekannter edler Charakter läßt mich hoffen daß Sie einigen Antheil daran nehmen und sich thätig für mich beweisen; das schlechte Papiergeld unseres Staates ward schon einmal auf den 5ten Theil seines Werthes herabgesetzt, ich wurde da nach der Scala behandelt, nach vielem Dringen erhielt ich jedoch mit namhaftem Verlust die volle Währung, allein wir sind in dem Augenblicke wo die Papiere schon jetzt weit über den 5ten Theil geringer sind und mir steht bevor daß mein Gehalt zum 2 tenmal zu Nichts werde, und ohne irgend einen Ersatz hoffen zu können. – Mein einziges Verdienst sind meine Compositionen, könnte ich hierin auf die Abnahme England's rechnen, so würde das sehr vortheilhaft für mich sein.

Rechnen Sie auf meine unbegrenzteste Dankbarkeit, ich hoffe eine balde, sehr baldige Antwort von Ihnen.


Ihr

Verehrer

und Freund

Ludwig van Beethoven.«


Zwei Briefe an den Erzherzog Rudolf schließen sich der Zeit nach an den obigen an35.


»Wien, am 23. Juli 1815.


Als Sie Sich neulich in der Stadt befanden, fiel mir wieder dieser Chor ein. Ich eilte nach Hause, selben nieder zu schreiben, allein ich verhielt mich länger hierbei, als ich anfangs selbst glaubte, und so versäumte ich J. K. H. zu meinem größten Leidwesen. – Die üble Gewohnheit von Kindheit an, meine ersten Einfälle gleich niederschreiben zu müssen, ohne daß sie wohl nicht öfters mißriethen, hat mir auch hier geschadet. – Ich sende daher J. K. H. meine Anklage und Entschuldigung, und hoffe Begnadigung zu finden. – Wahrscheinlich werde ich bald selbst einmal bei J. K. H. mich einstellen können, um mich nach der uns allen so theuren Gesundheit zu erkundigen.«


Der in diesem Briefe erwähnte Chor ist wahrscheinlich »Meeresstille und glückliche Fahrt«.

In dem folgenden vermutlich ebenfalls in diese Zeit gehörigen Briefe schreibt er:


»Nicht Anmaßung, nicht als wenn ich der Fürsprecher dürfte irgend jemanden sein, oder als wenn ich mich einer besonderen Gunst E. Kais. Hoheit rühmte, machen mich Ihnen etwas vortragen, so einfach als es selbst in sich ist. – Gestern war der alte Kraft bei mir; er glaubte, ob es nicht möglich zu machen, daß man ihm in Ihrem Palaste eine Wohnung gäbe; er würde dafür E. Kais. H. so oft zu Diensten sein, als Sie es nur immer verlangten.

[513] 20 Jahre sei er jetzt im Hause des Fürsten Lobkowitz, lange Zeit hindurch habe er keinen Gehalt empfangen, jetzt müsse er auch seine Wohnung räumen, ohne irgend eine Entschädigung dafür zu erhalten. – Die Lage des armen alten verdienten Mannes ist hart, und ich hätte mich wohl auch gewiß einer Härte schuldig gemacht, wenn ich es nicht gewagt hätte, sie Ihnen vorzutragen. – Gr. Troyer wird J. K. Hoh. um eine Antwort bitten. – Da die Rede von der Erleichterung der Lage eines Menschen ist, verzeihen Sie schon Ihrem –


(Beethoven).«


Ob der Erzherzog diese Bitte gewährte, ist nicht bekannt. Wir lassen einen Brief an Treitschke folgen36.


»Döbling am 24. Septr. 1815.


Lieber werther Freund! Es war mir nicht möglich, sie diese Woche zu sehen, sehr beschäftigt bin ich eben heute hier, um noch etwas von der immer noch abwesenden (?) schönen Zeit zu genießen und durch schon halbwelkende Wälder zu streichen. Ich würde schon lange ihren Romulus angefangen haben, allein die Direktion will mir gar nichts anders für ein solches Werk als 1 Einnahme gestatten; so viele Opfer ich so gerne meiner Kunst gebracht und bringe, so verliere ich bei einer solchen Bedingung doch gar zu viel, man bezahlt mir z.B. für ein Oratorium wie Christus am Oelberge, welches nur einen halben Abend einnimmt, oder nur 1 Stunde 9 Minuten dauern darf, 200 ⌗ in Gold37. Bedenken Sie daß ich ein solches Werk als Akademie geben, hier anderwärts, was gewinne ich noch außerdem? und wirklich, ich bin überzeugt, daß mir ein jeder Ort Deutschlands oder anderwärts, so gut als jeden andern wenigstens mit Gold honoriren wird. Ich habe von der Theater-Direkzion 200 ⌗ in Gold und eine Einnahme verlangt für Romulus – Sehen Sie lieber T. was sie thun können, um selbe zu andern ehrenvollen Bedingungen zu bewegen für mich, als die mit blos einer Einnahme. Wenn ich ihnen noch weiter vorrechnete, was ich für meine übrigen Compositionen für ein Honorar erhalte, ich versichere sie daß sie die benannten mir angezeigten und festgesetzten Bedingungen für 1 Oper nicht übertrieben finden könnten. Ich ersuche sie also freundschaftlich mit N. N. zu reden, meinen Nachteil können sie nicht verlangen, ich bin bei meinen angegebenen Bedingungen bereit sogleich die Oper zu schreiben und sie längstens bis Februar oder März auf die Bühne zu schaffen. Bis Donnerstag sind 4 Täge, wo ich alsdann zu ihnen komme um die Antwort zu holen. Ich wünschte nichts als ganz umsonst schreiben zu können! Auf den Standpunkt aber wird es ja schwerlich ein deutscher oder vielmehr österreich. Künstler dringen! Nur London kann einen so fett machen, daß einem in Deutschland oder vielmehr hier hernach die mägersten Bissen nicht widerstehen.


Ganz der Ihrige.

Donnerstag hole ich die Antwort

in Eile Ihr Freund

Beethoven.«


[514] Die Antwort Treitschkes, wie sie auch gelautet haben mag, fiel so aus, daß Beethoven den Gedanken, die Oper zu komponieren, noch nicht aufgab.

Der folgende Brief, den Zmeskall am »16. Oct. 1815« von Beethoven erhielt, bestimmt das Datum seiner Rückkehr in die Stadt.


»Ich melde Ihnen, daß ich hier und nicht da bin, und wünsche ebenfalls von ihnen zu wissen, ob Sie da oder hier sind. – ich möchte Sie einige Augenblicke sprechen, wenn ich Sie zu Hause allein weiß – Leben Sie wohl aber nicht wohllustig – Inhaber Kommandant Pascha verschiedener morscher Festungen!!!!! –


in Eil

ihr Freund

Beethoven.«


Und nunmehr folgte ein neuer schmerzlicher Abschied! Die Familie Erdödy, begleitet von Brauchle, Oberamtmann Sperl und Linke, reiste nach Kroatien, um zu dauerndem Familienaufenthalte überhaupt nicht zurückzukehren. Das war die Veranlassung des folgenden Briefes an die Gräfin Erdödy.


»Wien am 19ten Weinmonath 1815.


Meine liebe verehrte Gräfin:


Wie ich sehe dürfte meine Unruhe für Sie in Ansehung ihrer Reise in ihren theilweisen Leiden auf ihrem Reisewege stattfinden allein der Zweck scheint wirklich von ihnen können erreicht werden und so tröste ich mich und zugleich spreche ich ihnen nun selbst Trost zu, wir endliche mit dem unendlichen Geist sind nur zu Leiden und Freuden gebohren u. beinah könnte man sagen die ausgezeichnetsten erhalten durch Leiden Freude – ich hoffe nun bald wieder Nachrichten von ihnen zu empfangen, viel Tröstliches müssen ihnen wohl ihre Kinder seyn, deren aufrichtige Liebe und das Streben nach allem guten ihrer lieben Mutter schon eine große Belohnung für ihre Leiden seyn können. – Dann kommt der ehrenwerthe Magister ihr treuester Schildknab – nun vieles andere Lumpenvolk worunter der Zunftmeister Violoncello, die nüchterne Gerechtigkeit im Oberamt – wahrlich ein Gefolge wonach mancher König sich sehnen würde. – von mir nichts – das heißt vom nichts nichts – Gott gebe ihnen weitere Kraft, zu ihrem Isistempel zu gelangen wo das geläuterte Feuer alle ihre, übel verschlingen möge und sie wie ein neuer Phoenix erwachen mögen.


in Eil

ihr treuer

Freund Beethoven.«


Die Briefe an Smart, Salomon und Ries waren nicht vergeblich gewesen; durch ihre, insbesondere Salomons Bemühungen wurde der Musikverleger Robert Birchall (133 New Bondstreet) bewogen, vier der von Häring aufgezählten Werke zu kaufen, nämlich: den Klavierauszug [515] von Wellington's Sieg und den der A-Dur-Symphonie Op. 92, das Trio in B Op. 97 und die Sonate für Klavier und ViolineOp. 96, für die Summe von 130 holländischen Dukaten in Gold, nach englischem Kurswerte 65 Pfund Sterling. Die Korrespondenz zwischen dem Komponisten und dem Verleger, wie sie von Herrn Birchalls Nachfolgern aufbewahrt worden ist38, beginnt mit einem Schriftstücke in wunderlichem Englisch, welches bisher als ein aus Wien erhaltener Brief gegolten hat, aber ersichtlich nichts anderes ist, als der Versuch irgendeines in England wohnenden Deutschen, den Inhalt des folgenden Briefes Beethovens englisch wiederzugeben.

An Mr. Birchall.


»Wien, den 28ten Oktober 1815.


Euer Wohlgeboren!


Ich melde ihnen, daß die Schlacht und Siegs Simphonie auf Wellingstons Sieg im Klavierauszuge schon vor mehreren Tagen nach London abgeschickt worden, und zwar an daß Hauß Thomas Coutts' in London, wo [516] sie selbe abholen können. – ich bitte sie sich so viel als möglich zu beeilen, dieselbe zu stechen, und mir den Tag zu bestimmen, wann sie solche herausgeben wollen, damit ich diesen dem hiesigen Verleger bey Zeiten anzeigen könne – mit den nachfolgenden 3 wercken hat es nicht so große Eile nöthig die sie ehestens erhalten werden und wo ich ihnen den Tag mir die Freiheit nehmen werde, selbst bestimmen werde. – Hr. Salomon wird die güte haben, ihnen näher auseinander zu setzen, warum es mit der Schlacht und Sieges Simphonie mehr eile hat. –

in Erwartung einer sehr baldigen antwort in rücksicht der Bestimmung des Tages der Herausgabe des nun erhaltenen werkes


verbleibe

ich

ergebener

Diener

Ludwig van Beethoven.«


Wir kommen nun zu einem der wichtigsten und zugleich traurigsten Ereignisse in Beethovens Leben, einem Ereignisse, welches auf seine ferneren Lebensjahre von tiefgreifendem Einflusse gewesen ist – dem Tode seines Bruders Karl. Wir leiten dasselbe mit dem Testamente Karls ein.


»In der Gewißheit, daß jeder Mensch sterben muß und ich mich diesem Ziele nahe fühle, habe ich jedoch bei vollkommenem Gebrauche meines Verstandes frei und ungezwungen für gut befunden, folgende letztwillige Anordnung zu treffen.

1. Empfehle ich meine Seele in die Barmherzigkeit Gottes, meinen Leib aber der Erde, aus der er gekommen, und will, daß derselbe dem christkatholischen Gebrauche gemäß auf die einfachste Art zur Erde bestattet werde.

2. Sollten alsobald nach meinem Tode 4 h. Messen gelesen werden, wozu ich 4 Gulden bestimme.

3. Haben meine unten eingesetzten Universalerben die gesetzlichen frommen Vermächtnisse zu entrichten.

4. Da mir meine Ehegattin bei unserer Verehligung richtig 2000 fl. in B. Obligationen zugebracht und übergeben hat, ich aber dieselbe hierüber nicht quittirt habe, so bestätige ich hiermit den richtigen Empfang dieser 2000 fl. B. Obligationen und will also, daß diese 2000 fl. B. Obligationen, so wie die Niederlage in Gemäßheit des vorhandenen Heirathsvertrages berichtigt werden.

5. Bestimme ich zum Vormunde meinen Bruder Ludwig van Beethoven. Nachdem dieser mein innigst geliebter Bruder mich oft mit wahrhaft brüderlicher Liebe auf die großmüthigste u. edelste Weise unterstützt hat, so erwarte ich auch fernerhin mit voller Zuversicht und im vollen Vertrauen auf sein edles Herz, daß er die mir so oft bezeigte Liebe und Freundschaft auch bei meinem Sohn Karl haben und alles anwenden wird, was demselben nur immer zur geistigen Bildung meines Sohnes und zu seinem [517] ferneren Fortkommen möglich ist. Ich weiß er wird mir diese meine Bitte nicht abschlagen.

6. Da ich von der Rechtlichkeit des Hrn. Dr. Schönauer Hof- und Gerichtsadvocaten überzeugt bin so ernenne ich denselben zum Kurator für die Pflegung der Abhandlung sowohl als auch sonsten für meinen Sohn Karl mit dem Beisatze, daß derselbe bei allen Angelegenheiten, welche das Vermögen meines Sohnes betreffen, zu Rathe gezogen werden soll.

7. Da die Erbeinsetzung das wesentliche eines Testaments ist so ernenne und setze ich zum Universalerben meines sämmtlichen nach Abzug der vorhandenen Schulden, und obigen Vermächtnissen meine geliebte Gattin Johanna geborne Reiß, und meinen Sohn Karl dergestalt ein, daß mein gesammter Nachlaß unter sie in zwei gleiche Theile getheilt werden solle.

8. Muß ich noch bemerken, daß der vorhandene Wagen, Roß, Gaiß, die Pfauen39 und die in dem Garten in Geschirren vorfindigen Pflanzen ein Eigenthum meiner Gattin sind, indem diese Gegenstände sämmtlich von dem aus der Verlassenschaft ihres Großvaters überkommenen Gelde angeschafft worden sind.

Zur wahren Urkunde dessen habe ich diese meine letzte Willenserklärung nicht nur eigenhändig unterschrieben sondern zur Mitfertigung auch drei Hrn. Zeugen eigends ersucht.

So geschehen, Wien den 14. November 1815.


Karl van Beethoven.

m. p.

Carl Gaber, m. p.

Hausinhaber am Breitenfeld. Nr. 9.

Benedikt Gaber, m. p.

Hausinhaber am Breitenfeld Nr. 25.

Johann Naumann m. p.

Haus No. 5. Breitenfeld.«


[»Dieses Testament wurde von dem Karl Scheffer Sollicitator Dr. Schönauer am 17. Nov. 1815 bei dem K. K. N. Oe. Landrecht versiegelt überbracht« u.s.w.]


»Nachtrag zu meinem Testamente. –


Da ich bemerkt habe daß mein Bruder Hr. Ludwig van Beethoven meinen Sohn Karl nach meinem allfälligen Hinscheiden ganz zu sich nehmen und denselben der Aufsicht und Erziehung seiner Mutter gänzlich entziehen will, da ferner zwischen meinem Bruder und meiner Gattin nicht die beste Einigkeit besteht, so habe ich für nöthig gefunden, nachträglich zu meinem Testamente zu verfügen, daß ich durchaus nicht will, daß mein Sohn Karl von seiner Mutter entfernt werde, sondern daß derselbe immerhin und in so lange es seine künftige Bestimmung zuläßt bei seiner Mutter zu verbleiben habe, daher denn dieselbe so gut wie mein Bruder die Vormundschaft über meinen Sohn Karl zu führen hat. Nur durch Einigkeit kann der Zweck, den ich bei Aufstellung meines Bruders zum Vormunde über meinen Sohn gehabt habe, erreicht werden, daher empfehle ich zum Wohl meines Kindes meiner Gattin Nachgiebigkeit meinem Bruder aber mehr Mäßigung.

[518] Gott lasse sie beide zum Wohl meines Kindes einig seyn. Dieß ist die letzte Bitte des sterbenden Gatten und Bruders.

Wien den 14. November 1815.


Karl van Beethoven

m. p.


Wir Endesgefertigte bestätigen der Wahrheit gemäß daß Herr Karl van Beethoven in unserer Gegenwart erklärt habe, daß er jenseitige Urkunde gelesen, und selbe seinem Willen gemäß sey, endlich bestätigen wir, daß er dieselbe in unserer Gegenwart eigenhändig unterschrieben und uns zu Zeugen ersucht habe.

So geschehen den 14. Nov. 1815.


Carl Gaber m. p.

Benedikt Gaber m. p.

Johann Neumann m. p


[»Dieses Codicill wurde von dem Karl Scheffer, Sollicitator Dr. Schönauer am 17. Nov. 1815 bei dem K. K. N. Oe. Landrecht versiegelt überbracht« u.s.w.]


Am 20. Nov. 1815 brachte die Wiener Zeitung die Nachricht, daß am 15. November Hr. Karl van Beethoven, Kassier bei der K. K. Banks, Hauptkasse, alt 38 I.40 in der Alservorstadt No. 121 an der Lungensucht gestorben sei.

So starb Beethovens Bruder Karl in seinem eigenen Hause. Seine letzten Augenblicke kamen so plötzlich, daß bei Beethoven der Verdacht aufstieg, sein Ende sei durch Gift beschleunigt worden! Und er ließ sich darüber nicht eher beruhigen, als bis sein Freund Bertolini nach dem Tode eine Untersuchung angestellt hatte, »wobei sich der Ungrund des Verdachts erwies«.

Wenige Wochen vor seinem Tode hatte Karl auf Grund seiner schwachen Gesundheit gebeten, ihn von seinem Dienste zu beurlauben; sein Gesuch aber war in rauher Form abgelehnt worden durch eine Verfügung, auf welche Beethoven später die Worte schrieb: »Dieses elende Kameralprodukt hat den Tod meines Bruders verursacht«. Tatsächlich jedoch hat dasselbe gewiß nur wenig Einfluß ausgeübt; sein Fall gehörte offenbar zu jenen sehr häufigen Fällen von Abzehrung, in welchen bei dem Patienten keine Zeichen von unmittelbarer Gefahr zu bemerken sind, außer für erfahrene Augen. Noch in den letzten Augenblicken finden solche Kranke sich frei von Schmerzen und von einer Lebhaftigkeit des Geistes erfüllt, welche in ihnen eine eitle Hoffnung auf längeres Leben erweckt. Es ist [519] dies das letzte Aufflackern der Flamme, wie dem erfahrenen Arzte wohl bekannt ist.

Wie oben bemerkt, wurde Karl van Beethovens Testament am 17. November bei der betreffenden Behörde niedergelegt, und »vom K. K. N. Oest. Landrecht wurde am 22. November 1815 die Witwe Johanna van Beethoven zur Vormunderin, der Bruder des Erblassers Ludwig van Beethoven aber zum Mitvormund des m. Sohnes Karl aufgestellt«.

Ein Brief Beethovens an Frau Antonie von Brentano, der sich jetzt im Besitz des Beethovenhauses zu Bonn befindet (zuerst veröffentlicht durch A. Kalischer in der Vossischen Zeitung 26. Juli 1903 und in Sämtl. Br. II. 310), spricht zwar von einer Pensionierung Karls; doch wird derselbe vielleicht direkt nach Karls Eingabe geschrieben sein vor dem abschläglichen Bescheid. Die bezügliche Stelle lautet:


»unter den Individuen (welche Anzahl ins unendliche geht), die leiden, ist auch mein Bruder, der sich seiner schlechten Gesundheit wegen pensioniren mußte lassen, der Zustand ist sehr hart zur jetzigen Zeit, ich thue was mir nur möglich, allein das kleckt nicht.«


Er bietet dann Brentano einen Pfeifenkopf Karls an, von dem dieser glaubt, daß er für 20 Louisdor (!) wieder verkauft werden könne; dazu bemerkt er noch:


»er braucht viel muß sich Pferd und Wagen halten, um leben zu können (denn sein leben ist ihm sehr lieb, so wie ich das meinige gern verlöhre!!)« –


Daß uns so lange Zeit Breunings Name nicht begegnet, versucht die erste Auflage an dieser Stelle mit der Denunziations-Affaire zu erklären, über die wir im 2. Bd. S. 345 Anm. 1 berichtet haben (der Expeditionsadjunkt Rösgen ließ Beethoven durch Breuning aufmerksam machen, daß Karl in Geldangelegenheiten nicht ganz zuverlässig sei, und Beethoven beging die Unvorsichtigkeit, den Bruder zur Rede zu stellen unter Berufung auf Breuning, obgleich er diesem versprochen hatte, ihn nicht zu nennen). Gerhard von Breuning (Aus dem Schwarzspanier-Hause S. 47) verlegt die Sache in die Zeit vor 1804, Thayer in diese späte Zeit. Vielleicht ist ein Mittelweg das rechte, nämlich die Annahme, daß der »Rachegeist« (S. 55) die Angelegenheit etwa ins Jahr 1807 verweist. Die Versöhnung im Jahre 1804 (II2, 432) war ja das Ende eines Brouillements, dessen Ursache wir bestimmt kennen (wegen der unterlassenen Aufkündigung der Wohnung). Doch macht ein Brief von 1813 (S. 398) vielleicht einen anderen Zeitpunkt wahrscheinlich.

Es besteht ein auffälliger Widerspruch zwischen Beethovens Berufungen [520] auf seine Armut in den Briefen, welche er während dieser Periode an englische Korrespondenten schrieb, und den Tatsachen, welche aus amtlichen und sonstigen authentischen Quellen bekannt sind. Wir müssen einen Augenblick bei diesem Punkte verweilen.

Beethoven befand sich in jener Zeit, zu Ende 1815, im regelmäßigen Genusse seines Jahrgehaltes von 3400 Gulden in Einlösungsscheinen (S. 491). Im März und April waren ihm seine Rückstände im Betrage von 4987 Gulden in Einlösungsscheinen ausbezahlt worden. Die Einnahmen aus seinen Konzerten seit dem 1. Januar 1814, nebst den Geschenken von gekrönten Häuptern und anderen, waren, wenn wir Schindler, der aus genauer Kenntnis zu sprechen scheint, Glauben schenken dürfen, hinreichend, um es ihm nicht lange nachher möglich zu machen, jene sieben Bankscheine zu kaufen, welche bei seinem Tode »nach dem Kurse des Sterbetags laut Börsezettel« einen Wert von 7441 Gulden in Konventionsmünze hatten. Neate hatte ihm 75 Guineen bezahlt; für die Werke, die er an Steiner & Co. verkauft hatte, war er »vollständig befriedigt worden«; im März (1816) erhielt er von Mr. Birchall 65 Pfund Sterling: und dazu kamen noch Zahlungen von Thomson und andern, deren Betrag nicht genau bestimmt werden kann.

Der Widerspruch zwischen diesen Tatsachen und Beethovens Klagen wird weder durch seine Steuern – 60 Pfund für 1814, wie er Thomson erzählte –, noch durch die 10000 Gulden W. W., welche er zur Unterstützung seines Bruders ausgegeben hatte, wesentlich vermindert, mag man nun die »Wiener Währung« in dem Briefe an Ries als die alte (5 auf einen), oder als die neue in Einlösungsscheinen verstehen; denn diese Unterstützung des Bruders verteilt sich auf eine Reihe von Jahren. In diesem Briefe an Ries hat der Leser auch Gelegenheit zu bemerken, wie sorglos Beethoven mitunter bei seinen Behauptungen verfuhr, wo er nämlich von dem »mehrjährigen gänzlichen Verluste des Gehalts« spricht. Denn um nicht noch einmal den Empfang des Betrages aus Kinskys und Lobkowitzs Subskription zu erwähnen, der eine Zeitlang ihm vorenthalten gewesen war, so war jedenfalls des Erzherzogs Anteil ununterbrochen pünktlich bezahlt worden. Die Verschweigung dieser Tatsachen in diesem und anderen Briefen erregte bei Ries eine vollständig falsche Vorstellung, und bei ihrer Veröffentlichung im Jahre 1838 auch beim Publikum. Daraus entstand die allgemeine Annahme, Beethoven wäre damals in sehr bedrängten Umständen gewesen und Karls Witwe und Kind wären in der drückendsten Armut zurückgelassen worden. Die [521] Wahrheit hinsichtlich der letzteren ist die, daß ihnen das hinterlassene Vermögen ein jährliches Einkommen einbrachte, welches mit Hinzurechnung der Pension der Witwe sich zu jener Zeit auf ungefähr 1500 Gulden belief41. Von dem Tage an, da Beethoven sein Amt als Vormund übernahm und Besitz von dem Knaben ergriff, hatte er einen gegründeten Anspruch an die Mutter auf Tragung eines Teiles der Kosten zu dessen Unterhaltung; und dieser Anspruch wurde bald nachher durch richterliche Entscheidung bestätigt. Wenn er es später vorzog, lieber seine eigenen Mittel anzugreifen, als seine Schwägerin zu drängen, so ist das keine Rechtfertigung für seine unüberlegten Behauptungen in einigen seiner Briefe aus jener Zeit; eine Sache, die wir im Gedächtnis behalten müssen.

Wir geben nunmehr den Brief an Ferdinand Ries42.


»Mitwoch am 22. November. Wien 1815.


Lieber R.! Ich eile Ihnen zu schreiben, daß ich heute den Klavier-Auszug der Sinfonie in A auf die Post an das Hauß Thomas Coutts & Comp. abgeschickt habe, da der Hof nicht hier ist, gehen beinahe gar keine oder selten Kurire, auch ist dies überhaupt der sicherste Weg. Die Sinfonie müßte gegen März herauskommen, den Tag werde ich bestimmen, es ist diesmal zu lange zugegangen, als daß ich den Termin kürzer bestimmen könnte, – in dem Trio und der Sonate für Violin kann es mehr Zeit haben, und beides wird in einigen Wochen auch in London sein – ich bitte sie recht sehr, lieber Rieß! sich anzunehmen um diese Sachen, auch damit ich das Geld erhalte; es kostet viel, bis alles hinkommt und ich brauche es – ich habe 690 Fl. an meinem Gehalte jährlich eingebüßt zu Zeiten der B. Z.43 war es gar nichts, dann kamen die Einlösungss. und hierbei verlor ich diese 600 Fl. mit mehreren Jahren Verdruß und gänzlichem Verlust des Gehaltes – nun sind wir auf dem Puncte, daß die E. s.44 schlechter als ehemals die B. Z. waren; ich bezahle 1060 Fl. Hauszins; machen Sie sich einen Begriff von dem Elend, welches das Papiergeld hervorbringt. Mein armer, unglücklicher Bruder ist eben gestorben; er hatte ein schlechtes Weib, ich kann sagen, er hatte einige Jahre die Lungensucht, und um ihm das Leben leichter zu machen, kann ich wohl das, was ich gegeben, auf 10060 Fl. W. W. anschlagen. Das ist nun freilich für einen Engländer nichts, aber für einen armen Deutschen oder vielmehr Oesterreicher sehr viel. Der Arme hatte sich in seinen letzten Jahren sehr geändert, und ich kann sagen, ich bedaure ihn von Herzen, und mich freut es nunmehr, mir selbst sagen zu können, daß ich mir in Rücksicht seiner Erhaltung nichts zu Schulden kommen ließ. – Sagen Sie dem Herrn Birchall, daß er H. Salomon und Ihnen das Briefporto, [522] welches ihre Briefe an mich und die meinigen an sie kosten, vergüte; derselbe kann mir es abziehen an der Summe, die er mir zu bezahlen, ich habe gern, daß diejenigen, welche für mich wirken, so wenig als möglich leiden.

Wellingtons Sieg in der Schlacht bei Vittoria ›Dies ist zugleich der Titel auf dem Clavier-Auszuge‹ muß längst angekommen sein bei Th. Coutts et Comp. Hr. Birchall braucht nicht eher das Honorar zu bezahlen, bis er alle Werke hat. Eilen Sie nur, daß ich die Bestimmung des Tags, wann Hr. Birchall den Clavier-Auszug herausgibt, erhalte. Für heute nur noch die wärmste Anempfehlung meiner Angelegenheiten; ich stehe ihnen, in was nur immer, zu Diensten. Leben Sie herzlich wohl, lieber R.!


Ihr Freund

Beethoven.«


An dem nämlichen Tage schrieb er an Birchall.


»Wien den 22. Nov. 1815.


Inliegend erhalten Sie den Clavierauszug der Symphonie in A. Der Clavierauszug der Symph. Wellingtons Sieg in der Schlacht von Vittoria ist vor 4 Wochen mittelst des Geschäftsträgers Herren. Neumann, an die H. H. Coutts & Co. nach dorthin abgegangen, welche demnach schon längst in Ihren Händen sein müssen.

In 14 Tagen erhalten Sie noch das Trio und die Sonate, wogegen Sie and. H. Thomas Coutts & Co. die Summe von 130 Gold ⌗ bezahlen wollen. Ich bitte Sie sich mit Herausgabe dieser Musikstücke zu beeilen, und mir alsogleich den Tag der Herausgabe von Wellingtons Symphonie anzuzeigen, um daß ich hier meine Maasregeln darnach nehmen kann. Mit Hochachtung verharre ich


Ergebenst

Ludwig van Beethoven

m. p


Das Trio und die Sonate wurden jedoch nicht nach 14 Tagen, sondern erst am 3. Febr. 1816 abgeschickt, wie der von Deiters (a.a.O. S. 91) 1888 erstmalig veröffentlichte Brief vom 10. Februar 1816 an Ries besagt:


»Werthester Freund.


Ich zweifle nicht, daß Sie meine Zuschrift v. erhalten haben; mit gegenwärtigem zeige ich Ihnen blos an, daß ich nunmehr auch unter dem 3 dieß das grand Trio und die Sonate an Herrn Birchall mittelst des Hauses Thomas Coutts et Co. geschickt habe, wofür er an letztere die bedungene Summe von 130 holl.Ducaten zu bezahlen hat. Allein außerdem treffen ihn die Auslagen Copiatur und das Postporto, zumal letzteres blosseinetwegen, um ihn schneller zu bedienen, an die Briefpost ausgelegt ward. Die desfällige Note finden Sie am Ende dieses, – ich bitte Sie angelegentlich sich eifrigst zu verwenden, daß H. Birchall gedachten Spesenbetrag in ⌗ 10 holl.

[523] reducirt, an die Herren Coutts et Co. bezahle, da der Verlust dieser Summe einen großen Theil meines ganzen Honorars aufzehrte – ich glaube bald Gelegenheit zu finden H. Birchall auf andere Art verbinden zu können. Ich sehe recht bald Ihrer Antwort entgegen und verharre mit freundschaftlicher


Ihr ergebener Freund

Ludwig van Beethoven.«

(folgt die Kostenberechnung)


65 Pfund Sterling war in jenen Tagen keine geringe Summe für das bloße Recht, diese Klavierwerke und Arrangements in England noch einmal herauszugeben, und Ries verdiente reichlich folgende Worte seines alten Lehrers: »Und nun meinen herzlichen Dank, lieber Ries, für alles, was Sie mir Gutes erwiesen, und insbesondere noch der Correcturen wegen. Der Himmel segne Sie und mache Ihre Fortschritte immer größer, woran ich den herzlichsten Antheil nehme.«

Um den ersten Dezember wurde Beethoven folgende ehrenvolle Urkunde »durch eine Magistrats-Deputazion feierlich übersandt«.


L. S.

L. S.


»Von dem Magistrate der K. K. Haupt- und Residenzstadt Wien wird dem Herrn Ludwig van Beethoven über Einschreiten der Bürgerspitals Wirthschafts, Kommission, und in Berücksichtigung daß Derselbe im vorigen Jahre die Aufführung seiner musikalischen Instrumental-Komposition zum Besten der in dem Hospital zu St. Marx befindlichen Bürger, Bürgerinnen, und Bürgerskindern, nicht nur unentgeltlich überlassen, sondern auch mit anspruchsloser Bereitwilligkeit hiebey die Leitung persönlich übernommen und durch diese menschenfreundliche Bemühung dem Bürgerspitals-Armen-Fonds eine so reichliche Einnahme verschafft hat, daß hierdurch den armen von Alter und Gebrechlichkeit gebeugten Bürgern, Bürgerinnen und Bürgerskindern Erquickung und Linderung ihres Schicksales verschafft werden konnte, das Bürgerrecht dieser Haupt- und Residenzstadt als ein Beweis der Anerkennung seiner Verdienste und der Werthschätzung dieser guten Gesinnungen taxfrey verliehen.

Wien den 1ten November 1815.


Stephan Edler von Wahllehen

K. K. wirkl. n. ö. Reggsrath

und Bürgermeister.

Jos. Karl Gruber

Magistratsrath.

Johann Vogelstätter

Sekretair.«

(Adresse auswärts)

»An

Herrn Ludwig

van Beethoven.«


[524] Am 29. September richtete Ries in Vertretung Salomons, welcher durch einen Sturz vom Pferde sich die rechte Schulter gebrochen hatte, einen Brief an Beethoven und teilte ihm mit, daß die drei von Neate für die philharmonische Gesellschaft gekauften Ouvertüren in London noch nicht angelangt wären. Beethoven erzählte dies Neate, welcher noch in Wien war, im Dezember und erklärte sich bereit, jede verlangte schriftliche Erklärung über diese Dinge in England abzugeben. »Ich wünsche nicht, daß man annehme, daß ich anders handeln könne, wie ein Mann von Ehre. Es gibt freilich Leute von so unbeständiger Sinnesart, daß sie heute so und morgen so denken, und auch sich andere ebenso bereitwillig vorstellen, ihre Gesinnungen zu ändern; mit solchen Naturen kann man nicht bestimmt und mißtrauisch genug sein«45.

Salomons unglücklicher Fall hatte sich im August ereignet; er lebte nur noch bis zum 25. November. Welches Ansehen er in England genoß, wird mehr als durch irgend etwas anderes durch die Tatsache dargetan, daß die sterblichen Überreste dieses Bonner Violinisten in der Nähe derer von Händel in der Westminster-Abtei ruhen. –

Schindler tadelt an einer Stelle die Gesellschaft der Musikfreunde, daß sie so lange gezögert habe, Beethoven zu ihrem Ehrenmitgliede zu machen. Dieselbe tat etwas Besseres. Sie war kaum organisiert, als ihr Vorstand seine Aufmerksamkeit auf ihn richtete, und im zweiten Jahre ihres gesetzlichens Bestehens schlug sie ihm durch Zmeskalls Vermittelung die Komposition eines Oratoriums zu ihrem Gebrauche vor. Am 22. Dezember berichtete Graf Apponyi, »daß Hr. L. v. Beethoven durch Hrn. v. Zmeskall sich bereit erklärt habe, ein großes Werk für die Gesellschaft zu liefern, und daß der leitende Ausschuß seinen Bedingungen entgegen sehe«. Es war lediglich eine Forderung gewöhnlichen Anstandes und natürlichen Zartgefühls, daß man ihm jede Verpflichtung gegen die Gesellschaft fern hielt, bis diese geschäftliche Angelegenheit geordnet war; insbesondere aber bietet uns der Umstand, daß Streicher einer der hauptsächlichsten Gründer und eins der einflußreichsten Mitglieder der Gesellschaft war, hinlängliche Gewähr, daß keine Mißachtung, keine Gleichgültigkeit gegen seine großen Verdienste mit der Verzögerung, welche Schindler tadelt, irgend etwas zu schaffen hatte. Wir werden später erfahren, daß, sobald es feststand, daß Beethoven nicht imstande war, [525] jenen Auftrag zu erfüllen, die Gesellschaft ihm ihr Ehrendiplom zusandte. Konnte sie dieses wohl früher tun?46

Von bemerkenswerten neuen Freunden und Bekannten Beethovens mögen hier genannt werden: Peters, der Erzieher der jungen Prinzen Lobkowitz, und Carl Joseph Bernard, ein junger Schriftsteller und Dichter (er überarbeitete Weißenbachs Gedicht) und ein großer Bewunderer von Beethovens Musik; er wurde nicht lange nachher als offizieller Herausgeber der Wiener Zeitung angestellt. Er ist der Bernardus non sanctus in den Konversationsbüchern; und die Namen der beiden bildeten den Text zu einem musikalischen Scherze Beethovens, dessen Worte lauteten:


»Sanct Petrus war ein Fels!

Bernardus war ein Sanct??«


Ein anderer Freund war Anton Halm, »ob dessen frischen, soldatischen Wesens Meister Ludwig sich freute«, wie Schindler sagt. Derselbe war in Steiermark geboren und damals 26 Jahre alt. Er hatte einige Jahre gegen Napoleon gedient und dann (1812) seine Stelle als Leutnant im 44. Regiment niedergelegt. Er war ein Klavierspieler von sehr anerkennenswerter Fertigkeit und vor seinem Eintritt in die Armee sogar öffentlich aufgetreten in Beethovens C-Moll-Trio Op. 1 und dem C-Dur-Konzert Op. 15. Er war damals drei Jahre in Ungarn gewesen und hatte während des dritten Jahres bei seinem Freunde Brunswik gewohnt, welcher ihm bei seiner Abreise nach Wien einen Brief an Beethoven mitgab; er reiste nach Wien, um dort Erzieher in einer griechischen Familie Gyike zu werden. Durch seine Vermittelung wurde Beethoven einst, wie er dem Verfasser erzählte, zu jener Familie eingeladen. Halm erinnerte sich u.a., wie Beethoven sich auf den Tisch setzte, den Damen zuschaute und dabei lachte; natürlich konnte er nichts von dem verstehen, was gesprochen wurde. Auf dem Tische lag Halms Trio Op. 12, ganz neu gestochen. Beethoven bemerkte es, las den Titel, nahm seinen Bleistift und schrieb zwischen die Namen Antoine und Halm das Wort »Stroh«. Dann suchte er Halm auf, nahm ihn bei der Hand, führte ihn zum Tisch und zeigte herzlich lachend mit dem Finger auf das Geschriebene.

[526] Bei einer anderen Gelegenheit brachte ihm Halm, wie Czerny erzählt, seine Sonate in G-moll. Als Beethoven ihn auf einige Inkorrektheiten aufmerksam machte und Halm erwiderte: »Er (B.) habe sich auch manches gegen die Regel erlaubt«, sagte Beethoven: »ich darf das; Sie nicht.«

Des jungen Schindler Bekanntschaft mit Beethoven war ebenfalls einen Schritt vorwärts gekommen. »Gegen Ende Februar 1815,« schreibt er, »folgte ich einem Antrage zur Übernahme einer Erzieherstelle nach Brünn. Kaum daselbst angekommen, erhielt ich eine Vorladung zur Polizei. Ich wurde befragt, in welcher Verbindung ich mit einigen der Tumultuanten an der Wiener Universität stehe, ich sollte ferner Auskunft geben über einige Italiener in Wien, mit denen ich öfters zusammen gesehen worden. Da noch meine Legitimationspapiere, vornehmlich der Ausweis über frequentierte Collegia, nicht in guter Ordnung gewesen, letzterer wirklich mangelhaft war – nicht durch meine Schuld – so ward ich festgehalten, ungeachtet ein hochstehender Staatsbeamter für mich Bürgschaft zu leisten sich erboten hatte. Durch Hin-und Herschreiben. wurde nach einigen Wochen ermittelt, daß ich kein Propagandamacher, sonach der Freiheit wieder zu geben sey. Aber ein volles Jahr in meiner akademischen Laufbahn war verloren.

Wieder nach Wien zurückgekommen erhielt ich alsbald von einem näheren Bekannten Beethovens die Einladung, mich an einem bestimmten Orte einzufinden, indem der Meister den Vorfall in Brünn aus meinem Munde hören wolle. Bei dieser Mittheilung offenbarte Beethoven eine so wohlwollende Theilnahme an meinem widrigen Erlebniß, daß ich mich der Thränen nicht erwehren konnte. Er forderte mich auf, mich öfters an demselben Orte und zur selben Stunde, 4 Uhr Nachmittags, einfinden zu wollen, wo er fast täglich zu treffen sey – um Zeitungen zu lesen. Ein Händedruck besagte noch weiteres. Dieser Ort war ein abgelegenes Zimmer in der Bierwirthschaft zum Blumenstock im Ballgäßchen. Ich fand mich recht oft ein, und es dauerte nicht lange, so lernte ich dieses Local als eine Quasi-Krypta einer kleinen Anzahl Josephiner von reinstem Wasser kennen, zu denen unser Tonmeister eben keine Dissonanz gebildet, denn sein republikanisches Glaubensbekenntniß hatte durch nähere, in diese Zeit fallende Bekanntschaft mit der englischen Staatsverfassung bereits einen empfindlichen Stoß erlitten. Ein Capitain von der Arcieren-Leibgarde des Kaisers, und der dem musicalischen Wien allgemein bekannte Herr Pinterics, der in Franz Schubert's Künstlerleben eine [527] wichtige Rolle spielt, waren des Meisters nächste Gesellschafter und im Austausch politischer Ansichten sowohl anregende, wie auch übereinstimmende Secundanten. Von diesem Orte aus folgte ich ihm alsbald oft auf seinen Spaziergängen.«

Schindlers Vertraulichkeit mit Beethoven hatte jedoch damals noch nicht den Grad erreicht, um ihn da, wo er über diese Zeit schreibt, vor Irrtümern zu bewahren. So versichert er uns ernsthaft, ein Konzert, welches am 25. Dezember stattfand, habe den nächsten Anstoß gegeben, »daß der Wiener Magistrat den Beschluß gefaßt unseren Meister unter die Ehrenbürger aufzunehmen«; und doch war die Nachricht über die feierliche Übersendung des Diploms schon in den Wiener Zeitungen vom 15. Dezember zu lesen gewesen.

Dieses Konzert, welches im großen Redoutensaale stattfand und von Beethoven dirigiert wurde, war zum Besten des Bürgerspitalfonds veranstaltet worden; die aufgeführten Werke waren:

1. Eine ganz neue Ouvertüre – die in C Op. 115, als die zur »Namensfeier« bekannt;

2. Ein neuer Chor über Goethes Gedicht: die Meeresstille. Während der Zwischenzeit zwischen diesem und dem folgenden Stücke spielte Franz Stauffer, der 12 jährige Sohn eines Wiener Bürgers, einRondo brillant von Hummel.

3. Christus am Ölberge.

»Die ungewöhnlich zahlreiche Versammlung von Zuhörern aus allen Classen wurde durch die Gegen wart mehrerer höchster und hohen Herrschaften verherrlicht. Diese gelungene Unternehmung dankt die Bürger-Spitals-Verwaltung vorzüglich der menschenfreundlichen Unterstützung des Herrn Ludwig van Beethoven, welcher diese musikalischen Werke der Bürger-Spitals-Anstalt zur Aufführung unentgeltlich überließ, so wie auch der anspruchslosen Bereitwilligkeit, mit welcher auf gleiche Weise Hr. Wranitzky die Direkzion des Orchesters, Hr. Umlauf den Platz am Clavier, endlich Madame Campi, nebst den Herren Radichi und Weinmüller die Ausführung der Solopartieen und Franz Stauffer den Vortrag des Rondo zur Beförderung dieses wohlthätigen Zweckes übernommen haben.«

So berichtet die Wiener Zeitung vom 6. Januar des folgenden Jahres. –


Kompositionen des Jahres 1815.

[528] Die Liste der Kompositionen des Jahres ist klein, doch erweist Nottebohms Untersuchung der beiden Skizzenbücher des Jahres (II. Beeth. 314–20 [das Taschenheft] u. S. 321 –48), daß Beethoven sich auch mit Entwürfen getragen hat, die nicht zur Ausführung gelangten (Symphonie H-Moll, Klavierkonzert D-Dur, mehrere Fugen, Versuche sich mit dem Opernbuche »Bachus« zu befreunden u.a.); auch enthalten dieselben Vorarbeiten für Werke, die dem Jahre 1816 angehören (Liederkreis »An die ferne Geliebte«, Sonate Op. 101). Ferner erweisen Skizzen zu der Ouvertüre Op. 115, daß deren letzte Fertigstellung ihn noch 1815 beschäftigt hat. Das einzige größere Instrumentalwerk des Jahres sind die beiden Violoncellsonaten Op. 102 (C-Dur und D-Dur), welche im Frühjahr 1817 bei N. Simrock in Bonn ohne Widmung und 1819 mit Widmung an die Gräfin Erdödy bei Artaria herauskamen (vgl. Bd. IV, S. XI.). Die Autographen tragen nach Thayers Verzeichnis Nr. 198 die Datierungen: Nr. 1 (im Besitze O. Jahns) »Freye Sonate 1815 gegen Ende, Juli«, Nr. 2 (im Besitze von Artaria) »Anfangs August 1815«.

Die beiden Sonaten unterscheiden sich ähnlich wie die beiden Trios Op. 70, doch erreicht die im ersten Satz einen kecken Ansprung nehmende D-Dur-Sonate bei weitem nicht den Schwung und Elan des D-Dur-Trios. Beide Werke erfordern übrigens sehr umsichtige Spieler und besonders einen intonationssicheren Cellisten, da an Stellen, welche das Cello sehr exponieren und isolieren, kein Mangel ist. Der Satz ist zum Teil rein dreistimmig mit sehr weiten Lagen, die nur bei exaktester Intonation und verständnisvollster Interpretation des motivischen Gehalts klingen. Die erste Sonate in C-Dur ist nur einsätzig, aber mit dreimaligem Tempowechsel. Das Andante zu Anfang und vor dem ausgeführten abschließenden Allegro vivace 2/4, verarbeitet Motive, die entschieden an den Trioteil der Ouvertüre zu den Ruinen von Athen erinnern (vgl. S. 292):


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Den ganz phantasieartigen Charakter des Andante versucht das anschließende Vivace 4/4, A-Moll (in Sonatenform mit Reprise des ersten [529] Teils) zu verwischen, ist aber im ganzen zu knapp gefaßt und kleingliedrig, um das wirklich zu erreichen. Gewarnt sei vor dem Mißverstehen der Triolenpartien des Violoncells; die sforzati markieren nicht Motivanfänge sondern Motivenden (mit Hinaustreibung der Schwerpunktnoten, Vorhalte nach oben):


10. Kapitel. Das Jahr 1815

(Beim 4. Viertel ist das sf als überflüssig weggelassen, da das Klavier die Harmonie klarstellt.) Das kurze Adagio vor Wiedereintritt des Andante ist durchaus schon letzter Beethoven in Harmonik, Figuration und Absprüngen der Melodik; reizend ist die Miniatur-Melodie, mit der es rührend den Schluß anbahnt:


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Dasselbe soll wohl den wiederholt mit ähnlicher Wirkung kadenzierenden Gedanken des Schlußteiles vorbilden:


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Die anfängliche harmlose Heiterkeit dieses Schluß-Rondo wird in der Mitte durch eine Durchführungspartie straffer motivischer Arbeit kontrastiert.

Die zweite Sonate (D-Dur) hat mehr die gewohnte Satzordnung, nämlich einen ersten Allegrosatz in Sonatenform (den die C-Dur-Sonate, wie aufgewiesen, zwischen die langsamen Partien einschiebt), einen ziemlich ausgeführten langsamen Satz und ein fugiertes Finale, das aber mit dem langsamen Satze direkt verbunden ist. Zu den leichten Aufgaben gehört besonders der Schlußsatz zufolge des stachligen Beethovenschen Kontrapunkts nicht, der gar oft durch Verdeutlichung der Motivgrenzen euphonisiert werden muß. Ein zweites Thema, das sehr auffällig eintretend die Fuge zur Doppelfuge stempelt, wird aber nur kurz eingeführt und nur zweimal mit dem Hauptthema kombiniert:


10. Kapitel. Das Jahr 1815

[530] Sehr schön ist der langsame Satz, über den die fortgesetzt dem schweren Takte angefügten Anschlußmotive des Kopfthemas feierliche Ruhe breiten (Adagio con molto sentimento d'affetto):


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Aber schon das von A-Moll zu D-Moll zurückführende Zwischensätzchen bringt starke figurative Elemente, in der Melodie ausgeschriebene Doppelschläge und in Klavierbaß ein gezacktes Arpeggio:


10. Kapitel. Das Jahr 1815

und damit für die Ausführenden heikle rhythmische Probleme besonders in der reicher ausgestalteten Wiederholung nach dem in D-Dur stehenden Trio (Klavier zu derselben Melodie in Violoncello):


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Leicht ist das freilich nicht.

Auf dem von Beethoven außerhalb der Messen nur in sehr beschränktem Maß kultivierten Gebiete des Chorgesanges steht obenan [531] die Komposition von Goethes »Meeresstille und glückliche Fahrt«, Op. 112, Goethe gewidmet, für gemischten Chor und Orchester der gewohnten Symphoniebesetzung mit je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten, Trompeten und Pauken, nebst drei Hörnern (ohne Posaunen). Das Werk ist mit sicherer Hand entworfen und glücklich durchgeführt. Das Orchester tritt im er sten Teile (Meeresstille) nirgends selbständig hervor, sondern spielt nur die Gesangspartien mit und verstärkt ein paar Akzente; im zweiten Teile ist ihm dagegen eine ergänzende tonmalerische Rolle zugewiesen. Schon bevor der Gesang anhebt, regen sich Streicher und Holzbläser mit leicht gleitenden Achtel-Triolengängen, und auch während des Gesanges bleibt ihm die Aufgabe, das erwachte Leben im Spiel der Wellen, Wehen des Windes und Blähen der Segel zu illustrieren. Das Ganze ist ein wohlgelungenes, in sich abgerundetes Bild, schlicht gedacht und natürlich, die Dichtung wohl zur Geltung bringend. Die erste Aufführung fand in der Akademie am 25. Dezember 1825 zum Besten des Bürgerspitals statt, die auch die Ouvertüre Op. 115 erstmalig brachte und dazu noch eine Wiederholung des Christus am Ölberg, alles unter Beethovens persönlicher Leitung. Nur wenige Skizzen finden sich in den Skizzenbüchern Ende 1814 und Anfang 1815. Die Komposition wird schwerlich lange Zeit in Anspruch genommen haben.

Hierzu kommen nur noch eine Anzahl Lieder, nämlich zunächst »Das Geheimnis« (Wessenberg), eine sehr einfache Komposition (Ges. Ausg., Serie 23, Nr. 245); ferner die zweite Komposition von Tiedges »An die Hoffnung« Op. 94, welche gegenüber der ersten vom Jahre 1804 eine sehr fortgeschrittene Technik zeigt (der Text ist um je eine Strophe zu Anfang und zu Ende erweitert [5 statt 3] und das Ganze durchkomponiert mit mehrfachem Wechsel des Tempos und der Motivbildung); das Lied ist schon 1813 skizziert und erschien 1816, kurz bevor es der Sänger Wild (aus dem Manuskript) sang (vgl. S. 488). Weiter ist zu nennen der Chor: »Es ist vollbracht« für Treitschkes Singspiel »Die Ehrenpforten« (vgl. S. 508). Wahrscheinlich sind auch von den schottischen usw. Liedern für Thomson wieder eine Anzahl im Jahre 1815 geschrieben; doch gibt dafür die erhaltene Korrespondenz keinen bestimmten Anhalt (vgl. Anhang I). Endlich sind noch zu erwähnen als 1815 geschrieben die am 26. Januar 1816 Neate gegebenen Kanons »Das Schweigen« und »Das Reden« (Thayer, Verzeichnis Nr. 202), deren Entstehung 1815 die Skizzen beweisen (Nottebohm I, Beethoven 317 und 330). Ganz ans Ende des Jahres gehört der »freie Kanon« (4stimmig), »Glück zum [532] neuen Jahre« (gedruckt im Mai 1816, Thayer Verzeichnis 216; Ges. Ausg., Serie 23, Nr. 216).

Die Lösung des Kanons »Lerne schweigen« gibt eine Skizze (Nottebohm II. Beeth. 330) an der Hand, nämlich mit Einsatz der zweiten Stimme nach einem Takt in der Unterquinte und der 3. Stimme nach 3 Takten in der Unteroktave:


10. Kapitel. Das Jahr 1815

Der Kanon »Rede, rede« ist aufgelöst gedruckt in der Ges. Ausg., Serie 23, Nr. 256, IV.

[533] Die feststehenden Publikationen dieses Jahres sind:


1. Polonaise in C-Dur, Op. 89. Bei Mechetti, im März.

2. Sonate in E-Moll, Op. 90. Bei Steiner, im Juni (S. 479).

3. Lied: »Des Kriegers Abschied«, Text von C. L. Reißig. Bei Mechetti, im Juni.

4. Chor: »Es ist vollbracht«, Klavierauszug. Bei Steiner, im Juli (S. 532).

Fußnoten

1 Johann Evangelist Fuß, geb. um 1777 zu Tolna in Ungarn, gest. 9. März 1819 zu Ofen, ein Schüler Albrechtsbergers, war kurze Zeit Theaterkapellmeister in Preßburg, wo seine Oper, »Pyramis und Thisbe« 1800 gegeben wurde, und lebte übrigens in Wien. Vgl. Allg. M. Ztg. 21, 233 (Nekrolog).


2 Nach O. Jahns Abschrift.


3 In Jahns Notizen sind doppelt so große Summen angegeben. Diese Audienz ist wahrscheinlich dieselbe, welche Schindler als von der Kaiserin vorgeschlagen erwähnt, oder doch eine Folge von dieser (S. 465).


4 Mähler erinnerte sich nicht mehr genau des Zeitpunktes, als er im Jahre 1860 mit dem Verfasser über diesen Punkt sprach.


5 A. M. Z. XVII. 570.


6 Das. S. 122. Fuß gibt das ursprüngliche Programm vollständig, weiß aber nichts von der darin vorgenommenen Abänderung.


7 Diese Angabe ist wohl nicht verläßlich. Das Lied ist bereits 1813 komponiert und war kurz zuvor, ehe es Wild sang, erschienen (vgl. S. 532).


8 Diese Dokumente in Verbindung mit mehreren Beethovenschen Quittungen über seinen halbjährlichen Gehalt von 600 fl. wurden dem Verfasser vonDr. Schebek mit folgender Bemerkung mitgeteilt: »Vorstehende Actenstücke wurden in der fürstlich Kinsky'schen Registratur zu Prag vom Landtafeldirector Demuth aufgefunden. Die Mittheilung verdanke ich dem K. K. Landesbaudirector Dr. Conrad Schenkl, einem eifrigen und selbst ausübenden Musikfreunde – gegenwärtig in Brünn.«


9 Zum ersten Male in Prag aufgeführt den 21. November 1814. Liebich war Theaterdirektor, C. M. von Weber Kapellmeister. Vgl. S. 458.


10 Ein kürzlich gegebenes Beispiel solcher Benutzung fernliegender Materien würde lächerlich sein, wenn es nicht so traurig wäre. Es betrifft einen Fall, in welchem die gewöhnlichen Mittel, ein Vorurteil gegen Beethovens Brüder zu erregen, erschöpft waren; um nun dieselben womöglich durch eine Art von Rückwirkung noch gehässiger darzustellen, wird ein Ereignis vorgeführt und mit bitteren Kommentaren begleitet, welches mehr als 50 bzw. 20 Jahre nach dem Tode derselben stattfand! Die logische Inkonsequenz hiervon ist vollständig lächerlich; aber die Sache hat ein ernsteres Ansehen: es ist ein Akt leichtfertiger Grausamkeit gegen Lebende. Denn die Sache war im Dunkel alter Zeitungslisten begraben; dieselbe ohne Not und ohne genügenden Zweck hervorzuziehen, diente nur dazu, die frischen Wunden einer im Herzen gebrochenen und verwitweten Mutter wieder zu öffnen. (A. W. Th.)


11 Wir geben den englisch geschriebenen Brief hier in deutscher Übersetzung.


12 Wohl der Harfenvirtuose François Dizi.


13 In einem Briefe vom 19. Nov. 1875, nachdem er tags vorher bei Haslinger Nachforschung gehalten.


14 Op. 95.


15 Tremate, Empi, tremate. Op. 116.


16 Op. 97.


17 Op. 96.


18 Op. 117 (König Stephan).


19 Op. 115 (Namensfeier).


20 Op. 113 (Ruinen von Athen).


21 S. Anhang IV.


22 Bezüglich der »Thiere« vgl. Karls Testament S. 518.


23 »Bachus. Große lyrische Oper in drey Aufzügen von Rudolph vom Berge.« Personen: Jupiter. Bachus. Pluto. Proserpina. Silen. Polymnia. Thalestris, Königin der skythischen Amazonen. Lykurg, König der Ediener in Thrazien. Dryas, sein Sohn. Chor (in Schindlers Nachlaß i. d. Kgl. Bibliothek zu Berlin).


24 Die nur teilweise Wiedergabe in der ersten Auflage rügte eine Randbemerkung Thayers: »very incomplete«.


25 Die Unterhaltungen des Verfassers mit Neate fanden im Januar 1861 statt. Dem verstorbenen Henry F. Chorley war der Verfasser besonders verpflichtet für Gewährung der Geldmittel, um seine wertvollen Untersuchungen in England anstellen zu können; eine der traurigen Folgen der unvermeidlichen Verzögerung in der Abfassung des Werkes war, daß Chorley dasselbe nicht mehr lesen konnte.


26 Ein beredtes Zeugnis für die hochernsten Stimmungen, welche der Aufenthalt im Freien in seiner Seele erzeugte, ist erhalten in einer früher im Besitz von Joseph Joachim befindlichen Aufzeichnung auf einem Stück Notenpapier quer über die Systeme geschrieben:


»Aufm Kahlenberg 1815 Ende September.«


»Allmächtiger

im Walde

ich bin selig

glücklich im

Wald jeder

Baum spricht

durch dich.«


»O Gott welche

Herrlichkeit

in einer

solchen Waldgegend

in den Höhen

ist Ruhe –

Ruhe ihm zu

dienen –«


27 Dies Ereignis erzählte Jahn dem Verfasser mit vielem Humor im Herbste 1860. Im J. 1867 erlaubte er dem Dr. Alfred Schöne, die Korrespondenz bei Breitkopf &. Härtel zu veröffentlichen.


28 Dies muß Op. 74 gewesen sein, da Op. 95 noch nicht gedruckt war.


29 Die Sonaten Op. 102 im Manuskript.


30 Nach Jahns Abschrift. Der erste Brief war in Franz Lachners Besitz.


31 B-Dur Op. 97.


32 Nach Jahns Abschrift; der Brief in Lachners Besitz.


33 Nach Jahns Abschrift.


34 Jean Baptist Cramer war mit John Addison assoziiert (Cramer & Co.).


35 Es sind die Briefe Nr. 28 und 29 bei Köchel.


36 Nach Jahns Abschrift.


37 Vgl. S. 525.


38 Robert Birchalls Geschäfts-Nachfolger wurde Christopher Lousdale, früher sein erster Gehilfe, der auch die Korrespondenz mit Beethoven geführt hatte, und weiter dessen Sohn Robert. Von diesen beiden Herren hat der Verfasser viele Freundlichkeit und wertvolle Unterstützung in seinen englischen Untersuchungen erfahren. Insbesondere konnte er die zwischen Beethoven und Birchall gewechselten Briefe sämtlich nach den in Lonsdales Besitz befindlichen Originalen und Konzepten kopieren.

Der hier folgende Brief war nicht in ihrem Besitze, sondern wurde dem Verfasser später von Herrn A. Ganz für seine Biographie mitgeteilt. Mit Ausnahme dieses Briefes kann man die Korrespondenz in den »Jahrbüchern für musikalische Wissenschaft«, 1. Band, Breitkopf & Härtel 1863, finden. Da unsere Lesung des im Texte erwähnten englischen Schriftstücks von jener in den Jahrbüchern abweicht, lassen wir dasselbe hier folgen.

»Mr. Beethoven send word to Mr. Birchall that it is severall days past that he has sent for London Wellington's Battel Simphonie and that Mr. B. may send for it at Thomas Coutts. Mr. Beethoven wish Mr. B1. would make ingrave the sayd Simphonie so soon as possible and send him word in time the day it will be published, that he may prevent in time the publisher at Vienna.

To regard the 3 Sonatas which Mr. B. shall receive afterwards there is not wanted such a gt. hurry and Mr. B[eethoven] will take the liberty to fixe the day when the are to be published. Mr. B[eethoven] sayd that Mr. Salomon has a good many things to say concerning the Simphonie in (?): Mr. B[eethoven] whish for an answer so soon as possible concerning the days of publication

Der Buchstabe, welcher hier zweifelhaft gelassen ist, 10. Kapitel. Das Jahr 1815, gehört nicht zum englischen Alphabet; gemeint ist die »Schlacht- und Sieges-Simphonie«.


39 Vgl. S. 509f.


40 In Wirklichkeit war er 411/2 Jahr alt, da er am 8. April 1774 getauft war. Über seinen Nachlaß vgl. Anhang V.


41 Vgl. Anhang V.


42 Notizen S. 136. Verbessert nach H. Deiters' »Briefe Beethovens an Ferdinand Ries« i. d. Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft IV, 1, S. 30f.


43 Bankozettel.


44 Einlösungsschein.


45 So nach Moscheles in der Übersetzung von Schindlers Biographie II, S. 227–28 zurückübersetzt. Das deutsche Original dieses Briefes ist verloren.


46 Die bedeutendste und einflußreichste musikalische Gesellschaft in Amerika, die Hündel and Haydn Society in Boston, entstand gleichzeitig mit der Gesellschaft der Musikfreunde. Sie veranstaltete im Juli dieses Jahres 1815 ihre ersten öffentlichen Aufführungen des Messias und der Schöpfung. Später wird ihr Name in unserer Biographie in Verbindung mit Beethoven begegnen.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1911..
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Catharina von Georgien

Catharina von Georgien

Das Trauerspiel erzählt den letzten Tag im Leben der Königin von Georgien, die 1624 nach Jahren in der Gefangenschaft des persischen Schah Abbas gefoltert und schließlich verbrannt wird, da sie seine Liebe, das Eheangebot und damit die Krone Persiens aus Treue zu ihrem ermordeten Mann ausschlägt. Gryphius sieht in seiner Tragödie kein Geschichtsdrama, sondern ein Lehrstück »unaussprechlicher Beständigkeit«.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon