Drittes Kapitel

Das Jahr 1809.

Die Berufung nach Kassel. Das »Dekret«. Belagerung und Besetzung Wiens. Gestörte Schaffenslust. Seyfrieds »Studien«. Gesteigerte Arbeitsfreudigkeit. Kompositionen des Jahres (Es-Dur-Konzert, Harfenquartett, Sonaten Op. 78, 79, 80a, Phantasie Op. 77, Lieder).

Das Anerbieten einer ehrenvollen Stellung in Kassel – einer bleibenden, solange Napoleons Stern im Aufsteigen war und sein Trabant sein Namen-Königtum in Westfalen beibehalten sollte – war nicht weniger erfreulich für Beethoven als überraschend, ja beunruhigend für seine Freunde. Da dieselben sowohl die tüchtigen als die schwachen Seiten seines Charakters kannten, so mußte es ihnen im höchsten Grade zweifelhaft erscheinen, ob bei seiner zunehmenden Taubheit eine Übersiedlung dorthin schließlich zu seinem Vorteil, seinem Ansehen und seinem Glücke ausschlagen werde. Auf der andern Seite sahen sie ihn gerade in einem Augenblicke, da er neue Beweise jener staunenswerten Fähigkeiten gegeben hatte, welche ihn weit über alle anderen Instrumentalkomponisten erhoben, vor die Erwägung der Frage gestellt, ob er in einer kleinen Provinzialhauptstadt jene dauernde Versorgung für sein ferneres Leben suchen solle, welche er in der Heimat seiner Wahl nach 16jährigem Aufenthalte zu erlangen sich ohne Hoffnung sah. Welch eine unentschuldbare, unverzeihliche Schande mußte es für Wien sein, Beethoven unter solchen Umständen scheiden zu lassen! Es war das erste Mal, daß diese Frage zur Sprache kam; aber sowie sie zur Sprache gebracht war, [116] wurde ihr auch sofort begegnet durch eine Aufforderung von »hohen und höchsten Personen«, die Bedingungen anzugeben, unter welchen er den Ruf nach Kassel ablehnen und in Wien verbleiben wolle.

Mehrfache Äußerungen beweisen, daß Beethoven gerade um die Zeit, wo der Ruf nach Kassel erfolgte, sich in einer unzufriedenen und gereizten Stimmung befand und wirklich dem Gedanken Raum gab, eventuell Wien gegen einen anderen Wohnort zu vertauschen.

Der diesbezügliche Bericht Rusts (S. 63) steht nicht allein da; schon am 3. September 1806 schrieb Beethoven an Breitkopf & Härtel: »falls ich von Deutschland auswandere, welches wohl geschehen kann«, und am 7. Januar 1809 (s. S. 120) ist es ihm wirklich ernst mit der Absicht, nach Kassel zu gehen. Die Bemühungen, Beethoven in Wien festzuhalten, haben aber anscheinend keineswegs gleich eingesetzt, sondern wohl erst nach der Akademie am 22. Dezember 1808.

Da Ignaz von Gleichenstein augenscheinlich sich lebhaft aktiv bei den Verhandlungen in dieser Angelegenheit beteiligt hat, ist es geboten, Beethovens Briefe an ihn einer genauen Revision zu unterziehen. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit, wieder eine Anzahl derselben gegenüber der bisherigen Annahme wesentlich verändert zu ordnen. Da ist zunächst der Begleitbrief einer Empfehlung Gleichensteins an Peter Winter in München (zuerst veröffentlicht durch Nohl in Westermanns Monatsheften 1865, auch Neue Br. Beeth.s 1867, S. 34), den Nohl in den Sommer 1808 verlegt:


»Pour Monsieur de Gleichenstein


Hier, mein Lieber, Dein Brief an Winter. – Erstens steht darin, daß Du mein Freund bist – zweitens, was Du bist, nämlich K. K. Hofconcipist – drittens, daß Du kein Kenner von Musik, aber doch ein Freund alles Schönen und Guten – in Rücksicht dessen ich den Capellmeister gebeten falls was von ihm aufgeführt wird, daß er Dir Gelegenheit verschaffe, daran Theil zu nehmen. – Du hast hier einen Wink, Dich deswegen etwas eifrig bemüht zu zeigen – gehört zu den politischen Wissenschaften, wovon Dein Freund wenig versteht – vielleicht dient Dirs noch zu etwas Anderem in München – und nun leb' wohl, lieber Freund – reife glücklich – und denk zuweilen an mich – grüß das Brüderchen.


Dein wahrer Freund

Beethoven.«


Die erste Auflage unseres 3. Bandes setzt diesen Brief in die Zeit kurz vor Zustandekommen des Dekrets für Beethovens dauernde Fesselung [117] an Wien, also nicht lange vor dem 1. März 1809. Beide Datierungen erscheinen auch heute noch möglich, obgleich auffällt, daß das Dekret mit keinem Worte berührt wird. Auf keinen Fall kann aber wohl angenommen werden, daß Gleichenstein den Besuch bei seinen Verwandten in Freiburg vom August 1808 bis etwa Ende März 1809 ausgedehnt hat. Und da der am 18. März 1809 in Gleichensteins Hände gelangte Brief Beethovens, der ihm definitiv Mitteilung macht, daß das Dekret perfekt geworden, von einem Reiseprojekt Beethovens (Konzertreise?) spricht, für das Gleichenstein seine eventuelle Begleitung (von Freiburg aus) in Aussicht gestellt hat, so wäre der Gesamtumfang von Gleichensteins Urlaub sogar noch länger zu bemessen. Da aber der obige Brief auch über dieses Projekt kein Wort enthält, so wird man wohl besser annehmen, daß Gleichenstein sowohl im August 1808 als wieder im Februar 1809 nach Freiburg gereist ist, von der ersten Reise aber schon nach kurzer Zeit wie der zurückkehrte, so daß er um die Zeit, wo an Beethoven erstmalig die Offerte von Kassel erging, bereits wieder in Wien war. Das mag im September oder Oktober 1808 gewesen sein, jedenfalls vor dem 1. November 1808, unter dem ja Beethoven an Graf Oppersdorff über die Berufung nach Kassel berichtet (S. 13). Schwer fällt auch ins Gewicht für die Annahme einer Reise Gleichensteins nach Freiburg schon im Sommer 1808, daß Beethoven in diesem Briefe den »k. k. Hofkonzipisten« betont den er unterm 9. Januar 1809 Breitkopf & Härtel auf der Widmung von Op. 69 zu streichen bittet, weil Gleichenstein der Titel unangenehm sei.

Trifft die Vermutung das Rechte, daß Gleichenstein etwa im August 1808 nach Freiburg gereist ist, so kam er von dieser Reise zurück, als eben Beethoven von Kassel die Offerte gemacht worden war. Das belegen drei eng zusammengehörige Billetts an Gleichenstein, die somit in den Herbst 1808 zu setzen sind. Während der Zeit von Gleichensteins Abwesenheit war nämlich das G-Dur-Klavierkonzert (Op. 58) mit der Widmung an Erzherzog Rudolf, anstatt, wie zeitweise in Aussicht genommen, an Gleichenstein (vgl. S. 29) im Druck erschienen, und als Ersatz widmete nun Beethoven Gleichenstein die Violoncellsonate Op. 69 (s. 112f. und S. 120 den Brief an Breitkopf & Härtel vom 7. Januar 1809).

Dies zur Erläuterung des ersten der folgenden Briefchen, das Gleichensteins Rückkehr erwähnt und zuerst nach dem Kurse der Dukaten fragt – warum, erklärt das dritte; daß alle drei zusammengehören, beweist das zweite, das mit seiner Sorge um das Winter-Feuerungsmaterial [118] zugleich den Herbst als Zeit der Abfassung feststellt. Alle drei sind zuerst veröffentlicht durch Nohl in Westermanns Monatsheften 1865:


I


»Mein lieber Gleichenstein! Ich hatte noch nicht Gelegenheit, dir mine Vergnügen über deine Ankunft zu bezeigen, oder dich zu sehen, – auch dich über etwas aufzuklären, was dir vermuthlich sehr aufgefallen sein wird – welches jedoch im Wesentlichen dir nichts schaden kann. Da ein anderes Werk erscheint, wo dir das geschieht, was dir gebührt – oder unserer Freundschaft. Ich bitte dich doch genau zu erkunden, was der Dukaten jetzt gilt, ich werde morgen gegen 7 halb 8 zu dir in die Stadt kommen1 – Leb wohl.


Wie immer

Dein Freund

Beethoven.«


II


»Mein Lieber, dein Freund Frech hat voriges Jahr an Breuning Holz gelassen, welches wohlfeiler ist, erzeige mir den Gefallen und spreche seine Frechheit in meinem Namen an, mir freundschaftlichst auch ein paar Klafter zu lassen. Die Gräfin E. ist sehr krank, sonst hätte sie dich eingeladen.«


III


»Liederlicher Baron – ich hab dich umsonst erwartet gestern – mach nur doch, daß ich weiß ob mir durch seine Frechheit Holz zukommt oder nicht – ich habe einen schönen Antrag als Kapellmeister zum König von Westphalen erhalten – man will mich gut bezahlen – ich soll sagen wie viel Dukaten ich haben will – etc. – ich möchte das mit dir überlegen – wenn du daher kannst, komme diesen Nachmittag gegen halb 4 zu mir – diesen Morgen muß ich ausgehen.«


Daß Gleichenstein nicht vom Sommer 1808 bis zum Frühjahr 1809 von Wien abwesend gewesen ist, ergibt sich aber vor allem bestimmt aus seiner Mitwirkung an den Vorbereitungen für das »Dekret«.

Ein erst nach Erscheinen der 1. Auflage dieses Bandes bekannt gegebener Brief Beethovens vom 7. Januar 1809 an Breitkopf & Härtel (in La Mara, Musikerbriefe aus 5 Jahrhunderten 1886, II., 1) beweist, daß doch Beethoven um Neujahr 1809 ernstlich entschlossen gewesen ist, nach Kassel zu gehen, offenbar unter der Nachwirkung der ärgerlichen Erfahrungen bei seiner Akademie vom 22. Dezember 1808.

[119] Man wird aber auf alle Fälle annehmen müssen, daß um diese Zeit noch nichts geschehen war, um Beethoven zu fesseln, daß also die »Konstitution« usw. erst später entworfen ist.


»Wien am 7ten Jenner 1809.


Sie werden sagen, das ist dieser und jener und jener und dieser – das ist wahr, seltnern Briefschreiber kanns nicht geben – sie haben doch die terzetten2 erhalten – Eins wissen sie war schon bei ihrer abreise3 fertig, ich wollte es aber erst mit dem zweiten schicken, dieses war auch schon ein paar Monathe fertig, ohne daß ich wieder daran dachte, ihnen solches zu schicken – endlich ist mir der W[agener] über den Hals gestürmt. Eine sehr große Gefälligkeit werden sie mir erzeigen und ich bitte sie innigst darum, daß sie alle Sachen, die sie von mir haben, nicht eher als bis Ostern herausgeben, indem ich die Fasten Sicher bei ihnen eintreffe4. auch lassen sie bis dahin keine von den neuen Sinfonien hören, denn komme ich nach Leipzig, so soll's ein wahres Fest seyn mit der Leipziger mir bekannten Bravheit und guten Willen der Musiker diese aufzuführen – auch werde ich gleich allda dieCorrectur vornehmen –

endlich bin ich von den Ränken und Kabalen und Niederträchtigkeiten aller Art gezwungen, das noch einzige deutsche Vaterland zu verlassen auf einen Antrag seiner Königlichen Majestät von Westphalen gehe ich als Kapellmeister mit einem jährlichen Gehalt von 600 Dukaten in Gold dahin ab – ich habe eben heute meine Zusicherung, daß ich komme, auf der Post abgeschickt und erwarte nur noch mein Dekret, um hernach meine Anstalten zur Reise, welche über Leipzig gehen soll zu treffen – deswegen, damit die Reise desto brillanter für mich sey, bitte ich sie, wenn's eben nicht gar zu Nachtheilig für sie ist, noch nichts bis Ostern von allen meinen Sachen bekannt zu machen – bei der Sonate, welche an den Baron Gleichensteindedicirt ist, lassen sie gefälligst das K. K. Concipisten weg, indem ihm solches nicht lieb ist – Es werden vielleicht wieder von hier Schimpfschriften über meine letzte Musikalische Akademie an die Musikalische Zeitung gerathen; ich wünschte eben nicht, daß man das unterdrücke, was gegen mich; jedoch soll man sich nur überzeugen, daß Niemand mehr persönliche Feinde hier hat als ich; dies ist um so begreiflicher, da der Zustand der Musik hier immer schlechter wird – wir haben Kapellmeister, die so wenig zu dirigiren wissen, als sie kaum selbst eine Partitur lesen können – auf der Wieden ist es freylich noch am schlechtesten – da hatte ich meine Akademie zu geben, wobey mir von allen Seiten der Musik Hindernisse in den Weg gelegt wurden – Das Wittwen-Konzert hatte den abscheulichen Streich gemacht, auß Haß gegen mich, worunter HerrSalieri der erste, daß es jeden Musiker, der bei mir spielte und in ihrer Gesellschaft war, bedrohte auszustoßen – ohnerachtet, daß verschiedene [120] Fehler, für die ich nicht konnte, vorgefallen, nahm das Publikum doch alles Enthusiastisch auf – trotzdem aber werden Scribler von hier gewiß nicht unterlassen, wieder elends Zeug gegen mich in die Musikalische Zeitung zu schicken – hauptsächlich waren die Musiker aufgebracht, daß, indem aus Achtlosigkeit bey der einfachsten plansten Sache von der Welt gefehlt worden war, ich plötzlich stille ließ halten und laut Schrie noch einmal – so was war ihnen noch nicht vorgekommen; das Publikum bezeugte hierbey sein Vergnügen. – Es wird aber täglich ärger. Tags zuvor meiner Akademie war+ in der kleinen leichten Oper Milton das Orchester so aus einandergekommen, daß Kapellmeister und Direktor und Orchester förmlich Schiffbruch litten – denn der Kapellmeister statt vorzuschlagen, schlägt hintennach und dann kommt erst der Direktor – Antworten sie mir, mein lieber gleich!


mit hochachtung

ihr ergebenster Diener

Beethoven.«


+ im Theater in der stadt.


(auf der Rückseite des Kuverts:)


»ich bitte sie von meiner Anstellung in Westphalen nichts mit Gewißheit öffentlich eher bekannt zu machen als bis ich ihnen schreiben werde, daß ich mein Dekret erhalten. leben sie wohl und schreiben sie mir bald – von meinen Werken sprechen wir in Leipzig – einige Winke könnte man immer in der Musikalischen Zeitung von meinem Weggehen von hier geben – und einige Stiche, indem man nie etwas rechtes hier hat für mich thun wollen –«


Von Beethovens Mißstimmung in dieser Zeit zeugt ein Billett an Zmeskall, das dieser mit dem Datum des 23. Januar 1809 versehen hat:


»Was machen Sie? mein in der That nur angenommener Frohmuth hat Ihnen vorgestern nicht allein Wehe verursacht, sondern er schien Sie auch beleidigt zu haben – die ungebetene Gesellschaft schien eine für ihre gerechte Klage so unschickliche, daß ich mit freundlicher Freundes-Gewalt, Sie durch meine angenommene gute Laune wollte verhindern, sie nicht lauter werden zu lassen – ich selbst leide noch immer an meinem Unterleibe –

Sagen Sie ob Sie heute zum Schwann kommen.


Ihr wahrer Freund

Beethoven.«


Wie es scheint, ist die Anregung zur Ausarbeitung eines förmlichen Kontraktes zur Stipulierung der Bedingungen, unter denen Beethoven die Kasseler Offerte ausschlagen und sich verpflichten würde, in Wien zu bleiben, von der Gräfin Marie Erdödy ausgegangen. Beethoven schreibt an Gleichenstein (Nohl, Neue Br. Beeth.s, S. 36):


[121] »Die Gräfin Erdödy glaubt, du solltest doch mit ihr einen Plan entwerfen, nach welchem sie, wenn man sie, wie sie gewiß glaubt, angeht, traktieren könnte –


Dein Freund

Lud. Beethoven.


Wenn du diesen Nachmittag Zeit hättest, würde es die Gräfin freuen, dich zu sehen.«


Der alsdann von Beethoven selbst für Gleichenstein als Unterlage aufgesetzte Entwurf ist erhalten. Er wurde zuerst von Nohl 1865 in Westermanns Monatsheften (Dezember) veröffentlicht:


[Außen] »Entwurf einer musikalischen Constitution.«


»Zuerst wird der Antrag vom König von Westphalen ausgesetzt. – B. kann zu keinen Verbindlichkeiten wegen diesem Gehalt angehalten werden, indem der Hauptzweck seiner Kunst, nämlich die Erfindung neuer Werke, darunter leiden würde – diese Besoldung muß Beethoven so lange versichert bleiben, als derselbe nicht freiwillig Verzicht darauf leistet – den kaiserlichen Titel auch wenn es möglich – abzuwechseln mit Salieri und Eibeler – das Versprechen vom Hof ehestens in wirkliche Dienste des Hofes treten zu können – oder Adjunction, wenn es der Mühe werth ist. – Contract mit den Theatern mit ebenfalls dem Titel als Mitglied eines Ausschusses der Theatraldirection – festgesetzter Tag für eine Akademie für immer, auch wenn diese Direction sich verändert, im Theater, wogegen sich Beethoven verbindet, für eine der Armenakademien, wo man es am nützlichsten finden wird, jährlich ein neues Werk zu schreiben – oder zwei derselben zu dirigiren – einen Ort bei einem Wechsler oder dergleichen, wo Beethoven den angewiesenen Gehalt empfängt – der Gehalt muß auch von den Erben ausbezahlt werden.«


Eine nicht ungeschickte Ergänzung formuliert ein weiteres Billett Beethovens (Nohl, Neue Br. Beeth.s, S. 36):


»Wenn die Herren sich als die Miturheber jedes neuen größeren Werkes betrachteten, so wäre das der Gesichtspunkt, woraus ich am ersten wünschte betrachtet zu werden, und so wäre der Schein, als wenn ich einen Gehalt für nichts bezöge, verschwunden.«


Auch der folgende Brief ist jedenfalls an Gleichenstein gerichtet5 und bezieht sich offenbar auf das gleich unten gegebene Schriftstück selbst. Das »von den E–« könnte wohl ergänzt werden durch »Erdödy« oder aber »von dem Erzherzog«; rätselhaft ist »der A–« oder wie Nohl liest »der H–«. Der Schluß (NB.) zeigt, daß die Vorbereitungen bereits ziemlich weit gediehen sind, und daß Beethoven persönlich deswegen [122] Gänge machte. Unter dem »wir« könnte vielleicht Fürst Lobkowitz mitzuverstehen sein oder aber ein nicht zu den Zeichnern des Dekrets gehörender Freund, der hoffen konnte, Kinsky zum Beitritt zu gewinnen; denn wohl mit Recht bemerkt V. Kratochvil (Frimmel, 2. Beethoven-Jahrb., S. 3ff.: »Beethoven und Fürst Kinsky«), daß Beethovens Beziehungen zu Kinsky (Widmungen) augenscheinlich erst seit dem Dekret datieren.


»Für heute dürfte es wohl zu spät werden – ich habe Deine Schrift von den E– nicht können eben zurückhalten bis jetzt, indem der A– wieder einige items und aber und alldieweilen anbringen wollte – ich bitte Dich, das ganze sich immer auf die wahre mir angemeßne Ausübung meiner Kunst sich beziehen zu lassen, alsdann wirst Du am meisten meinem Herzen und Kopf zu Willen schreiben – die Einleitung ist, was ich in Westphalen habe 600 ₤ in Gold, 150 ₤ Reisegeld G. und nichts dafür zu thun als die Konzerte des Königs zu dirigiren, welche kurz und eben nicht oft sind – nicht einmal bin ich verbunden, eine Oper, die ich schreibe, zu dirigiren – aus allem erhellt, daß ich dem wichtigsten Zwecke meiner Kunst, große Werke zu schreiben, ganz obliegen zu können – auch ein Orchester zu meiner Disposition. –

NB. Der Titel als Mitglied eines Ausschusses des Theaters bleibt weg – Es kann nichts als Verdruß hervorbringen – in Rücksicht der kaiserlichen Dienste so glaube ich, muß dieser Punkt delikat behandelt werden – jedoch nichts weniger als bei dem Verlangen des Titels Kaiserl. Kapellmeister – sondern nur in Rücksicht dessen einmal durch ein Gehalt von Hof im Stande zu sein Verzicht auf die Summe zu thun, welche mir jetzt die Herren bezahlen, so glaube ich, daß dieses am besten ausgedrückt wird durch daß ich hoffe und daß es mein höchster Wunsch sei, einmal in kaiserliche Dienste zu treten, ich gleich so viel weniger annehmen werde, nämlich: als die Summe beträgt die ich von seiner Kaiserlichen Majestät erhalte –«


(auf der letzten Seite oben:)


»NB. Morgen um 12 Uhr brauchen wir's, weil wir alsdann zum Kinsky gehen müssen – Ich hoffe Dich heute zu sehen.«


Nach diesen Anweisungen wurden Beethovens Bedingungen in folgender Weise und Form aufgesetzt6:


»Es muß das Bestreben und das Ziel jeden wahren Künstlers sein, sich eine Lage zu erwirken, in welcher er sich ganz mit der Ausarbeitung größerer Werke beschäftigen kann, und nicht durch andere Verrichtungen oder ökonomische Rücksichten davon abgehalten wird. Ein Tondichter kann daher keinen lebhafteren Wunsch haben, als sich ungestört der Erfindung größerer Werke überlassen, und selbe sodann dem Publikum vortragen zu können. Hierbei muß er doch auch seine älteren Tage im Gesicht haben, und sich für selbe ein hinreichendes Auskommen zu verschaffen suchen.

[123] Der König von Westphalen hat dem Beethoven einen Gehalt von 600 Dukaten in Gold lebenslänglich, 150 Dukaten Reisegeld gegen die einzige Verbindlichkeit angetragen, bisweilen vor ihm zu spielen, und seine Kammerkonzerte zu leiten, welches indessen nicht oft und jedesmal nur kurz zu geschehen hat.

Dieser Antrag ist sicher ganz zum Vortheil der Kunst und des Künstlers.

Beethoven hat indessen so viel Vorliebe für den Aufenthalt in dieser Hauptstadt, so viel Dankbarkeit für die vielen Beweise von Wohlwollen, welches er darin erhalten hat, und so viel Patriotismus für sein zweites Vaterland, daß er nie aufhören wird, sich unter die Oesterreichischen Künstler zu zählen, und daß er nie anderwärts seinen Wohnort nehmen wird, wenn ihm die gesagten Vortheile hier nur einigermaßen zu statten kommen.

Da ihn hohe und höchste Personen aufgefordert haben, die Bedingungen anzugeben, unter welchen er hier zu bleiben gesonnen wäre, so entspricht er diesem Verlangen mit Folgendem:

1. Beethoven müßte von einem großen Herren die Versicherung eines lebenslänglichen Gehalts erhalten und wenn auch mehrere hohe Personen zur Summe dieses Gehalts beitrügen. Dieser Gehalt könnte bei der jetzigen Theuerung nicht unter 4000 Fl. jährlich betragen. Beethoven wünschte, daß sich die Geber dieses Gehalts sodann als die Miturheber seiner neueren größeren Werke betrachteten, weil sie ihn in den Stand setzen, sich denselben zu widmen, und daß er daher nicht zu anderen Verrichtungen verwendet werde.

2. Beethoven müßte immer die Freiheit behalten, Kunstreisen zu machen, weil er sich nur auf solchen sehr bekannt machen, und einiges Vermögen erwerben kann.

3. Sein größtes Verlangen und sein heißester Wunsch wäre es, einst in wirkliche kaiserliche Dienste zu kommen und durch den in dieser Stellung zu erwartenden Gehalt einst in den Stand zu kommen, auf den obigen ganz oder zum Theil Verzicht leisten zu kön nen, einstweilen würde schon der Titel eines kaiserlichen Kapellmeisters ihn sehr glücklich machen, könnte ihm dieser erwirkt werden, so wäre ihm der hiesige Aufenthalt noch viel werther.

Sollte dieser Wunsch einst erfüllt werden, und sollte er von Seiner Majestät einen Gehalt erhalten; so wird Beethoven von den 4060 Fl. jährlich so viel zurücklassen, als der kaiserliche Gehalt betragen wird, und sollte dieser auch 4060 Fl. betragen, so würde er ganz auf die obigen 4060 Fl. Verzicht thun.

4. Da Beethoven seine neuen größeren Werke auch von Zeit zu Zeit einem größeren Publikum vorzutragen wünscht, so möchte er von der Hoftheater-Direkzion für sich und ihre Nachfolger die Versicherung haben, jährlich den Palmsonntag im Theater an der Wien zur Aufführung einer Akademie zu seinem Vortheil zu erhalten.

Dafür würde sich Beethoven verbinden, jährlich eine Armen-Akademie zu leiten und zu dirigiren, oder, wenn er dieses nicht thun könnte, zu einer solchen Akademie ein neues Werk von ihm zu liefern.«


Die offensichtliche Übereinstimmung dieses Schriftstücks mit den vorausgehenden Entwürfen macht sehr wahrscheinlich, daß Gleichenstein der Verfasser ist. Einen anderen Anhaltspunkt gibt auch ein Billett an [124] Gleichenstein (veröffentlicht von Nohl in Westermanns Monatsheften, Dezember 1865, Nr. 5, S. 307):


»Sei so gut und sieh, daß du das Original zu dem aufgesetzten Contract findest – ich brauche es – was willst Du denn mit einer Abreise ohne mich?«


Der Schluß erweist, daß gegen Ende der Verhandlungen Gleichenstein abreiste – natürlich nach Freiburg – und daß inzwischen die Verabredung erfolgt war, daß Beethoven ebenfalls zu reisen beabsichtigte und zwar mit Gleichenstein (vgl. S. 120).

Die Bedingungen wurden annehmbar befunden, das Geschäft abgeschlossen und Beethoven an Wien gefesselt durch folgenden


»Vertrag.«


(Stempel.)


»Die täglichen Beweise, welche Herr Ludwig van Beethoven von seinem außerordentlichen Talente und Genie als Tonkünstler und Compositeur gibt, erregen der Wunsch, daß er die größten Erwartungen übertreffe, wozu man durch die bisher gemachte Erfahrung berechtigt ist.

Da es aber erwiesen ist, daß nur ein so viel möglich sorgenfreier Mensch sich einem Fache allein widmen könne, und diese, von allen übrigen Beschäftigungen ausschließliche Verwendung allein im Stande sei, große, erhabene und die Kunst veredelnde Werke zu erzeugen; so haben Unterzeichnete den Entschluß ge faßt, Herrn Ludwig van Beethoven in den Stand zu setzen, daß die nothwendigsten Bedürfnisse ihn in keine Verlegenheit bringen, und sein kraftvolles Genie hemmen sollen.

Demnach verbinden sie sich, ihm die bestimmte Summe von 4090, sage viertausend Gulden jährlich auszuzahlen, und zwar:


Se. kaiserl. Hoheit der Erzherzog RudolphFl. 1500

Der Hochgeborne Fürst LobkowitzFl. 700

Der Hochgeborne Fürst Ferdinand KinskyFl. 1800

ZusammenFl. 4000


welche Herr Ludwig van Beethoven in halbjährigen Raten bei jedem dieser hohen Theilnehmer, nach Maßgabe des Beitrages gegen Quittung erheben kann.

Auch sind Unterfertigte diesen Jahrgehalt zu erfolgen erböthig, bis Herr Ludwig van Beethoven zu einer Anstellung gelangt, die ihm ein Aequivalent für obbenannte Summe gibt.

Sollte diese Anstellung unterbleiben, und Herr Ludwig van Beethoven durch einen unglücklichen Zufall, oder Alter verhindert sein, seine Kunst auszuüben, so bewilligen ihm die Herren Theilnehmer diesen Gehalt auf Lebenslänge.

Dafür aber verbürgt sich Herr Ludwig van Beethoven, seinen Aufenthalt in Wien, wo die hohen Fertiger dieser Urkunde sich befinden, oder einer anderen, in den Erbländern Sr. österreichisch-kaiserlichen Majestät liegenden Stadt zu bestimmen, und diesen Aufenthalt nur auf Fristen zu verlassen, welche Geschäfte, oder der Kunst Vorschub leistende Ursachen veranlassen[125] könnten, wovon aber die hohen Contribuenten verständigt, und worin sie einverstanden sein müßten.

So gegeben, Wien am 1. März 1809.


(L. S.)

Rudolph,

Erzherzog.


(L. S.)

Fürst von Lobkowitz,

Herzog von Raudnitz.


(L. S.)

Ferdinand Fürst Kinsky.«


Dieses Dokument7 trägt von Beethovens Hand folgende Worte:


»Empfangen

am 26. Februar 1809

aus den Händen

des Erzherzogs

Rudolph K. H.«


Die Bemerkungen, welche wir in einem früheren Kapitel über die besondere Anziehungskraft, welche Beethoven und seine Musik auf jüngere Leute ausübte, gemacht haben, werden durch diesen Vertrag unterstützt. Lobkowitz freilich stand dem Meister im Alter nahe, da er damals 35 Jahre zählte; Erzherzog Rudolf und Fürst Kinsky hingegen waren beziehentlich erst 21 und 27 Jahre alt.

Ries, welcher damals wieder oft bei Beethoven war, versichert, daß der Vertrag mit dem Könige von Westfalen ganz fertig war – »es fehlte nur seine Unterzeichnung« –, als seine Wiener Freunde in die Sache eingriffen und »ihm lebenslänglich einen Gehalt zusagten«. »Das Erstere wußte ich«, fährt er fort, »das Letztere nicht, als plötzlich Capellmeister Reichardt zu mir. kam und mir sagte ›Beethoven nähme die Stelle in Cassel bestimmt nicht an; ob ich, als Beethoven's einziger Schüler, mit geringerem Gehalt dorthin gehen wollte‹.8 Ich glaubte Ersteres nicht, ging gleich zu Beethoven, um mich nach der Wahrheit dieser Aussage zu erkundigen und ihn um Rath zu fragen. Drei Wochen lang wurde ich abgewiesen, sogar meine Briefe darüber nicht beantwortet. Endlich fand ich Beethoven auf der Redoute. Ich ging sogleich auf ihn zu und machte ihn mit der Ursache meines Ansuchens bekannt, worauf er in einem schneidenden Tone sagte: ›So – glauben Sie, daß Sie eine Stelle besetzen können, die man mir angeboten hat?‹ – Er blieb nun kalt und zurückstoßend. Am andern Morgen ging ich zu ihm, um mich mit ihm zu verständigen. Sein Bedienter sagte mir in einem [126] groben Tone: Mein Herr ist nicht zu Hause, obschon ich ihn im Nebenzimmer singen und spielen hörte. Nun dachte ich, da der Bediente mich schlechterdings nicht melden wollte, grade hineinzugehen; allein dieser sprang nach der Thür, und stieß mich zurück. Hierüber in Wuth gebracht, faßte ich ihn an der Gurgel und warf ihn schwer nieder. Beethoven, durch das Getümmel aufmerksam gemacht, stürzte heraus, fand den Bedienten noch auf dem Boden und mich todtenbleich. Höchst gereizt, wie ich nun war, überhäufte ich ihn mit Vorwürfen der Art, daß er vor Erstaunen nicht zu Wort kommen konnte und unbeweglich stehen blieb. Als die Sache aufgeklärt war, sagte Beethoven: ›So habe ich das nicht gewußt; man hat mir gesagt, Sie suchten die Stelle hinter meinem Rücken zu erhalten.‹ Auf meine Versicherung, daß ich noch gar keine Antwort gegeben hätte, ging er sogleich, um seinen Fehler gut zu machen, mit mir aus. Allein es war zu spät; ich erhielt die Stelle nicht, obschon sie damals ein sehr bedeutendes Glück für mich gewesen wäre.«

Es erfordert keinen großen Scharfsinn, um aus dem Texte des »Dekrets« zu erkennen, daß keiner der Unterzeichner irgendwie die Erwartung hegte, Beethoven werde jemals die Pflichten eines kaiserlichen Kapellmeisters in befriedigender Weise erfüllen können; und seine Hoffnung, den Titel zu erhalten, gründete sich wohl auf die Voraussetzung eines Einflusses, welchen Erzherzog Rudolf in dieser Beziehung auf den Kaiser Franz ausüben könne. Doch sei dem wie ihm wolle: der Komponist war mit Recht erfreut über die günstige Veränderung seiner pekuniären Lage; und diese seine natürliche Freude kommt in der Korrespondenz jener Zeit zum Ausdruck.

Am 18. März (Empfangsvermerk) erhielt Gleichenstein, der sich bei seinen Verwandten in Freiburg befand, eine Abschrift oder einen Auszug des Kontrakts, in folgenden Brief9 eingeschlossen:


»Du siehst, mein lieber guter Gleichenstein, aus Beigefügtem10 wie ehrenvoll nun mein Hierbleiben für mich geworden – der Titel als kaiserlicher [127] Capellmeister kommt auch nach – u.s.w. – Schreibe nun nur sobald als möglich, ob Du glaubst, daß ich bei den jetzigen kriegerischen Umständen reisen soll, und ob Du noch fest gesonnen bist mitzureisen; mehrere rathen mir davon ab, doch werde ich Dir hierin ganz folgen; da Du schon einen Wagen hast, müßte die Reise so eingerichtet werden, daß Du mir und ich Dir eine Strecke entgegenreise – schreib geschwind. – Nun kannst Du mir helfen eine Frau suchen, wenn Du dort in F. eine schöne findest die vielleicht meinen Harmonieen einen Seufzer schenkt, doch müßte es keine Elise Bürger11 sein, so knüpf' im voraus an. Schön muß sie aber sein, nichts nicht Schönes kann ich nicht lieben – sonst müßte ich mich selbst lieben. Leb wohl und schreibe bald. Empfehle mich Deinen Eltern, Deinem Bruder. Ich umarme Dich von Herzen und bin Dein treuer Freund


Beethoven.«


Dieser Brief erweist bestimmt, daß Beethoven im Frühjahr 1809 noch nicht an eine Verbindung mit Therese Malfatti dachte, und daß alle Briefe an Gleichenstein, welche darauf bezügliche Andeutungen enthalten, später zu setzen sind. Gewiß aber kann man annehmen, daß die Aussetzung eines festen Jahresgehaltes neben den Einnahmen aus seinen Kompositionen wirklich Beethoven nun den Gedanken fassen ließ, sich zu verheiraten. Obgleich seit dem plötzlichen Tode des Dr. Schmidt (13. Februar 1808) Dr. von Malfatti, der Oheim der Schwestern Therese und Anna, Beethovens Hausarzt war, scheint doch erst im Laufe des Jahres 1809 allmählich sich eine Zuneigung Beethovens zu Therese, der jüngern Schwester von Gleichensteins Braut, entwickelt zu haben, die schließlich im Frühjahr 1810 zu einem förmlichen Heiratsantrage führte. –

Unter dem Datum »Wien am 4ten März 1809« schrieb Beethoven an Härtel folgenden Brief.


»Mein Hochgeehrter.


Aus dem hierbeigefügten sehen Sie wie die Sachen sich verändert haben, und ich bleibe – obschon ich vielleicht doch noch eine kleine Reise zu machen gesonnen bin, wenn sich nicht die jetzigen drohenden Gewitterwolken zusammenziehen; – Sie erhalten aber gewiß zeitig genug Auskunft – hier das Opus etc. von den 3 Werken – Sonate für Klavier und Violonzell dem Herrn Baron von Gleichenstein Op. 59. Bei den Sinfonieen den beiden Herrn zugleich nämlich: S. Excellenz dem Grafen Rasoumowsky und seiner Durchlaucht dem Fürsten Lobkowitz gewidmet – Sinfonie in Cmoll Op. 60. Sinfonie in F Op. 61. – Sie erhalten morgen eine Anzeige von kleinen Verbesserungen, welche ich während der Aufführung der Sinfonieen machte;[128] – als ich Sie Ihnen gab, hatte ich noch keine davon gehört – und man muß nicht so göttlich sein wollen, etwas hier oder da in seinen Schöpfungen zu verbessern – Hr. Stein trägt Ihnen an die Sinfonieen zu 2 Klavieren zu übersetzen, schreiben Sie mir ob Sie das wollen, oder sie wollen und honoriren wollen? – –

Ich empfehle mich Ihnen bestens und


bin in Eile

Ihr ergebenster Freund

L. v. Beethoven.


Die Trios werden gewidmet:


A Madame la Comtesse Marie d'Erdödy née Comtesse Niczky Dame de la Crois Op. 62.«


Da aber in dieser Zeit vom Industriekontor die 1807 gekauften Werke (S. 31) und einige Arrangements älterer mit den Opuszahlen 59 bis 66 veröffentlicht wurden, so mußten in der Folge die in obigem Briefe vorgeschlagenen Nummern 59–62 in 67–70 verändert werden.

Die Leipziger Allg. Mus. Ztg. hatte eine Notiz gebracht über die an Beethoven von Kassel ergangene Offerte, in welcher aber Reichardt als Vermittler der Verhandlungen hingestellt worden war. Das gab Beethoven Anlaß zu einer Berichtigung, die in der Zeitung erfolgte (Jahrg. X., 492). Der bezügliche Brief Beethovens atmet wohl noch den Verdruß darüber, daß Reichardt die Komposition von Collins »Bradamante« übernommen hatte (Original im Besitze der Firma):


»Wien am 5ten April 09


Hochgeehrtester Herr!


Mit Vergnügen habe ich ihren Brief empfangen – Für den Aufsatz in der M. Z. danke ich ihnen, nur wünsche ich, daß sie bey Gelegenheit ⌗, was Reichardt angeht, berichtigen lassen, ich wurde ganz und gar nicht von R. engagiert, im Gegentheil, der oberste Kammerherr seiner Majestät des Königs von Westphalen Graf Truchseß-Waldburg ließ mir den Antrag und zwar als erster Kapellmeister von Sr. M. von Westphalen machen, Dieser Antrag wurde mir gemacht noch ehe Reichardt in Wien war und er wunderte sich selbst darüber, wie er sagte, daß ihm von alle dem nichts zu Ohren gekom men sey – R. gab sich alle mögliche Mühe mir abzureden, nicht dahin zu gehen – Da ich überhaupt sehr viele Ursache habe, den Charakter des H. R. – in Zweifel zu ziehen und er vieleicht gar selbst so etwas aus mehreren politischen Ursachen ihnen könnte mitgetheilt haben, so glaube ich, daß ich mehr Glauben auf jeden Fall verdiene und daß sie bey der nächsten Gelegenheit, die sich leicht finden lässt, solches der Wahrheit nach einrücken lassen – da es für meine Ehre wichtig ist – auch schicke ihnen mit nächster Post alle drey Werke, das Oratorium, Oper, Messe – und verlange nicht mehr dafür als 250 fl. in Konvenzionsgeld – [129] ich glaube nicht, daß sie sich hierüber beschweren werden – ich kann eben den Brief nicht finden, worin mir Simrock für die Messe auch 100 fl, in Konvenzionsgeld geben wollte, auch selbst hier könnte ich dieses und noch etwas mehr von der chemischen Druckerey dafür bekommen;– ich mache ihnen keine Schwenke, das wissen sie – ich schicke ihnen jedoch alle 3 Werke, weil ich überzeugt bin, daß sie mich nicht werden darunter leiden lassen – Machen sie die Überschriften ganz nach ihrem Belieben im Französischen – Das nächstemal erhalten sie wieder ein paar Zeilen über das Andere – für heut ist es nicht möglich –


ihr ergebenster

Freund und Diener

Beethoven


⌗ Es braucht eben keiner pomphaften Widerrufung doch muß die Wahrheit an den Tag kommen.

Vergessen sie nur den ersten Kapellmeister ja nicht, ich lache über d. g., aber Es gibt Miserabiles, die so etwas schon wissen nach der Köche Art aufzutischen.«


Was Beethoven mit der »kleinen Reise« in dem Briefe vom 4. März an Breitkopf & Härtel (S. 128) meint, kann ja nach Bekanntwerden des Briefes vom 7. Januar 1809 nicht zweifelhaft sein. Die eigentlich geplante Reise über Leipzig nach Kassel schrumpfte unter den veränderten Verhältnissen zu einer Reise bloß nach Leipzig zusammen. Die in dem Kontrakte als möglich erwähnten Kunstreisen sind vage Projekte, wie sie schon früher auftauchten12. Auch was Röckel in dieser Hinsicht berichtet, mag wirklich gelegentlich besprochen worden sein, ohne sich doch zu einem ernsthaften Entschlusse zu verdichten. »Beethoven war«, so erzählte derselbe dem Verfasser, »in jenen Tagen von Reiseplänen erfüllt, und es war ein Plan entworfen, die deutschen Hauptstädte, hierauf England und schließlich Spanien zu besuchen, auf welches letztere Röckel besonderen Nachdruck legte. Er sollte Beethoven begleiten; aber er konnte Wien aus dem Grunde nicht verlassen, weil mehrere seiner Brüder und Schwestern zu ihm geschickt waren, damit er für sie sorge13

[130] Am 28. März 1809 schrieb Beethoven die bereits Bd. II2, S. 345 abgedruckte Notiz auf der Innenseite eines Briefkuverts an seinen Bruder Johann in Linz:


»Gott gebe nur dem andern Herrn Bruder einmal statt seiner Gefühllosigkeit – Gefühl – ich leide unendlich durch ihn, mit meinem schlechten Gehör brauche ich doch immer Jemanden, und wem soll ich mich vertrauen?«


die uns die Gewißheit gibt, daß die frühere Harmonie zwischen den Brüdern Ludwig und Karl ernstlich gestört war, (vgl. auch S. 55 den »Rachegeist«). Doch führte sie die Zeit des Bombardements noch einmal zusammen, aber zweifellos nur vorübergehend. Der Meister bedurfte aber eines Genossen, der für ihn manche kleine Besorgungen übernehmen konnte, welche er schicklicherweise von Zmeskall, Gleichenstein oder Röckel nicht fordern konnte, selbst wenn sie die Zeit und den Willen dazu gehabt hätten. Infolgedessen bildete sich gerade um diese Zeit eine Verbindung mit einem gewissen Franz Oliva, der im Kontor von Offenheimer & Herz Bauernmarkt Nr. 620 angestellt war. Beethoven widmete 1810 »seinem Freunde Oliva« die 1809 geschriebenen D-Dur-Variationen (vgl. S. 176). Es ist auch keineswegs ganz ausgeschlossen, daß der Oliva erwähnende nicht datierte Brief an Franz Brunswick, den wir an seiner Stelle im Jahre 1812 lassen, doch in das Jahr 1809 gehört, wie von den ersten Herausgebern angenommen wurde (Köchel, Nohl); die Details des Briefes machen freilich in beiden Jahren einige Schwierigkeiten.

Es ruht ein eigentümliches Dunkel auf den persönlichen Verhältnissen dieses Mannes und der Natur seiner Beziehungen zu Beethoven, ein Dunkel, welches zu beseitigen auch den unermüdlichen Forschungen Ferdinand Luibs nicht gelungen ist. Was feststeht, ist folgendes: Die Beziehungen zwischen Beethoven und Oliva waren in hohem Grade eng bis zum Frühling 1812; später nicht mehr ganz so; doch wurden sie nie völlig abgebrochen bis zu Olivas im Jahre 1820 erfolgter Abreise nach St. Petersburg, wo er es in seinem Interesse fand, sich als Sprachlehrer niederzulassen. Nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist veröffentlichte die Wiener Zeitung folgende öffentliche Aufforderung an ihn:


»Franz Oliva.«


»Franz Oliva, gewesener Buchhalter bei dem hiesigen Großhändler Joseph Biedermann, welcher im December 1820 einen mit dem letztern gemeinschaftlichen Reisepaß nach Rußland von der Regierung erhalten hat, und nach erloschener Paßzeit nicht zurückgekehrt ist, wird hiermit aufgefordert, binnen einem Jahre um so gewisser zurückzukehren und sich über seine unbefugte [131] Abwesenheit bei der betreffenden Obrigkeit zu rechtfertigen, als außerdem gegen denselben nach dem 27. §. des Auswanderungs-Patentes vom Jahre 1784 vorgegangen werden muß.

Von der K. K. Oest. Landesregierung.


Wien am 8. May 1822.

Anton Freiherr v. Erben

K. K. Ni.-Oest. Regierungs-Secretär.«


Oliva beantwortete diese Aufforderung sehr praktisch; er verheiratete sich und gründete in Petersburg ein Hauswesen. Es wurde ihm eine Tochter geboren, welche im Jahre 1854 aus Baltacia an Otto Jahn, der sie über das Verhältnis ihres Vaters zu Beethoven befragt hatte, folgendes schrieb:


»Je regrette beaucoup de ne pouvoir Vous donner les renseignements que Vous désirez avoir sur la correspondence de feu mon cher père avec le grand genie son ami Mr. Louis van Beethoven. Une incendie et le coléra en 1848, duquel mon pauvre père a été victime ont fait disparaître les moindres détails de cette interessante correspondance, vu que moi et ma feue mère étaient tellement frappés du malheur d'avoir si subitement perdu le père de famille, que nous abandonniâmes tout au gens qui par leur négligence habituelle ont fait disparaître ce qui restait encore des lettres de Beethoven à mon père


Die Schreiberin bedauert sodann, nicht Gelegenheit zu mündlichem Gespräche zu haben, um eine Menge von interessanten Details aus dem Umgange ihres Vaters mit Beethoven erzählen zu können, deren sie sich genau erinnere. Dieser Umgang habe gedauert von 181414 bis 1821. Der Schluß des Briefes lautet:


»C'est bien dommage Monsieur que je ne puis Vous faire part de toutes ces puérilités si interessantes pour quelqu'un qui s'est chargé d'écrire la biographie d'un si grand homme. Vous concevez bien que cela prendra trop de temps, si je voudrais Vous les écrire, et perdrait aussi d'attraits de vérité..... Veuillez recevoir Monsieur l'assurance du profond regret de ne pouvoir Vous être utile.


Baltacia le 26 d'Aout

1854.

tout devouée

Betty de Oliva


[132] In den März und April 1809 fallen einige Briefe an Zmeskall (mit Datierungen des Adressaten), welche uns von einem Konzertauftreten Beethovens in dieser Zeit Kunde geben. »S.« ist Schuppanzigh, der gerade damals mit den Krafts nicht auf freundlichem Fuße stand; die Violoncellsonate ist die Gleichenstein gewidmete Op. 69; die Terzetten sind die der Gräfin Erdödy gewidmeten Trios Op. 70; »Krafts Akademie« ist jedenfalls das Konzert des jüngeren (Nikolaus) Kraft am 5. März im kleinen Redoutensaale. Joh. v. Mihallkovics war k. k. Hofkonzipist. Es mag hinzugefügt werden, daß der zweite dieser Briefe mit dem Datum des 14. Mai – des zweiten Tages nach dem Bombardement der Stadt – gedruckt ist; natürlich ein Irrtum. Statt Mai muß es heißen April.

Nach diesen Vorbemerkungen werden die folgenden Briefe verständlich sein.


(Ohne Datum.) »Hier die Antwort von S. – Es ist nur leid um Kraft – ich schlage vor, daß die Ertmann mit ihm die Violonschell-Sonate aus A spiele, welche ohnedem vor einem großen Publikum noch nicht gut gehört worden – übrigens wird um dem bösen Leumund meiner Freunde zu steuern das Terzett noch vor Krafts Akademie gemacht werden.


Ganz ihr

Beethoven.«


(14. April 1809.) »Liebes altes Musikgräferl! ich glaube es würde doch gut seyn, wenn Sie den eben auch alten Kraft spielen ließen, da es doch das Erstemal ist, daß die Terzetten gehört werden (vor mehreren) – nachher werden Sie sie jedoch spielen können – ich stelle es Ihnen aber frey, wie Sie es hierin halten wollen, finden Sie Schwierigkeiten hierbei wovon vielleicht die auch dabei seyn könnte, daß Kraft und S. nicht gut harmoniren, so mag nur immerhin der H. v. Z. jedoch nicht als Musikgraf – sondern als tüchtiger Musiker sich dabei auszeichnen.


Ihr Freund

Beethoven.«


(16. April 1809.) »Wenn ich nicht komme, lieber Z., welches leicht geschehen kann, bitten Sie die Baronin Ertmann, daß Sie Ihnen die Klavierstimme von dem Terzett da läßt, und haben Sie hernach die Gefälligkeit mir solche mit den übrigen Stimmen noch heute zu schicken.


in Eil

Bthvn.«


(25. April 1809.) »Ich spiele gern – recht gern – hier die Violonschell-Ttimme – fühlen Sie sich dazu – so spielen Sie, sonst lassen Sie die alte Kraft spielen – wegen der Wohnung mündlich15 – wenn wir uns sehen.


Ihr Freund

Beethoven.«


[133] (Ohne Datum.) »Kraft hat sich zufälliger weise angebothen heute mit zu spielen, es wäre unschicklich gewesen dieses nicht anzunehmen, und selbst läugne es nicht, so wie Sie es gewiß ebenfalls, daß sein Spiel uns alle doch am meisten Vergnügen macht16 – bitten Sie Michalcovitsch, daß er zu ihnen diesen Abend komme, indem wir ihn wohl brauchen können, ich werde ihn gegen halb 7 Uhr abholen, so wie auch Sie, wenn es Sie freut mit zugehen – um Ihre Pulte und Bratsche bitte ich Sie auch.


Ihr

Bthvn.«


Auf der Rückseite dieses Briefes steht mit Rotstift:


»Versichern Sie sich des Mialcovitz auf allen Fall, wir brauchen ihn, ich bitte Sie auch zu kommen, ich werde Sie abholen.«


Otto Jahns Sammlung enthält noch die Abschrift eines Briefes, der ein hübsches Beispiel jener Beethoven eigentümlichen Neigung zu drolligen Scherzen gibt. Derselbe ist ohne Datum und wird lediglich vermutungsweise hier eingefügt (wahrscheinlich ist er aus dem Sommer 1809):


(An Zmeskall.) »Geliebtester Conte di Musica! Wohl bekomme Euch der Schlaf, und auf heut wünschen wir euch einen guten Appetit und eine gute Verdauung. Das ist alles was dem Menschen zum Leben nöthig ist, und doch müssen wir das alles so theuer bezahlen, ja liebster Conte, vertrauter amico, die Zeiten sind schlecht, unsere Schatzkammer ausgeleert, die Einkünfte gehen schlecht ein, und. wir, euer gnädigster Herr sind gezwungen uns herabzulassen, und Euch zu bitten um ein Darlehn von 5 Gldn, welches wir euch binnen einigen Tägen wieder zufließen werden las sen – In Ansehung der Instrumente tragen wir Euch die strengste Untersuchung auf, indem wir bey allenfallsigem Betrug gesonnen sind, den Verbrecher hart zu züchtigen. –


Lebt wohl, geliebtester amico und conte di Musica

euer wohlaffectionirter

Beethoven


gegeben in unserem Componir-Cabinet.«


Aber die drohenden Gewitterwolken zogen sich zusammen. Dieselben französischen Armeen, welche den Grund zu Johann van Beethovens Glück legten, verhinderten nicht allein Ludwigs in Aussicht genommene »kleine Reise«, sondern brachten ihn sowohl rücksichtlich seiner Geldverhältnisse als der Ausübung seines Berufes in eine sehr ungünstige Lage. Sie stürmten, aller Hindernisse spottend, das Donautal abwärts und richteten von neuem [134] ihr eifriges Streben auf die Eroberung der Hauptstadt. »Am 4ten Mai verließ die Kaiserin mit der allerhöchsten Familie Wien.« Erzherzog Rudolf begleitete sie und kehrte erst am 30. Januar 1810 nach Wien zurück, so daß also sein Unterricht bei Beethoven eine längere Unterbrechung erlitt, welche dieser benutzte, sich ausführliche Materialien für die Unterweisung in der Theorie zusammenzustellen (vgl. Nottebohms ausführliche Nachweise, I. Beeth., S. 154ff.); auch komponierte er während dieser Zeit die Klaviersonate Op. 81, deren erstem und letztem Satze er die Daten der Abreise und Rückkehr des Erzherzogs auf dem Manuskript des vollständigen Werkes beifügte.

»Konnte Wien«, sagt Hormayr, »in der herrlichsten Lage eines festen Platzes und Brückenkopfes, nur 8 bis 10 Tage gehalten werden, so war eine Möglichkeit, daß das über Budweis, Zwettel und Horn herabrückende Hauptheer noch zeitig die Donaubrücke gewinnen und die Rettung des Staates unter den Mauern dieser Stadt erstreiten würde.«

Mit einer Garnison von 16000 Mann Linientruppen und Landwehr, 1000 Studenten und Künstlern, dem Bürgermilitär und einiger Aufgebotmannschaft erhielt Erzherzog Maximilian den Befehl, Wien zu verteidigen; die Verteidigungslinie erstreckte sich von der Wasserkunst- bis zur Löbel- und Mölkerbastei. Und so geschah es, daß sich Beethoven am 10. Mai eingeschlossen sah in einer belagerten Stadt.

Während Lannes und Bertrand dabei sind, die französische Kriegsmacht in ihre Stellungen zu bringen »von der Donau bei Döbling über Weinhaus, Währing, Ottakring gegen Napoleons Hauptquartier in Schönbrunn und von dort gegen die Spinnerin am Kreuz bis in die Ebene von Simmering wieder an die Donau aus«, wollen wir zu einer weniger erheblichen Angelegenheit uns zurückwenden, welche an ihrer Stelle übergangen worden ist.

Beethovens Versuch, mit der Gräfin Erdödy zusammen zu wohnen, war, wie man recht wohl hätte vorhersagen können, von keinem dauernden Erfolge. Er war zu reizbar, zu launisch und zu hartnäckig, zu leicht geneigt, sich verletzt zu fühlen, und zu schwer dazu zu bringen, Erklärungen zu erbitten und zu geben. Wir haben bei verschiedenen Gelegenheiten gesehen, wie er, wenn er fand, daß er im Unrechte war, dies mit Freuden in jeder schuldigen Weise anerkannte; aber dieses kam, wie in dem Falle mit Ries, häufig zu spät, um den bereits angerichteten Schaden wieder gut zu machen. Augenscheinlich war er noch vor dem Schlusse des Winters in einen solchen Grad von Unzufriedenheit [135] geraten, daß er sogar den besonderen Beweis der guten Absicht der Gräfin übelnahm, welcher in dem folgenden undatierten Briefe an Zmeskall erwähnt ist:


»Mir deucht Sie werden mein lieber Zmeskall wohl noch, nach dem Kriege, wenn er wirklich beginnen sollte, zu Friedens Negoziazionen sich anschicken – Welch glorwürdiges Amt!!! ich überlasse ihnen ganz, die Sache mit meinem Bedienten auszumachen, nur muß die Gräfin Erdödy auch nicht den mindesten Einfluß auf ihn haben. Sie hat ihm, wie sie sagt, 25 fl. geschenkt, und monatlich 5 fl. gegeben, bloß damit er bei mir bleiben soll – diesen Edelmuth muß ich jetzt glauben – will aber weiter auch nicht, daß er so fort ausgeübt soll werden – gehaben Sie sich wohl, ich danke ihnen für ihre Freundschaft und hoffe Sie bald zu sehen.


Ganz ihr

Beethoven.«


Ein anderer Brief trägt Zmeskalls Datum »7. März 1809«:


»Ich konnte es wohl denken – Mit den Schlägen, dieses ist nur mit Haaren herbeigezogen; – diese Geschichte ist wenigstens 3 Monathe alt – und ist bei weitem das nicht – was er jetzt daraus macht – die ganze elende Geschichte ist von einem Fratschlerweib und ein paar elenden anderen Kerls herbei geführt worden – ich verliere aber nicht viel, weil er wirklich durch dieses Haus, wo ich bin, verdorben ward.«


Welche Ursache, außer jenen übel angebrachten Zuwendungen an den Bedienten, eine Mißhelligkeit zwischen Beethoven und der Gräfin herbeigeführt hatte, ist nicht bekannt; doch war etwas vorgefallen, wobei die Schuld, wie Beethoven bald erkannte, vollständig auf seiner Seite war, und wofür er in folgender demütigen Weise seine Reue ausdrückt und Verzeihung erbittet17:


(An die Gräfin Erdödy, ohne Datum.)


»Meine liebe Gräfin, ich habe gefehlt, das ist wahr – verzeihen Sie mir, es ist gewiß nicht vorsetzliche Bosheit von mir, wenn ich Ihnen weh gethan habe – erst seit gestern Abend weiß ich recht wie alles ist, und es thut mir sehr leid, daß ich so handelte – lesen Sie ihr Billet kaltblütig, und urtheilen Sie selbst, ob ich das verdient habe, und ob Sie damit nicht alles sechsfach mir wiedergegeben haben, indem ich Sie beleidigte ohne es zu wollen; schicken Sie noch heute mir mein Billet zurück, und schreiben mir nur mit einem Worte, daß Sie wieder gut sind, ich leide unendlich dadurch, wenn Sie dies nicht thun, ich kann nichts thun, wenn das so fortdauern soll – ich erwarte Ihre Verzeihung.«


Wir haben genügenden Grund zu der Annahme, daß bald darauf die Versöhnung stattgefunden hat18; doch beschloß Beethoven trotzdem eine [136] andere Wohnung zu suchen, wie aus folgendem Briefe an Zmeskall hervorgeht19:


»Mein lieber Z. – es hat sich eben eine passende Wohnung für mich gefunden – aber ich brauche jemand, der mir hierin behülflich ist, meinen Bruder kann ich nicht dazu nehmen, weil er mir immer das, was am wenigsten kostet, befördert. Lassen Sie mir also sagen, wann wir zusammen heute diese Wohnung ansehen könnten – diese Wohnung ist im Klepperstall –«


Genaueres über diese Wohnung verrät uns ein Brief an Breitkopf & Härtel vom 3. August 1809 (vgl. S. 113), wo es am Schluß heißt:


»Ich eile, denn um 5 Uhr müssen wir die Briefe schon auf die Post geben – und es ist schon gegen halb 5 Uhr und ich wohne im Klepperstall in der Teinfaltstraßeim 3ten Stock beym Advokaten Gostischa« –


Doch hatte Beethoven wohl sogar Anfang August diese Wohnung noch nicht bezogen, sondern nur gemietet und teilte die Adresse nur Breitkopf & Härtel mit in der Voraussicht, sie demnächst zu beziehen. Es ist sogar wahrscheinlich, daß er sie überhaupt nicht bezogen hat. Denn augenscheinlich noch später war Beethoven noch in Baden, um die Produktionen des Aeronauten Jakob Degen anzusehen (vgl. die Ztg. f. d. Elegante Welt, 14. Juli und 30. August 1808), und berichtet an Zmeskall über Differenzen mit dem »Advokaten« (Original im Besitz der Wiener Hofbibliothek; der zuerst von Frimmel 1889 in der Neuen Zeitschrift für Musik S. 523 veröffentlichte Brief ist nicht datiert; Kalischer, der ihn – Sämtl. Br. II, 51 – vervollständigt gibt, setzt ihn irrtümlich ins Jahr 1811):


»Mein lieber Z. ich bitte sie mir sogleich schriftlich zu geben, daß ich und sie ausgemacht hatten, für zwei Zimmer und das Vorzimmer, worin der Bediente seyn kann 250 fl. zu bezahlen, stellen sie sich vor, daß indem mir der Herr Advokat das Zimmer hinten unaufgefordert noch einräumen lässt, nun jetzt 350 fl. fordert – sollte er dabey sich nicht beruhigen, so müssen sie so gut sein und Morgen mit mir und mit ihm reden – der Kerl ist ein Schurke –

NB. hat er das Drangeld, welches sie auch zeugen können, nämlich 29 fl. gleich genommen, nämlich auf 250 fl.

An Herrn Ludwig van Beethoven in Baden, abzugeben im Sauerbad, der sich noch hier befindet und nicht umhin kann, sich mit einigen Degenschen Aufflügen zu beschäftigen. Gratias im Voraus und auch hernach agimus tibi Zmeskallio Domenovetzensi


[137] Wenn Beethoven die Wohnung überhaupt bezogen hat, so gab er sie jedenfalls nach kurzer Zeit wieder auf und bezog ein Haus in der Walfischgasse, welches nach dem Stadtwalle und dem Glacis hinaussah, gerade auf der Stelle, wo jetzt das polytechnische Institut steht. –

Es wird nicht nötig sein, aus Hormayr alles das anzuführen, was zwischen den französischen Feldherren und dem Erzherzog Maximilian mit Bezug auf die Übergabe der Stadt verhandelt wurde. Es genügt zu bemerken, daß eine Kapitulation abgelehnt wurde, infolge wovon am Nachmittage des 11. Mai »General Bertrand in der breiten Gasse des Spittelberges ein kleines Gebäude durchbrechen« ließ, »um sich von rückwärts den Weg zur Anhöhe hinter den kaiserlichen Stallungen zu bahnen, welches lange und feste Gebäude die Arbeiten deckte«. An dieser Stelle wurde eine Batterie errichtet, um die Stadt zu beschießen. Wenn der Leser einen Plan des »alten Wien« zur Hand hat, so wird er finden, daß jeder Schuß aus dieser gegen das Kärntnertor und die Wasserkunstbastei gerichteten Batterie möglicherweise in Beethovens Fenster treffen konnte. »Nachts mit dem Schlag 9 Uhr (am 11ten) fing jene Batterie aus 20 Haubitzen zu spielen an. Reich und Arm, Hoch und Niedrig, Jung und Alt fand sich nun im buntesten Gewirr in Kellern und feuerfesten Gewölben zusammen.« Beethoven nahm seine Zuflucht in die Rauhensteingasse und »brachte die meiste Zeit in einem Keller bei seinem Bruder Caspar zu, wo er noch den Kopf mit Kissen bedeckte, um ja nicht die Kanonen zu hören«. So Ries. Wahrscheinlicher ist, daß Beethoven diese kluge Vorsicht anwandte, um sein schwaches Gehörorgan vor dem heftigen Knalle der platzenden Bomben zu bewahren; denn es scheint, daß weder die Kanonen auf den Bastionen, noch die, welche in den Straßen aufgestellt waren, abgefeuert wurden. »Um halb drei Uhr [am 12. Nachmittags] steckte man die weiße Fahne aus und meldete den feindlichen Vorposten, die Stadt wollte capituliren.«

Die Besetzung der Hauptstadt durch die Franzosen und die Zusammenziehung der Truppen von entgegengesetzten Seiten, welche zu den schrecklichen Schlachten von Aspern, Eßlingen, Wagram und Znaim führte, brachte eine Steigerung des Konsums und mangelhafte Zufuhr aller notwendigen Lebensbedürfnisse als notwendige Folge mit sich. Gerade vor der Kapitulation trat »der Wucher empörend hervor, zumal beim Verkauf der Lebensmittel, insonderheit des Brotes und im Verschwinden der Kupfermünze«. Von der Kapitulation bis zum Waffenstillstande vom 12. Juli, in einer Zeit von zwei Monaten, »hatte der Feind von [138] der Stadt gegen 10 Millionen Gulden gezogen und außer zahllosen andern Requisitionen, 150, 000 Ellen Leinwand abgefordert. Am 21. Juli begehrte er neuerdings 2 Millionen Franken, 5000 Klafter Holz, 30, 000 Centner Heu, 40, 000 Centner Stroh, gegen 200, 000 Ellen Tuch und Futter, 70, 000 Ellen Leinwand, 30, 000 Pfund Leder; am 26. für 40, 000 Mann Bettgeräthschaften, 73, 000 Metzen Haber, abermahl 20, 000 Centner Heu und Stroh und 10, 000 Eimer Wein.« In der Tat, ein anmutiger Zustand der Dinge für einen Mann in Beethovens Lage! Unter den Forderungen befand sich eine – und vielleicht mehr als eine – welche ihn unmittelbar berührte: »ein Zwangsdarlehn auf die Häuser in der Stadt und den Vorstädten, und zwar für die Hausinhaber durchaus der vierte Theil des Zinsertrages, für die Einwohner oder Miethparthieen aber a) von 101 bis 1000 Gulden Zins ein Viertheil, b) von 1001 bis 2000 Gulden Zins ein Drittheil« usw.20. Wenn auch Beethoven damals wohl imstande war, die außerordentlichen Forderungen aus seinem Geldbeutel zu bestreiten, da er soeben von Erzherzog Rudolf und Fürst Lobkowitz die erste Zahlung auf sein Jahrgehalt (750 und 350 fl.) empfangen hatte, auch einiges wenige an Honorar für Kompositionen von den Verlegern eingegangen war (von Simrock 75 Gulden für die Messe), so wird er doch den Druck der Verhältnisse schon hart empfunden haben, ehe Wien wieder frei wurde. An wen konnte er sich um Beistand wenden? Kinsky war am 26. Februar nach Prag abgereist, seine Frau und Fürst Lobkowitz am 14. März. Die Familien Lichnowsky, Palffy, Waldstein usw. waren alle abwesend; einige waren im Kriege, andere durch sonstige öffentliche Dienste abgerufen; noch andere waren auf ihren Besitzungen. So suchte z.B. die Familie Erdödy Zuflucht in Ungarn und Kroatien.

Von Beethovens persönlichen Freunden scheint Breuning zurückgeblieben zu sein. Wir haben einen tief rührenden und interessanten Brief an Gleichenstein, welcher vollständig mitgeteilt werden muß. Sein Datum wird durch folgende Umstände bestimmt. Der arme Breuning hatte im April 1808 Julie, die schöne und hochgebildete Tochter des Stabsarztes von Vering, geheiratet. Noch war kein Jahr verflossen, als sich die junge Frau durch unvorsichtigen Gebrauch kalter Fußbäder einen Blutsturz aus der Lunge zuzog und am 21. März 1809 plötzlich starb, erst 19 Jahre alt. Aus der Zeit nach diesem Ereignis stammt nachstehender Brief:


[139] »Lieber guter Gleichenstein! Ich kann durchaus nicht widerstehen, Dir meine Besorgnisse wegen Breunings krankhaftem fieberhaften Zustande zu äußern, und Dich zugleich zu bitten, daß Du soviel als nur immer möglich Dich fester an ihn anknüpfest, oder ihn vielmehr fester an Dich zu ziehen suchst; meine Verhältnisse erlauben mir viel zu wenig die hohen Pflichten der Freundschaft zu erfüllen, ich bitte Dich, ich beschwöre Dich daher im Namen der guten edlen Gefühle die Du gewiß besitzest, daß Du mir diese für mich wirklich quälende Sorge übernimmst, besonders wird es gut sein, wenn Du ihn ersuchst mit Dir hier oder da hinzugehen, und (so sehr er Dich zum Fleiße anspornen mag) Du ihn etwas von seinem übermäßigen, und mir scheint, nicht immer ganz nöthigen Arbeiten abzuhalten. – Du kannst es nicht glauben, in welchem exaltirten Zustande ich ihn schon gefunden – seinen gestrigen Verdruß wirst Du wissen – Alles Folge von seiner erschrecklichen Reizbarkeit, die ihn, wenn er ihr nicht zuvorkommt, sicher zu Grunde richten wird.

Ich trage Dir also, mein lieber Gleichenstein, die Sorge für einen meiner besten bewährtesten Freunde auf, um so mehr, da Deine Geschäfte schon eine Art Verbindung zwischen Euch errichten, und Du wirst diese noch mehr befestigen dadurch, daß Du ihm öfter Deine Sorgen für sein Wohl zu erkennen gibst, welches Du um so mehr kannst, da er Dir wirklich wohl will – doch Dein edles Herz, das ich recht gut kenne, braucht wohl hierin keine Vorschriften; – Handle für mich und für Deinen guten Breuning. Ich umarme Dich von Herzen.


Beethoven.«


Ries war seit 27. August 1808 in Wien und blieb auch während der Belagerung dort (vgl. Notizen S. 121). Er schrieb an N. Simrock am 6. Mai (Beethoven-Briefe an N. Simrock usw. [1909] S. 17):


»Endlich nachdem ich zum Lien mal bei Beethoven war, erhielt ich beyliegendes Briefchen. Was ich daraus machen soll, weiß ich nicht, ich erwarte also ihre Antwort« etc.


Das Briefchen Beethovens an Simrock, das Ries dem seinigen beilegte, lautet:


»Wien am 5ten May 1309


Mein lieber geehrter Freund! unsere jetzige Lage entschuldigt mein abgerissenes Stück Papier – weisen sie mir die Summe von 100 Gulden in Convenzions- Münze nur hier so an, daß, wenn ich die Messe an denselben Ort abgegeben habe, ich sogleich diese oben benannte Summe empfangen muß – leben sie wohl und erinnern sie sich gern


ihres Freundes

Beethoven.«


Am 31. Mai starb Joseph Haydn. Man erfährt nicht, ob Beethoven oder irgendeiner der Musiker in der Stadt bei seinem Leichenbegängnisse zugegen gewesen ist.

[140] Bigot und seine Frau reisten nach Paris, um nicht wieder zurückzukehren; Zmeskall war, wie die öffentlichen Beamten überhaupt, dem Hofe und den Ministern an sichere Orte gefolgt. Der Postverkehr war unterbrochen und mehrere Wochen hindurch die Verbindung mit dem Lande gehindert21. Erst gegen Ende Juli wurden der Prater, der Augarten, der Schwarzenberg- und der Schönbrunner-Garten dem Publikum wieder geöffnet. Hormayr bemerkt, daß am 23. jenes Monats »bei 22, 000 Menschen im Prater wogten«. Für Beethoven war diese Einsperrung gerade während der Jahreszeit, in welcher er gewohnt war, in Wald und Tälern Begeisterung zu schöpfen, fast unerträglich und steigerte womöglich noch seinen alten Haß gegen Napoleon und die Franzosen. Der junge Ruft traf ihn eines Tages in einem Kaffeehause und sah, wie er gegen einen vorübergehenden französischen Offizier die Faust ballte und ausrief: »Wenn ich als General von der Strategie verstünde, was ich als Komponist vom Kontrapunkt verstehe, dann wollte ich euch schon etwas zu schaffen geben22

Daß Beethoven unter diesen Umständen etwa bis zum Ende Juli nicht zu größeren Arbeiten kam, ist gewiß nicht verwunderlich. Die Korrespondenz mit Breitkopf & Härtel stockt bezeichnenderweise von Ende Mai (»der uns nahende fatale Zeitpunkt«) bis zum 26. Juli. Selbst am 8. August ist aber Beethoven noch nicht auf dem Lande (vgl. den Brief S. 145). Wir dürfen annehmen, daß der größte Teil der Arbeiten, von denen das Hauptskizzenbuch dieses Jahres Kunde gibt, in den Monaten August bis Oktober ausgeführt wurde, und lange Wochen dieses traurigen Sommers der mühseligen Arbeit gewidmet waren, Auszüge aus den theoretischen Werken von K. Ph. E. Bach, Türk, Kirnberger, Fux und Albrechtsberger zu machen und die ausgewählten Stellen [141] nach und nach abzuschreiben, um sie später bei dem Unterrichte des Erzherzogs Rudolf zu verwenden: eine Arbeit, welche Beethoven, wie wir glauben, schon längere Zeit im Sinne gehabt und spätestens zu Anfang dieses Jahres begonnen hatte. Die »Materialien zum Generalbaß« und »Materialien zum Contrapunkt«, wie zwei seiner Hefte von ihm bezeichnet sind, bildeten der Hauptsache nach die Grundlage zu jener großartigen und 30 Jahre hindurch erfolgreichen Täuschung des musikalischen Publikums, welche von Seyfried vorbereitet und von Haslinger veröffentlicht wurde als »Beethovens Studien unter Haydn und Albrechtsberger«! Schindler warnte frühzeitig das Publikum vor diesem Betruge. Auf seine Beschuldigung ist nie eine Antwort erfolgt; ebensowenig ist seiner Aufforderung, die Echtheit des Inhalts jenes Werkes zu beweisen, Folge geleistet worden. Die Gegenpartei befolgte den frecheren und dabei leichteren Plan, Schindlers Ehrenhaftigkeit zu verdächtigen und ihn persönlich zu schmähen. Ihnen ist jenes unbestimmte Gefühl von Zweifel und Verdacht zu verdanken, welches in der nachfolgenden musikalischen-Literatur Deutschlands regelmäßig hervortritt, so oft Schindler und seine Schriften zufällig Gegenstand der Erwähnung sind23.

Während der Okkupation Wiens durch die Franzosen nahm ein für Beethovens Musik begeisterter französischer Beamter, der Auditeur des Conseil d'Etat Baron de Trémont, der dem in Schönbrunn weilenden Kaiser Akten des Conseil zu überbringen hatte, Gelegenheit, den Meister persönlich kennen zu lernen. Der unzweifelhaft stark aufgeputzte Bericht über seine angeblich sehr zahlreichen Besuche bei Beethoven findet sich in den 5 Bände umfassenden Memoiren des Barons, die in der Pariser Nationalbibliothek erhalten sind. Auszüge aus der speziell die Besuche bei Beethoven betreffenden Partie dieser Aufzeichnungen veröffentlichten zuerst Michel Brenet in Guide musical 1892 (20. und 27. März) und anscheinend ohne Kenntnis dieser Vorgängerschaft Jean Chantavoine in der »Musik« 1902 (Bd. II, 6. Beethovenheft). Die Übereinstimmung beider Auszüge in allem Wesentlichen ist wohl ein Beweis, daß sie den Inhalt, soweit er hierher gehört, erschöpfen. Trémont führte sich ein mittels eines Briefs von Reicha, und fand nach seiner Schilderung eine ausgezeichnete Aufnahme. Sein Verkehr mit Beethoven erstreckte sich zunächst auf die [142] Zeit vom Mai bis Juli 1809, wo er nach Mähren beordert wurde. Nach dem 14. Oktober (Wiener Friede) suchte er Beethoven abermals auf, wurde aber dann nach Agram dirigiert und nach einem weiteren Jahr zurück nach Paris. Was Trémont zu erzählen weiß von der Bereitwilligkeit Beethovens zu einer Reise nach Paris in Gesellschaft Trémonts, lese man bei Brenet oder Chantavoine nach. Hier genügt es, einen Absatz zu zitieren [Guide musical S. 111]:


»Lorsque Napoléon s'empara de Vienna pour la seconde fois son frère Jerôme alors roi de Westphalie proposa à Beethoven d'être son maître de chapelle avec sept mille francs d'appointements. Comme j'étais alors à Vienne il me demanda avec confiance mon avis. J'y répondis bien, je crois, en lui conseillant de ne pas accepter et de tenir son engagement à l'égard de la pension stipulée; non que je pusse prévoir alors la chute de cette royauté, mais Beethoven ne serait pas resté six mois à la cour de Jerôme


Trémonts Bericht ist bei seinen Lebzeiten nicht gedruckt worden. Daß er nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, beweist das Bd. V, S. 31 erwähnte Skizzenblatt bzw. Skizzenbuch in seinem Besitz. Aber als Quelle für die Biographie kann er nicht ernstlich herangezogen werden.

Briefe an und von Beethoven oder über seine Angelegenheiten, welche hieher gehören, enthalten mancherlei interessante Aufschlüsse über sein Leben während dieser Zeit. Wir geben nachstehend vier Auszüge aus dem Simrockschen Korrespondenzbuche:


(An Stephan von Breuning in Wien.)


»Bonn, den 23. 9bris 1808.


Für Ihre so gütige und pünktlich besorgte Rechnungen und Commissionen bin ich Ihnen herzlich dankbar. Freund Wegeler hat bereits seinen Theil bezahlt und Chrobst wird es auch; wie ich von Wegeler erfahren, wird die Rechn. nebst Exempl. nun auch an Sie abgeschickt werden. Wenn es noch Zeit ist mit der van Beethoven'schen Messe, so will ich sie für den mir geschriebenen Preis nehmen, wollen Sie mir solche nur gleich mit dem Postwagen zukommen lassen, ich werde sie herausgeben, so sehr schlecht es jetzt mit dem Musik-Handel geht, kann man sich sicher in Wien keinen Begriff davon machen. Ich habe in Wien einige Gelder zu erhalten, aber erst im Anfang des neuen Jahres, bis dahin wird van Beethoven sich gedulden, sonst muß ich in Frankfurt Banknoten kaufen.«


An Ferd. Ries wird am 12. März 1809 geschrieben:


»Ich habe Herrn von Breuning schon in 9bris geschrieben, daß ich die van Beethoven'sche Messe für den angebotenen Preis von 100 fl. annehme, und habe solche also schon lange erwartet.«


[143] An Beethoven selbst schreibt Simrock aus Bonn den 30. Mai 1809:


»Der Ueberbringer dieses wird Ihnen, lieber Herr v. Beethoven, 75 fl. für die Messe in Conventions-Münze übergeben, an den ich solche abzugeben bitte, wenn es Ihnen gefällig ist. Ich wünsche herzlich für Sie und uns bessere Zeiten!«


Endlich an Ferd. Ries am 30. Juni 1809:


»Da wir nicht sicher sind, daß dieser Brief Dich noch in Wien antrifft, so habe ich mit Hr. Eskeles gesprochen, der in 3 Tagen nach Frankfurt geht, wohin ich ihm einen Brief an Steffen von Breuning mitgebe, den er dort auf die Post legt, worin eine Nachricht an ein Wiener Banquier-Haus liegt, wodurch Hr. v. Breuning einige 100 Gulden heben kann, im 241. Fuß und baarem Gelde, welche Dir zugestellt werden, wovon 75 für die Messe bestimmt sind, die Du an van Beethoven gegen die Messe auszahlen wirst.« – –


Dem August 1809 gehört folgender, im Besitze der Frau Karoline van Beethoven befindliche Brief aus Holland an:


»Amsterdam, le 9 d'Aout 1809.


Le secretaire perpetuel de la Quatrième Classe de l'Institut Royal des Sciences, de Litterature et des Beaux-Arts

à

Monsieur L. van Beethoven,

Correspondent de la dite Classe.


Monsieur!


La quatrième Classe de l'Institut Royal des Sciences, de Litterature et des Beaux-Arts Vous avant nommé Correspondent, j'ai l'honneur de Vous en informer.

La Classe ne doute pas que Vous ne contribuez par Vos talens distingués au grand But que sa Majesté s'est proposé par cette Institution.


J'ai l'honneur d'être avec la plus haute estime,

Monsieur

votre obeisant Serviteur

C. J. Roos


Im Hinblick auf diese Ernennung schreibt Beethoven am 19. Sept. 1808 an Breitkopf & Härtel:


»Wissen Sie denn schon daß ich Mitglied der Gesellschaft schöner Künste und Wissenschaften geworden bin? – also doch ein Titel – haha, das macht mich lachen!«


Folgender Brief24 an Breitkopf & Härtel interessiert durch die Bemerkungen über das vor 1800 geschriebene Sextett für BlasinstrumenteOp. 71 (vgl. Bd. II2, S. 40ff.):


[144] »Wien am 8. August 1809.


Ich habe bei Hrn. Kunz und Kompagnie ein Sextett für 2 Clarinetti 2 Fagotti 2 Hörner, 2 deutsche Lieder oder Gesänge abgegeben, damit man ihnen diese baldmöglichst übermache – Sie bleiben ihnen als Gegengeschenke für alle diese Sachen, die ich mir als Geschenke von ihnen ausgebeten – die Musikzeitung hatte ich auch vergessen, ich erinnere sie daher freundschaftlich daran – vielleicht könnten Sie mir eine Ausgabe von Goethe's und Schiller's vollständigen Werken zukommen lassen – von ihrem literarischen Reichthum geht so was bei ihnen ein und ich schicke ihnen dafür mancherlei d. g. etwas, was ausgeht in alle Welt – die zwei Dichter sind meine Lieblingsdichter, so wie Ossian, Homer, welchen letzteren ich leider nur in Uebersetzungen lesen kann – da sie dieselbenx so bloß nur aus ihrer literarischen Schatzkammer auszuschütten brauchen, so machen sie mir die größte Freude NB. damit um so mehr, da ich hoffe den Rest des Sommers noch in irgend einem glücklichen Landwinkel zubringen zu können –

Das Sextett ist von meinen früheren Sachen und noch dazu in einer Nacht geschrieben – man kann wirklich nichts anders dazu sagen, daß es von einem Autor geschrieben ist, der wenigstens einige bessere Werke hervorgebracht – doch für manche Menschen sind diese Werke die besten.

Leben sie wohl und lassen sie mich recht bald etwas wissen von ihnen


an ihren ergebensten

Beethoven.


xGöthe und Schiller.

NB. wenn sie mir sie bald schicken.


Von der Violonschell-Sonate wünschte ich noch einige Exemplare zu haben, überhaupt bitte ich sie mir immer doch ein halbes Dutzend Exemplare zu schicken – ich verkaufe nie welche – es gibt unterdessen hie und da arme Musici denen man so was nicht abschlagen kann.«


Über das Bläsersextett (später Op. 71), das – weil es ein viel früher geschriebenes Werk war – ohne Opuszahl herauskam, vgl. Bd. II2, S. 40. Der Brief beweist, daß Beethoven ebenso den Kunstwert seiner Werke als den Geschmack des Publikums richtig zu taxieren wußte. Von den zwei Liedern ist eins jedenfalls das Mathissonsche »Andenken« (»Ich denke dein, wenn durch den Hain«); denn am 26. Juli 1809 hat Beethoven dasselbe der Firma verheißen (es erschien im Mai 1910):


»nächstens erhalten sie das Lied ›ich denke dein‹, welches bestimmt war, in den verunglückten Prometheus aufgenommen zu werden und worauf ich gänzlich ohne ihre Erinnerung vergessen hätte – nehmen sie es als ein kleines Geschenk.«


Das zweite Lied wird das erste der auf Texte von C. L. Reißig komponierten sein, »Lied aus der Ferne«, welches bereits im Februar 1810 erschien. Die Reißig-Lieder haben Beethoven einigen Ärger bereitet. Am 4. Februar 1810 schrieb er an Breitkopf & Härtel (MS., Druck, S. 140, bei Kalischer Sämtl. Br. I. S. 304ff.):


[145] »Der Gesang in der Ferne, den ihnen mein Bruder25 neulich schickte, ist von einem Dilettanten wie Sie ohne dem werden bemerkt haben, welcher mich dringend ersuchte, ihm Musik dazu zu setzen, nimmt sich aber auch die Freiheit die A[rie] stechen zu lassen, ich habe daher gedacht, sogleich Ihnen einen Beweis meiner freundschaftlichen Gesinnung zu geben, indem ich es Ihnen mittheile, ich hoffe, Sie werden es gleich bei Erhaltung zum Stechen geben, Sie können es dann hieher und wo immer schicken, wenn Sie recht eilen, ist die A. eher hier als sie hier herauskommen kann, bei Artaria weiß ich sicher daß sie herauskommen wird26 – ich habe die A. blos aus Gefälligkeit geschrieben, und so übergebe ich sie auch Ihnen – doch bitte ich mir etwas aus, nämlich folgendes Buch ›Bechsteins Naturgeschichte der Vögel in zwei großen Bänden mit farbigen Kupfern‹ womit ich einem guten Freunde von mir ein großes Vergnügen machen will27

Von den mir bewilligten Partituren, die Sie bei Träg und [im] Industrie[komptoir] haben, habe ich noch keinen Gebrauch gemacht, ich bitte Sie ihnen darüber oder mir etwas schriftliches zu schicken, damit dieses ihnen zeigen könne. –

Ihren Wechsel habe ich empfangen und auch schon auswechseln lassen, mir ist leid, wenn ich vielleicht einen Verstoß gemacht, aber ich verstehe mich auf nichts d. g. – Mit meiner Gesundheit geht's noch nicht fest –, wir werden mit schlechten Lebensmitteln versehen und müssen unglaublich zahlen – mit meiner Anstellung geht's noch nicht ganz ordentlich, von Kinski habe ich noch keinen Heller erhalten – ich fürchte oder ich hoffe beinahe, ich werde das Weite suchen müssen, selbst vielleicht meiner Gesundheit selbst wegen, lange dürfte es dauern, bis nur auch ein besserer Zustand als der jetzige, an den vorigen ist nie mehr zu denken, entstehen wird.


Ganz Ihr

ergebenster Freund

Beethoven.«


Der Anfangsteil dieses längeren Briefs offeriert außer der Phantasie (Op. 77), Chorphantasie (Op. 80), drei Klaviersonaten (Op. 78, 79, 81a), den Variationen Op. 76 (Marsch in D-Dur), dem QuartettOp. 74 und dem Es-Dur-Klavierkonzert nicht weniger als »12 Gesänge mit Begleitung des Klaviers, teils deutscher, teils italienischer Text, beynahe [146] alle durchkomponiert«. Daß darunter sich auch vier weitere auf Gedichte von Reißig befanden (»An den fernen Geliebten«, »Der Zufriedene«, »Der Jüngling in der Fremde«, »Der Liebende«), die erst ein paar Jahre später herauskamen, ist aus einem Briefchen an Breitkopf & Härtel vom 11. Sept. 1810 zu schließen (MS.-Druck S. 152):


»Es ist eine abscheuliche Lüge, daß mir der Herr Rittmeister Reißig je etwas bezahlt habe für meine Kompositionen, ich habe sie ihm aus freundschaftlicher Gefälligkeit komponirt, indem er damals Krüppel und mein Mitleiden erregte – Indem ich ihnen dieses schreibe erkläre ich Hr. Breitkopf & Hertel als einzigen Eigenthümer derjenigen Gesänge welche ich ihnen geschickt und von welchen die Poesie von Rittmeister Reißig ist. –


Wien am 11ten Herbstmonath 1810


Ludwig van Beethoven.«


Noch gereizter klingt ein Passus in dem langen bei Kalischer Sämtl. Br. I., S. 336ff. erstmalig abgedruckten Briefe vom 15. Oktober 1810 (ebenfalls als »Herbstmonat« bezeichnet; das Original trägt den Vermerk der Firma 15. Okt.; vielleicht gehören bei de in den September oder Oktober):


»Sie sollten das ›ich denke dein‹28 zu dieser Sammlung hinzuthun, ich habe es so allein gestochen gesehen, und auch hierin irgendwo ein falscher Mordent angebracht, da ichs nicht habe, erinnere ich nicht wo – Noch Eins: sie sollten ›den Gesang aus der Ferne‹, den ich ihnen einmal schickte, nun gleich herausgeben, wenns noch nicht geschehen ist, die Poesie ist von diesem Lumpen Reißig, damals war es noch nicht heraus, und es währte beynahe ein halbes Jahr bis dieser Lump es wie er sagte ›nur für seine Freunde‹ zu stechen gab bei Artaria – ich schickte es ihnen mit der Briefpost und erhielt statt Dank Stank –«


Beethoven nennt in dem Briefe vom 4. Februar 1810 (S. 146) das »Lied aus der Ferne« ein paarmal »Arie«, weil es durchkomponiert ist in der Form ABA. Irrtümlich ist in der 1. Auflage dieser Ausdruck auf die »Empfindungen bei Lydiens Untreue« bezogen worden (Breunings Gedicht, vgl. Bd. II2, S. 525).

Unter den sieben Liedern Beethovens auf Texte Reißigs ist zweifellos das schönste das erst 1815 komponierte stimmungsvolle »Sehnsucht«, eine rhythmische Rarität, da es in einem Pseudo-Dreivierteltakt bis ans Ende durchgeführt ist:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

[147] mit konsequenter Verkürzung der Zäsurstellen, statt:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Die ausführlichen Skizzen (Skizzenbuch von Eugen von Miller, s. Nottebohm II. Beeth., 332f.) erweisen diese Herkunft schlagend. Im Jahre 1814 skizziert (während der Arbeiten am »glorreichen Augenblick«) ist das ebenfalls von Reißig gedichtete »Ich zieh ins Feld« (»Kriegers Abschied«), das keine hervorstechenden Eigenschaften hat. –

Der Theaterdirektor Hartl hatte ein neues Wohltätigkeits-Institut, einen Theaterarmen-Fond, einzurichten unternommen und forderte Beethoven auf, in dem ersten zum Besten jenes Instituts zu gebenden öffentlichen Konzerte eins oder mehrere seiner Werke zu leiten und demselben dadurch erhöhte Anziehungskraft zu geben. Während der französischen Okkupation fanden die gewöhnlichen Vorstellungen der beiden Hoftheater im Kärtnertor statt. Auf der Burg, dem eigentlichen Hoftheater, welches in der Tat einen Teil der kaiserlichen Residenz bildet, begann, nachdem dasselbe einige Wochen hindurch geschlossen gewesen war, am 18. Juli eine französische Truppe zu spielen, spielte eine Zeitlang abwechselnd mit einer deutschen und behielt dann – wie mit bitterer Ironie – ausschließlichen Besitz dieser Bühne. War nicht Wien eine französische Stadt? Die Burg nicht ein französisches Schloß? Krönte nicht der napoleonische Adler die Wiener Zeitung?29 Zu Schönbrunn war das Theater fast ausschließlich der italienischen Oper und dem Ballett gewidmet, zur Unterhaltung des französischen Hofes. Unter diesen Umständen mochte Hartl mit gutem Grunde von den Eroberern wenigstens in einem Wohltätigkeitskonzerte zum Besten der Schauspieler und ihrer Familien eine ansehnliche Einnahme erwarten. Da nun am 8. September (Mariä Geburt) die Hoftheater geschlossen werden sollten, wählte er diesen Tag. Das Programm des Konzertes hat sich unserer Nachforschung entzogen; eine der Nummern war nach einer Notiz Seyfrieds die Sinfonia Eroica, vom Komponisten geleitet. Wurde sie vielleicht gewählt in der Erwartung, daß Napoleon anwesend sein werde, um demselben eine Huldigung darzubringen? Wenn dies der Fall war, so verfehlte die Absicht ihr Ziel, da Napoleon am Tage vorher von Schönbrunn nach Krems und Mölk abgereist war. Oder war es vielleicht bitterer Sarkasmus, daß [148] Beethoven sie wählte? War nicht der große Held, den der erste Satz schildert, der Mann, dessen Österreich damals bedurfte? der Trauermarsch nicht der Schrei des Todeskampfes seines Volkes, welches von dem ehernen Schritte eines emporgekommenen Abenteurers niedergetreten wurde? das Scherzo ein stilles, mit verhaltenem Atem sich hervorwagendes Flüstern, wie von einem aufsteigenden Hoffnungsstern?30 das Finale jener Zustand des Friedens, für welchen alle österreichischen Herzen schlugen? Jedenfalls ist es schwer zu begreifen, daß Beethoven diese Symphonie zu Ehren eines Mannes leitete, den er damals so sehr haßte.

Auf dieses Konzert bezieht sich der nachfolgende undatierte Brief:


»An Herrn von Kollin

Hofsekretair31.


Ich bitte Sie, lieber Freund, da Sie sich wohl jenes Billets erinnern werden, welches Sie geschrieben, als Ihnen Hr. v. Hartl den Auftrag wegen der Akademie für die Theater-Armen an mich gegeben, die Freude darüber, als Sie mir deswegen geschrieben, machte, daß ich gleich mit diesem Schreiben zu meinem Freunde Breuning ging, um es ihm zu zeigen, dort ließ ich es liegen, und so ist es verkommen, der Inhalt davon war so viel ich mich erinnere: ›daß Sie mir schrieben mit H. v. Hartl gesprochen zu haben wegen einem Tag für eine Akademie und daß er Ihnen darauf den Auftrag gegeben, mir zu schreiben, daß, wenn ich zu der diesjährigen Akademie für die Theaterarmen wichtige Werke zur Aufführung gebe, und selbst dirigire, ich mir gleich einen Tag für eine Akademie im Theater an der Wien, aussuchen könne, und so könnte ich alle Jahr auf diese Bedingungen einen Tag haben. Vive vale.‹

Sicher bin ich daß das Billet so abgefaßt war, ich hoffe, Sie schlagen es mir nicht ab dieses Billet mir jetzt noch einmal zu schreiben, es braucht weder Tag noch Datum, mit diesem Billet will ich noch einmal zu H. v. Hartl, vielleicht daß dieses doch einigen Eindruck macht – und ich so das erhalte was er mir und ihnen versprochen – noch einige Täge, dann sehe ich Sie – es war mir vor Arbeit und Verdruß noch nicht möglich.


Ganz Ihr

Beethoven.«


Setzen wir auch das Datum dieses Briefes so früh wie möglich, so blieben für Beethoven doch bis zu den Weihnachtsfeiertagen weniger als vier Monate zur Vollendung, Abschrift und Einübung aller der neuen Werke, die er etwa in dem Konzerte aufzuführen beabsichtigte. [149] Das Klavierkonzert in Es ist das einzige, von welchem anzunehmen ist, daß es damals fertig war; welche anderen Werke mag er im Sinne gehabt haben? Die Frage ist an sich selbst mehr interessant als wichtig; ihr Verhältnis jedoch zu anderen weiter unten zu behandelnden Gegenständen rechtfertigt es, dieselbe etwas ausführlicher zu behandeln.

Wir kehren auf einen Augenblick zu den sogenannten »Studien« zurück. An den Rand der ersten Seite des ersten Heftes der »Materialien zum Generalbaß« schrieb Beethoven: »von 101 bis 1000 Fl. ein Viertheil – alle Einwohner oder Miethparteien ohne Unterschied«. Dies war natürlich zur Zeit der erzwungenen Kontribution vom 28. Juni (vgl. auch unten den Brief an Breitkopf & Härtel vom 26. Juli) geschrieben, beweist jedoch nicht, daß das Heft gerade damals begonnen worden wäre. Es zeigt bloß, daß das vor ihm liegende Heft ihm eine geeignete freie Stelle darbot, um obige Bemerkung hinzuschreiben32.

Weiter steht auf Seite 17 auf dem oberen Rande: »Druckfehler in der Sonate für Klavier mit obligatem Violonschell –«. Diese Sonate war ohne alle Frage die Gleichenstein gewidmete, welche Anfang April von Breitkopf & Härtel herausgegeben und vor dem Abbruch der Postverbindungen durch das Vorrücken von Napoleons Armeen an den Komponisten abgeschickt worden war. Mögen nun Beethovens Worte nur eine Notiz zur Erinnerung, oder, wie Nottebohm annimmt, die Überschrift eines Bogens gewesen sein, welcher ein Druckfehlerverzeichnis enthalten sollte: in beiden Fällen müssen wir annehmen, daß sie unmittelbar, nachdem der Komponist das gedruckte Werk zum ersten Male durchgesehen hatte, also spätestens im April geschrieben waren33. Nun kann vernünftigerweise nicht angenommen werden, daß der Gedanke, eine solche Reihe von »Studien« für den Unterricht des Erzherzogs auszuwählen und zusammenzustellen, wie diese Hefte enthalten, plötzlich und ohne vorhergehendes Studium und längere Prüfung der damaligen Autoritäten gefaßt und ausgeführt worden wäre, und dies alles während der wenigen [150] Wochen, in denen Beethoven auf die Stadt eingeschränkt war. Ebenso unwahrscheinlich ist es, daß des Erzherzogs Studien in der Theorie der Musik erst nach seiner Rückkehr nach Wien (Januar 1810) begonnen hätten, als er bereits 22 Jahre alt war. Man wird gegen die folgende Hypothese über den Ursprung der fraglichen Hefte nichts Gegründetes einwenden können. Beethoven begann mit der Anfertigung seiner Auszüge aus Bach, Türk usw., wenn sie im Fortschreiten seiner Lehrstunden notwendig wurden; die vollständig ausgeführte Ausarbeitung aber war ein späterer Gedanke, der zu einer Zeit, in welcher er sich unfähig zu originaler Komposition fühlte, aus Mangel an Beschäftigung bei ihm entstand. Daraus ergibt sich die Folgerung, daß seine Gedanken mehrere Monate hindurch mehr wie gewöhnlich theoretischen Studien zugewendet waren.

Wir wenden uns nunmehr zu der oben aufgeworfenen Frage zurück.

In der Autographensammlung des verstorbenen Gustav Petter (in Wien) befindet sich ein Skizzenbuch Beethovens, dessen Ausdehnung 148 Seiten beträgt, und welches zum großen Teil mit Studien zu zwei Werken ausgefüllt ist, aber auch Themen und Motive zu manchen anderen enthält, mit gelegentlichen charakteristischen Notizen oder Bemerkungen, die nicht immer speziell musikalisch sind. Diejenigen, welche Gelegenheit gehabt haben, dieses Skizzenbuch zu studieren, den Verfasser eingeschlossen, haben bisher angenommen, dasselbe gehöre in das Jahr 1812. Die Richtigkeit dieser Annahme muß geprüft werden34.

[151] Auf der ersten Seite stehen zwei Takte Musik – nur eine Folge von Akkorden – mit folgender Anmerkung: »d. gl. sollten anders als die miserablen enharmonischen Ausweichungen, die jeder Schul miserabili machen kann, sie sollen – wirklich eine Veränderung in jedem Hörenden hervorbringen«. Diese Worte stellen zwar das Datum nicht fest, deuten jedoch auf die Zeit hin, da ihres Schreibers Gedanken in mehr wie gewöhnlicher Weise mit theoretischen Studien beschäftigt waren. Auf derselben Seite steht folgendes: »Baumwolle in den Ohren am Klavier benimmt meinem Gehör das unangenehme rauschende«. Dieses weist auf eine Zeit hin, in welcher sein Gehörorgan noch sehr empfindlich war, und er sein Klavierspiel noch nicht aufgegeben hatte. So unbestimmte Andeutungen können natürlich nicht als Gründe angeführt werden; will man ihnen jedoch überhaupt irgendein Gewicht beilegen, so kann dies nur zugunsten des Winters 1808, 9 geschehen.

Etwas mehr als eine bloße Andeutung erhält man Seite 18. Hier hat Beethoven geschrieben: »Ouvertüre Macbeth, fällt gleich in den Chor der Hexen ein.«35 Ob die darauf folgenden Skizzen zu dieser Ouvertüre gehören, ist eine Frage für einen Musiker. Nun lag jener erste Akt des »Macbeth«, welchen Röckel im J. 1808 las, zusammen mit dem ersten Akte des Oratoriums »die Befreiung Jerusalems«, beide für Beethoven geschrieben, dem Komponisten früh im Jahre 1809 gedruckt vor. Collin hatte sie in das Hoftheater-Taschenbuch dieses Jahres aufgenommen. Der Dichter starb 1811 und hinterließ beides unvollendet. Die Annahme, daß Beethoven im Jahre 1812 daran gedacht hätte, einen unvollendeten Text eines bereits verstorbenen Dichters zu komponieren, ist absurd. Seine Bemerkung ist offenbar die Äußerung eines Gedankens, welcher beim Durchlesen jenes Bruchstückes in ihm aufstieg, und weist als Datum des ersten Teiles dieses Skizzenbuches den Anfang des Jahres 1809 nach.

Wenn wir bis zur Mitte von Seite 22 gekommen sind, stoßen wir auf folgendes:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Mitwenigen Unterbrechungen, wie z.B. einem Thema für eine »Sinfonie ahne Pauken«, »gut Triolen auf andere Art«, bildet das Allegretto und Finale der siebenten Symphonie den Gegenstand der Skizzen für [152] mehr als 40 Seiten. Der schlichte Edelstein – das Thema des Allegrettos – ist zwar durchweg derselbe; wie erstaunlich aber ist die Zahl und Mannigfaltigkeit der Formen seiner Einfassung, welche versucht wurden, bis die majestätische und erhabene Einfachheit erreicht war, welche den ausgesuchten Geschmack seines Meisters befriedigte!.

Seite 71 beginnen die Skizzen des ersten, Seite 83 die des letzten Satzes der achten Symphonie.

Diese beiden Symphonien waren demnach die großen Orchesterwerke, welche für das beabsichtigte Konzert vorbereitet wurden.

Zerstreut durch diesen ganzen Teil des Skizzenbuchs finden sich verschiedene Studien zu Klavierwerken, wie wenn Beethoven im Sinne gehabt hätte, dem Es-Dur-Konzerte zum Zwecke weiterer Darlegung seiner Fähigkeiten noch ein weiteres folgen zu lassen. In den aus dem Buche gemachten Notizen finden wir »Ouvertüre-Concert« Seite 73, »Concert inG«, »Concert in G oder E moll«, »Adagio in Es«, »Finale Tutti« Seite 83; und gegen Ende derselben Seite: »Polonaise allein für Klavier«.

Doch dem Meister fehlte auch ein neues Vokalwerk für diese Gelegenheit. Zeigen nun nicht folgende Bemerkungen in dem Skizzenbuche, welche von zahlreichen Studien begleitet sind, wie dem Mangel abgeholfen werden sollte? Unmittelbar hinter der »Polonaise« lesen wir:


»Freude schöner Götter Funken Tochter

Ouvertüre ausarbeiten« –.


Dann wieder auf Blatt 43:

»Freude schöner Götter Funken Tochter aus Elysium abgerissene Sätze wie Fürsten sind Bettler u.s.w. nicht das Ganze.«

Auf derselben Seite weiter:

»Abgerissene Sätze aus Schillers Freude zu einem Ganzen gebracht.«

Eine der Skizzen beginnt (nach des Verfassers Abschrift) so:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Bei dieser Stelle, oder ungefähr bei derselben, wurde das Buch für jetzt beiseite gelegt; denn das beabsichtigte Konzert wurde aufgegeben, [153] und Beethovens Studien erhielten unerwartet eine andere Richtung. Die Erklärung ist folgende.

In den Verzeichnissen der »neuen aufgeführten Schauspiele« in den beiden Wiener Hoftheatern vom 1. August 1803 bis zum 31. Juli 1805 und vom 1. August 1806 bis zum 31. Dezember 1807 begegnet uns Schillers Name nicht ein einziges Mal; wohl aber in den Verzeichnissen nach der Übernahme der Direktion durch Hartl am 1. Januar 1808. Hier finden wir:


1808, am 13. Februar: Macbeth, nach Shakespeare von Schiller.

1808, 23. Juli: Kabale und Liebe, von Schiller.

1808, 17. Dezember: Phädra, nach Racine von Schiller.

1809, 23. August: Don Carlos, von Schiller.


So war Schiller auf einmal ein Hauptgegenstand der Unterhaltung in den Theaterkreisen geworden. Man sieht jetzt, wie Collin und Beethoven auf Macbeth als Gegenstand einer Oper verfielen, und wie des Komponisten Jugendgedanke (s. Bd. I2, S. 282), das »Lied an die Freude« zum Gegenstande einer Komposition zu machen, in seinem Gemüte wieder wach gerufen wurde.

Die uns zugänglichen Berichte geben in keiner Weise eine Andeutung darüber, daß irgendeins der oben genannten Dramen mit einer für dasselbe komponierten Musik aufgeführt worden wäre. Jetzt aber beschloß Hartl, mit seinem nächsten Schillerschen Drama zugleich ein Goethesches zur Einübung vorzunehmen und beide mit originaler Musik zu versehen. »Als beschlossen ward«, schreibt Czerny, »Schillers Tell und Göthes Egmont auf den Stadtbühnen aufzuführen, entstand die Frage, wer dazu die Musikstücke componiren sollte. Beethoven und Gyrowetz wurden gewählt. Beethoven wünschte sehr den Tell zu bekommen. Aber eine Menge Intriguen wurden gesponnen, um ihm den (wie man hoffte) minder musikalisch geeigneten Egmont zuzuweisen. Er bewies indessen, daß er auch zu diesem Drama eine Meister-Musik machen konnte, und bot dazu alle Kraft seines Genies auf36

Die Erfahrungen, die Beethoven gerade damals mit dem Liede an die Freude und dem Egmont machte, waren vielleicht die Veranlassung zu folgender hübschen Bemerkung gegenüber Czerny. »Einst sagte er mir«, [154] erzählt dieser, »als von Schiller die Rede war: Schillers Dichtungen sind für die Musik äußerst schwierig. Der Tonsetzer muß sich weit über den Dichter zu erheben wissen. Wer kann das bei Schiller? Da ist Göthe viel leichter.«

Der Auftrag, die Musik zu Egmont zu komponieren, verhinderte die Vollendung neuer Kompositionen und veranlaßte dadurch notwendigerweise das Aufgeben des Konzertes; und so war Beethoven schließlich noch imstande, die für ihn so sehr nötige, sowohl physische wie geistige Ruhe und Erholung fern von der Stadt und ihren Sorgen und Pflichten aufzusuchen.

Daß Beethoven 1809 erst spät den ihm so lieben und für seine Gesundheit so wichtigen Sommeraufenthalt auf dem Lande nehmen konnte, ist ja angesichts der kriegerischen Zustände beinahe selbstverständlich, ergibt sich aber auch mit Bestimmtheit aus der Korrespondenz mit Breitkopf & Härtel. Der Brief vom 26. Juli 1809 liefert in seinem Anfange einen wertvollen Beitrag zur Schilderung der Situation Beethovens in diesem erregten Sommer:


»Mein Lieber Herr, sie irren sich wohl, wenn sie mich so wohl glaubten – wir haben in diesem Zeitraum ein recht zusammengedrängtes Elend erlebt, wenn ich ihnen sage, ich seit dem 4ten May wenig Zusammenhängendes auf die Welt gebracht, beynahe nur hier oder da ein Bruchstück – der ganze Hergang der Sachen hat bei mir auf Leib und Seele gewirkt: noch kann ich des Genusses des mir so unentbehrlichen Landlebens, nicht theilhaftig werden – meine kaum kurz geschafne existenz beruht auf einem Lockeren Grund – selbst diese kurze Zeit habe ich noch nicht ganz die mir gemachten Zusagen in Wirklichkeit gehen sehen – von Fürst Kynsky, einer meiner Interessenten, habe ich noch keinen Heller erhalten – und das jetzt zu der Zeit, wo man es am meisten Bedürfte – der Himmel weiß wie es weiter gehen wird – Veränderung des Aufenthaltes dürfte doch auch mir jetzt bevorstehen – Die Kontributionen fangen mit heutigem dato an – welch zerstörendes wüstes Leben um mich her, nichts als Trommeln, Kanonen, Menschen-Elend in aller Art –«


Gegen Ende dieses Briefes bemerkt Beethoven, daß er von Härtels Erlaubnis, bei ihnen erschienene Musikalien von Traeg zu entnehmen, Gebrauch gemacht und unter anderm den Messias entnommen habe; »ich hatte einigemal angefangen wöchentlich eine kleine Singmusik bei mir zu geben – allein der unselige Krieg stellte alles ein« – (diese kleine Singmusik mag er in der Wohnung bei der Gräfin Erdödy versucht haben). –

[155] Wie es scheint, kam also Beethoven erst im August dazu, ein Sommerquartier in Baden zu nehmen (s. oben S. 137). Für die Annahme der 1. Auflage, daß Beethoven vielleicht im Sommer 1809 einige Zeit bei Brunswiks in Ungarn zugebracht habe, fehlt jeder Anhalt.

Ein nicht datierter Brief Beethovens an Franz Brunswik, dem wir seine ihm in der 1. Auflage angewiesene Stelle im Jahre 1812 belassen, und der von den ersten Herausgebern (Köchel 1867 in Zellners Blättern für Theater und Kunst und Nohl, Neue Br. Beeth.s, S. 43) in das Jahr 1809 gesetzt wird, macht der Chronologie hier wieder einige Schwierigkeiten. Wäre er 1809 geschrieben, so müßte er vor der Besetzung Wiens durch die Franzosen geschrieben sein; dann wäre aber die Klage über das »unselige Dekret« unverständlich. Auch die Wohnungsangaben (bei Pasqualati und in Baden im Sauerhose) machen Schwierigkeiten, wenn auch nicht absolut ausgeschlossen ist, daß Beethoven bei Ausbruch des Konflikts mit der Gräfin Erdödy vorübergehend sein altes Quartier bei Pasqualati bezogen und vor der Einschließung Wiens mehrmals kurzen Aufenthalt in Baden genommen hätte. Die in dem Briefe genannten Kompositionen ließen sich ohne Zwang auch für 1809 unterbringen (D-Dur-Trio, Cellosonate, Quartett Op. 74). Der Ausfall gegen Oliva aber ist für 1812 ebenso auffallend wie 1809.

Beethoven spricht in dem S. 160 folgenden Briefe vom 2. November 1809 an Breitkopf & Härtel in sehr starken Ausdrücken von seinem außerordentlichen Fleiße während der Herbstmonate; man versteht die Hyperbeln sehr wohl, wenn man dagegen hält, was er am 26. Juli an dieselben geschrieben (S. 155). Haben wir das Meinertsche Skizzenbuch ganz oder doch fast ganz in den Herbst 1809 verlegt, so erscheint der Ertrag dieser Periode gesteigerter Arbeit doch imponierend genug (Es-Dur-Konzert, Sonaten Op. 78, 79, 81a, Phantasie Op. 77, Quartett Op. 74 und dazu eine Reihe Lieder usw.), und es bedarf gewiß nicht auch noch der Hereinbeziehung des Petterschen Skizzenbuches (S. 151).

Man hat vermutet, daß Beethoven um diese Zeit durch den Einfluß des Grafen Brunswik den Auftrag zu zwei anderen Werken erhielt, mit denen er wichtige weitere umfangreiche Versuche auf dem Gebiete der dramatischen Musik machte. Im Jahre 1808 hatte Kaiser Franz genehmigt, daß in Pest »ein ganz neues, großes Theater, sammt Redoutensaal, Casino, Traiteur- und Caffeehaus« erbaut werde, ein Unternehmen, von welchem man trotz der Katastrophe von 1809 doch [156] damals erwartete, daß es 1810 werde vollendet werden37. Es war daher an der Zeit, das Programm zu den Eröffnungsvorstellungen ins Auge zu fassen, und da kein lebender Musiker diesem Ereignisse so großen Glanz verleihen konnte wie Beethoven, so war es von großer Wichtigkeit, seine Einwilligung, die erforderliche Musik zu komponieren, so früh wie möglich sicherzustellen. Es war nicht schwer, dieses durch Brunswik und andere ungarische Freunde zu bewirken, zumal da der Meister gerade ein Werk von dem verlangten Charakter unter Händen hatte – die Egmont-Musik. Ein anderer Grund, die Verhandlung mit dem Komponisten zu beschleunigen, lag wohl darin, daß seine Zustimmung oder Ablehnung einigen Einfluß auf Form und Charakter des Dramas oder der Dramen ausüben mußte, welche noch zu schreiben waren. Der bestimmt formulierte Auftrag mit dem zu komponierenden Texte gelangte aber erst im Juli 1811 in Beethovens Hände, wie der an seiner Stelle mitgeteilte Brief Beethovens an Breitkopf & Härtel vom 9. Oktober 1811 beweist.

Zu der Zeit, als Beethoven sich in der Walfischgasse ohne Bedienung fand (s. S. 138), scheint ihm zuerst der Gedanke gekommen zu sein, sich von Gasthöfen und Speisehäusern unabhängig zu machen und zu Hause zu speisen. Es war daher für ihn von Wichtigkeit, womöglich zu gleicher Zeit eine männliche und eine weibliche Bedienung zu erlangen, und es bot sich ihm zu diesem Zwecke ein Ehepaar mit Namen Herzog für die Stellung eines Bedienten und einer Haushälterin an. Die Mitteilung dieser Tatsache sowie die Bemerkung, daß die in dem ersten Briefe erwähnte Probe die zu dem Lobkowitz gewidmeten Quartett Op. 74 war, ist eine hinreichende Vorbereitung zu den folgenden Auszügen aus der Korrespondenz mit Zmeskall.


(Herbst 1809.) »Verfluchter, geladener Domanowetz – nicht Musikgraf, sondern Freßgraf – Dineen Graf, Soupeen Graf etc. – Heute um halb eilf oder 10 Uhr wird das Quartett bei Lobkowitz probirt, S. D. die zwar meistens mit ihrem Verstande abwesend, sind noch nicht da – kommen Sie also – wenn Sie der Kanzley-Gefängniß-Wärter entwischen läßt. –

Heute kommt der Herzog, der bei mir Bediente werden will zu Ihnen – auf 30 fl. mit seiner Frau obligat können Sie sich einlassen – Holz, Licht, kleine Livrée – zum Kochen muß ich jemand haben, so lange die Schlechtigkeit der Lebensmittel so fortdauert, werde ich immer krank – Ich [157] esse heute zu Hause, des bessern Weins halber, wenn Sie sich bestellen was Sie haben wollen, so wär mir's lieb, wenn Sie auch zu mir kommen wollten, den Wein bekommen Sie gratis und zwar besser wie in dem hundsföttischen Schwanen –


Ihr kleinster

Beethoven.«


(An denselben.) »Hier kommt der Herzog mit seiner Frau – hören Sie einmal wie sich die Menschen herbei lassen wollen – Sie müßte kochen wann ichs haben wollte – auch flicken etc., denn dieses ist eine höchst nöthige Sache – ich komme hernach auch zu Ihnen, um das Resultat zu hören – das beste ist wohl, daß man frägt, was sie mir leisten wollen?« –


Die Clowns in Shakespeares Sommernachtstraum haben die Bühnensprache mit »kläglichen Komödien« und »sehr tragischer Fröhlichkeit« bereichert. Diese Ausdrücke erscheinen uns nicht unpassend zur Bezeichnung der häuslichen dramatischen Szenen, in welchen Beethoven und seine Dienstboten die Spieler waren, und welche den Gegenstand zahlloser Jeremiaden sowohl in seiner Unterhaltung, wie in den Briefen an seine Freunde bilden, besonders denen an Zmeskall und Frau Streicher. Insbesondere findet dies – und ein Beispiel genügt hier sicherlich – seine Anwendung auf die Erlebnisse mit dem Ehepaar Herzog. Dasselbe wurde engagiert und befand sich noch in Beethovens Dienste, als der Abmarsch Napoleons und seiner Armeen den öffentlichen Beamten es ermöglichte, zurückzukehren und ihre Pflichten in der Hauptstadt wieder zu übernehmen. Unter ihnen befand sich auch Zmeskall. Wie er im Frühling sich »zu Friedens-Negotiationen zwischen Beethoven und seinem Bedienten« bequemen mußte, so mußte er jetzt wiederum dasselbe »glorwürdige Amt« zwischen ihm und den Herzogs wahrnehmen.

Die Phantasie wird sich leicht ein lebhaftes und richtiges Bild von den Verlegenheiten teils ernsthafter, teils tragikomischer Natur machen, welche Beethoven während dieses traurigen Sommers mit dieser Art von Leuten machen mußte, da er in der Stadt eingeschlossen, die Preise aller Lebensbedürfnisse wie bei einer Hungersnot gesteigert, und jene auf ihrer Seite genötigt waren, Vorsorge zu treffen. Die Lage war sicherlich nicht geeignet, die Gemütsstimmung einer der beiden Parteien milde zu stimmen; ohne Zweifel hatten beide hinlänglichen Grund zu klagen. Wir kennen jedoch nur unseres Meisters Anschauung von dieser Frage, und auch diese nicht genügend vollständig, da ein Schriftstück, auf welches im ersten der folgenden Briefe Bezug genommen wird, fehlt. Wer aber unaufhörlich Verdruß mit seinen Dienstboten hat, der muß doch wohl zuweilen selbst [158] die Schuld tragen; und so waren vielleicht die Herzogs doch am Ende nicht gar so »schlechte Menschen«.

Wir lassen einige Auszüge aus Briefen an Zmeskall folgen.


(Vermutlich aus dem Ende des I. 1809.) »Dieses können Sie den Leuten vorlesen, die Sache ist so und nicht anders, mein Fehler ist, daß ich [so] dem Mitleiden Gehör gegeben. Es ist mir unterdessen eine Witzi gung – Sie thun am Besten, sie morgen zu sich kommen zu lassen, und behandeln sie mit Ernst und Verachtung, wie sie es beide um mich verdienen.


In Eil

der Ihrige

L. v. B.«


»Lieber Z.


Das Weib bei mir wieder zu sehen geht nicht und obschon sie vielleicht etwas besser ist, wie er, so will ich eben so wenig von ihr als von ihm etwas wissen – daher sende ich Ihnen die verlangten 24 fl.; legen Sie gefälligst die 30 x darauf, nehmen Sie einen Stempelbogen von 15 x u. lassen Sie sich auf selben schriftlich geben von dem Bedienten, daß er diese 24 fl. 30 x für Stiefel und Livreen Geld empfangen habe – mündlich mehr, wie sehr sie Sie neulich belogen habe – ich wünsche unterdessen, daß Sie die Achtung, die Sie sich als Freund von mir gegen sich selbst schuldig sind, nicht vergessen, sagen Sie ihnen, daß Sie mich nur dazu bewogen dieses noch zu geben, übrigens geben Sie sich nicht unnöthigerweise mit ihnen ab, denn sie sind beide Ihrer Fürsprache unwürdig – nicht ich habe ihren Mann wieder zu mir wollen nehmen, sondern zum Theil heischten es die Umstände, ich brauchte einen Bedienten, und Haushälterin und Bediente kostete zu viel, zudem fand ich sie mehrmal bei ihrem Manne unten beim Uhrmacher in meinem Hause, ja sie wollte sogar eben von da mit ihm ausge hen, da ich sie doch brauchte, daher ließ ich ihn wiederkommen, da ich der Wohnung halber sie behalten mußte, hätte ich ihn nicht genommen so wäre ich um so viel mehr betrogen worden – so verhält es sich hiermit, beyde sind schlechte Menschen. –


Leben Sie wohl

Ich sehe Sie bald

Ihr

Freund Beethoven.«


Auch der folgende Zettel an Zmeskall mag sich auf Frau Herzog beziehen:


»In Eil, ich komme zum Schwan, von da können wir uns dann auch von dieser weiblichen Plage heimsuchen lassen.


Beethoven.«


Nachdem Beethoven in die Walfischgasse eingezogen war, scheint seine Zeit noch fortgesetzt in außerordentlichem Grade durch Kompositionen in Anspruch genommen gewesen zu sein; daher kommt es, daß sie dem Biographen nichts von besonderer Bedeutung zu berichten gibt. [159] Sein Freund Clement beim Theater an der Wien erwies ihm eine für ihn erfreuliche Huldigung durch Wiederaufführung des »Christus am Ölberge« in seinem jährlichen Konzerte, am 24. Dezember. Beiläufig bemerkt, wurde an demselben Abende im Leopoldstädter Theater Dobenz' Oratorium »die Sündfluth«, mit Musik von Kauer, aufgeführt, und zwar, wie man aus der sarkastischen Notiz in der Leipziger Musikzeitung erkennt, mit besonders dazu eingerichteter Szenerie! Wenn Beethoven dasselbe hörte, was zweifelhaft ist – es müßte denn in der Probe gewesen sein – so mochte er finden, daß er wenig Ursache hatte, die Nichtannahme dieses Textes zu bereuen (vgl. S. 66).

Bei der geringen Zahl von Ereignissen sind einige wertvolle Briefe an dieser Stelle um so erwünschter.

An Breitkopf & Härtel schreibt Beethoven:


»Mittewoche

am 2. Winter-Monath

180938.


Ich schreibe ihnen endlich einmal – nach der wilden Zerstörung einige Ruhe, nach allem unerdenklichen ausgestandenen Ungemach – arbeitete ich einige Wochen hintereinander, daß es schien mehr für den Tod als für die Unsterblichkeit – und so erhielt ich ihr Paket ohne Brief und. sah es weiter nicht an – erst vor einigen Tagen nahm ich es zur Hand, und ich mache Ihnen recht lebhafte Vorwürfe, warum die sehr schöne Auflage nicht one Incorrektheit???? Warum nicht erst ein Exemplar zur Uebersicht wie ich schon oft verlangte, in jede Abschrift schleichen sich Fehler ein, die aber ein jeder geschickter Korrektor verbessern kann, obschon ich beynahe gewiß bin, daß es wenige oder gar keine in der Abschrift, die ich ihnen geschickt gebe, es ist unmöglich immer seine Handschrift zu schicken39, jedoch habe ich so genau die Trios, die Sinfonieen durchgesehen, daß bey genauerer Korrektur auch nur wenig unbedeutende Fehler seyn könnten – Etwas sehr ärgerlich bin ich deswegen – hier das Verzeichniß, lassen die Dichter und Schriftsteller in Bemängelung ihres Beyseyns am Druckorte auch das Fehler-Verzeichniß drucken, so machen sie es auch so, – hier will ich's schon besorgen – ich habe keine Nachricht ob sie meine 3 Werke40 erhalten? Sie müssen doch. wohl jetzt geraume Zeit bey ihnen seyn – ich könnte ihnen noch nichts wegen Dr. Apel41 schreiben, empfehlen sie mich derweil als Schätzer von ihm – noch eins. Es gibt keine Abhandlung, die sobald zu gelehrt für [160] mich wäre, ohne auch. im mindesten Anspruch auf eigentlich Gelehrsamkeit zu machen habe ich mich doch bestrebt von Kindheit an, den Sinn der Bessern und Weisen jedes Zeitalters zu fassen, Schande für einen Künstler, der es nicht für Schuldigkeit hält, es hierin wenigstens so weit zu bringen. –

Was sagen Sie zu diesem Todten Frieden?42 – ich erwarte nichts stetes mehr in diesem Zeitalter, nur in dem blinden Zufall, hat man Gewißheit – Leben Sie wohl mein geehrter Freund und lassen sie mich bald wissen wie sie leben und ob sie die Werke erhalten –


Ihr

ergebenster

Freund

Beethoven.


Dies eine Exemplar der Sinfonie, Cmoll, ist nicht vollständig ich bitte sie mir daher sowohl von dieser als der Pastorale noch einige Exemplare zu schicken –«.


In derselben Zeit hatten auch die Verhandlungen mit George Thomson in Edinburg (Bd. II2 S. 520) über die Bearbeitung nationaler Singweisen wieder begonnen. Mit einem Briefe vom 25. September 180943 hatte derselbe Beethoven 43 walisische und irische Melodien überschickt mit der Bitte, baldmöglichst Ritornelle und Begleitungen zu denselben für Klavier oder Pedalharfe, und außerdem Violine oder Violoncell zu setzen, und ihm dafür den Betrag von 100 Dukaten W. W. oder auch mehr in Aussicht gestellt. Außerdem hatte ihn Thomson ersucht, drei Quintette, zwei für 2 Violinen, Bratsche, Flöte und Violoncell, eins ohne Flöte und dafür mit 2 Bratschen (dazu ad lib. Fagott oder Kontrabaß), sowie ferner drei Sonaten für Klavier und Violine zu komponieren; dafür bot er ihm 120 Dukaten W. W. »Ich mache dieses Anerbieten«, sagt Thomson, »mehr um meinen Geschmack und meine Vorliebe für Ihre Musik zu befriedigen, als in der Hoffnung, durch die Herausgabe einen Gewinn zu erzielen.« Auf diese Vorschläge antwortete Beethoven wie folgt44:


»Wien, den 23. November 1809.


Mein Herr!


Ich werde die Ritornelle zu den 43 kleinen Gesängen componiren, doch verlange ich noch 10 Liv. St. oder 20 Dukaten Wiener Währung mehr, als [161] Sie mir angeboten, also statt der 50 L. St. oder 100 Ducaten W. W. verlange ich 60 L. Tt. oder 120 Dukaten W. W. – Diese Arbeit ist außerdem eine Sache, welche dem Künstler kein großes Vergnügen bereitet45, doch werde ich trotzdem jederzeit bereit sein, Ihnen darin zu willfahren, da ich weiß, daß damit ein nützliches Geschäft gemacht werden kann. – Was die Quintette und die drei Sonaten betrifft, so finde ich das Honorar für mich zu klein – ich verlange dafür von Ihnen die Summe von 120, d.h. hundert und zwanzig L. St. oder zweihundertvierzig Dukaten W. W., Sie haben mir 60 L. St, geboten, und es ist mir unmöglich, Sie für ein solches Honorar zu befriedigen – wir leben hier in einer Zeit, wo für alle Gegenstände ein schrecklicher Preis gefordert wird, man bezahlt hier beinahe dreimal so viel wie früher – wenn Sie aber in die Summe, welche ich verlange, einwilligen, werde ich Ihnen mit Vergnügen dienen. – Ich denke, was die Veröffentlichung dieser Werke hier in Deutschland betrifft, so würde ich mich verbindlich machen, dieselben nicht früher zu veröffentlichen, als nach sieben oder acht Monaten, wenn Sie diesen Zeitraum für sich für hinreichend an sehen. – Was den Contrabaß oder das Fagott anbetrifft, so wünschte ich, daß Sie mir freie Hand ließen, vielleicht finde ich etwas, was für Sie noch angenehmer ist – auch könnte man mit der Flöte ein Fagott oder einige andere Blasinstrumente nehmen und nur das 3. Quintett für zwei Violinen, zwei Viola und Violoncell setzen, da auf diese Art die Gattung reiner sein wird – Kurz, seien Sie versichert, daß Sie es mit einem wahren Künstler zu thun haben, der es zwar liebt anständig bezahlt zu werden, der jedoch noch mehr seinen Ruhm und auch den Ruhm der Kunst liebt – und der nie mit sich selbst zufrieden ist und immer weiter zu kommen und noch größere Fortschritte in seiner Kunst zu machen bestrebt ist –

Was die Gesänge betrifft, so habe ich dieselben bereits begonnen und werde sie in etwa 8 Tagen an Fries abgeben – senden Sie mir also bald eine Antwort, mein Herr, und empfangen Sie die Versicherung besonderer Hochachtung


von Ihrem Diener

Louis van Beethoven.


Ein anderes Mal bitte ich Sie mir die Worte der Gesänge mitzuschicken, da es für mich sehr nöthig ist, sie zu haben, um den richtigen Ausdruck hervorzubringen – man wird sie mir hier übersetzen.«


Die großen Kosten des Lebensunterhaltes und die mannigfachen außerordentlichen Anforderungen, welche in diesem Jahre an seinen Geldbeutel gemacht wurden, hatten Beethovens Finanzen trotz der durch das Dekret geschaffenen besseren Fundamentierung seiner Existenz sehr in Unordnung gebracht; seine Wiener Verleger waren aus demselben Grunde [162] nicht in der Lage, ihn angemessen und im voraus für seine Manuskripte zu bezahlen.

Von Clementi & Co. in London war noch immer kein Honorar für die im April 1807 verkauften Werke eingegangen, trotz Clementis erregtem Brief an Collard vom 28. Dezember 1808 (S. 88), und Beethoven hatte wiederholt dringlich an den in Rom weilenden Clementi geschrieben, was diesen veranlaßte, im September 1809 abermals nach Wien zu gehen, um Beethoven beruhigende Zusicherungen zu geben. Wie es scheint, hatte Dr. Troxler, ein dem Malfattischen Kreise nahestehender Arzt (später Professor in Bern), Beethoven, der noch in Baden weilte, Nachricht gegeben, daß Clementi in Wien sei. Jedenfalls gehört hierher das in der ersten Auflage (III1, S. 9) in den April 1807 gesetzte Briefchen (nach einer Kopie O. Jahns; das Original ist nicht mehr nachweisbar):


»An Herrn von Troxler in Wien.


Lieber Doctor! Tausend Dank für Ihre Bemühungen um mich, die Nachricht früher hätte mir einige verdrießliche Tage ersparen können – die Badner Post ist die elendeste, sie gleicht ihrem ganzen Staat, erst heute erhielt ich Ihren Brief – Wenn es möglich ist erwarten Sie mich morgen früh zwischen 9 und 10 Uhr bei sich – ich komme nach Wien – ich wünsche sehr, daß Sie Dienstags mit mir zu Clementi gehn, indem ich besser verstehe, mit den Ausländern durch meine Noten [mich] verständlich zu machen, als im sprechen; noch einmal meine lebhafte Danksagung für alle Ihre Freundschaft und Gefälligkeit gegen mich.

Alles Schöne an Malfatti.


Halten Sie lieb Ihren Freund Beethoven.«


1807 war es ja, wie wir wissen, Gleichenstein, der Beethoven zu Clementi begleitete und als Zeuge den Kontrakt unterzeichnete. Die Folge der Unterredung war der folgende Brief Clementis an Collard, der zwar nur mit »Septr the« ohne Tag und Jahr datiert ist, aber durch den Hinweis auf die seit April 1807 verstrichenen 20; Jahre bestimmt in den Herbst 1809 gehört (Kopie des Herrn Max Unger nach dem Original im Geschäftsarchiv der Firma):


»Vienna Septr the


Dear Collard –


Having disposed to my satisfaction of almost all my mony among my relations at Roma, and having been plagued with several letters from Beethoven, who called aloud for his payment, I came to Vienna the latter end of last year – wrote to you five or six letters expressing our common wants, but in vain – no aswer!!! At last Messrs A. A. Henickstein bankers here and correspondents of Messrs Firmin de Tastet & Co inform me that the last[163] house give me credit for ₤ 400 – but no letter for me! – In my: first letters I desired to have ₤ 200 for Beeth. if you had recd all his MSS. and ₤ 200 for myself, but in my last I begged ₤ 300 for myself. Now, were the ₤ 400 in consequence of my first, I should not hesitate a moment to pay Beeth. the ₤ 200 – As the matter stands, it appears to me probable, that the ₤ 400 are in consequence of my last letter; and that you having recd but the half of his MSS have sent him ₤ 100 (according to agreement) and the remaining ₤ 300 are for me; but this requires your instructions. – A most shabby figure you have made me cut in this affair! – and with one of the first composers of this day! You certainly might have found means the course of two years and a half to have satisfied his demands – Consider the consequence of such a conduct! – Don't lose a moment then, pray, and send me word, what you have recd from him, that I may settle with him. Consult with Messrs Firmin de Tastet about your answer...« (u.s.w.)


Clementi macht noch weitere Gründe ausfindig, weshalb wahrscheinlich von den 400 ₤ 300 ₤ für ihn und nur 100 ₤ für Beethoven bestimmt seien, entschließt sich aber offenbar dennoch nicht, wenigstens die 100 ₤ an Beethoven zu zahlen, sondern wartet erst auf genauen Bescheid, ob überhaupt etwas zu zahlen ist, nämlich ob von Beethovens Sendungen überhaupt etwas in London angekommen ist. Das mag etwas egoistisch aussehen; aber man muß bedenken, daß Clementi für sich selbst durchaus auf die Geldsendungen seines Londoner Hauses angewiesen war und offenbar in Verlegenheiten kam, sobald diese nicht erfolgten. Inwieweit in der Sache Collard ein Vorwurf zu machen ist, kann schwerlich genau festgestellt werden. Auf alle Fälle ist wohl den Kriegsunruhen und besonders der Kontinentalsperre Rechnung zu tragen, welche den Postverkehr zu stark unterband. Der hier ausgezogene Brief trägt auch am Schluß ausdrücklich den Vermerk: »Write 2 or 3 post runnings, that your letter may reach me

Gegen Ende des Jahres erkrankte Beethoven. Am 4. Dezember schreibt er (die 4 ist aber durchstrichen) an Breitkopf & Härtel:


»Ein Fieber, was mich tüchtig schüttelte, hinderte diese noch nachgefundenen Errata [zu den beiden Trios] gleich zu senden«;


Ein Brief an dieselben vom 2. Januar 1810 beginnt:


»Kaum genesen – warf mich meine Krankheit wieder 2 Wochen lang von neuem – ist es ein Wunder – wir haben nicht einmal mehr gutes genießbares Brod«


und schließt:


[164] »für heute bin ich zu schwach auf ihr angenehmes Schreiben mehr zu antworten doch in einigen Tägen über alles andere in ihrem Briefe – halten


ihren ergebensten

Beethoven«.


Zum Glück waren seine Beziehungen zu Breitkopf & Härtel derart, daß dieselben bereit waren, ihn für alles, was er ihnen von neuen Kompositionen senden mochte, anständig zu honorieren; auch scheint ein Abkommen getroffen worden zu sein, demzufolge verschiedene neue Werke dieser Periode gleichzeitig von ihnen in Leipzig und von Artaria in Wien herausgegeben wurden. Dennoch waren seine Verhältnisse immer noch nicht konsolidiert genug, um den jetzt ernsthaft in ihm aufkeimenden Plan, sich einen eigenen Hausstand zu begründen, zur Ausführung bringen zu können.


Kompositionen des Jahres 1809.

Bedenkt man, was alles an imponierenden neuen Werken das Jahr 1808 gezeitigt hatte, so mag auf den ersten Blick die Ausbeute von 1809 verhältnismäßig gering erscheinen. Aber erstens ist zu bedenken, daß ein Teil der 1808 geschriebenen Werke mit ihren Anfängen weiter zurückreicht (vgl. S. 89) und andererseits ist doch die Zahl der 1809 geschriebenen Werke gar nicht so klein, und es befinden sich unter denselben auch Werke großer Ausdehnung und höchsten künstlerischen Wertes. Schon das neue Klavierkonzert repräsentiert doch ein gehöriges Quantum intensivster Arbeit, nicht minder das Harfen-Quartett und die ja meist lange nicht hoch genug eingeschätzte Klaviersonate Op. 78; die beiden Sonaten Op. 79 und 81 a sind zwar leichter gearbeitet und wohl schneller produziert, aber wer möchte sie gering einschätzen? und gar die Phantasie Op. 77, besonders ihre herrlichen Schlußvariationen! Selbst die zahlreichen Lieder dieses Jahres und die D-Dur-Variationen wird man doch nicht so ohne weiteres als nur schnellen Gelderwerbs wegen geschrieben hinstellen wollen. Daß Beethoven das lange Jahre vorher geschriebene Bläsersextett (Op. 71, vgl. Bd. II2 S. 40ff.)46 jetzt herauszugeben sich entschloß (S. 144f.), wird auch nur zum kleinsten Teil aus solchen Gründen zu motivieren sein; er hatte die Erfahrung gemacht, daß diese seine Frühwerke das große Publikum sehr ansprachen (Brief vom 8. August 1809, »für manche [165] Menschen sind diese Werke die besten«); und er schickte es Breitkopf & Härtel (Brief vom 3. August 1809) ausdrücklich als »eine künftige Entschädigung für dieOpera benevolentiae, die ich ihnen auferlege«, d.h. als etwas, das sicher gut gehen und sich für den Verleger rentieren wird, so daß die Opfer dadurch eingebracht werden, welche vielleicht die Publikation der Oper, des Oratoriums und der Messe erfordern. Angesichts der großen Zahl von Werken, über deren Verkauf er gerade in dieser Zeit mit Breitkopf & Härtel unterhandelte, kann von einer Notwendigkeit, schnell Geld bringende Werke zu produzieren, nicht wohl gesprochen werden.

Das fünfte Klavierkonzert Op. 73 Es-Dur, dem Erzherzog Rudolf gewidmet47, ist geschrieben in der Zeit von frühestens Ende 1808 bis Ende 1809. Die ersten Skizzen finden sich (Nottebohm, II. Beeth. S. 495ff.) in dem Grasnickschen Skizzenbuch hinter den Skizzen zur Chorphantasie Op. 80. Auch gehen ihm noch voraus die ersten Versuche für eine Klaviereinleitung der Chorphantasie, die wahrscheinlich erst nach der Aufführung (22. Dez. 1808) entstanden sind. Da die Chorphantasie nur gerade eben noch rechtzeitig für die Akademie fertig wurde, so ist auch sehr wohl möglich, daß diese ersten Skizzen des Konzerts (nur zum 1. Satze) bereits in den Anfang von 1809 gehören; die Fortsetzung derselben findet sich teils in einem früher im Besitz von Karl Meinert, jetzt wie es scheint (vgl. Musik III 12, S. 401ff.) in dem von Ch. Malherbe befindlichen Heft (Fortsetzung der Arbeit am 1. Satze, erste Anfänge des 2. Satzes) und in dem Skizzenbuche von 1809 in der Kgl. Bibliothek zu Berlin (Nottebohm, II. Beeth. S. 255ff.) zwischen Skizzen fast aller in das Jahr gehörigen Werke (auch schon Ansätzen zur Ouvertüre Op. 115) und solchen der nachkomponierten Klaviereinleitung für die Chorphantasie. Nottebohm nimmt an, daß das Skizzenbuch bis Oktober 1809 reicht. In der verlegerischen Korrespondenz taucht das Konzert zuerst am 4. Februar 1810 auf, was aber in diesem Falle nicht beweist, daß es nicht früher fertig gewesen wäre. Doch wissen wir nichts von einer Aufführung des Werks in dieser Zeit. Möglicherweise ist dasselbe beim Erzherzog Rudolf gespielt worden an dem Abend, wo Beethoven das Diner bei Henickstein (mit Clementi, nach endlicher Auszahlung der 200 ₤) absagen mußte, wie im nächsten Kapitel zu berichten ist. Da Beethoven in dem Briefe vom 4. Februar bemerkt: »da ich gewärtig bin, dieselben Werke vieleicht nach London schicken zu können, so dörften sie dieselben außer England[166] überall aller Orten versenden, jedoch dörfte die Herausgabe aus dieser Ursache nicht eher als den 1. September dieses Jahres 1810 ans Licht treten«, so ist wohl anzunehmen, daß das Konzert wirklich fertig war. Bestimmt war es in Händen der Firma am 21. August 1810, wo Beethoven die Widmung an den Erzherzog anordnet; es erschien im Februar 1811. Schon Ende 1810 war es im Leipziger Gewandhauskonzert von Johann Schneider gespielt worden und zwar mit glänzendem Erfolge. Das sehr zahlreiche Auditorium ward »in eine Begeisterung versetzt, die sich kaum mit den gewöhnlichen Äußerungen der Erkenntlichkeit und der Freude begnügen konnte« (Allg. Mus. Ztg. XIV, 8). Dagegen berichtet Theodor Körner unterm 15. Februar 1812 über ein vier Tage vorher in Wien stattgehabtes Konzert, in welchem Karl Czerny das Werk spielte; »Mittwochs war zum Besten der Gesellschaft adliger Frauen für Wohlthätigkeit ein Concert und Darstellung dreier Bilder nach Raphael, Poussin und Troyes, wie sie Goethe in den Wahlverwandtschaften beschreibt. Die Bilder gewährten einen herrlichen Genuß. Ein neues Clavierconcert von Beethoven fiel durch.« Dies war das große Es-Dur-Konzert Op. 73, von Czerny gespielt. Castellis »Thalia« gibt den Grund an, weshalb dieses edelste aller Werke seiner Gattung bei dieser seiner ersten Aufführung in Wien so kalt aufgenommen wurde. »Wenn dieses Musikstück... jenen Beifall nicht erhielt, den es verdiente, so liegt der Grund theils in der subjectiven Beschaffenheit der Composition, theils in der objectiven Eigenschaft der Zuhörer. Beethoven, voll stolzen Selbstvertrauens, schreibt nie für die Menge; er will verstanden und gefühlt werden, und dies kann er bei seinen beabsichtigten Schwierigkeiten nur von den Kennern, auf deren Ueberzahl bei solchen Gelegenheiten nicht zu zählen ist.«

Dies war die vollständige Wahrheit; das Werk war nicht an seinem Platze. Die Triller von Fräulein Sessi und Herrn Siboni und Mayseders Variationen über den Marsch aus »Aline« waren für diese Gelegenheit und diese Zuhörerschaft angemessener. Anstatt Beethovens majestätisches Werk vorzuführen, hätte man lieber den Kapellmeister Himmel, welcher kurz vorher in Wien gewesen war, veranlassen sollen, zu bleiben und seine brillanten Fingerkunststücke zu produzieren.

Es ist zu bedauern, daß Beethoven nicht mehr selbst das Konzert in einem öffentlichen Konzerte vorgetragen hat wie 1808 das G, Dur-Konzert; daß Czerny dem poetischen Gehalte dieses in der Freiheit der Gesamtanlage das G-Dur-Konzert noch überbietenden Riesenwerkes, das dabei auch dem technischen Können der gewaltig gesteigerten Virtuosität der [167] Folgezeit bis zur Gegenwart schwere Probleme stellt, voll gerecht wurde, ist wohl zu bezweifeln. Der Umstand, daß noch heute das G-Dur- und das Es-Dur-Konzert Beethovens in der Klavierkonzertliteratur die allererste Stelle einnehmen, erübrigt hier ein näheres Eingehen auf das Werk. Die Ineinanderarbeitung von Klavierpart und Orchester ist vielleicht im Es-Dur-Konzert noch vollendeter als im G-Dur-Konzert, der Gesamtcharakter ist ein glänzenderer, aber nirgend das eigentlich Virtuose (im tadelnden Sinne) streifend. Der kurze langsame Satz atmet nicht die tiefernste Wehmut des Mittelsatzes des G-Dur-Konzerts, sondern mehr eine süße Träumerei, und in dem Finale triumphiert Beethovens unverwüstlicher Humor wie kaum in einem zweiten Werke. Daß Beethoven inmitten der Schrecken des Krieges solche Töne fand, beweist, wie unerschütterlich sein Vertrauen auf seine künstlerische Mission war.

Auch das Es-Dur-Quartett Op. 74, dem Fürsten von Lobkowitz gewidmet (das sogenannte Harfenquartett), gehört ganz dem Jahre 1809 an. Dasselbe ist gleich nach dem Es-Dur-Konzert und gleichzeitig mit der Es-Dur-Sonate Op. 81 a entstanden. Offenbar mitten in der Arbeit schreibt Beethoven am »19. Weinmonath« (Oktober) 1809 an Breitkopf & Härtel: »nächstens über Quartetten, die ich schreibe – ich gebe mich nicht gern mit Klavier Solo Sonaten ab, doch verspreche ich ihnen einige –«. In den »einigen Wochen« der Ruhe nach der wilden Zerstörung, nach allem ausgestandenen Ungemach, hat tatsächlich Beethoven mit einer Intensität und Konsequenz gearbeitet, wie sie auch bei ihm nur selten nachweisbar ist. Nottebohm konstatiert (II. Beeth. 91): »Aus den vorhandenen Skizzen geht hervor, daß die vier Sätze des Quartetts in der Folge angefangen und fertig wurden, in der sie in Druck erschienen«. Eines weiteren Beweises und eines schlagenderen, daß dieses Quartett in Stunden freudigen Schaffens und glücklicher Inspiration entstanden ist, bedarf es nicht. Nach einer Notiz des Erzherzogs Rudolf (Nottebohm, II. Beeth. S. 274) ist die Phantasie Op. 77, die in demselben Skizzenbuche ganz zu Ende erscheint, im Oktober 1809 geschrieben. Wir werden deshalb schwerlich fehlgehen, wenn wir annehmen, daß diese Wochen frohen, selbstbewußten Schaffens in die Zeit von Beethovens verspätetem aber dafür möglichst in den Herbst hinein ausgedehntem Aufenthalt in Baden fallen. Nach 24 Takten Einleitung, die auf das Motiv


3. Kapitel. Das Jahr 1809

[168] basiert ist, dessen Umkehrung


3. Kapitel. Das Jahr 1809

in dem nachfolgenden Allegro eine Hauptrolle spielt, das aber gegen Ende der Einleitung Wagner vorahnen läßt:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

setzt ein so frisch sprudelndes thematisches Leben ein, daß man den in vollen Zügen Erquickung genießenden Meister leibhaftig vor sich sieht, wie er in alter gewohnter Weise durch Felder und Wälder streift. Man blicke nur in die Partitur, wie souverän er sofort über die 4 Oktaven des Quartetts von Es bises3 verfügt, und wie herrlich das trotz der weiten Lagen klingt, wie alles Leben und Freiheit atmet! Schon nach 11 Takten treten die blitzenden Tautropfen gleichenden Pizzicati auf, so natürlich, so selbstverständlich – und so geht es nicht nur im ersten Satze, sondern durch das ganze Quartett weiter, ein glücklicher Einfall reiht sich an den andern, und dabei ist doch fortgesetzt die zielbewußte Beschränkung auf die konsequente Durchführung einer kleinen Zahl leitender Motive deutlich erkennbar. Für das ganze Werk ist aber die auffallend weite Lage der nur äußerst selten durch Doppelgriffe füllenden vier Instrumente charakteristisch. Das ganze Quartett ist ein Stück Freilichtmalerei ausgesprochenster Art. Natürlich geht es nicht ohne einige rhythmische Komplikationen ab. Es sei aber hier genug, darauf aufmerksam zu machen, daß das Thema des fugierten Trio des Scherzo (3. Satz) den 5. Takt elidiert:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Kenner der Musik der Mannheimer werden in gewissen Stellen des Adagio an Stamitz erinnert werden, besonders in den:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

[169] aus einer anderen Stelle schaut uns Mozarts vierhändige D-Dur-Sonate an:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

aber das sind Momentbilder, die schnell wieder verschwinden und nur leise Rührung erwecken können.

Die drei Klaviersonaten Op. 78, 79 und Op. 81 a gehören trotz der großen Verschiedenheit ihres Inhalts zeitlich eng zusammen. Op. 76 ist zwar in Skizzen nicht nachweisbar, wohl aber Op. 79 und Op. 81 a in dem Skizzenbuche von Karl Meinert (Nottebohm, II. Beeth. S. 255) Da aber das Skizzenbuch mit der für Franz von Brunswik geschriebenen Phantasie Op. 77 endet, so ist sehr wahrscheinlich, daß die Therese von Brunswik gewidmete Sonate Op. 78 direkt nach dieser entworfen und ausgeführt ist (im Oktober 1809). Daß es nicht in die Luft geredet war, wenn Beethoven am 19. Oktober 1809 Breitkopf & Härtel (die wohl den Wunsch ausgesprochen hatten, Solo-Klaviersonaten von ihm zu erhalten) »einige« in Aussicht stellte, erweist die Offerte vom 4. Februar 1810:


»3 Klavier-Solo-Sonaten – NB. wovon die 3te aus 3 Stücken, Abschied, Abwesenheit, das Wiedersehen besteht, welche man allein für sich herausgeben müßte«.


Es scheint also, daß die Fis-Dur-Sonate Op. 78 mit der B-Dur Op. 79 zusammen ein Opus bilden sollte. Der »schrecklich lange« Brief vom 21. August 1810 (S. 230ff.) bestimmt die Dedikationen: »die Sonate in Fis-Dur A Madame la Comtesse Thérèse de Brunswick; die Fantasie für's Klavier allein – A mon ami Monsieur le Comte François de Brunswick. Was die zwei Sonaten angeht, so geben sie jede allein heraus, oder wollen sie sie zusammen herausgeben, so setzen sie auf die aus dem G-Dur Sonate facile oder Sonatine, welches sie auch thun können im Falle sie sie [nicht] zusammen herausgeben«. Die Firma brachte die beiden Sonaten einzeln und Op. 79 erhielt daher keine Dedikation. Die vielfach geäußerte Ansicht, daß Op. 79 (die sogenannte Kuckuckssonate) ein älteres Werk Beethovens sei, das hervorgeholt wurde, ist durch Skizzen vom Jahre [170] 1809 (Nottebohm, II. Beeth. 269) aus der Welt geschafft, in denen das Thema des ersten Satzes in zwei Vorstadien (zuerst in C-Dur) erscheint. Es lebt auch in diesem ersten und auch im letzten Satze ganz jene frohe Naturstimmung, welche das Quartett Op. 74 erstehen ließ, und das Andante löst wie das erst 1815 geschriebene Lied »Sehnsucht« von Reißig (E-Dur, 3/4) ein eigenartiges rhythmisches Problem, nämlich die Durchführung des Aufbaues Schwer-Leicht-Schwer innerhalb des Taktes (vgl. S. 147):


3. Kapitel. Das Jahr 1809

d.h. verkürzt durchweg die Zäsurstellen (2., 4., 6., 8. Takt), so daß man in Versuchung käme, einfach die Taktstriche anders zu stellen:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

wenn nicht mehrmals dieser Pseudo-9/8 Takt in wirklichen 9/8 überginge. So ganz harmlos ist also doch auch diese Sonatine nicht.

Über die Fis-Dur-Sonate sind teils auf mangelndes Verständnis, teils auf tendenziöse Herabsetzung zurückzuführende Urteile verbreitet, denen mit Beethovens eigener hohen Einschätzung des Werkes zu begegnen ist. Czerny berichtete an O. Jahn Beethovens Äußerung:


»Immer spricht man von der Cis moll-Sonate; ich habe doch wahrhaftig Besseres geschrieben. Da ist die Fis dur-Sonate doch etwas anderes.«


Freilich, für den Erweis einer tiefen Herzensneigung Beethovens zur Gräfin Brunswik, der sie gewidmet ist, läßt sich die Sonate doch nicht verwerten; denn sie ist geschrieben zu einer Zeit, wo höchst wahrscheinlich die Hoffnung, Therese Malfatti heimzuführen, sich festsetzte und die Widmung erfolgte wenige Monate, nachdem diese Hoffnung sich zerschlagen. Leider wissen wir nicht, welche Sonate es war, die Beethoven durch Gleichenstein Therese Malfatti im Frühjahr 1810 überreichen ließ. Der Gedanke ist aber gewiß nicht fernliegend, daß es die Fis-Dur gewesen ist. Daß aber nach Abweisung des Heiratsantrages das Werk nicht Therese Malfatti gewidmet wurde, ist gewiß verständlich.

Über das Werk selbst sind bereits im 2. Bande (2. Aufl., S. 454f.) einige Bemerkungen gemacht. Hier sei nur noch auf ein paar Einzelheiten hingewiesen, die dem Verständnis der seinen Filigranarbeit dienen mögen. [171] Die innig empfundenen Anfangstakte (Adagio cantabile) laufen in die bekannte, von so vielen Komponisten aufgenommene fragende Mannheimer Formel aus:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Diese kehrt ganz am Ende des Satzes in der durch zwei Oktaven sich emporringenden Sechzehntelpassage der linken Hand als Gipfelung wieder (Takt 5 vorm Ende), wo das Forte plötzlich wieder ins Piano zurückfällt:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Das ist natürlich kein Zufall, sondern eine unverkennbare Absicht, welche verbietet, den Sechzehntelgang als glänzende Passage herunterzuspielen. Auch das zweite Thema kann arg mißverstanden werden, wenn man nicht die weiblichen Endungen seiner Motive erkennt:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Kurz vor der Reprise erfordert die mehrmalige Aposiopese des Cis-Dur-Akkords Beachtung, eine Finesse ersten Ranges, ja ein Wagnis; denn wie viele Spieler des Werkes werden sie bemerkt haben?


 (Die klein gedruckten Akkorde sind durch Pausen ersetzt.)
(Die klein gedruckten Akkorde sind durch Pausen ersetzt.)

Im letzten Satze sei nur hervorgehoben, daß gleich das Anfangsthema durch die Pausen und die Dynamik Gefahr läuft mißverstanden zu werden. Hätte Beethoven etwa so geschrieben:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

[172] so wäre die Erfindung noch immer kompliziert genug, da die Anschlußmotive (5. und 9. Takt in den beiden das Thema konstituierenden Perioden) nichts alltägliches sind. Aber wie's da steht, ist's wirklich verzeihlich, wenn rein mechanisch nach den Pausen geteilt verstanden wird:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Daß das aber Beethoven nicht gemeint haben kann, lehrt die harmonische Logik. Es ließe sich über diese Sonate ein kleines Buch schreiben, und das wäre durchaus nicht überflüssig angesichts dessen, was die Lenz, Wasielewski, Elterlein, Kalischer und trotz des ehrlichen Willens, die absprechenden Urteile zu widerlegen, auch W. Nagel über dieselbe geschrieben haben. Bei Nagel stiftet die gänzliche Unklarheit über die Motivbegrenzung und Satzbildung nur neues Unheil an. Marx erwähnt die Sonate überhaupt nicht, hat sie also auch nicht verstanden.

Gerade diese Sonate lehrt, wieviel wir noch zu tun haben, um Beethoven wirklich zu verstehen.

Eine fürchterliche Konfusion richtet Nohl (Biogr. II 306) an, indem er den Aufenthalt bei Lichnowski in Gräz in den Sommer 1809 verlegt (statt 1806) und dann im Herbst 1809 Beethoven eine kurze Rast bei Brunswik in Pest machen läßt, wo er Op. 77 und 78 schreibt.

Über die dem Erzherzog Rudolf gewidmete Es-Dur-Sonate Op. 81a ist nur wenig Ergänzendes nachzutragen. Wenn Nottebohm annimmt, daß zwischen der Komposition des ersten Satzes der Sonate und der der beiden anderen Sätze ungefähr ein halbes Jahr liegt (II. Beeth. S. 96), so faßt er dabei die Dauer der Besetzung Wiens durch die Franzosen vom 9. Mai bis 20. Nov. ins Auge; zwischen den beiden Skizzengruppen stehen aber nur wenige andere Skizzen. Es liegt auch kein zwingender Grund vor anzunehmen, daß Beethoven gleich nach der Abreise des Erzherzogs den ersten Satz geschrieben, wie er natürlich den letzten nicht nach oder bei der Ankunft begonnen hat. Jedenfalls waren aber alle diese Sätze schon vor dem Oktober 1809 entworfen und wurden in Bereitschaft gestellt, um bei der Rückkehr des Erzherzogs demselben überreicht zu werden. Das erhaltene Originalmanuskript des ersten Satzes trägt die Aufschrift:


[173] »Das Lebe Wohl?

Wien am 4ten May 1809

bei der Abreise S. Kaiserl. Hoheit des Verehrten Erzherzogs

Rudolph«.


Der letzte Satz, dessen Handschrift verschwunden ist, trägt laut Verzeichnis der Bibliothek des Erzherzogs die Aufschrift:


»Die Ankunft S. Kais. Hoheit des verehrten Erzh. Rudolf den 30. Januar 1810.«


Breitkopf & Härtel gaben die Sonate im Herbst 1811 heraus, aber ohne die Widmung an den Erzherzog und ohne die Daten, und mit französischem Titel »Les adieux, l'absence et le retour« (vgl. S. 281 die Vorwürfe Beethovens deswegen in dem Briefe vom 9. Okt. 1811). Marx hat versucht, die Sonate ihrer direkten Beziehung auf den Erzherzog zu entkleiden und sie hingestellt als ein allgemein gedachtes »Seelengemälde, das Trennung – wir nehmen an zweier Liebenden, – Verlassensein – wir nehmen an der Geliebten oder Gattin – und Wiedersehen der Getrennten vor die Seele bringt«; O. Jahn (Ges. Ausg. S. 293) und auch Thayer (in der 1. Aufl. dieses Bandes S. 74) hatten das mit Hinweis auf Beethovens eigenhändige Aufschriften zurückgewiesen. Es bedarf weder dieser scharfen Zurückweisung noch der Verteidigung der Absicht Marxs, welche G. Behnke in der 4. Auflage der Marxschen Biographie unternahm. Im Grunde hatte Marx ganz recht und auch Breitkopf & Härtel, die mit der Ignorierung von Beethovens Vorschrift für die Widmung dem Werke einen weit über diese persönliche Huldigung hinausgehenden Sinn geben wollten. Es wird niemand im Ernst daran denken, daß der erste Satz speziell den Abschied Beethovens vom Erzherzog tonmalerisch darstellen soll, der zweite seinen Schmerz während dessen Abwesenheit und der dritte seinen Jubel bei der Wiederkehr. Ebenso ist aber ausgeschlossen, daß eigentlich jemand anders gemeint gewesen sei. Vielmehr ist von allem Persönlichen ganz abzusehen; Abschied, Trennung, Wiedersehen, das ist das Programm dieser Sonate heute für jedermann. Das Werk gehört zu denjenigen, welche unverkennbar den Stempel frisch sprudelnder Erfindung und flott von der Hand gehender Arbeit machen. Die Linienführung ist eine auffallend leichte, schwunghafte, ins Große gehende, mehr al fresco, etwa wie in der B-Dur-Symphonie; kleine Detailmalereien fehlen ganz, nichts Ergrübeltes, nichts Rätselhaftes hemmt den Verlauf. Die Schmerzen, die sich sowohl beim Abschied als in der Abwesenheit äußern, sind allzutief gehende, trotz gelegentlicher Chromatik, [174] wie zu Anfang des ersten Allegro in der Baßführung. Bemerkenswert sind die tiefen Baßtöne zu Ende des ersten Satzes (pp), während die Oberstimme die Höhengrenze (c4) aufsucht. Nicht übersehen sei, daß das Andante (die Abwesenheit) deutlich die Motivbildung der Einleitung aufnimmt, daß aber überhaupt in der ganzen Sonate die leidenschaftlich emporlangenden Quarten-, Quinten- und Sextenschritte eine Hauptrolle spielen, die nur in der Einleitung und in dem Andante durch die schluchzenden Punktierungen einen mehr schmerzlichen Ausdruck annehmen. Das eigentlich vokal erfundene Motiv des Lebewohl (so den ersten drei Noten beigeschrieben):


3. Kapitel. Das Jahr 1809

ist vielleicht eine ungewollte Reminiscenz an eine Es-Dur-Symphonie Georg Bendas, aus der nach dem Manuskript der Leipziger Stadtbibliothek eine Stelle hier eingefügt sei. Das Kopfthema des Finale lautet nämlich (wiederholt ebenso):


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Es ist natürlich durchaus nicht ausgeschlossen, daß Beethoven diese Symphonie gekannt hat, wenn auch vielleicht die Bekanntschaft Jahrzehnte zurück lag.

Die Phantasie Op. 77 wird wohl gelegentlich durchaus mit Unrecht als in G-Moll stehend bezeichnet, weil sie zufällig in G-Moll anfängt, das sie aber bereits nach zwei Takten verläßt, ohne es auch nur wieder zu berühren. Die Skizzen (Nottebohm, Il. Beeth. S. 274) verraten, daß sie eigentlich mit H-Dur beginnen sollte, in welchem sie sich schließlich nach mancherlei Irrfahrten festsetzt, um darin ein wunderschönes einfaches Thema zu variieren. Will man ihr überhaupt eine Tonart zuschreiben, so kann es nur H-Dur sein. Aber es ist zu offenbar Programm des Werkchens, zunächst ganz improvisationsartig allerlei Anfänge zu versuchen und wieder fallen zu lassen und so durch allerlei Tonarten zu gehen (G-Moll, F-Moll, Des-Dur, B-Dur, Es-Dur, D-Moll, As-Dur, B-Dur, H-Moll), die nur ganz lose, geradezu willkürlich verknüpft sind, um schließlich mit [175] H, Dur Ernst zu machen. Czernys Versuch, die verschiedenen Arten der Improvisation Beethovens zu klassifizieren [Bd. II2, S. 561f.], führt Op. 77 als Beispiel für die »potpourriartige« Improvisation an. Natürlich darf man aus dieser Probe keine weitergehenden Schlüsse ziehen und etwa gar vermuten, daß hier Beethovens Art zu produzieren sich offenbare. Höchstens wird man sagen können, daß, wenn er in Gesellschaft aufgefordert wurde, ohne Stellung eines Themas frei zu phantasieren, ähnliche vage Ergehungen den Anfang gebildet haben mögen, ehe er die nötige Sammlung fand, etwas Kernhaftes hinzustellen und dasselbe festzuhalten. Keinesfalls ist daran zu denken, daß es solche chaotische oder kaleidoskopische Gebilde waren, die ihn beschäftigten, wenn auf seinen Spaziergängen die Phantasie anfing intensiv zu arbeiten48.

Für das richtige Verständnis der 1. Variation des H-Dur-Themas sei auf die seine Bemerkung Hans von Bülows in seiner Ausgabe (Cotta) aufmerksam gemacht, daß die kleinsten Motive in der rechten Hand nicht jambische sondern trochäische sind:


3. Kapitel. Das Jahr 1809

Das werden wohl vor Bülow nicht viele herausbekommen haben.

Die Phantasie erschien gleichzeitig mit der SonateOp. 78 im November 1810; doch sind beide sicher dem Geschwisterpaar Brunswik schon früher handschriftlich mitgeteilt worden.

Die Variationen für Klavier in D.Dur Op. 76, »seinem Freunde Oliva gewidmet«, bekannt als die Variationen über den türkischen Marsch aus den »Ruinen von Athen«, sind fast zwei Jahre früher geschrieben, als Beethoven den Auftrag erhielt, den Kotzebueschen ad hoc gedichteten Text zu komponieren, sind also eine durchaus unabhängig von diesem Gelegenheitswerk entstandene Komposition. Das hier variierte Thema benutzte vielmehr Beethoven für die, wie wir sehen werden, binnen [176] wenigen Wochen 1811 in Teplitz geschriebene Musik für die Eröffnung des Pester Theaters. Das Thema soll übrigens nach einem Manuskriptverzeichnis in Besitz Dr. Sonnleithners eine russische Volksmelodie sein. Nottebohm (II. Beeth. S. 273) zweifelt daran, macht aber darauf aufmerksam, daß das Thema dem Air de la petite Russie verwandt ist, das Beethoven in Op. 107 Nr. 3 (Klavier mit Flöte oder Violine) variiert hat (Ges. Ausg. Serie 14, Nr. 116). Den Höhepunkt ihrer Popularität haben diese Variationen zweifellos durch das temperamentvolle Spiel Anton Rubinsteins erreicht, freilich nicht ohne pianistische Zutaten, welche die an sich harmlosen und einfach gesetzten Variationen zu einem stupenden Bravourstück machten. Das alla Turca von Mozarts A-Dur-Sonate (S. 331) hat übrigens bei der Entstehung dieses Werkchens Pate gestanden.

Der in dem Meinertschen Skizzenbuch mit an erster Stelle stehende Militärmarsch in F-Dur (Ges. – Ausg. Breitkopf & Härtel, Serie 25, Nr. 287 I) war für Erzherzog Anton bestimmt und wurde 1810 mit einem zweiten (S. 250) für ein Karussel am Hofe in Laxenburg gewählt (die »Pferdemusik« in Beethovens Korrespondenz mit dem Erzherzog Rudolf).

Wie viele Lieder Beethovens dem Jahre 1809 angehören, ist nicht genau festzustellen. Zwölf offerierte er am 4. Februar 1810 Breitkopf & Härtel. Über diejenigen auf Texte von Reißig sind oben (S. 147f.) einige Mitteilungen gemacht. Bestimmt ins Jahr 1809 gehören »Andenken« (»Ich denke dein, wenn durch den Hain«) von Mathisson, erschienen bei Breitkopf & Härtel im März 1810, sowie wahrscheinlich die vier Goetheschen Lieder, welche mit zwei der Reißigschen als sechs Gesänge Op. 75 im November 1810 bei Breitkopf & Härtel erschienen (»Kennst du das Land«, »Herz, mein Herz«, »Es war einmal ein König« und »Gretels Warnung« [im Manuskript bezeichnet mit 4tes Lied 1809]). Am 21. Sommermonat (August) 1810 bittet Beethoven Breitkopf & Härtel um Mitteilung der Überschriften »der Gesänge, die sie schon haben, denn ich erinnere mich nicht, welche sie schon haben«. Da inzwischen Collard die Werke von 1807 bezahlte (s. unten), so scheint Beethoven auch wieder eine neue Sendung an diesen gemacht zu haben, da er schreibt »vielleicht erhalten sie welche, die in London nicht herauskommen«. Die Offerte vom 4. Februar spricht auch von Gesängen mit italienischem Text; wahrscheinlich sind das die vier Arietten und ein Duett Op. 82, von denen Nr. 4 (L'amante impatiente) mit 1809 bezeichnet ist. 1809 komponiert, aber erst aus dem Nachlaß von Diabelli herausgegeben ist Herders »Die laute Klage«.

[177] Außerdem wurden die Bearbeitungen irischer Melodien für G. Thomson in diesem Jahre begonnen (vgl. S. 161).

Veröffentlicht wurden in diesem Jahre folgende Werke:

1. Die vierte Symphonie in B-Dur, Op. 60. »Dediée à Monsieur le Comte Oppersdorf.« Wien, Kunst- und Industriekontor. Im März (vgl. S. 9ff.).

2. Konzert für Violine mit Orchester, D-Dur, Op. 61. »Dedié à son ami Monsieur de Breuning, Sécrétaire aulique« usw. Wien, Kunst- und Industriekontor. Im März (vgl. Bd. II2, S. 537ff.).

3. Sonate für Klavier und Violoncell. A-Dur,Op. 69. »Dediée à Monsieur de Gleichenstein.« Leipzig, Breitkopf & Härtel. Im April (vgl. S. 121ff.).

4. Zwei Trios für Klavier, Violine und Violoncello, D-Dur, Es-Dur, Op. 70. »Dediés à Madame la Comtesse Marie d'Erdedy née Comtesse Niszky.« Breitkopf & Härtel, Nr. 1 im April, Nr. 2 im August (vgl. S. 105ff.).

5. Fünfte Symphonie, C-Moll, Op. 67. »Dédiée à son Altesse Sérénissime Monseigneur le Prince régnant de Lobkowitz, Duc de Raudnitz, et à son Excellence Monsieur le Comte de Rasumoffsky.« Breitkopf & Härtel. Im April (vgl. S. 90ff.).

6. Sechste Symphonie (Sinfonia pastorale), F-Dur, Op. 68. Die Dedikation ist dieselbe wie bei der vorhergehenden. Breitkopf & Härtel. Im Mai (vgl. S. 97ff.).

7. Lied: »Als die Geliebte sich trennen wollte.« Beilage Nr. II zur Allgem. Mus.-Ztg., 22. November. Breitkopf & Härtel49; die Bd. II2 S. 525 erwähnte Ausgabe hat nur Breunings übersetzten Text, aber Soliés Musik. Irrig ist die Angabe in dem Nachtrage zu Ries-Wegelers Notizen (1845), daß diese daselbst als Anhang beigegebene Komposition bis dahin noch unveröffentlicht sei.

Fußnoten

1 Beethoven ist also noch auf dem Lande – ein weiterer Anhaltspunkt, daß der Antrag von Kassel mindestens noch im Oktober erfolgt ist. Daß Beethoven 1808 länger als gewöhnlich in Baden geblieben ist, bestätigt aber auch ein weiter unten (S. 137) folgender Brief an Zmeskall, welcher Beethoven als Bewunderer der aeronautischen Produktionen Degens vorstellt.


2 Die Trios Op. 70.


3 Mitte September 1868, (vgl. S. 72), wo G. Chr. Härtel in Wien war.


4 Hier ist ein Anhaltspunkt für die mit Gleichenstein verabredete Reise (vgl. S. 118). Eine weitere Bestätigung der Absicht, in den Fasten 1869 zu reisen, gibt eine Notiz in einem Skizzenbuch von 1868, (Nottebohm, 2. Beeth., S. 585).


5 Dieser Brief ist für unsere Biographie im Faksimile mitgeteilt von Herrn Carl dell' Acqua zu Gmunden, nach dem Autograph in der Sammlung des Baron Prokesch-Osten daselbst.


6 Vorstehendes ist ebenfalls aus der Sammlung von Prokesch-Osten, mitgeteilt durch Herrn dell' Acqua.


7 Im Besitze des Malers Amerling in Wien.


8 Vgl. Reichardts Brief vom 27. März (S. 189).


9 Zuerst veröffentlicht von L. Nohl in Westermanns Monatsheften, Dez. 1865.


10 Das »Beigefügte« war jedenfalls der Auszug aus dem Dekret, um dessen Anfertigung für Gleichenstein Beethoven Dr. Dorner gebeten hatte (Nohl in Westermanns Monatsheften, Dezember 1865, S. 310, Nr. 19):


»Haben Sie die Gefälligkeit lieber D. und theilen Sie den Inhalt des Dekrets Gleichenstein ganz kurz mit – wenn Sie Zeit haben, besuchen Sie mich einmal. – Es wird mir lieb sein, wenn wir uns zuweilen sehen.


Ganz Ihr

Beethoven.«


11 Mad. Bürger (Christine Elisabeth Hahn, das »Schwabenmädel«, das 1792 nach zweijähriger unglücklicher Ehe den Dichter verließ), gab am 23. Januar 1809 die Baronin im Spieler, und den 28. die Cleopatra in der Octavia als Gastrollen. Wiener Hof- Theater-Taschenbuch, 1810.


12 z.B. in dem Briefe an Breitkopf & Härtel vom 8. Juni 1808 (S. 40).


13 »Eine dieser Schwestern war (1807 oder 8) zu ihm geschickt worden, als sie erst etwa 12 Jahre zählte. Er gab ihr eine gute Erziehung und ließ sie als Sängerin auftreten, als Hummel Liebe zu ihr faßte, sie heirathete und der Bühne entzog. Ich fragte Röckel, ob irgendwelche Wahrscheinlichkeit dafür spräche, daß sie die Dame gewesen sei, mit welcher Beethoven 1869–10 ein Heirathsproject hatte? Er versicherte mir, sie sei es nicht gewesen. Damit ist diese Geschichte zur Ruhe gebracht.« Aus der nämlichen Unterhaltung mit Röckel. Elisabeth Röckel war am 8. Juli 1811 zum ersten Male aufgetreten in der Rolle der Emmeline in Weigls Schweizerfamilie, und zwar mit sehr günstigem Erfolge. Sie heiratete Hummel am 16. Mai 1813 (vgl. S. 38).


14 Dies zweifellos nicht zutreffende Jahr für den Beginn der Beziehungen läßt vermuten, daß auch weitere Angaben der Dame mehr Verwirrung als Aufklärung gebracht haben würden, so daß der Verlust derselben nicht allzusehr zu beklagen ist. Übrigens wird das Jahr 1811 uns durch Varnhagen von Ense das Bild Olivas mit sympathischen Zügen bereichern.


15 Vgl. S. 137.


16 Mit rührender Naivität verrät Beethoven, daß es ihm (seines Werkes wegen) doch eigentlich lieber ist, wenn Anton Kraft statt Zmeskall die Cellosonate und die Trios zuerst öffentlicht spielt.


17 Nach Jahns Kopie.


18 Vgl. aber S. 106 die Absicht, die Trios Op. 70 der Gräfin nicht zu widmen.


19 Von Zmeskall datiert 27. April 1309.


20 Vgl. Nottebohm, Beethoveniana S. 160.


21 Die durch die Kriegsverhältnisse bedingten Erschwerungen des Postverkehrs zeigen sich auch in den längeren Abständen der Antworten auf die Briefe. So schreibt Beethoven am 19. Weinmonat (September) 1809 an Breitkopf & Härtel (Original im Besitz der Firma):


»Auf ihren Brief vom 21. August antworte ich ihnen, daß ich wohl zufrieden bin, wenn sie mir auch einige Posten in Wiener Courant (jedoch nicht viel) wollen ausbezahlen lassen. Die 3 Werke [Fidelio, Christus am Ölberg, C dur-Messe] sind schon abgeschickt, nun wünschte ich freylich, daß sie mir dasHonorar für diese 3 Werke früher anwiesen als sie in Leipzig ankommen, ja wenn sie es sogleich hier anweisen wollten, würde mir sehr lieb seyn – wir sind hier in Geldes Noth, denn wir brauchen zweimal so viel als sonst – verfluchter Krieg –«


22 Mitgeteilt von W. Rust in Berlin.


23 Eine Untersuchung über die sogenannten »Studien«, welche für dieses Kapitel beabsichtigt war, würde einen großen Teil der Leser nicht interessieren; dieselbe ist überflüssig geworden durch die Veröffentlichung von Nottebohms »Beethoveniana« (I. 154ff.)


24 Nach O. Jahns Abschrift.


25 Ausnahmsweise erscheint hier noch einmal Karl als Korrespondent. Es ist daher doch möglich, daß das Bd. II2, S. 626 mitgeteilte Postskriptum Karls hierher gehört und von der Firma richtig datiert ist (1810). Die gemeinsame Kriegsnot hatte die Brüder wieder zusammengeführt (während des Bombardements; vgl. S. 138).


26 Reißig gab nicht nur dieses Lied sondern auch die vier andern hierher gehörigen (s. unten) auf eigene Faust heraus in der bei Artaria in 3 Heften erschienenen Sammlung »Achtzehn deutsche Gedichte mit Begleitung des Pianoforte von verschiedenen Meistern... Erzherzog Rudolph... gewidmet von C. L. Reißig«. Vgl. Thayer, Verzeichnis, S. 84.


27 I. M. Bechsteins Naturgeschichte Deutschlands, 2.–4. Teil, auch als Naturgeschichte der Vögel Deutschlands. 2. Aufl. Leipzig, W. Bogel, 1804–1809.


28 »Andenken« von Matthisson, erschienen 1810 bei Breitkopf & Härtel.


29 Vgl. auch die Allg. Mus. Ztg. vom 18. Oktober 1809.


30 Der Verfasser fühlt sich bei diesem Satze immer an Virgils Schilderung der Fama (Aen. IV. 173 –Mobilitate viget viresque acquirit eundo: Parva metu primo mox sese attollit in auras etc.) erinnert.


31 Das Original befindet sich in der Wiener Hofbibliothek.


32 Angesichts der mannigfachen, besonders durch die Briefe an Breitkopf &. Härtel sich ergebenden Anhaltspunkte dafür, daß Beethoven von Anfang Mai ab bis Ende Juli nicht zusammenhängend gearbeitet hat, rückt allerdings diese Einzeichnung doch in ein anderes Licht und könnte als Beweismittel dienen, daß die Wiederaufnahme der Arbeit am 1. Satze des Es-Dur-Konzerts erst im Juni oder Juli erfolgt ist und das ganze Meinertsche Skizzenbuch der Zeit vom Juli bis Oktober angehört. H. R.


33 Auch dies ist nicht aufrecht zu erhalten, da Beethoven erst am 26. Juli 1809 an Breitkopf & Härtel über diese Druckfehler berichtet und zwar »durch einen guten Freund aufmerksam gemacht«.


34 Der Bearbeiter der 2. Auflage läßt hier (S. 149 letzter Absatz bis 154 erster Absatz) des Verfassers Ausführungen über das Pettersche Skizzenbuch in der Fassung der 1. Auflage bestehen, verweist aber auf Nottebohms Ausführungen II. Beeth., S. 288ff., welche überzeugend den gegenteiligen Standpunkt vertreten (das Blatt mit den Skizzen zu Macbeth und dem D-Dur-Trio wird als nicht zugehörig ausgeschieden). A. W. Thayer geht bei seiner Deutung offenbar von der Ansicht aus, daß für eine neue Akademie (im Stile der von 1806) auch wieder eine Anzahl neuer großen Werke nötig wurden. Das ist aber doch wohl einigermaßen bedenklich. Die imponierenden Novitäten-Konzerte im März 1807 und Dezember 1808 waren doch wohl die Folge und nicht die Ursache der Komposition der neuen Werke. Der beispiellosen Produktivität von 1888 steht aber die von Beethoven selbst konstatierte geringere im Jahre 1609 gegenüber. Es ist doch auch ein kleiner Widerspruch unverkennbar in Thayers Motivierung der großen Zahl klein er Sachen im Jahre 1609 und dem etwas gewaltsamen Nachweise, daß Beethoven daneben auch an 2 Symphonien gearbeitet hätte. Dazu kommt, daß der allein die ganze Annahme fundierende Brief an Collin (der obendrein nicht datiert ist und auch in ein anderes Jahr gehören könnte), bezüglich der Gewährung der Akademie keineswegs allzu zuversichtlich ist.


H. R.


35 Vgl. S. 67.


36 Wir werden sehen, daß Czernys Darstellung durch Beethovens eigene Äußerungen in einem Briefe an Breitkopf & Härtel vom 21. August 1810 und dem Bettina-Briefe vom 10. Februar 1811 in einigen Punkten rektifiziert wird.


37 Bei ihren in späteren Jahren gemachten Versuchen, dieses Theater auf glänzendem Fuße zu unterhalten, »erlagen«, wie es heißt, »die Grafen Raday und Brunswik«.


38 Das Original war im Besitze Otto Jahns. Übrigens war der erste November ein Mittwoch.


39 Vgl. hierzu S. 113 den Brief vom 26. Juli 1869.


40 Fidelio, Christus am Ölberg und C-Dur-Messe.


41 Dr. Apel (gest. 9. August 1816) war der Verfasser des Textes von Friedrich Schneiders Oratorium »das Weltgericht« (zuerst aufgeführt 6. März, 1820 in Leipzig).


42 Am 24. Oktober 1809 wurde der Wiener Friede unterzeichnet.


43 Dieser Brief und die weitere Korrespondenz mit Thomson, soweit sie sich auf den in diesem Bande behandelten Zeitraum erstreckt, ist im Anhang I mitgeteilt.


44 Wir geben seinen Brief hier des Zusammenhangs wegen in deutscher Übersetzung, das französisch geschriebene Original aber im Anhange.


45 Daß Beethoven sich wohl bewußt war, in den Arbeiten für Thomson Konzessionen an den »individuelleren Geschmack jener Länder« zu machen, »welches wir in Deutschland nicht nötig haben«, sehe man in dem Briefe Bd. II2 S. 516f.


46 Auch das noch ältere Sextett Op. 81b (Bd. 2 S. 44), das Simrock im Sommer 1810 herausbrachte, wird diesem wohl 1809 übergeben worden sein.


47 Bezüglich des Grundes für die zahlreichen Widmungen an den Erzherzog vgl. den Brief Beethovens an Breitkopf & Härtel vom 28. März 1809 (S. 106).


48 Vgl. des Bearbeiters Aufsatz »Spontane Phantasietätigkeit und verstandesmäßige Arbeit in der tonkünstlerischen Produktion« im Jahrbuch 1309 der Musikbibliothek Peters, dessen Tendenz leider mehrfach mißverstanden worden ist. Es kam dem Verfasser lediglich darauf an, zu betonen, daß die bei solcher schöpferischen Tätigkeit der Phantasie vorgestellte Musik alle Eigenschaften wirklich klingender Musik hat und nicht etwa nur ein schemenartiges, blasses Surrogat solcher ist, oder gar nur ein Spinnen armseliger Einzelfäden. Vgl. auch die Anmerkung S. 246.


49 Sämtliche »Publikation-Zeiten von Beethovens Werken im Originalverlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig«, welche in diesem Werke mitgeteilt sind, mit Ausnahme der Beilage zur Allgem. Mus. Zeitung, sind einem mit obiger Aufschrift versehenen handschriftlichen Verzeichnisse entnommen, welches Dr. Härtel durch Vermittlung des Herrn Heman Allen dem Verfasser freundlichst zur Verfügung stellte, und welches letzterer am 22. Februar 1862 erhielt.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1911..
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