Fünftes Kapitel.

Das Jahr 1822.

Verhandlungen wegen der Messe, Johann van Beethoven. Oberdöbling, Baden. Rochlitz, Rossini. Die Weihe des Hauses, Gratulationsmenuett. Neuaufführung des Fidelio.

Die Zeit, in welche wir jetzt eintreten, ist für Beethovens künstlerische Tätigkeit weit bedeutsamer als die vorhergegangene, es ist die Zeit, welche die Vollendung der größten Werke, die seiner letzten Schaffensperiode angehören und derselben ihre Signatur geben, einschließt. Das Jahr, welches wir eben behandeln wollen, sah die Beendigung der großen Messe (bis auf einige Nachbesserungen, in denen er sich ja nie genug tat); außerdem brachte es ihn nach längerer Unterbrechung wieder mit der Öffentlichkeit in Berührung. In der Erzählung der Ereignisse folgen wir wieder tunlichst dem chronologischen Faden, suchen aber doch das Zusammengehörige, soweit erforderlich, nicht zu zerreißen.

Beethoven wohnte zu Anfang des Jahres noch in dem zu Ende 1826 bezogenen Hause auf der Landstraße, Hauptstraße 244.1

Gleich zu Anfang des Jahres widerfuhr ihm die Ehre, zum Ehrenmitgliede des Steiermärkischen Musikvereins ernannt zu werden. Hier das Dokument:2


»Der von Seiner K. K. Majestät allergnädigst bestättigte Musik Verein in der Steiermark


welcher durch Ausbildung und Vervollkommnung der Tonkunst auf dem Blumenpfade geistiger Vergnügungen das hehre Ziel moralischer Veredlung religiöser Erhebung der Gemüther im Vaterlande zu erreichen strebt, gibt sich die Ehre, Euer Hochwohlgeborn Herrn Ludwig van Beethoven 3[240] würdigend die hohen Verdienste. des größten Tonsetzers unseres gegenwärtigen Jahrhunderts, hiermit die Ernennung zum auswärtigen Ehren-Mitgliede durch gegenwärtiges Diplom bekannt zu geben.

Gratz den ersten Jänner 1822.


(L. S.)


Ignatz Graf von (Affmes)4

Praeses.

Johann Ritter von

(Kalchberg)1

Representant.

Johann Baptist Jenger

Sekretair.« –


Daß am 13. Januar die Sonate Op. 111 beendigt wurde, ist schon früher bemerkt.

In den ersten Monaten des Jahres war Beethovens alter Bonner Genosse und Freund Bernhard Romberg in Wien und gab mit seiner Tochter Bernhardine und seinem elfjährigen Sohn Carl, ebenfalls einem angehenden Cello-Virtuosen, eine Anzahl von Konzerten,5 von denen das erste am 6. Januar im Universitätssaale, die meisten der übrigen im landständischen Saale stattfanden. Auf eins der letzteren, am 12. Februar, bezieht sich folgender Brief Beethovens:6


»Ich bin diese Nacht wieder von den bei mir in dieser Jahreszeit gewöhnlichen Ohrenschmerzen befallen worden, deine Töne selbst würden für mich heute nur Schmerz seyn, diesem nur schreibe es zu, wenn du mich nicht selbst siehst – vieleicht ist[s] in ein Paar Tägen besser, wo ich dir dann noch lebewohl sagen werde – wenn du mich übrigens nicht zum Besuch bei dir gesehen hast, so bedenke die Entlegenheit meiner Wohnung, meiner..... gesetzten7 Beschäftigungen, um so mehr da ich ein ganzes Jahr hindurch krank war, wodurch ich in so manchen begonnenen Werken aufgehalten wurde – und am Ende braucht es die nichtssagenden Complimente zwischen uns ohnedem nicht – Ich wünsche dir zu dem vollen Tribut des Beifalles deiner hohen Kunst auch die metallische Anerkennung was jetzt selten der Fall ist; – wenn ich nur ein wenig kann so seh ich dich sammt deiner Gattin und Kindern, welche ich hier von Herzen grüße, gewiß noch.

Leb wohl


großer Künstler

wie immer

der deinige

Beethoven.«


Am 1ten Febr.

1822


[241] Die »metallische Anerkennung« fehlte nicht; Romberg soll nach Hanslick in dieser Saison in Wien 10000 Gulden verdient haben.

Was weiterhin aus der ersten Hälfte dieses Jahres und auch noch später zu berichten ist, bezieht sich auf Herausgabe von Werken, in erster Linie der Messe, über welche er mit verschiedenen Verlegern unterhandelt. Er behandelt sie in diesem Jahre überall als fertig, und meinte damit wohl, daß sie in den Skizzen fertig war, was zu Anfang 1822 jedenfalls der Fall war, und nur noch der Abschrift harrte; diese wurde auch vor Ende 1822 im Autograph fertig gestellt; am 19. März 1823 überreichte er ja die schön geschriebene Abschrift dem Erzherzog.8 Wir wissen, daß er auch nachher noch manches änderte; für jetzt genügt das historisch Angeführte, daß das Jahr 1822 als das Vollendungsjahr der Messe zu bezeichnen ist.

Wir nehmen hier den Faden des im vorigen Kapitel Mitgeteilten wieder auf. Wir wissen, daß Beethoven die Messe an Simrock für 100 Louisdors abgeben wollte und sich nur noch einige Bedingungen vorbehielt. Die Verhandlung ging durch Brentanos Vermittlung, es war noch eine Differenz über den Wert des Louisdors entstanden, die Simmrock nur als Friedrichsdors berechnen wollte. Beethoven hatte noch einmal geschrieben, und Simrock hatte das Geld bereits deponiert, jedenfalls nach seiner Berechnung, da er das Eintreffen der Messe erwartete.9 In dem Briefe an Brentano vom 12. Nov. wird die Verzögerung der Absendung erklärt und entschuldigt; nach diesem hatte Brentano schon einen Vorschuß geschickt; in einem folgenden Briefe vom 20. Dez. 1821 wird noch einmal die Geldfrage berührt, und wiederholt, wie bereits in dem vorigen, von anderweitigen Angeboten auf die Messe gesprochen. Damals war noch weiter zwischen Beethoven und Simrock korrespondiert worden; auch machte Brentano dem letzteren Mitteilung von Beethovens Briefen. Simrock wurde jetzt ungeduldig und erinnerte Beethoven an sein Versprechen in folgendem Briefe:10


»Bonn, d. 13ten May 1822.


Herrn Louis van Beethoven!

in Wien!


Jetzt ist es ein Jahr, daß Sie mir sicher versprochen daß ich Ende April die Messe ganz fertig erhalten würde. Seit dem 25. 8ber 1820 habe [242] ich 100 Louisd'or in Frankfurt deponirt damit Sie gleich ihre Zahlung erhalten sollten. Am 19ten März schrieben Sie mir noch ausdrücklich daß Sie 6 wochen bettlägerig gewesen und noch nicht ganz wohl seyen. Ich sollte nur ganz ruhig seyn, Sie schreiben nur dies damit ich nichts anders denken sollte. Nun fragte ich in der Herbstmesse bei H. Brentano und abermal in dieser Ostermesse, allein es ist als immer nicht angekommen. Ich bitte Sie nun doch endlich einige Worte darüber zu schreiben: Ich schreibe deswegen damit Sie nicht gar glauben ich sey gestorben, welches beynahe diesen verflossenen Winter geschehen wäre!

Einstweilen habe ich mir vorgenommen ihre 6 Sinfonieen in Partitur herauszugeben, welches schon mehrmal geschehen sollte – sogar öffentlich angezeigt worden, aber nicht geschehen; weil nichts dabei zu gewinnen ist, das weiß ich zwar auch recht gut, allein ich wollte meinem würdigen alten Freund ein würdiges Denkmal stifften und ich hoffe daß Sie mit der Ausgabe zufrieden seyn werden, da ich mein möglichstes gethan habe! Die zwey ersten habe ich zu gleicher Zeit erscheinen lassen, und werde Ihnen mit der ersten Sendung nach Wien solche zusenden!

Wir glaubten Sie im vorigen Sommer hier bey uns zu sehen, wie Sie in eben dem Briefe vom 19. März versprochen haben, allein auch das geschah nicht.

Wir alle grüßen Sie herzlich.


N. Simrock.«


Ob und was Beethoven hierauf antwortete, ist unbekannt, da die hierher gehörigen Briefe Beethovens an Simrock der Forschung bisher nicht zugänglich sind. Dagegen schrieb er kurz nachher an Brentano; der Brief kann wohl als unmittelbare Folge jenes Simrockschen Briefes betrachtet werden.11


»Wien

am 19. May

1822


Sie werden, wer weiß was, von meiner Unordnung denken, allein ich bin wieder 4 Monathe immer mit gicht auf der Brust behaftet u. nur mich wenig zu beschäftigen im stande, die Messe wird endlich bis künftigen Monat Ende juni ganz gewiß in Frankfurt bei ihnen anlangen, der Cardinal Rudolph, der überhaupt für meine Werke sehr eingenommen ist, wollte nicht, obschon ich bisher von seiner Großmuth nichts weiß, daß die Meße sobald herauskommen sollte, u. erst vor 3 Tagen erhielt ich partitur und Stimmen zurück,12[243] damit, wie höchstdieselben sich ausdrückten, mir nicht beim Verleger geschadet werden könne. Sie baten sich dabey aus, daß sie ihm gewidmet werden sollte, ich lasse jetzt nur die partitur noch einmal abschreiben u. übersehe sie genau, dies geht alles bei meiner schwächlichen Gesundheit nur langsam – höchstens bis Ende des künftigen Monaths ist die Meße in Frankfurt. H. Simrock kann also bis dahin den ausgemachten Ehrensold ihnen zustellen, da mir jetzt alles beschwer lich fällt – ich habe hier u. auch von auswärts wohl noch beßere Anträge erhalten, habe aber alle zurückgewiesen, da ich einmal Simrock mein wort gegeben habe, obschon ich dabey verliere, da ich, wenn es meine Gesundheit mir zuläßt, mehrere andere werke ihm vorschlagen werde, wo es mir wieder zu gute kommen kann, – und man auch mit der Herausgabe Sämtliche[r] werke mit ihm übereinkommen könnte, da mich der winter immer hier beynahe mordet, so erfordert es meine Gesundheit, endlich Wien auf einige Zeit zu verlaßen, ihre mir so oft bewiesene freundschaftliche Güte läßt mich hoffen daß sie diese ganze angelegenheit zu meinem besten besorgen.


mit wahrer Hochachtung

ihr Freund u. Diener

Beethoven.«


Diesen Brief scheint Brentano sofort nach dem Empfang Simrock mitgeteilt zu haben; denn auf ihn paßt durchaus der nachstehende Brief Simrocks:13


»Bonn 29ten May 1822.


Herrn Franz Brentano in Frankfurth.


Ich danke sehr für die gütige Mittheilung des Beethoven's Brief. Es ist mir sehr leid, daß Krankheit die Mitursache der Zögerung ist.

Schon über ein Jahr habe ich das Honorar für die Messe bey Herrn Heinrich Verhuven deponirt, weil ich solche täglich erwartete und nicht einen Tag den guten Beethoven auf die Zahlung warten lassen wollte.

Belieben Sie bey Ankunft der Messe Herrn Verhuven es wissen zu lassen, der dann unverzüglich gegen Empfang derselben die 100 frdd'or oder Werth an Sie bezahlen wird.


Mit Hochachtung

gd

N. Simrock.«


Simrock verhielt sich, wie man sieht, durchaus loyal gegen Beethoven und betrachtete die Sache als abgeschlossen; daß auch noch andere Verhandlungen schwebten, dürfte er nicht gewußt haben. Wir wissen jetzt, daß die Messe schließlich nicht bei Simrock, sondern bei Schott in Mainz erschien, und ebenso kennen wir die Sorgen, die den unglücklichen Meister quälten, und die Ursachen, aus welchen er mehr wie früher auf Vermehrung seiner [244] Einnahmen bedacht sein mußte. Wir müssen uns also für diese besondere Angelegenheit eines Urteils über Beethoven enthalten, da wir seine Briefe an Simrock nicht kennen. –

In dem Briefe an Schlesinger vom 1. März 1822, dessen Anfang schon im vorigen Kapitel S. 232 angeführt wurde, heißt es weiter:


»Es geht mir Gottlob wieder besser mit meiner Gesundheit; wegen der Messe bitte ich sie nun bald alles, alles14 in Richtigkeit zu bringen, da auch andere Verleger sie gewünscht haben, insbesondere von hier aus deswegen manche Schritte mir sind gemacht worden, jedoch habe ich schon längst bestimmt, daß selbe hier nicht erscheinen solle, indem dieses Mal mir sehr wichtig ist. – Für den Augenblick bitte ich Sie mir nur anzuzeigen ob sie meinen letzten Antrag in Hinsicht der Messe mit den beigefügten 2 Liedern genehmigen, was hernach die Abführung des Honorares betrifft, so mag es damit auch länger als 4 Wochen dauern, ich muß darauf dringen, da hauptsächlich zwei andere Verleger, welche die Messe ebenfalls wünschen in ihren Katalog, auf eine bestimmte Antwort mich beständig schon geraume Zeit auf eine bestimmte Antwort deßwegen bitten – Leben sie nun recht wohl und schreiben sie mir ja sogleich, es würde mir sehr leid sein, wenn ich ihnen gerade dieses Werk nicht zu übergeben hätte.


Mit Achtung ergebenst

Beethoven.«


(Aeußere Adresse:)


»An Seine Wohlgeboren

Herrn Ad. M. Schlesinger

in Berlin.


Berühmter Kunst-

und Musikal. – Verleger.«


Es waren also mit Schlesinger bereits Verhandlungen angeknüpft; wann und in welcher Weise, erfahren wir nicht. Vielleicht hatte Beethoven hierbei schon die Vermittlung des Bruders Johann in Anspruch genommen, der ja weiterhin in die Angelegenheit eingeweiht erscheint. Jedenfalls ließ Beethoven seinen Briefen noch mehrere folgen, welche wir nicht haben;15 auf sie antwortet Schlesinger in nachstehendem Briefe:


»Berlin d. 2. July 1822.


Sehr geehrter Herr van Beethoven!


Drey Ihrer mir stets geehrten Zuschriften vom 9. Ap. 29. May, 1. May [Juni?] hatte ich das Vergnügen nach einander richtig zu erhalten. In deren Erwiederung muß ich Sie geehrter Herr tausendmal um Entschuldigung [245] bitten, daß meine Antwort nicht früher erfolgt ist. Ich war nehmlich in Leipzig zur Messe, wo ich unwohl wurde, und nach meiner Rückkehr einige Wochen sehr unpäßlich mich befunden habe. Während dieser Zeit hatten sich mehrere Geschäfte aufgehäuft, dergestalt daß ich nicht früher als heut Ihnen mein Schreiben senden kann. Wegen der Messe sind wir ganz in Ordnung, und bitte ich Sie solche sobald als möglich nebst den zwei Liedern abzusenden, und dann R T 650 ›–‹ 14 Tage nach sicht auf mich anzuweisen, die ich prompt annehmen und bezahlen werde, denn ich habe keine Gelegenheit auf dort anzuweisen, obschon mehrere Ihrer Musikhändler dort mir bedeutend schuldig sind, so kann man nie darauf rechnen, daß dieselben prompt bezahlen. Diese Herren haben zwei sehr häßliche Eigenschaften, 1. respectiren sie kein Eigenthum, und 2. sind sie mit Mühe nur dahin zu bringen daß sie die schuldigen Saldis bezahlen. Die Buchhändler dorten sind dagegen bei weitem16 solider.

Ihrem Wunsche zufolge sende ich durch Einschluß ein Er. Ihrer Sonate Op. 109 an Herrn Dr. Wilh. Chr. Müller in Bremen, mit der Bemerkung, daß solches als Geschenk von Ihnen sei. Die folgenden Sonaten werden in Paris gestochen, damit solche recht brillant erscheinen. Die eine ist von Herrn Moscheles corrigirt. – Zeigen Sie mir daher gefälligst bald an, wem Sie die 2te Sonate zueignen wollen. – Für Ueberlassung der Zueignung der 3ten Sonate danke ich bestens. Wie stehts mit den vierstimmigen Liedern und Quartetten? Mein Sohn, welcher in Paris ist, hat mir aufgetragen, Sie herzlich zu grüßen. Mit vorzüglicher Hochachtung habe ich die Ehre, in baldiger Erwartung einer gefälligen Antwort, zu sein


Ihr ganz ergebenster

W. Ant. Schlesinger.«


In demselben Tagen schrieb auch Schlesinger Sohn in Paris an Beethoven:17


»Herrn v. Beethoven, Wien.


Paris, d. 3. July 1822.


Unendlich erfreuet war ich bey meiner Jüngsten Anwesenheit in Berlin zu sehen, daß Ew. Hochwohlgeb. in lebhafter Verbindung mit meinem Vater sind, und daß mehrere Ihrer Meisterwerke in seinem Verlage erscheinen. Wie Sie bereits erfahren, habe ich mich jetzt hier etablirt, und werde zur besseren Verbreitung und damit Ihre Werke auch dem Innern werth [entsprechend] äußerlich ausgestattet werden, dieselben hier stechen lassen. Bereits ist die [246] 2te Sonate vollendet, und wird nächstens dem Publico überliefert werden. Da ich das Vergnügen gehabt, vor einigen Tagen Ihre 3te Sonate zu erhalten, die so viele Schönheiten enthält, daß der große Meister nur im Stande war sie zu schaffen, nehme ich mir die Freiheit, ehe ich solche stechen lasse, bei Ihnen gehorsamst anzufragen, ob Sie für dies Werk nur 1 Maestoso und 1 Andante geschrieben oder ob vielleicht das Allegro zufällig beim Notenschreiber vergessen worden. Ich halte es für Schuldigkeit Ihnen diese Anfrage zu machen, da jedes Meisterwerk streng nach dem Willen des Schöpfers, gedruckt werden muß es wäre daher ein Unrecht ohne bei Ihnen vorher anzufragen dieß Werk zu drucken.18 Sehr würde ich mich freuen wenn Sie gütigst meinem Vater oder mir, wie Ihnen dies am besten convenirt einige Quartetten und Quintetten schreiben wollten. Sie haben der Welt seit einiger Zeit so wenig dieser Gattung von Musik geschenkt, daß Sie gewiß meine Bitte nicht befremden wird, und wahrscheinlich manches bereits in Ihrem Portefeuille fertig liegt. Wie steht's mit den ein und mehrstimmigen Liedern die Sie für meinen Vater gütigst schreiben wollten?19 Nun noch eine Bitte, würden Sie wohl die Güte haben, mir in Ihrer Antwort die Metronom Bezeichnungen die bey allen 3 Sonaten vergessen worden anzugeben, die Liebhaber haben sich dermaßen an diese Weise gewöhnt die Stücke nach dem Wunsch der Meister auszuführen, daß alle Welt danach frägt. Stets werde ich mich der Stunden erinnern die ich das Glück hatte bey Ihnen zuzubringen den mir damals gegebenen Anfang eines Canons20 ehre ich wie ein Heiligthum und bewahre solchen mit der höchsten Sorgfalt zur Freude aller derer die nie das Glück hatten etwas von Ihrer Hand geschriebenes zu sehen, wie glücklich würde ich mich schätzen, wenn durch irgend einen Zufall, eine kleine Romanze oder irgend ein kleines Musikstück Ihrer Composition in meine Hände geriethe, um nur für mich und meine Freunde bewahrt zu werden. Indem ich mich freuen würde eine Gelegenheit zu finden Ihnen hier nützlich oder angenehm zu sein erwarte ich Ihre Befehle und bin


Ihr ergebener

Maurice Schlesinger

Rue de richelieu Nr. 107.«


»Einliegender Brief lag für Sie auf der Post und konnte da er nicht frankirt war keinen Cours erhalten.«


Der ältere Schlesinger ließ seinem Briefe bald nachher einen zweiten folgen:21


[247] »Berlin den 13. July 22.


Sehr geehrter Herr!


Mein jüngstes Schreiben wird wohl in Ihren Händen sein, und sehe ich dessen Beantwortung entgegen, ebenso werden Sie die erschienenen schottischen Lieder erhalten haben.

Mit gegenwärtigem wollte ich nur anfragen, ob Ihre mir gesendete zweite Sonate, wo das zweite Stück die Überschrift hat

Arietta


adagio molto semplice

e molto cantabile


nicht ein drittes Stück bekommt, und mit diesem beendet ist, und an wen Sie Ihre Zueignungen machen wollen.

Ich bitte Sie sehr, dies an meinem Sohn nach Paris unter add. Ms. Maurice Schlesinger, Libraire et Marchand de Musique Quai Malaquai No. 13, où Rive de Richelieu près des Boulevardes, senden oder anzeigen zu wollen.

In dieser Erwartung zeichnet mit aller Hochachtung


d. Herrn v. Beethoven

ganz ergebenst

Ad. M. Schlesinger.«


Beethoven mag von dieser nochmaligen Frage nach einem dritten Satze der C moll-Sonate und nach den Zueignungen, über die er ja zum Teil sich schon geäußert hatte, nicht eben angenehm berührt gewesen sein. Aber es muß noch eine andere Verstimmung eingetreten sein, über deren Veranlassung wir nicht näher unterrichtet sind. Jedenfalls kam es dahin, daß Schlesinger die Messe nicht erhielt, und dieser Entschluß muß sehr bald nachher gefaßt worden sein; denn schon am 26. Juli schreibt er an Peters in Leipzig: »Schlesinger erhält auf keinen Fall mehr etwas von mir, da er mir ebenfalls einen jüdischen Streich gemacht hat; er gehört ohnehin nicht zu denen die die Messe erhalten hätten.«22

C. F. Peters in Leipzig hatte in einem längeren Briefe vom 18. Mai 182223 Beethoven mitgeteilt, daß er seit Übernahme des Geschäftes von Hoffmeister und Kühnel sich eifrig bemühe, vorzügliche Werke gut herauszugeben und längst gewünscht habe, mit Beethoven in Verbindung zu treten; er habe nur Rücksicht auf die Wiener Verleger genommen und gefürchtet, diese böse zu machen, »wenn ich Sie von ihnen abzöge, und ich [248] mag niemand zu nahe treten, sondern gönne jedem das seine.« Nun sehe er aber, daß Beethoven jetzt seine Kompositionen wieder außer Wien verlegen lasse und sogar dem Juden Schlesinger gebe (über den er sehr wegwerfend spricht), und er lasse daher jene Rücksichten fallen und bitte ihn, von seinen Kompositionen ihm zukommen zu lassen; er und seine Verehrer würden sich freuen, wenn seine Werke bei ihm in besseren Ausgaben als jene Berliner erschienen. Auch Steiner, den er auf der letzten Messe gesprochen, habe nichts dagegen, freue sich sogar, wenn Peters statt Schlesingers seine Werke erhielte, und habe sich sogar erboten, sich bei Beethoven für ihn zu verwenden, und habe sich ein Verzeichnis von Werken ausgebeten, die er zu haben wünsche. Er habe ihm auch ein solches mitgegeben und darauf bemerkt: Sinfonien für Orchester, Quartetten und Trios für Pianoforte, Solosachen für Pianoforte (»worunter auch kleinere Werke sein könnten«), Gesänge für Pianoforte und dergleichen; was Beethoven ihm sende, werde ihm willkommen sein, »denn ich suche Ihre Verbindung nicht aus Eigennutz, sondern aus Ehre«.

Darauf antwortete Beethoven:24


»Wien am 5. Juni 1822.


Euer Wohlgeboren!


Indem Sie mich mit einem Schreiben beehrten, und ich gerade sehr beschäftigt bin und seit 5 Monaten mich kränklich befand,25 beantworte ich Ihnen nur das Nöthigste. – Obschon26 ich mit Steiner vor einigen Tagen [249] zusammengekommen und ihn scherzweise fragte, was er mir mit von Leipzig27 gebracht hätte, erwähnte er Ihres Auftrages auch mit keiner Sylbe. So wie auch Ihrer selbst, drang aber sehr heftig in mich, ihm zu versichern, daß ich nur ihm allein sowohl meine jetzigen, als auch zukünftigen Werke geben sollte, und dieses zwar contractmäßig; ich lehnte es ab. – Dieser Zug beweist Ihnen genug, warum ich öfter andern auswärtigen und auch inländischen Verlegern den Vorzug gebe; ich liebe die Geradheit und Aufrichtigkeit und bin der Meinung, daß man den Künstler nicht schmälern soll, denn leider ach, so glänzend auch die Aussenseite des Ruhms ist, ist ihm doch nicht vergönnt, alle Tage im Olymp bei Jupiter zu Gaste zu sein, leider zieht ihn die gemeine Menschheit nur all zu oft und widrig aus diesen reinen Aetherhöhen herab.28

Das größte Werk, welches ich bisher geschrieben, ist eine große Messe mit Chören und 4 obligaten Singstimmen und großem Orchester; mehrere haben sich darum beworben, 100 schwere29 Louisd'or hat man mir dafür geboten, ich verlange unterdessen wenigstens 1000 Fl. C.-M. in 20 Fl. Fuß30 – wofür ich auch den Clavierauszug selbst verfertigen würde. – Variationen über einen Walzer für Clavier allein (es sind viele) ein Honorar von 30 Ducaten in Gold NB. Wiener Ducaten.31

Was Gesänge betrifft, so habe ich davon größere ausgeführte, so z.B. eine komische Arie mit ganzem Orchester auf den Text von Goethe ›Mit Mädeln sich vertragen‹ etc.,32 wieder eine andere Arie ähnlicher Gattung, wofür ich für jede 16 Stück Ducaten verlange (nach Verlangen Clavierauszug dazu) – für mehrere ausgeführte Gesänge mit Clavier für jeden derselben 12 Ducaten, worunter sich auch eine kleine italienische Cantate befindet mit Recitativ –, auch unter den deutschen Gesängen befindet sich ein Gesang mit Recitativ. –33 Für ein Lied mit Clavier 8 Ducaten. – Für eine Elegie für 4 Singstimmen mit Begleitung von 2 Violi nen, Viola, Violoncell für ein Honorar von 24 Stück Ducaten. –34 Für einen Derwisch-Chor mit ganzem Orchester 20 Stück Ducaten.35

Von Instrumentalmusik wäre noch Folgendes: Ein großer Marsch für ganzes Orchester mit Clavierauszug für 12 Ducaten, geschrieben zu dem [250] Trauerspiel Tarpeja. – Eine Violin-Romanze (Solo mit ganzem Orchester) für 15 Ducaten. –36 Ein großes Terzett für 2 Oboen und 1 Englisches Horn (könnte auch auf andere Instrumente übertragen werden) für 30 Ducaten. –37 4 militärische Märsche mit türkischer Musik, auf Verlangen bestimme ich das Honorar. –38 Bagatelles oder Kleinigkeiten für Clavier allein, auf Verlangen das Honorar. Obige Werke sind alle fertig. –39 Für eine Solosonate für Clavier 40 Ducaten, welche Sie bald haben könnten.40 – Ein Quartett für 2 Violinen, Bratsche und Violoncell 50 Ducaten, welches Sie ebenfalls bald erhalten könnten.41 – Näher als das Alles liegt mir die Herausgabe meiner sämmtlichen Werke sehr42 am Herzen, da ich selbe in meinen Lebzeiten besorgen möchte; wohl manche Anträge erhielt ich, allein es gab Anstände, die kaum von mir zu heben waren und die ich nicht erfüllen wollte und konnte; ich würde die ganze Herausgabe in 2, auch möglich in 1 oder 11/2 Jahr mit den nöthigen Hülfsleistungen43 besorgen, ganz redigiren und zu jeder Gattung Composition ein neues Werk liefern, z.B. zu den Variationen ein neues Werk Variationen, zu den Sonaten ein neues Werk Sonaten und so fort zu jeder Art, worin ich etwas geliefert44 habe, ein neues Werk45 und für alles dieses zusammen verlangte ich Zehntausend Fl. C. M. im 20 Fl. Fuß.46

Kein Handelsmann bin ich und ich wünschte eher, es wäre in diesem Stück anders, jedoch ist die Concurrenz, welche mich, da es einmal nicht anders sein kann, hierin leitet und bestimmt. – Ich bitte Sie um Verschwiegenheit,47 [251] indem, wie Sie schon aus den Handlungen dieser Herren ersehen können, ich sonst manchen Plackereien ausgesetzt bin. Erscheint einmal etwas bei Ihnen, alsdann kann man mich nicht mehr plagen. – Es sollte mir erwünscht sein, wenn sich ein Verhältniß zwischen uns anknüpfte, indem mir manches Gute von Ihnen versichert worden ist. Sie würden alsdann auch finden, daß ich lieber mit Jemandem von dieser, als mit so manchem der gewöhnlichen Gattung zu thun hätte. –

Ich bitte Sie um eine schnelle Antwort, indem ich gerade im Begriff bin, mich mit der Herausgabe mancher Werke jetzt entschließen zu müssen.48 Liegt Ihnen daran, so senden Sie mir gefälligst eine Abschrift von dem Verzeichniß, welches Sie Herrn Steiner49 mitgegeben haben. – In Erwartung einer baldigen Antwort


Ihr

mit Achtung ergebenster50

Ludwig van Beethoven.«51


Die Antwort von Peters erfolgte in der Tat schnell, sie ist datiert vom 15. Juni. Wir geben das Wichtigste daraus:52


»Leipzig den 15. Juny 1822.


Euer Hochwohlgeboren geehrte Antwort hat mir viel Vergnügen gemacht, nicht blos weil Sie sich darinnen zur Erfüllung meiner Wünsche geneigt zeigen, sondern Ihre Sprache war auch so freundlich und zutraulig, daß ich in Ihnen eben so sehr den Menschen lieb gewonnen als ich den Künstler verehre; doch wie selten ist etwas vollkommen, denn so sehr ich mich über Ihren Brief freute, so schmerzlich war es mir auch Herrn Steiners wirklich hinterlistiges Verfahren daraus kennen zu lernen.«


Er läßt sich darüber weiter aus und erzählt dabei, Steiner habe ihm gesagt, Beethoven habe ihn aufgefordert, für ihn Bestellungen anzunehmen, da es ihm (Steiner) recht lieb schien, wenn Beethovens Werke an Peters und nicht an den Juden Schlesinger kamen. Nach weiteren Betrachtungen spricht er die Hoffnung aus, daß Steiner nicht sowohl absichtlich, sondern aus Schwäche falsch an ihm gehandelt habe. Dann fährt er fort:


»Was ich zunächst von Ihrer Composition zu haben wünsche und weshalb ich Steiner beauftragte, war:

1 Quartett für Pianoforte, Viol. u.s.w.

1 Trio – do. – do. –

[252] 1 Concert-Ouvertüre à grand Orchestre

Lieder für Pianoforte

Kleinere Solo Sachen für Pianoforte, als Capriccios, Divertissements u.s.w.«


Er geht dann über zur Erwähnung der Werke, die Beethoven schon angeboten habe.


»Das vorzüglichste unter selbigen ist Ihre große Messe, welche Sie nebst dem Klavierauszuge, für Ein Tausend Gulden Convent. Münze mir überlassen wollen und [zu] deren Annahme, um diesen Preis, ich mich hiermit bekenne.

Als Wahrheit liebender Mann versichere ich Ihnen, daß Unternehmungen dieser Art die unvortheilhaftesten sind die wir nur machen können, nicht allein weil solche viel kosten und keinen großen Absatz haben können, sondern weil wir auch in der langen kostbaren Zeit die wir zu deren Herausgabe brauchen, eine Menge andrer gangbarer Werke drucken könnten, allein ich wähle dieses Werk, zuerst, um Ihrentwillen, zweitens, zur Ehre meiner Handlung, worauf ich eben so sehr als auf Gewinn sehe, drittens, weil mir Steiner sagte, daß Schlesinger auch darum handle, und nun in die Hände eines Juden, zumal eines solchen Juden, kann doch eine christliche von einem Beethoven komponirte Messe nicht kommen.

Zwischen offenen Männern wie wir sind bedarf es keines Contrakts, wollen Sie aber einen solchen, so senden Sie mir ihn und ich sende Ihnen solchen unterzeichnet zurück, wenn aber nicht, so geben Sie mir gefälligst bloß schriftlich, daß ich jene Messe nebst Klavierauszug für Ein Tausend Gulden in 20f. fuß, erhalten soll und bemerken Sie dabei, wenn ich solche werde erhalten können, und daß solche dann für immer und einzig mein Eigenthum sey. – Ersteres wünsche ich, damit ich diesen Handel als abgemacht betrachten kann, und die Zeit wünsche ich, um mich wegen der Herausgabe einrichten zu können.

Wäre ich ein reicher Mann, ich wollte Ihnen dieses Werk ganz anders bezahlen, denn ich vermuthe daß es etwas recht tüchtiges ist, zumal da es ein Gelegenheitsstück ist, allein für mich sind s. 1000 für eine Messe eine große Ausgabe und das ganze Unternehmen geschieht wahrhaftig bloß um mich Ihnen und der Welt als ein Verleger zu zeigen der etwas für die Kunst thut.

Doch eine Bedingung muß ich Ihnen dabei noch machen, nehmlich daß niemand erfahre, wie viel ich Ihnen für diese Messe gezahlt habe, wenigstens vor mehrerer Zeit niemand es erfahre; ich bin kein vermögender Mann sondern muß mich placken und sorgen, allein ich bezahle die Künstler so gut ich vermag und im allgemeinen besser als andre Verleger – – – «


Er wünscht daher für jetzt nicht mehr größere Gesangwerke Beethovens zu übernehmen, doch auch die Messe nicht ganz allein von ihm zu bringen, sondern mit mehreren Werken aufzutreten, um Beethoven in den Stand zu setzen, den Wiener Verlegern erklären zu können, er habe mit Peters ein [253] Abkommen getroffen und müsse ihm fortwährend etwas zukommen lassen. Daher bittet er ihn noch um einzelne Lieder für Pianoforte, einige Bagatellen für Pianoforte allein, die 4 militärischen Märsche für türkische Musik; auch würde er gern das neue Streichquartett nehmen, doch 50 Dukaten würden seine Kräfte übersteigen: »denn das theuerste, was ich bis jetzt für ein Quartett für Viol. zahlte, waren s. 159 C. M. und ich habe dabei zu thun ehe ich meine Rechnung finde.«53 An die Herausgabe von Beethovens sämtlichen Werken habe er schon oft gedacht, behalte sich aber eine Auslassung darüber für ein späteres Schreiben vor. Steiner dürfe er nur der Wahrheit gemäß sagen, daß er sich mit Steiners Wissen und Willen an Beethoven gewendet und dieser ihm künftig seine Kompositionen zugesagt hätte.

Darauf antwortet nun Beethoven aus Wien am 26. Juni.54


»Ew. Wohlgeboren.


Ich schreibe Ihnen nur daß ich Ihnen die Messe sammt dem Clavier-Auszug für eine Summe von 1000 Fl. C. M. im 20 Guldenfuß zusage. Bis Ende Juli werden Sie solche in Partitur wohl abgeschrieben erhalten, vielleicht auch einige Täge eher oder darnach; da ich immer sehr beschäftigt bin und schon seit 5 Monaten kränklich und man doch die Werke sehr aufmerksam durchgehen muß, sobald sie in die Ferne kommen, so geht dieses schon etwas langsamer mit mir. Schlesinger erhält auf keinen Fall mehr etwas von mir, da er mir ebenfalls einen jüdischen Streich gemacht hat; er gehört ohnehin nicht zu denen, die die Messe erhalten hätten; jedoch ist die Concurrenz um meine Werke gegenwärtig sehr stark, wofür ich dem Allmächtigen danke, denn ich habe auch schon viel verloren.

Dabei bin ich der Pflegevater meines mittellosen verstorbenen Bruders Kindes; da dieser Knabe mit 15 Jahren soviel Anlage zu Wissenschaften bezeigt, so kostet nicht allein die Erlernung derselben und die Unterhaltung desselben jetzt viel Geld, sondern es muß auch für die Zukunft auf ihn gedacht werden, da wir weder Indianer noch Irokesen, welche bekanntlich dem lieben Gott alles überlassen, sind, und es um einen pauper immer ein trauriges Dasein ist.

Ich verschweige alles unter uns, welches mir ohnehin das Liebste, [254] und bitte selbst ganz meine jetzige Verbindung mit mir zu verschweigen, ich werde es Ihnen schon sagen, wenn es Zeit ist zum Reden, welches jetzt gar nicht nöthig ist – Um Ihnen wenigstens zum Theil meine Wahrhaftigkeit zu beweisen, lege ich dieses Formular von Steiner, dessen Hand Sie erkennen werden, bey.55 Es fällt etwas schwer zu enträthseln, ich versichere Sie auf meine Ehre, welche mir nächst Gott das Höchste ist, daß ich nie Steiner aufgefordert Bestellungen für mich anzunehmen. Es ist wein Hauptgrundsatz von jeher gewesen keinem Verleger mich anzutragen, nicht aus Stolz, sondern weil ich gerne wahrgenommen hätte wie weit sich das Gebiet meines kleinen Talentes erstreckte. Ich vermuthe daß Stein. Ihnen diesen ganzen Antrag listiger Weise gemacht habe, denn ich erinnere mich, daß Sie mir gütigst Musikal. von England durch Stein. übermachten, wer weiß, ob er deswegen nicht auf diese Idee dadurch diesen Streich gespielt hat, da er vielleicht vermuthete, Sie würden mir einen Antrag machen. – Was die Lieder, so habe ich mich schon darüber ausgesprochen, ich denke für die 3 Lieder mit den 4 Märschen wird ihnen das Honorar von 40 ⌗ nicht zuviel seyn – Sie können mir darüber schreiben – sobald die Messe gerichtet ist, werde ich es Ihnen zu wissen machen, u. Sie bitten, an ein hiesiges Haus das Honorar anzuweisen, wo ich alsdann sogleich gegen Empfang desselben das Werk abgeben werde, übrigens aber doch Sorge tragen werde, daß ich dabey bin bei der Abgabe auf die Post, auch daß die Fracht nicht zu viel koste. Mit ihrem Plan wegen der Herausgabe Sämmtl. Werke wünsche ich bald bekannt zu werden, denn dieses Unternehmen muß mir gar sehr am Herzen liegen.

Für heute schließe ich und wünsche Ihnen alles Ersprießliche und bin achtungsvoll


Ihr ergebenster

L. v. Beethoven.«


Peters antwortete auf diesen Brief am 3. Juli:56 er ist bereit, für die Lieder und Märsche 40 Dukaten zu zahlen und einen Teil seiner Schuld schon vorher zu entrichten, teilt ihm einen Teil eines Briefes von Steiner mit, worin dieser sich zu entschuldigen sucht, und geht dann auch auf Beethovens Klage über seine ökonomischen Zustände ein, zu deren Vorteil er gern beitragen würde; »übrigens«, meint er, »ist es unrecht, daß ein Mann wie Sie, ökonomische Umstände zu berücksichtigen hat; die Großen der Erde sollten Sie längst in eine ganz sorgenlose Lage versetzt haben, so daß Sie nicht mehr von der Kunst, sondern blos noch für die Kunst zu leben hätten«.

Beethoven schreibt dann noch einmal am 6. Juli, als zweite Antwort auf den Brief Peters' vom 15. Juni, wie der Inhalt ergibt:57


[255] »Euer Wohlgebohren!


Indem ich erst ihren Brief recht gelesen habe, bemerke ich noch, daß Sie von den Bagatellen für das Klavier allein wünschen wie auch ein Quartett für 2 Violinen etc. – Was die Bagatellen anbetrifft, so nehme ich für eine 8 ⌗ in Gold, worunter manche von ziemlicher Länge, Sie könnten selbe auch einzeln herausgeben und unter deutschem noch eigentlicherm Titel nämlich Kleinigkeiten Nr. 1 Nr. 2 etc., wie es Ihnen am besten dünkt.

Was das Viol. quart. anbelangt, welches nicht ganz vollendet, da mir etwas anderes dazwischen gekommen, so dürfte es schwer sein, von diesem ihnen das Honorar zu verringern, indem gerade d. g. mir am höchsten honorirt werden, ich möchte beinahe sagen zur Schande für den großen allgemeinen Geschmack, welcher in der Kunstwelt durch den Privatgeschmack weit unter jenem öfters steht. – Vielleicht aber später ein anderes Quartett wenns möglich. Was die ⌗ betrifft, so können sie auch selber zu 4 fl. 30 kr. im 20ger Fuß verrechnen, dies gilt mir gleich – da sie sowohl die Lieder als auch die Märsche wie auch die Bagatellen sogleich haben können, so ersuche ich sie mir nun bald hierüber zu schreiben, damit ich mit meiner Eintheilung nicht zu kurz komme, indem ich gerade auch um d. g. Kleinigkeiten von mehreren Seiten angegangen worden bin – St. Verfahren requiescat in pace, es scheint ihm selbst sehr viel daran gelegen zu sein. Entschuldigen kann ich d. g. Mittel nicht, allein – man muß, mag man wollen oder nicht, d. g. Menschen doch nehmen wie sie sind, wo nicht, so lebt man in fortdauerndem Kriege.

Wegen der Messe habe ich ihnen schon alles geschrieben, wobey es auch verbleibt. Vergessen Sie nicht auf die Herausgabe Sämmtl. Werke – etc. etc. und nun bitte ich Sie mir baldigst auch das noch Betreffende zu beantworten –

ich wünsche ihnen alles erdenkliche Gute.


Achtungsvoll

ihr ergebenster

Beethoven.«


Aus den vorstehenden Briefen erfahren wir, daß Beethoven die Diabelli-Variationen und ein neues Quartett bereits in Angriff genommen hatte; und, was jetzt wichtiger, daß die Messe Peters definitiv zugesagt war.

Peters antwortete nun am 12. Juli:58


»Ew. Hochwohlgeb. melden mir in ihrem geehrten vom 6ten d. daß die 4 Märsche, die Lieder und die Ba gatellen für Pianoforte zum absenden bereit liegen, ich bitte daher, mir solche zu übermachen.

Da ich nicht weiß wie stark die Bagatellen sind, so kann ich auch erst nach deren Empfang sehen, ob ich solche einzeln oder zusammen herausgeben werde, belieben Sie mir indeß nur mehrere derselben zu übersenden und mir dabei zugleich wissen zu lassen, wie viel Sie solche kleine Stücke besitzen, wahrscheinlich würde ich dieselben alle übernehmen können, so daß Sie sich deshalb nicht erst mit einem andern Verleger einzulassen brauchen.

[256] Wegen den Liedern verlasse ich mich ganz auf Ihre Auswahl wobei zugleich auf hübsche Texte Rücksicht zu nehmen bitte; am liebsten wäre es mir, wenn ich einige einzelne Lieder, auf die Art wie Ihre Adelaide, Schloß Markenstein etc., erhalten könnte; ich möchte gerne zum Anfang unserer Geschäftsverbindung mit recht hübschen einnehmenden Sachen auftreten.

Nach den mir bemerkten Preisen wird das was Sie mir jetzt senden, zwischen 2 und 300 Gulden in zwanzigern machen, da ich solches aber nicht genau bestimmen kann, so belieben Sie sich nur den Betrag bei dem dortigen Banquier Herrn Gebrüder Meiß [Meisl], gegen Vorzeigung der Zulage und gegen Ihre Quittung, auszahlen zu lassen, ich habe diese Freunde heute davon benachrichtigt; übrigens ist es mir gleich, ob Sie dies Geld jetzt oder später sich auszahlen lassen, denn von jetzt an liegt es dort für Sie bereit und steht also ganz in Ihrem Belieben; auf diese für Sie bequeme Art werde ich Ihnen jedesmal wenn ich Manuscripte von Ihnen erhalte, das Honorar dafür aus zahlen lassen.

Ich lasse mir nicht beykommen, von dem was Sie fordern etwas abzuhandeln, denn ich kann ein Kunstprodukt einer Waare nicht wohl gleichstellen, dagegen verlasse ich mich aber auch ganz auf Ihre Billigkeit, daß Sie mir die Preise in ähnlichem Verhältnisse wie den andern Verlegern stellen, damit ich diese nicht auf den Hals bekomme, denn schon mehrmals ist mir vorgeworfen worden daß ich zu hohes Honorar zahle – ich zahle gewiß dem Künstler gern was ich kann, allein es braucht es niemand zu erfahren, genug daß ich es weiß, wie sauer es mir wird, das Geld herbeizuschaffen, welches die vielen guten Werke kosten, die ich jetzt jährlich drucke.

Daß Sie Ihr Violinquartett hoch im Preise halten, verdenke ich Ihnen nicht, allein da ich, wie eben bemerkt, nicht abhandeln kann und das dafür verlangte Honorar für meine Kräfte zu hoch ist, so stehe ich lieber davon ab, auch pressire ich so eben nicht um neue Violin Quartetten indem ich in diesem Jahre noch 4 neue Quartetten von Spohr, 1 von B. Romberg und 1 von Rode zu drucken habe, welches alle schönen vorzüglichen Werke sind, indeß um einen für mich billigern Preis hätte ich gern [das Ihrige?] auch noch übernommen, erhalten Sie aber von einem andern mehr dafür, nun so entbehre ich es gerne, und freue mich, wie Sie dabei profitiren.

Uebrigens bemerke, daß ich vorerst nicht sowohl ein Violin Quartett, sondern ein Quartett für Pianoforte mit Viol. etc., von Ihnen zu haben wünschte, und wenn Sie einmal ein solches componiren, so soll es mir willkommen sein, dann bitte es aber ja nicht gar zu schwer zu machen, damit sich gute Diletanten desselben erfreuen können, denn bei dem jetzt verdorbenen Geschmacke, muß man die Liebhaber durch nicht zu schwere sondern mehr angenehme Werke guter Meister auf den besseren Geschmack zurückführen; durch zu schwere Werke bahnen die guten Meister den oberflächlichen Komponisten gar oft den Weg, denn die Liebhaber werden durch das schwierige abgeschreckt und greifen nach dem schlechten leichten, wenn aber die guten Künstler sich Mühe geben nicht zu schwer sondern recht gefällig zu schreiben, dann erhält sich der gute Geschmack – ich als Verleger kann solches recht oft beobachten [257] und gar viele barmen [so!], daß sie gern die Werke großer Meister vorzögen, wenn nicht immer zu viel schweres sie abschreckte. Nächstens ein mehreres, indeß verbleibe mit wahrer Hochachtung –


Ihr ganz ergebenster

C. F. Peters.«


Diese wohlgemeinten, aber etwas unberufenen Ratschläge hätten wohl Beethoven, wie wir ihn kennen, sehr unmutig machen können. Die noch folgenden Briefe lassen aber davon nichts erkenen. Er war wohl durch die vielen Sorgen und Schwierigkeiten, welche auf ihn lasteten, etwas gleichgültger gegenüber solchen Verlegerbedenken geworden, und wollte auch wegensolcher theoretischen Fragen die für ihn wichtige Verbindung mit Peters nicht scheitern lassen. Im übrigen verhielt sich Peters durchaus entgegenkommend gegen Beethoven; er erklärte sich bereit, nicht nur die Messe, sondern auch andere Kompositionen nach Beethovens Forderungen zu übernehmen, soweit seine Kräfte reichten, und hatte, wie er mitteilte und wie wir auch sonst wiesen.59 Beethoven schrieb am 3. August von seiner Krankheit, von der darin begründeten Unordnung, von der Zeit, welche ihm die Korrekturen wegnehmen; »in Ansehung der Lieder und der übrigen Märsche und Kleinigkeiten bin ich noch in der Wahl uneinig, jedoch wird bis 15. dieses Monats alles abgegeben werden können, – ich erwarte darüber ihre Verfügung und werde keinen Gebrauch von Ihrem Wechsel machen. Sobald ich weiß, daß das Honorar für die Messe und für die übrigen Werke hier ist, kann bis zum 15. dieses schon alles abgegeben werden –« Dann müsse er noch in ein Heilbad, und es liege ihm daran, alles Beschäftigende eine Weile zu meiden. Peters möge nichts auf unedle Weise von ihm aufnehmen; [258] »ich leide – wenn ich handeln muß«.60 Am 13. September schrieb er schon aus Baden61 und verspricht »die Kleinigkeiten alle« nächstens zu schicken; er fürchtet schon, Peters möge sich von ihm hintergangen glauben; schreibt von seinen Bedrängnissen durch den Kardinal und von den neuen, durch die Eröffnung des Josephstädter Theaters bevorstehenden Arbeiten; »ich würde ihnen diese kleinen Sachen schon geschickt haben, jedoch sind unter den Märschen einige, zu welchen ich neue Trios bestimmt habe. Eben so ist es auch mit den andern, wo noch hier und da etwas hinzukommen soll. – Ich konnte aber aus Mangel an Zeit und meiner Gesundheit wegen, die ich nicht vernachlässigen darf, nicht dazu kommen. Sie sehen wenigstens hieraus, daß ich kein Autor um bloßen schnöden Gewinn bin. Es ist mir sehr leid, daß Sie das Geld dafür so früh geschickt haben. Ich hätte es auch nicht genommen, wenn es nicht Geschwätzes wegen geschehen wäre, wovon Sie sich durch gegenwärtige Beilage überzeugen können.62 Der Schreibende geht täglich zu Steiner und ich vermuthe, daß er nicht geschwiegen habe. Sie werden sich erinnern, daß ich Sie gebethen habe, daß alles vor diesem Menschen geheim bleibe. Warum? das werde ich Ihnen mit der Zeit offenbaren. Ich hoffe, Gott wird mich noch schützen vor den Ränken dieses bösen Steiner.« Er möge nie etwas von ihm erwarten, wodurch er seinen Charakter schänden oder andern Nachteil bereiten könnte; er möge sich vor falschen Nachrichten über ihn hüten.

Beethoven scheint zu fühlen, daß man ihm Vorwürfe machen könnte; solche scheinen auch von seiten Peters', soweit es dessen Interesse betraf, nicht ausgeblieben zu sein. Am 23. November63 wehrt er sich dagegen – »so anstößig es scheint, so weiß ich Sie würden in einigen Minuten mit mir ausgesöhnt sein, wären wir zusammen«. Was für Peters bestimmt sei, sei schon alles beisammen bis auf die Wahl der Lieder, er erhalte deren noch eins mehr als nach dem Übereinkommen. Von Bagatellen könne er noch mehr schicken als die festgesetzten vier, es seien deren noch 9 oder 10 vorhanden. Seine Gesundheit sei durch die Bäder noch nicht völlig hergestellt, im ganzen aber habe er gewonnen.


[259] »Mit der Messe verhält es sich so: ich habe eine schon längst ganz vollendet, eine andere aber noch nicht.64 Geschwätz muß nun über unser Einen immer walten und so sind Sie auch hierdurch irre geleitet worden. Welche von beiden Sie erhalten, weiß ich noch nicht; gedrängt von allen Seiten müßte ich beinahe das Gegentheil von dem ›der Geist wiegt nichts‹ bezeugen. Ich grüße Sie herzlichst und hoffe daß die Zukunft ein ersprießliches und für mich nicht unehrenvolles Verhältniß zwischen uns Beiden obwalten lasse.


Beethoven.«


Es fällt auf, daß Beethoven jetzt noch nicht einmal weiß, welche Messe Peters erhalten solle, da früher doch immer nur von der fertigen, seinem größten Werke, d.i. der Missa solemnis. die Rede war.65 In der Tat beschwerte sich Peters, daß die ihm zugesagten Kompositionen nicht fertig seien. Darauf antwortet Beethoven am 20. Dezember; er versichert, nichts von dem, was Peters gehöre, sei nicht fertig, er könne ihm nur aus Zeitmangel nicht alles auseinandersetzen; er nennt zwei Herausgeber, von denen der eine nichts von ihm erhalten habe, der andere nur um Bestätigung einer Schenkung von den Liedern der Modezeitung gebeten habe,66 »welche ich zwar eigentlich nie für Honorar machte, allein es ist mir unmöglich, in allen Fällen nach per Centen zu handeln; fällt es mir doch schwer öfter als es sein muß darnach zu rechnen«. – Er könne nicht allen Anträgen Gehör geben, es seien ihrer zu viele, auch sei nicht immer dem Wunsche des Autors gemäß, was man fordere. »Wäre mein Gehalt nicht gänzlich ohne Gehalt, ich schrieb nichts als große Symphonieen, Kirchenmusik, höchstens noch Quartetten. –« Von kleineren Werken könnte er noch haben: Variationen für 2 Oboen und 1 englisch Horn über das Thema aus Don Giovanni Da ci la mano,67 und ein Gratulationsmenuett für ganzes Orchester.68 »Wegen der Herausgabe sämmtlicher Werke hätte ich auch Ihre Meinung gewünscht.«

An Peters wurden nun 3 Gesänge (das Opferlied, das Bundeslied, die Ariette »der Kuß«, nach Nottebohm), 6 Bagatellen und 4 Märsche [260] (3 Zapfenstreiche und ein Marsch) abgeschickt.69 Ein Violin- und Klavierquartett könne er nicht gleich liefern (wie er am 20. März 1823 schreibt), möchte aber wissen, wann Peters sie zu haben wünsche. Dann schreibt er noch von einem andern außerordentlichen Antrage, den er anzunehmen bereit sei, nur solle ihm Peters anzeigen, wann er »selbe« wünsche, sonst werde es, »so gern ich Ihnen den Vorzug gebe«, fast unmöglich sein. Das kann sich nur auf die Messe, oder auf eine Messe beziehen, wie auch die folgende Stelle ergibt. »Es haben sich außer Ihnen noch zwei Männer gefunden, welche ebenfalls auch jeder eine Messe wünschen, indem ich wenigstens 3 gesonnen bin zu schreiben, die 1te ist längst ganz vollendet, die 2te noch nicht, die 3te noch gar nicht angefangen. Allein ich muß in Ansehung Ihrer doch Gewißheit haben, damit ich auf jeden Fall versichert bin.«

Das Ende war bekanntlich, daß Peters die große Messe nicht erhielt: sie wurde einstweilen überhaupt nicht gedruckt und erschien später bei Schott. Eine weitere Messe ist überhaupt nie fertig geworden.

Der eine der beiden Männer, die Beethoven erwähnt, kann Artaria gewesen sein, an welchen er um jene Zeit folgenden Brief schrieb:70


»Für Seine Wohlgeboren

H. v. Artaria.


Euer Wohlgeboren


Indem ich gerade überhäuft beschäftigt bin, kann ich nur kurz sagen, daß ich die mir von ihnen bezeugten Gefälligkeiten soviel als mir möglich allzeit erwidern werde. – Was die Messe betrifft, so ist mir 1000 fl. C. M. darauf angetragen. Meine Umstände lassen es nicht zu von ihnen ein geringeres Honorar zu nehmen. Alles was ich thun kann ist ihnen den Vorzug zu geben.

Seyen Sie versichert, daß ich keinen Heller mehr von ihnen nehme als mir von Anderen angetragen ist. ›Ich könnte ihnen dieses schriftlich beweisen.‹ Sie können dieses überlegen, doch muß ich Sie bitten mir bis morgen Mittag darüber eine Antwort zukommen zu lassen, da morgen Posttag ist und man meine Entschließung anderwärts auch erwartet. –

Wegen den 150 fl. C. M. welche ich ihnen schuldig bin, werde ich ihnen ebenfalls einen Vorschlag machen, nur dürfen sie freylich jetzt noch nicht abgerechnet werden, da ich die 1000 fl. sehr nothwendig brauche. –

Ich bitte Sie übrigens was die Messe betrifft alles geheim zu halten.


Wie immer

ihr dankbarer

Freund

Beethoven.«


[261] Hier ist freilich von der Messe, d.h. der Missa solemnis, nicht von einer unter mehreren die Rede. Als Beethoven diesen Brief schrieb, hatte er die Messe, wie früher Simrock, so jetzt Peters zugesagt; auch die Äußerungen an Schlesinger ließen die Absicht einer Zusage vermuten. Es waren also nicht weniger als 4 Verleger, welche nach Beethovens eigenen Worten sich Hoffnung machen durften, die Messe zu erhalten. Auch fällt auf, daß er wiederholt Hoffnung auf Werke erregt, welche nicht fertig, ja kaum über die ersten Anfänge hinausgekommen waren.

Bei diesen frappierenden Erscheinungen müssen wir uns Beethovens Persönlichkeit und die Umstände, unter denen er lebte, gegenwärtig halten. Beethoven arbeitete langsam und umständlich, er konnte sich bei Werken, die so ganz aus dem inneren Herzen kamen, namentlich in diesen späteren Jahren, nie genug tun. War er bei einer Arbeit, die sein Herz erfüllte, dann waren die Sorgen hinter ihm, und er war nur der künstlerischen Forderung hingegeben. In dem Briefe vom 29. März 1823 schreibt er an Peters, in seiner Lage müsse er zwar auf den Vorteil sehen; »ein anderes ist es aber mit dem Werke selbst, da denke ich nie, Gott sei Dank, an den Vortheil, sondern nur wie ich schreibe.« Das gibt seine Grundsätze wieder.

Dazu kam sein Gesundheitszustand und alle die uns bekannten Bedrängnisse, welche die Elastizität seiner Natur beeinträchtigten und die Schaffenslust minderten. »Ihm graue vor dem Anfange großer Werke« soll er ja einmal gesagt haben. Darum blieben so manche größere Pläne unausgeführt, und die Vollendung größerer Werke nahm eine geraume Zeit in Anspruch. Dann schrieb er des Verdienstes wegen Kleineres und holte ältere vergessene Sachen wieder hervor. Denn sein Einkommen hatte sich, nach der empfindlichen Herabminderung des von seinen fürstlichen Gönnern ihm ausgesetzten Gehalts,71 und infolge der längere Zeit hindurch verminderten Produktivität, sehr verringert, und doch bedurfte er des baren Geldes; die Sorgen um den Neffen, seine Bade-Aufenthalte und so manches mußten ihn auf den Erwerb sehen lassen. Daher die Notwendigkeit, für seine Arbeiten möglichst hohe Honorare zu erhalten, daher leider auch sein Ausschauen nach verschiedenen Seiten und die Annahme von Vorschüssen. Seine Verlegenheiten hatten ihn genötigt, da er einmal die ihm gehörigen Bankaktien in seinem idealen Sinne als unantastbares Erbteil des Neffen betrachtete, Geld zu leihen; so war er unter andern den Wiener Verlegern[262] Steiner und Artaria verschuldet, dem ersteren, wie er dem Bruder schreibt, mit annähernd 3060 Gulden; daher die peinlichen Beziehungen namentlich zu Steiner, daher zum Teil wenigstens der Wunsch, seine neuen Werke auswärts zu verlegen.72 An Artaria schreibt er, die geschuldeten 150 fl. dürften von den eventuell zu zahlenden 1000 fl. nicht abgezogen werden; das wirst ein Licht auf die Sorgen, die ihn beherrschten.

Wir zollen diesen Umständen das tiefste Mitgefühl, wir kennen genugsam die edlen Regungen seines Gemütes auf allen andern Gebieten, wir kennen die Gründe, welche ihn nötigten, zur Verbesserung seiner Verhältnisse alles zu versuchen. Der gewissenhafte Berichterstatter kann offenkundig vorliegende Tatsachen nicht ignorieren und kann, so hart es ist, Beethoven von dem Vorwurfe nicht freisprechen, daß sein Verfahren mit den Grundsätzen strenger Rechtlichkeit und Aufrichtigkeit nicht übereinstimmte. Das sind trübe Episoden in Beethovens Geschichte, welche, wer ihn auch menschlich ganz verstehen will, nicht übersehen kann; die erklärenden und entschuldigenden Momente liegen gleich daneben, und die Höhe der unter diesen traurigen Verhältnissen entstandenen Schöpfungen hebt darüber hinweg. –

In diese geschäftlichen Angelegenheiten greift, wie wir sehen werden, auch Beethovens Bruder Johann ein, den wir gerade in dieser Zeit wieder in den Vordergrund treten sehen. Auch von ihm erhielt Beethoven ein Darlehen; es war natürlich, daß er ihn an den Interessen bei Herausgabe seiner Werke und womöglich auch an dem Erlöse für dieselben teilnehmen ließ. Daß gerade in diesem Jahre wieder ein lebhafter Verkehr mit dem Bruder begann, geht sowohl aus den Konversationsheften als aus den Briefen hervor; es ist daher angezeigt, mit einigen Worten auf diesen Bruder einzugehen. Über seine Geburt und früheren Erlebnisse, seine Niederlassung zu Linz (1808) und seine Verheiratung ist an früheren Stellen das Nötige beigebracht.73 Auch wissen wir bereits, daß Johann es zu einigem Wohlstande brachte und 1819 im stande war, sich bei Gneixendorf unweit Krems das Landgut Wasserhof zu kaufen, wodurch es ihm möglich wurde, im Winter in Wien zu leben. Dort finden wir ihn im Frühjahr 1822 im Hause seines Schwagers, des Bäckermeisters Obermayer, Ecke der Kothgasse [263] und Pfarrgasse. Hier fanden sich denn die beiden Brüder zu näherem Verkehre wieder zusammen, welcher dann auch, wenngleich ohne besondere Herzlichkeit, doch auch ohne besondere längere und ernstere Zerwürfnisse bis zu Beethovens Lebensende fortdauerte. In Wien bildete Johann bis zu seinem eigenen Tode eine viel bemerkte, vielfach komische Figur.

Um uns von seinem Äußeren eine Vorstellung zu machen,74 benutzen wir eine handschriftliche Beschreibung Gerhards von Breuning, der ihn wohl gekannt hat, in Thayers Nachlaß. »Sein Haar war schwarzbraun, dazu glatt niedergekämmt, sein Hut wohlgebürstet, seine Kleidung sauber. wie bei einem Mann, der sich für den Sonntag elegant kleiden will, aber mehr zopfig, plump, was durch seinen Knochenbau veranlaßt war, welcher eckig und unschön war. Seine Taille war etwas schmal, nichts von Embonpoint; seine Schultern breit; wenn ich mich recht erinnere, hielt er die Schultern etwas ungleich, oder war es seine eckige Gestalt, daß seine Gestalt etwas verschroben schien. Seine Kleidung war meistentheils blauer Frack mit Messingknöpfen, weiße Halsbinde, weiße Weste, leichte Beinkleider, ich glaube Trappsalben, weite Zwirnhandschuhe, deren Finger zu lang waren, so daß sie umkippten oder schlotternd länger vorstanden. Seine Hände waren breit und knochig. Seine Gestalt war nicht eben groß, doch weit größer als die Ludwigs. Seine Nase war groß und ziemlich lang, die Stellung seiner Augen ungleich, und man hatte den Eindruck, daß er mit dem einen Auge etwas schielend auswärts sah. Der Mund war schief, der eine Mundwinkel etwas schief aufwärts gezogen, was ihm etwas den Ausdruck moquanten Lächelns gab. Er spielte sich in seiner Kleidung auf den wohlhabenden Elegant, aber es paßte der eckig-knochigen Gestalt nicht an. Er war seinem Bruder Ludwig ganz und gar nicht ähnlich.«75 Weiter sagt Breuning (Schwarzspan. S. 126), daß man ihn im Prater zwei-, auch vierspännig in einem altmodischen Phaethon habe fahren sehen, entweder selbst kutschierend, oder nachlässig hingegossen, hinter sich zwei galonierte Diener. Der Spott hierüber wurde auch in Beethovens Umgebung laut. Graf Moritz Lichnowsky sagt in einem Konversationsbuche vom Winter 1822/23: »es hat ihn jeder Mann zum Narren; wir nennen ihn blos den[264] Chevalier. – Die ganze Welt sagt [von] ihm, das einzige Verdienst, was er hat, ist daß er Ihren Namen führt.«

Es ist namentlich durch und seit Schindler üblich geworden, auf diesen Bruder Johann alles Schlechte zu häufen und ihn als das böse Prinzip im Leben des Komponisten zu behandeln, ihm vorzuwerfen, daß er den Bruder nur habe ausnutzen wollen und sich in dessen Angelegenheiten immerfort unbefugterweise eingemischt habe. Da die Vorwürfe zeitweise das erlaubte Maß überschritten, unternahm es Thayer in der kleinen Schrift »ein kritischer Beitrag zur Beethovenliteratur« (Berlin 1877), die Ehre des viel und nach seiner Überzeugung mit Unrecht geschmähten Mannes herzustellen.76 Diesem Bestreben, welches Thayer ohne besondere Sympathie für den Mann im Interesse der Wahrheit verfolgte, können wir Anerkennung zollen, wenn es ihn auch stellenweise zu weit geführt haben mag; manche seiner Aufstellungen, bei welchen nur Kombination und Vermutung waltet, halten doch vor den Aussagen gleichzeitiger Zeugen nicht stand. Die Wahrheit möchte auch hier in der Mitte liegen.

Jenes prahlerische, lächerliche Auftreten Johanns stand zweifellos mit seinem ganzen Charakter in Verbindung. Von Hause aus unbedeutend und in durchaus kleinlichen, alltäglichen Anschauungen aufgewachsen, war er durch das Gelingen seiner geschäftlichen Unternehmungen, durch den erworbenen Wohlstand und durch das Bewußtsein, der Bruder eines berühmten Mannes zu sein, aus dem Geleise geraten; er hatte nicht die Geistes- und Herzensbildung, um diesen Gegensatz auszugleichen, und es konnte nicht fehlen, daß er durch sein Auftreten eine lächerliche Figur machte. Auch seine häuslichen Verhältnisse konnten nicht dazu beitragen, ihm Achtung zu verschaffen. Zwar lagen die Gründe zu den sittlichen Vorwürfen, welche früher behandelt sind, der Zeit nach weit zurück.77 Aber auch das weitere anstößige Gebaren der Frau, gegen welche auch unser Beethoven eine tiefe Abneigung hatte, mußte die Umgebung abstoßen und von ihm zurückhalten. Daß Johann geizig war, wird durch manche Äußerungen in den Konversationen klar, und das hat auch Beethoven zu erfahren Gelegenheit gehabt; bei den Ratschlägen, die Johann dem Bruder gibt, ist immer die Rücksicht auf Gewinn im Hintergrunde, an welchem auch er teilzunehmen hoffte; es kann aber nicht nachgewiesen werden, daß er ihm in seinen Angelegenheiten hätte schaden wollen[265] oder geschadet hätte. Beethoven hat auch gewiß unter augenblicklichen Eindrücken manches bittere Wort über ihn gesprochen, wozu er sich ja leicht hinreißen ließ, um ebenso leicht wieder versöhnlichen Stimmungen Raum zu geben. Wir werden uns hinsichtlich seiner Gesinnung richtiger an seine Briefe halten, aus denen wir noch Mitteilungen zu machen haben. Aus ihnen geht jedenfalls hervor, daß Beethoven Vertrauen zu ihm hatte; wenn auch Johann für Beethovens künstlerische Bedeutung und sittliche Höhe kein Verständnis hatte, so war er doch weit entfernt, ihm schaden zu wollen, im Gegenteil war er immer bereit, ihm in schwierigen Lagen, soweit er konnte, zu helfen. Die Frage, ob er musikalisch gewesen sei, darf wohl einfach verneint werden. In einer Unterhaltung (1824) erzählt der Neffe, Johann sei in einem Quartett gewesen, und da Beethoven ein Bedenken zu äußern scheint, was er da gewollt habe, lautet die Antwort: »Er will Geschmack bekommen. – Er schreit immer Bravo«. Und Holz erzählt 1826: Johann habe das Es dur-Quartett wohl zehnmal gehört, bei der Aufführung 1826 aber gesagt, er höre es zum erstenmal.

Im einzelnen wendet Thayer sich besonders scharf gegen den Vorwurf, daß Johann sich unberufen in Ludwigs Angelegenheiten einmischte und daraus für sich Vorteile zu erzielen suchte. Diese Einmischung, sagt Thayer, ist nicht erwiesen und wird schwerlich je erwiesen werden. Beethoven, sagt er, hatte in dieser Zeit keinen, der ihm hülfreich zur Seite stand; er hatte von Johanns Geschäftskenntnissen eine gute Meinung und es war ihm erwünscht, ihn wieder in der Nähe zu haben. Das erste Zusammentreffen, als Beethoven die Familie nach mehr wie 9 Jahren wiedersah (den Bruder hatte er vielleicht schon vorher gesprochen), war ein freundliches; Beethoven wünscht sehr, daß sie zusammenwohnen, nachdem ihm Johann schon vorher seine Hülfe angeboten; später bittet er dringend, zu ihm zu kommen, um ihm beim Verlaufe von Werken behülflich zu sein; Johann beeilte sich nicht, zu kommen. Beethoven unterrichtet ihn über abzugebende Werke und was ihm für solche geboten sei.

Was nun den Vorwurf wegen unberufener Einmischung betrifft, so kommt es darauf an, was wir darunter verstehen. Gewiß hat Johann nicht ohne Beethovens Wissen über Werke desselben verhandelt oder Bestimmangen getroffen. Aber Beethoven hat ihn ganz ersichtlich ermächtigt, für ihn zu verhandeln, z.B. mit Steiner über die bei Eröffnung des Josephstädter Theaters geschriebenen oder aufgeführten Werke; in der Korrespondenz kommt auch die Messe vor.78 Also allgemeine Aufträge hatte Johann. [266] Was nun jenen Vorwurf betrifft, so hält G. von Breuning in einer schriftlichen Auslassung an Thayer, welche seinem Exemplar der oben zitierten Schrift beiliegt, denselben auf Grund des Zeugnisses von Augenzeugen, wie seines Vaters Stephan von Breuning und seiner selbst, aufrecht. Wir werden nicht umhin können, anzunehmen, daß Johann in Überschreitung der ihm zuteil gewordenen Aufträge sich manche Eigenmächtigkeiten erlaubt hat; dafür haben wir auch andere Zeugnisse. So sagt Graf Moritz Lichnowsky im Konversationsbuch an der bereits erwähnten Stelle: »Sie sollten ihm untersagen ohne Ihre Unterschrift Geschäfte oder Correspondenz in ihrem Namen zu führen. – – Vielleicht hat er in Ihrem Namen dort schon Contract abgeschlossen.« Das deutet doch sehr bestimmt auf ein von den Freunden befürchtetes willkürliches Verfahren; wir haben aber kein Mittel, zu erforschen, auf welches bestimmte Werk oder Ereignis sich diese Worte beziehen; vielleicht auf Verhandlungen mit Steiner. Aber noch 1826 erzählte Holz, daß Johann sich gern, auch in Briefen, als Beethovens Bruder und gewissermaßen Vertreter geltend gemacht habe. Wenn ihn also Thayer von dem Vorwurfe unberufener Einmischung ganz frei machen will, dürfte er zu weit gehen; daß er dabei auch an seinen Vorteil gedacht, ist nicht ausgeschlossen; daß er ihn in unrechtlicher Weise habe ausnutzen wollen, dafür allerdings ist ein Beweis nicht erbracht.

Weiter wendet sich Thayer gegen den Vorwurf Schindlers, der Bruder habe unsern Meister in eine für ihn ganz unpassende Wohnung gebracht, in welcher er sich nicht wohl fühlen konnte. Die Wohnung lag in der Kothgasse neben der des Bruders, mit welchem ja Beethoven gern zusammen wohnen wollte. Daß die Verhältnisse des Nebeneinanderwohnens und die Beschaffenheit der Wohnung selbst Unzuträglichkeiten im Gefolge hatte, dafür mißt Beethoven, wie er selbst in einem Briefe schreibt, dem Bruder keine Schuld bei und erkennt seinen guten Willen an; er sucht das entstandene Zerwürfnis auszugleichen; wenn er später die Schuld in Briefen und Äußerungen Johann zuschob und seinem Groll Ausdruck gab, so war das, nach: Thayer, nur – Veethovenisch, ein Ausdruck, dem auch Gerh. v. Breuning ohne weiteres beistimmt.

[267] Auch warf man Johann vor, daß er sich geweigert habe, bei Beethovens drückendem Schuldverhältnisse Geld vorzustrecken oder Bürgschaft zu übernehmen. Nun erwähnt Thayer, Johann hatte ihm ja bald nach seiner Rückkehr (ehe Beethoven nach Baden ging) 200 Gulden geliehen,79 und es habe ihm bei seinen geschäftlichen Unternehmungen, namentlich dem Gutskaufe, nicht zugemutet werden können, sein Besitztum mit neuen Schulden zu belasten, »bloß um seines Bruders Bankaktien zu sparen«. Diese Bankaktien betrachtete Beethoven in seinem edlen Sinne schon jetzt als unantastbares Eigentum des Neffen. Das war nun freilich für Johann kein Rechtsgrund, und in seinem alltäglichen kaufmännischen Sinne konnte er eine solche Betrachtung immerhin hegen. Aber wiederholt bot ihm Johann Wohnung auf seinem Gute an, im Jahre 1824 sogar ganz kostenlos, aber dis 1826 war Beethoven aus Abneigung gegen die Frau nie darauf eingegangen; die Ereignisse von 1826 kommen im Zusammenhange zur Sprache. Thayer kennt Johanns Schwächen und Fehler, will nur die Übertreibungen auf ihr Maß zurückführen und schließt so: »Trotz allem, was man gegen ihn geschrieben hat, war er von freundlicher Natur, gutmütig und ein großer Verehrer der Talente seines Bruders.« Das letztere bestreitet G. v. Breuning und führt an, daß in seiner Gegenwart Johann die Werke seines Bruders als »Narrenwerke« und ihn selbst als einen Narren bezeichnet habe, daß er aber allerdings in späterer Zeit mit Ostentation die Bewunderung für Beethovens Werke affektiert habe. Das übrige Lob Thayers läßt er unbeanstandet und gutmütig und sorglich lassen ihn auch die Konversationen im ganzen erkennen; für den Neffen zeigt er Interesse und äußert bei späterer Gelegenheit, was auch Schindler anerkennen muß, praktische und dabei wohlmeinende Ansichten über die Bedürfnisse desselben. Beethoven in seinem edlen Sinn sah in ihm immer den Bruder und wollte dieses natürliche Band nicht zerreißen lassen, und wenn in Johanns kleiner Seele, in welcher die Rücksicht auf Gelderwerb immer die erste Rolle spielte, ein volles Verständnis für des Bruders Größe nicht wohnte, so ließ sich Beethoven doch dadurch nicht beirren, die Beziehungen festzuhalten und immer wieder anzuknüpfen. Wenn wir zugeben, daß Thayer, der doch aufrichtig die Wahrheit suchte, in manchen Punkten übers Ziel schießt, so darf man ihm doch darin recht geben, daß ein Versuch einer Ehrenrettung Johanns zugleich zu Beethovens Ehre geschieht; denn wäre jener wirklich der ganz gemeine und schlechte Mensch gewesen, als welchen ihn manche Darstellungen [268] erscheinen lassen, da wäre es unerklärlich, daß Beethoven von jetzt an bis zu seinem Lebensende fortgesetzt und auch herzlich mit ihm verkehrte.

Das Verhältnis wird erläutert durch die Briefe, die Beethoven in dieser Zeit an ihn schrieb. An der Hand dieser Briefe begleiten wir auch Beethovens Dasein während der folgenden Zeit. Wir berichten daher hier vorwegnehmend, daß Beethoven diesmal seinen Sommeraufenthalt, den ersten, in Oberdöbling nahm, wo er jedenfalls im Juli war; genau läßt sich die Zeit der Übersiedelung nicht bestimmen, doch scheint er nach dem Vermerk auf Simrocks Brief vom 13. Mai schon im Mai dort gewesen zu sein. Er wohnte in der Alleegasse 135. Leider hat Beethoven die meisten seiner Briefe nicht datiert; der nachstehende stammt aber gewiß aus der Oberdöblinger Zeit und wird ins Frühjahr oder Sommer 1822 zu setzen sein.80


»Ich hofte dich gewiß zu sehen – aber vergebens – auf Staudenheimers Verordnung muß ich noch immer Medizin nehmen, u. darf mich nicht zu viel bewegen – Ich bitte dich statt heute in Prater zu fahren den Weg zu mir zu nehmen mit deiner Frau u. Tochter – ich wünsche nichts als daß [269] das Gute, welches unausbleiblich ist, wenn wir zusammen sind, ungehindert erreicht Werde, wegen Wohnungen habe ich mich erkundigt, es sind ihrer passende genug zu haben, u. du hast eben nicht nöthig vielmehr zu bezahlen als bisher, bloß ökonomisch betrachtet, wie viel läßt sich auf beiden Seiten ersparen, ohne deswegen nicht auch an einiges Vergnügen zu denken. – Gegen deine Frau habe ich nichts, ich wünsche nur daß sie einsehe, wie viel auch für dein Daseyn mit mir gewonnen kann werden, u. daß alle armseeligen Kleinigkeiten des Lebens keine Störungen veranlassen –

Nun leb wohl, ich hoffe dich ganz gewiß zu sehn heut Nachmittag, wo wir alsdann nach Nußdorf fahren könnten, welches mir auch zuträglich wäre. –


Dein treuer

Bruder Ludwig.


Nachschrift.


Friede Friede


sey mit uns, Gott gebe nicht daß das natürlichste Band zwischen Brüdern wieder unnatürlich zerrissen werde, ohnehin dürfte mein Leben nicht mehr von langer Dauer seyn, ich sage noch einmal, daß ich nichts gegen deine Frau habe, obschon mir ihr Betragen gegen mich jetzt ein paar mal sehr aufgefallen ist, u. ohnehin bin ich durch meine jetzt schon 31/2 monathliche Kränklichkeit sehr, ja äußerst empfindlich u. reizbar, fort mit allen dem, was den Zweck nicht befördern kann, damit ich u. mein guter Karl in ein mir besonders nöthiges gemäßeres Leben kommen kann – Sehe nur meine Wohnung allhier, so siehst du die Folgen, wie es geht, da ich, wenn ich besonders kränklich mich fremden Menschen anvertrauen muß, geschweige von anderen noch zu reden, was wir ja ohnehin schon besprochen haben.

Im Falle du heute kommst, könntest du Karl abhohlen, ich füge deswegen diesen offenen Brief an H. v. Blöchlinger bey, welchen du gleich hinschicken kannst an selben. –«


Dieser Brief deutet auf bereits vorher stattgehabte Zusammenkünste, bei welchen auch vergangene Ereignisse verhandelt waren oder wenigstens ihren Einfluß geübt hatten; Beethoven in seinem edlen Sinn war bereit, alles zu vergessen. Der Wunsch, zusammen zu wohnen, scheint auf Ludwigs Seite stärker zu sein wie auf der Johanns. Von geschäftlichen Sachen bei den Werken ist noch keine Rede; auch das deutet auf frühe Zeit dieses Sommers. Von einem Zudrängen Johanns ist hier keine Spur.

In die Döblinger Zeit, vielleicht in die Zeit der Übersiedelung, fällt auch folgender kurze Brief:81


»Mein lieber Bruder!


Werde nicht ungeduldig, da ich der Urheber so vieler Plagen für dich bin – ich hoffe, daß ich wohl noch ausfindig machen werde, wodurch ich [270] wenigstens einigermaßen meine Dankbarkeit bezeigen kann. Carl bitte ich dich im nach Döbling fahren seine Schuhe zukommen zu lassen.82

In der Wohnung von mir im Carls-Institut83 ist noch im Zimmer eine Seitenthür worin ein Nachtstuhl, gestanden. Zu dem englischen Piano müßten nebst den Füßen an der Leyer unten vermittelst eines Beißels die Schrauben gezogen werden, du brauchst wohl mehrere Menschen in dem Döblingschen Loch wegen dem Clavier? am besten würde es wohl getragen? Nun leb wohl, könntest du Sonntags Nachmittags herabkommen,84 so wäre es recht schön, denn Montags Nachmittage denke ich wohin zu schlendern.85


Ich umarme dich von Herzen

dein treuer Bruder

L. v. Beethoven.«


Es folgen zwei längere Briefe aus dem Ende des Monats Juli. Der erste, vom 26. Juli, ist folgender:86


»Lieber Bruder!


äußerst beschäftigt und unbequem in allem mit Wohnung u. mit meinen Leuten, welche beyde äußerst ungeschickt sind konnte ich dir noch nicht schreiben. Meine Gesundheit betreffend, so geht es besser, ich muß seit einigen Tägen Johannes Brunnenwasser trinken. Die Pulver des Tages 4 mal nehmen; u. nun soll ich nach Baden, dort 30 Bäder brauchen, wenn es möglich ist zu bewerkstelligen so begebe ich mich bis 6 oder 7ten August dahin. Könntest du nur kommen auf einige Täge, mir zu helfen, jedoch wird dir der Staub u. die Hitze zu stark seyn, wäre das nicht du könntest mit mir in Baden ein 8 Täge zubringen ad tuum libitum, hier habe ich noch die Correcturen zu besorgen von der Messe.87 Ich erhalte 1000 fl. C. M. dafür von Peters, so wie er auch noch von andern kleineren Werken nimmt, Er hat schon hier 300 fl. C. M. angewiesen, könntest du nun die Briefe lesen, ich habe aber das Geld noch nicht genommen, auch Breitkopf u. Härtel haben den Sächsischen Chargé d'Affaires wegen Werken zu mir geschickt,88 auch von Paris habe ich aufforderungen wegen Werken von mir erhalten auch von Diabelli in Wien, kurz man reißt sich um Werke von mir, welch' unglücklicher glücklicher Mensch bin ich!!! – auch dieser Berliner hat sich eingestellt – wird nur meine Gesundheit gut, so dürfte ich noch auf einen grünen Zweig kommen. –

[271] Der Erzherzog Kardinal ist hier, ich gehe alle Woche 2mal zu ihm,89 von Großmuth u. Geld ist zwar nichts zu hoffen, allein ich bin doch auf einem so guten vertrauten Fuß mit ihm daß es mir äußerst wehe thun würde, ihm nicht etwas angenehmes zu erzeigen, auch glaube ich ist die anscheinende Kargheit nicht seine Schuld. – Ehe ich nach Baden gehe, brauche ich Kleidungen, weil ich wirklich zu ärmlich darin bin, selbst auch an Hembden wie du schon gesehen, frag deine Frau, was sie von dieser Leinwand hält, sie kostet die Ehle 48 Õ W. W. – Wenn du kommen kannst, so komme, jedoch ohne dir Leides zuzufügen, im September komme ich zu dir mit Karl, wenn ich nicht nach Olmütz zum Kardinal gehe welches er sehr wünscht. – Wegen der Wohnung da sie schon genommen ist, so mag's seyn,90 ob sie aber eben auch gut für mich ist, ist nun die Frage. – Die Zimmer gehen in den Garten, nun ist aber Gartenlust gerade die unvortheilhafteste für mich, alsdann ist der Eingang durch die Küche zu mir, welches sehr unangenehm und unzuträglich ist – u. nun muß ich ein 4-tel Jahr für nichts bezahlen, hierfür werden wir denn Karl und ich, wenns möglich, uns bei dir in Krems einfinden, u. wacker drauf loß leben, bis dieses Geld wieder eingebracht ist – d.h. wenn ich nicht nach Mähren gehe – schreibe doch sogleich nach Empfang dieses, grüße mir die deinigen, müßt ich nicht nach Baden, so würde ich gewiß schon künftig. Monath zu dir gekommen, nun aber ist es einmal nicht anders, wenn du kannst, so komme, es wäre mir große Erleichterung – Schreibe gleich – lebe recht wohl – ich umarme dich von Herzen und bin wie immer


dein treuer

Bruder

Ludwig.


Wien am 26n Juli91

1822.«


Wir sehen aus diesem Briefe, daß zwischen den Brüdern inzwischen auch Geschäftliches zur Sprache gekommen war; Beethoven macht ihm Mitteilungen[272] über die ihm gemachten Angebote, aber wie es scheint zum erstenmal, das einzelne war Johann noch unbekannt. Das war also der Anfang weiterer Verhandlungen; die Fortsetzung gibt der folgende Brief:92


»Liebes Brüderl!93 Großmächtigster

Gutsbesitzer!


Gestern schrieb ich dir, jedoch ermüdet von vielen Anstrengungen und Beschäftigungen, und mit einer schlechten Feder mag es dir schwer werden zu lesen, Schreib mir für's Erste, wie geschwind die Posten hin u. her gehen, von dir zu mir, u. von mir zu dir. Ich schrieb dir daß der Leipziger Verleger die Messe für s. 1000 nimmt, ich wünschte nur daß ich dir die Briefe alle schicken könnte, es ist aber zu umständlich.94 Es wäre besser, daß du bey allem gegenwärtig wärst, indem ich glaube, daß ich ihm von den andern Kleinigkeiten manches zu wohlfeil gegeben habe; 4 Märsche für 20 ⌗ erhält er noch. für 3 Lieder jedes 8 ⌗. 4 Bagatellen eine zu 8 ⌗. Ich habe, mir die Umständlichkeiten zu vermeiden, ihm geschrieben, er möchte das Geld in Silbermünze bezahlen. Weil er aber noch nicht wußte, wieviel Bagatellen er erhält, so hat er, wie du aus dem beygefügten Zettel siehst, mir gleich 300 s. angewiesen.

Nun kann ich aber die Kleinigkeiten nicht gleich schicken, da der Copist mit der Messe beschäftigt ist, die das Wichtigste ist, u. wo ich, sobald ich nur einige Tage vorher schreibe, daß die Messe von hier abgeht, sogleich die 1000 fl. erhalte, welche ich, wenn ich gewollt hätte, schon jetzt hätte erhalten können. Aus allem ist der Eifer des Mannes für meine Werke zu sehen, ich mochte mich aber nicht gerne bloßgeben: u. es wäre mir lieb, wenn du mir schriebst, ob du einiges95 entbehren kannst, damit ich nicht gehindert werde, bey Zeiten nach Baden zu gehen, wo ich einen Monath wenigstens bleiben muß. Du siehst, daß hier keine Unsicherheit statt findet, so wie du die 260 fl. im September mit Dank zurückerhalten wirst. Den beyliegenden Zettel bitte ich dich, mir gleich wieder zurückzuschicken. Übrigens bist du als Kaufmann immer ein guter Rathgeber.96 – Die Steiner treiben mich ebenfalls in die Enge Sie wollen durchaus schriftlich haben, daß ich ihnen alle meine Werke gebe – Jeden Druckbogen wollen sie bezahlen; nun habe ich aber erklärt, daß ich nicht eher mit ihnen in eine solche Verbindung treten will, bis sie die [273] Schuld tilgen. Ich habe ihnen dazu 2 Werke vorgeschlagen, welche ich nach Ungarn geschrieben, u. die als ein paar kleine Opern zu betrachten sind; wovon. sie auch früher schon 4 Stücke genommen haben. Die Schuld beträgt ungefähr 3600 fl. sie haben aber abscheulicher Weise noch Interessen dazu geschlagen, die ich nicht eingehe. Einen Theil Schulden habe ich von Carl's Mutter hierbey übernommen, da ich ihr gerne alles Gute erzeige, insofern Carl dadurch nicht gefährdet wird. Wärst du hier, so wären diese Sachen bald abgethan; nur die Noth zwingt mich zu dergleichen Seelenverkäuferey. Wenn du kommen, u. auf 8 Tage mit nach Baden gehn könntest wäre es recht schön, nur mußt du zugleich schreiben wie du es zu halten denkst. Küche u. Keller setze unterdessen in besten Zustand; denn vermuthlich werde ich mit meinem Söhnchen unser Hauptquartier bey dir aufschlagen, u. wir haben den edlen Vorsatz gefaßt, dich gänzlich aufzuzehren. Es versteht sich, daß bloß vom Sept. die Rede ist.

Jetzt lebe wohl, bestes Brüderl! lies alle Tage das Evangel; führe dir die Episteln Petri u. Pauli zu Gemüth, reise nach Rom, u. küsse dem Papst den Pantoffel. Grüße mir die Deinigen herzlich. Schreibe bald. Ich umarme dich von Herzen.


Dein treuer Bruder

Ludwig« (eigenhändig).


»Ich Sekretarius umarme Sie

ebenfalls von Herzen; u. wünsche

Sie bald wieder zu sehen.

Carl.«


[Eigenhändige Nachschr. Beethovens.]


»am 31ten Jul. 1822.97


N. B. Ich sende die Anweisung von 300 fl. C. M. nicht mit, da ich fürchte es könnte vielleicht etwas damit geschehen.«


Zu dem Inhalte dieses Briefes hat noch eine Zuschrift engen Bezug, welche von Nohl N. Br. Nr. 242 mitgeteilt wird. Dieselbe hat kein Datum.98


»An Seine Wohlgeboren

Herrn Johann van Beethoven

Gutsbesitzer in Gneixendorf (bey Krems).


Alles Schöne an die Deinigen.

Bey den Gebrüdern Meisel allhier sind die99 300 fl. C. M. angewiesen, es wäre mir doch lieber, im Fall ich es bedarf, du machtest mir einen Vorschuß, denn die Messe wird bis 15ten des künftig. Monath längstens abgeschickt.«


[274] Dieser Brief hat noch einige Umschriften:


»N. B. Die Haushälterin ist ein altes Kind, Es ist sehr schwer für mich mit dieser Sr [?] die Kocherey ist höchst mittelmäßig, ja mir beynahe gar nicht angemessen, u. schreiben kann sie kaum.

N. B. so wie ich Peters schreibe daß er die 1000 fl. für die Messe schicke so erhalte ichs sogleich.

N. B. Es wäre doch besser, als den H. Petrus in Leipzig merken zu lassen, qu'on a besoin de l'argent.«


Diese Zuschrift wird wohl, wenn sie auch nicht einen Teil des vorigen Briefes bildete, doch um dieselbe Zeit geschrieben sein. Beethoven ist noch eifriger bedacht, den Bruder über alles zu unterrichten, übergeben hat er ihm aber nichts. Aber er ist nun im Begriffe, nach Baden überzusiedeln, und zu diesem Zwecke geht er den Bruder um Geld an. Die Reise nach Baden sollte in der ersten Zeit des August stattfinden; jetzt wurde sie bis Anfang September verschoben. Kurz vorher schrieb er noch folgenden Brief:


»An Seine Wohlgeboren Herrn Johann van Beethoven in Gneixendorf pr. Krems100


Wien

am 31ten Aug.

1822.


Lieber Bruder!


Du wirst meinen Brief wohl schon empfangen haben mit Papieren darin, ich gab ihn an Schlemmer101 ab, Staudenh. will durchaus, daß ich nach Baden gehe, ich gehe also Morgen oder Übermorgen längstens, bey alle dem wäre es mir lieb, daß du herausgekommen wärest, um so manches mit dir zu besprechen, u. auch mit Steiner alles zu beendigen, denn sie müssen die Ruinen von Athen stechen bis Ende 8ber, wo das Theater eröffnet wird, u. da noch nichts ausgemacht ist, so können sie nicht wohl anfangen. – übrigens könntest du ja in Baden einige Zeit bleiben, bey mir, welches dir gut anschlagen würde – – ich geh gerade auf Baden, bleibe im Wirthshaus einen Tag, während dessen ich mir eine Wohnung miethe – Leb wohl ich umarme dich von Herzen, Es ist mir wirklich leid, daß ich nicht lieber zu dir hätte gehn können. – leb wohl ich umarme dich von Herzen


dein treuer

Bruder

Ludwig.


Gott mit dir

grüße mir

die deinigen.«


[275] Wir schließen aus diesem Briefe auf den Fortgang der Verhandlungen zwischen den Brüdern; insbesondere scheint Johann die Verhandlungen mit Steiner übernommen zu haben, und dabei wird zum erstenmal die bevorstehende Aufführung zur Eröffnung des Josephstädter Theaters erwähnt, die uns bald beschäftigen wird.

Beethoven begab sich also nun am 1. September nach Baden zur Kur, und von hier aus schrieb er bald nachher wieder an den Bruder:102


»1822. Sonntag den 8. Sept.


Lieber Bruder!


Wir sind zum Theil bekümmert, daß du nicht wohl bist, wegen deines Stillschweigens, zum Theil aber komme ich dadurch in Verlegenheit, weil ich nicht weiß, was aus den Aufträgen geworden, die du selbst liebevoll übernahmst. Was Simrock anbelangt, so hat er wieder um die Messe geschrieben, zwar mit dem alten Preise; wenn man ihm aber schreiben würde, glaube ich wol, er würde darauf legen. Über meinen Gesundheitszustand läßt sich nicht mit Gewißheit von einer wirklichen Besserung sprechen, ich glaube aber doch, daß durch die Kraft der Bäder das Übel, wenn nicht gehoben, doch unterdrückt werden wird. Da wir keinen Brief erhalten, und auch sonst nichts von dir hören, so vermuthen wir, daß du schon fort bist. Dem sei wie ihm wolle, so laß uns einige Zeilen zukommen, bitt' ich dich, du magst sein, wo du willst. Ich schlage diesen Brief ein an Herrn Obermayer,103 damit auf den Fall, daß du nicht hier bist, dir der Brief sogleich zukomme. Heute wird hier eine Ouvertüre von mir und ein darauf passendes großes historisches Tableau, ›Stephan I.‹, gemacht.104 Hensler hat uns zwei Freibillette geschickt und beträgt sich recht artig gegen uns. Zwei Sängerinnen besuchten uns heute, und da sie mir durchaus die Hände küssen wollten und recht hübsch waren, so trug ich ihnen lieber an, meinen Mund zu küssen.105 Dies ist beiläufig das Kürzeste, was wir dir sagen können. Ich bitte dich nochmal, mir gleich zu schreiben, ob und was du ausgerichtet, damit ich weiß, woran ich bin.

Lebe wohl.


Dein treuer Bruder Ludwig

als Vormund meines minderjährigen Lümperts.


Den Deinigen von mir alles Wünschenswerthe.«


[276] (Der Neffe setzt noch folgendes hinzu:)


»Ich bin jetzt zwei Tage wegen eines kleinen Hu stens gezwungen gewesen, das Bett zu hüten, bin aber schon wieder recht wohl und kann also schon wieder die Secretariatsstelle bei meinem lieben Onkel übernehmen, Haben Sie die Güte auch wegen meines Überrocks zu schreiben. Ihr Sie herzlich liebender Karl.

N. B. Mein lieber Onkel läßt Sie bitten, mit Ihrer Antwort das Tempo zu beobachten, welches manprestissimo heißt.«


Um dieselbe Zeit, wahrscheinlich kurz nachher, war der folgende Brief geschrieben:106


»Johann van Beethoven

Gutsbesitzer in Gneixendorf.


Lieber Bruder!


Ich war in großer Verlegenheit wegen des Ausbleibens deiner Antwort. Mein Gehörzustand, der mich auf eine gewisse Weise abgeschlossen von den Menschen macht, verursachte, daß ich glaubte, du habest dich mit Steiner zertragen. Auch vermuthete ich, du würdest aufgebracht seyn wenn ich nicht davon spräche, dir deine Schuld zurückzustellen. In dieser Verlegenheit, da ich bang war wegen der Messe, so schrieb ich an Simrock (der an mich auch geschrieben hatte) daß ich sie ihm für 1000 fl. C. M. überlassen wolle.107 Da du schreibst, daß du die Messe wünschest, so bin ich ganz damit einverstanden, nur wollte ich nicht, daß du dabey irgend einen Schaden habest. Vom übrigen was du schreibst, wollen wir mündlich sprechen. Du sagst, du werdest bald nach Wien kommen; wenn das ist, so komme nur nach Baden, denn nach Döbling gehe ich nicht mehr. Aus beyliegendem von Steiner siehst du, daß die Sache noch nicht ganz richtig ist. Mittlerweile hat mich die Josephstadt hier in Arbeit gesetzt, welches mir bey meiner Wasser- und Bade-Cur wirklich beschwerlich fällt, um so mehr, da Staudenheimer mir nun 11/2 Stunden zu baden rieth. Ich habe unterdessen schon einen neuen Chor mit Tänzen und Sologesängen gemacht.108 Läßt es meine Gesundheit zu, so mache ich noch eine neue Ouvertüre. Wenn du gleich schreiben wolltest, wann du von Krems nach Wien zu kommen gedenkst, so wäre es mir um so lieber, damit ich genau wüßte, wie ich dran bin. Ich grüße dich und dir deinigen herzlich und bitte dich nochmals zu schreiben.


Leb wohl

dein

(eigenhändig) treuer Bruder

Ludwig«


»Auch ich wünsche herzlich daß Sie

nach Baden kämen, so lange ich noch

daselbst mit meinem lieben Onkel

bin, wir würden gewiß noch recht

vergnügt seyn. Ich grüße Sie herzlich

u. bin

ihr Carl.«


[277] Der vorstehende Brief bringt uns insofern etwas Neues, als Bruder Johann setzt bereit ist, die Messe zu übernehmen, und Beethoven sie ihm auch geben will, und dabei nur besorgt ist, daß er keinen Schaden dabei erleide. Erst setzt schreibt er an Peters, daß es noch ungewiß sei, welche Messe er erhalte. Außerdem sehen wir, daß er jetzt das Darlehen vom Bruder erhalten hat.

Da im Vorstehenden die Arbeit, welche Beethoven für das Theater in der Josephstadt übernommen hatte, bereits erwähnt werden mußte, so wird es gestattet sein, hier auch noch den folgenden Brief einzufügen, obwohl uns derselbe über diese Zeit schon hinausführt, damit die Briefe an den Bruder Johann aus diesem Jahre zusammen bleiben; wir werden dann später auf diesen Brief Bezug nehmen. Der Brief ist nicht datiert, stammt aber, wie sich aus einer Bemerkung in demselben ergibt, vom 6. Oktober 1822.109


»An

Herrn Herrn

Johann van Beethoven

in Wien

Kothgasse No. 61.

beym Hrn. Bäckermeister Obermeyr.


Bestes Brüderl!

Besitzer aller Donauinseln um Krems!

Director der gesammten österreichischen

Pharmacie!


Ich mache dir in Ansehung des Werkes bey der Aufführung in der Josephstadt folgenden Vorschlag, was Steiner betrifft. (Aus der gestrigen Zeitung110 ersehe ich, daß sie den Chor mit Marsch pompeusement111 angekündigt haben.) Nach dem Verzeichniß der Preise für die Werke wollen wir sogleich den 1ten u. letzten Versuch machen. Außer den 2 Nro. die sie schon haben und wovon sie jetzt eins angekündigt haben, sind noch 8 Nro. die [278] sie nicht haben: die Ouvertüre und 7 andere Nro. Die Ouvertüre haben sie im Verzeichniß zu 30 ⌗ angesetzt, einen Gesang mit Instrumentalbegleitung zu 20 ⌗

Bleiben wir also hierbey stehen

Ouvertüre 30 ⌗ auch 40 ⌗

Vier Gesänge mit Instrumentalbegleitung jeder zu 20 ⌗ 80 ⌗

2 Nro blos Instrumental M. rechne ich zu 10 ⌗ jede Nummer

Summa 140 ⌗

Wollen sie noch haben Ungarns ersten Wohlthäter König Stephan, so sind hierin 12 Nro wovon 4 zu 20 ⌗ gerechnet werden (jede einzelne zu 20 ⌗ versteht sich) die übrigen jede zu 10 ⌗ eine zu 5 ⌗

Summa summarum 155 ⌗

Jetzt bitte ich wohl zu merken daß das Obere im Josephstädter Theater aufgeführt wird [ward?] das andere aber nur in Partitur zu haben ist. Sollten sie nur das 1te nehmen, so werden wir das andere irgendwo anbringen, worüber man ihnen kurze Bedenkzeit läßt.

Was den Clavierauszug vom Marsch betrifft, wie alle andern Clavierauszüge, die sie machen werden, werde ich sogleich verbessern und eilig ihnen wieder schicken. Wegen der neuen Ouvertüre kannst du ihnen sagen, daß die alte nicht bleiben konnte, weil das Stück in Ungarn nur als Nachstück gegeben, hier aber das Theater damit eröffnet wurde, überdies ist sie für sie nicht verloren, denn sie können sie dennoch aller Orten anbringen.

Die Partitur nebst allen anderen kann in 3 Tagen abgeschrieben seyn und nicht für sie verloren gehen, wenn sie es ebenso wie den Marsch ankündigen, und muß bald eine decidirte Antwort erfolgen.

Damit du die Sache noch deutlicher einsiehst, schicke ich dir das Verzeichniß, welches ich aber wohl aufzuheben bitte, und wenn du, wie es sich schickt, zu mir kommst mit Wagen und Pferd, es wieder mitzubringen.

Einige Preise sind sehr vortheilhaft angesetzt.

Wir schicken dir zugleich Schneppen und wünschen daß dir der Schneppendreck sehr wohl bekomme. Was du nicht davon brauchst, kannst du nach Linz in die pharmaceutische Fabrik schicken.


Leb wohl, bestes Brüderl!


Lies die heutige Epistel samt

Petri und Pauli.

Wir hoffen bald dies und jenes von dir zu hören

und sind dir ganz erstaunlich zugethan

Dein treuer Bruder

Ludwig

Grüße die Deinigen

(von Beethovens Hand)


›Wegen der Messe bitte ich wohl zu

überlegen, weil ich Simrock antworten

muß; wenn du in keinen Schaden

kommst, sonst bitte ich es nicht zu

übernehmen. Komm zu uns sobald

als möglich.‹«


[279] Im vorstehenden haben wir die wichtigsten Briefe an den Bruder Johann aus dem Jahre 1822 zusammengestellt; sie sind geeignet, die Anklagen gegen ihn auf das richtige Maß zurückzuführen. Überall ein herzlicher, mit Humor gemischter Ton, daneben der Wunsch, Mißhelligkeiten nicht aufkommen zu lassen; der aufrichtige Wunsch Beethovens, daß Johann, der sich gar nicht zudrängt, ihm rate und beistehe. Johann übernimmt die Verhandlung mit Steiner wegen der Ruinen von Athen und wenn möglich König Stephan. Bei den früheren Verhandlungen wegen der Messe war er nicht beteiligt gewesen; jetzt wünscht er sie zu haben, und Beethoven ist auch bereit, sie ihm zu geben und wünscht nur, daß Johann keinen Nachteil davon habe. Es ist vielleicht nicht Zufall, daß wir von da ab nichts von Fortsetzung der Verhandlungen mit Peters usw. mehr hören; wie die mit Simrock endigten, wissen wir freilich nicht, da uns die Korrespondenz fehlt. Jedenfalls kam die Sache auch jetzt noch nicht zum Ziele; die autographe Partitur war fertig, Beethoven ließ sie in dieser Zeit abschreiben, fuhr aber fort zu ändern und zu bessern; erst im folgenden Jahre erfolgt die Überreichung und die weitere Sorge für die Bekanntwerdung.

Wir sind in Mitteilung der Briefe schon über einen großen Teil des Jahres hinweggeeilt und haben noch den biographischen Zusammenhang der Ereignisse herzustellen, welche gerade in diesem Jahre reich sind; es ist namentlich über interessante Begegnungen Beethovens zu berichten. Vom Äußerlichen beginnend, erinnern wir, daß er von seiner Wohnung auf der Landstraße aus, mutmaßlich im Mai, die Sommerwohnung in Oberdöbling (Alleegasse 135) bezog, neben welcher er die Stadtwohnung einstweilen beibehielt. Hier hatte er seine Gesundheit durch Pulver und Brunnentrinken zu pflegen; hier auch feilte er noch eifrig an der Messe, die jetzt allmählich fertig wurde; daneben mögen auch kleinere Arbeiten (z.B. einige der Bagatellen) niedergeschrieben oder verbessert sein; auch erhielt er verschiedene Aufträge von auswärts, von denen er dem Bruder erzählt. Von Döbling aus nahm er auch, wie wir ebenfalls schon wissen, wöchentlich zweimal seinen Dienst beim Erzherzog Rudolf wahr, gewiß sehr unregelmäßig; einzelne der undatierten Entschuldigungszettel am Schlusse von Köchels Sammlung mögen in diesen Sommer gehören. Wir führten oben die Zuschrift des Dieners Zips vom 26. Juli an, nach welcher er am folgenden Tage (einem Samstage) nicht zum Erzherzog kommen solle; auf diese Absage bezieht sich vielleicht folgender kleine Brief:112


[280] »Ich kam eben gestern nach Hause, als ich hörte, daß ich nicht die Gnade haben sollte zu J. K. H. zu kommen. Schon gestern machte die Witterung üble Wirkung auf mich; ich bin daher verbunden, noch heute zu Hause zu bleiben, ich werde es künftige Woche schon einzubringen suchen. Ich bedauere nur mich selbst, von der Gnade, bei J. K. H. sein zu können, heute mich ausgeschlossen sehen zu müssen.«


Es ist natürlich nur Vermutung, daß der Brief hierher gehören könne, an sich bedurfte es ja einer weiteren Entschuldigung nicht. Wollte er dem Erzherzog vielleicht auch seinerseits sein Bedauern aussprechen?

Unter den Personen, welche ihm Offerten machten, befand sich der in einem Briefe an Johann erwähnte sächsische Chargé d'affaires, der Legationsrat Griefinger; sein Brief lautet so:113


(Adresse:)

»Sr. Wohlgeboren

Herrn Ludwig v. Beethoven

zu Döbling

Wien d. 17. Juni 1822.


Wohlgeborner

Hochgeehrtester Herr,


H. Härtel schrieb mir aus Leipzig: ›ob Sie denn nicht ein Ihrer Kunst würdiges Operngedicht finden und bearbeiten könnten, ehe Sie Ihre Harfe gänzlich aufhängen? Es thue ihm leid sein früheres Verhältniß mit Ihnen nicht wieder angeknüpft zu haben, und er wünschte es wieder zu erneuern.‹ Wollen mir Ew. Wohlgeboren die Ehre geben zu mir zu kommen (ich wohne am Hof in der großen Weintraube, No.329 im 2ten Stock) oder mir einen Ort angeben wo ich mit Ihnen zusammentreffen kann, so werde ich Ihnen Hn. Härtels Brief zeigen. Ich muß glauben, daß H. Härtel bereit wäre Ihnen angenehmere Bedingungen als irgend jemand zu machen, ersuche Sie aber vor der Hand seinen Antrag ganz für sich zu behalten.

Mit ausgezeichnetster Hochachtung


Ihr

gehorsamster Diener

v. Griesinger

Kön. Sächs. Legat. Rath.«


Griesinger, der bekannte Verfasser der biographischen Notizen über Haydn, war schon als junger Mann mit Beethoven bekannt gewesen;114 von [281] späteren Beziehungen zwischen ihnen ist nichts bekannt. Der Antrag freut Beethoven, wie wir aus dem Brief an Johann schließen; aus der Ausführung wurde freilich nichts. Beethoven hat im Januar 1823 in der Angelegenheit der Messe auch Griesingers Rat in Anspruch genommen, obigen Brief aber, wie es scheint, nicht beantwortet.115

In dieser Verbindung ist auch ein Brief von Charles Neate vom 2. September 1822 zu erwähnen, den wir nicht ausführlich mitteilen wollen. Derselbe bezieht sich auf den von Beethoven ersichtlich gewünschten Ankauf des Manuskripts von drei Quartetten; bei der Aufforderung zur Subskription hat Neate Schwierigkeit gefunden, glaubt aber die Summe von 100 L. Sterling beschaffen zu können, welche aber nicht eher bezahlt werden könne, als bis das Manuskript angekommen sein werde. Auch fürchtet man, die Quartette könnten in Wien abgeschrieben werden, was aber Beethoven wohl verhindern werde. Beethoven hatte auch schon an Peters von einem neuen Quartett geschrieben, welchem vielleicht später noch ein anderes folgen könne. Wir erkennen also aus diesem Briefe Neates in Verbindung mit den Äußerungen gegen Peters, daß Beethoven auch schon vor dem Antrage Galitzins die Komposition von Quartetten wieder in Aussicht genommen hatte.

Auch durch persönliche Begegnungen wichtiger Art ist dieser Sommer bezeichnet, welche wir hier im chronologischen Zusammenhange zu verzeichnen haben. Am 24. Mai 1822 war Friedrich Rochlitz von Leipzig nach Wien gekommen und am 2. August wieder abgereist.116 Über seine Erlebnisse hat er uns in zwei Briefen, vom 28. Juni aus Wien (an Härtel) und vom 9. Juli aus Baden (an sein Haus und wieder an Härtel) Bericht gegeben; der letztere ist hier für uns der wichtigere, da er die Begegnung mit Beethoven enthält; bei seiner Prüfung sind wir allerdings genötigt, Rochlitz' Neigung zu Ausschmückungen und Erfindungen in Rechnung zu ziehen.117 Wir müssen die Hauptpunkte seiner ausführlichen Schilderung hier folgen lassen. Da er Beethoven nie gesehen, hatte er den Wunsch, daß dies möglichst bald geschehe. Er begab sich in das Steinersche Lokal [282] im Paternoster-Gässel und sprach mit Beethovens Freund, doch wohl Haslinger, über seinen Wunsch.118


»Er wohnt auf dem Lande,« sagte dieser. »So fahren wir hinaus.« »Das wohl, aber seine unglückliche Taubheit hat ihn nach und nach ganz menschenscheu gemacht. Er weiß, daß Sie hierher haben kommen wollen; er wünscht Ihre persönliche Bekanntschaft; gleichwohl sind wir nicht sicher, daß er nicht, siehet er uns ankommen, davonläuft; denn, wie zuweilen die frischeste Fröhlichkeit, so überläuft ihn öftere die heftigste Verstimmung, urplötzlich, ohne Grund, und ohne daß er widerstehen könnte. Aber er kömmt in die Stadt, wöchentlich wenigstens einmal, und dann jederzeit zu uns, weil wir ihm seine Briefe und dergleichen besorgen. Dann ist er meist guter Dinge und dann haben wir ihn fest. Wenn Sie daher der guten, gequäl ten Seele so weit nachgeben wollten, sich gefallen zu lassen, daß wir es Ihnen sogleich meldeten und Sie – es sind ja nur wenige Schritte – dann wie von ungefähr kämen«..


Das nahm Rochlitz gern an; Sonnabends kam der Bote, er ging und traf Beethoven munter zu seinem Freunde sprechend, den er verstand, indem er die Worte aus den Bewegungen des Gesichts und der Lippen zu lesen wußte. Sie wurden einander vorgestellt.


»Beethoven schien sich zu freuen, doch war er gestört. Und wär' ich nicht vorbereitet gewesen: sein Anblick würde auch mich gestört haben. Nicht das vernachlässigte, fast verwilderte Aeußere, nicht das dicke, schwarze Haar, das struppig um seinen Kopf hing, u. dergl., sondern das Ganze seiner Erscheinung. Denke Dir einen Mann von etwa funfzig Jahren, mehr noch kleiner als mittler, aber sehr kräftiger, stämmiger Statur, gedrängt, besonders von starkem Knochenbau – ungefähr, wie Fichte's, und besonders von vollerm, runderem Gesicht; rothe, gesunde Farbe; unruhige, leuchtende, ja bei fixirtem Blick fast stechende Augen; keine oder hastige Bewegungen; im Ausdruck des Antlitzes, besondere des geist- und lebensvollen Auges, eine Mischung oder ein, zuweilen augenblicklicher Wechsel von herzlichster Gutmüthigkeit und von Scheu; in der ganzen Haltung jene Spannung, jenes unruhige besorgte Lauschen des Tauben, der sehr lebhaft empfindet; jetzt ein froh und frei hingeworfenes Wort: sogleich wieder ein Versinken in düsteres Schweigen;119 und zu alle dem, was der Betrachtende hinzubringt und was immerwährend mit hineinklingt: das ist der Mann, der Millionen nur Freude bringt – reine geistige Freude!«


[283] Beethoven, erzählt Rochlitz weiter, sagte ihm abgebrochenen Sätzen einiges Freundliche und Verbindliche; Rochlitz sprach ihm mit möglichst gehobener Stimme Dank und Bewunderung für seine Werke aus


»Er stand hart an mir, bald mit Spannung mir in's Gesicht blickend, bald das Haupt senkend; dann lächelte er vor sich hin, nickte zuweilen freundlich mit dem Kopfe, sagte aber kein Wort. Hatte er mich verstanden? Hatte er's nicht? Endlich mußte ich ja wohl aufhören; da drückte er mir heftig die Hand und sagte kurzab zu ** [Haslinger]: Ich habe noch einige nothwendige Gänge! Und indem er ging, zu mir: Wir sehen uns wohl noch! ** [Haslinger] begleitete ihn hinaus und mußte bei seiner Rückkehr den Gast auf seine Frage darüber belehren, daß Beethoven kein Wort von ihm verstanden habe; er habe nicht unterbrechen wollen, weil Beethoven leicht empfindlich werde. Auch hoffte ich wirklich, er würde Manches verstehen: aber das Geräusch auf der Straße, Ihre ihm ungewohnte Sprache, und vielleicht selbst seine Hast, Alles zu verstehen, weil er Ihnen wohl ansahe, daß Sie ihm Angenehmes sagten – Es war so traurig!«


Auch Rochlitz nahm sich in seiner Ergriffenheit vor, ihn nicht wiederzusehen, »und Hrn. H.s Auftrag schriftlich an ihn gelangen zu lassen.«120

Etwa 14 Tage später, erzählt Rochlitz weiter, begegnete ihm Franz Schubert, zu welchem Beethoven über Rochlitz gesprochen hatte. Wenn er ihn unbefangen und fröhlich sehen wolle, dürfe er nur eben jetzt in dem Gasthause speisen, wohin er gerade in derselben Absicht gegangen sei.121


»Er brachte mich hin. Die Plätze waren meist besetzt: Beethoven saß umgeben von Mehreren seiner Bekannten, die mir fremd waren. Er schien wirklich froh zu sein. So erwiderte er meinen Gruß: aber absichtlich ging ich nicht zu ihm. Doch fand ich einen Platz, wo ich ihn sehen und, weil er laut genug sprach, auch großentheils verstehen konnte. Es war nicht eigentlich ein Gespräch, das er führte, sondern er sprach allein, und meistens ziemlich anhaltend, wie auf gut Glück ins Blaue hinaus. Die ihn Umgebenden setzten wenig hinzu, lachten blos oder nickten ihm Beifall zu. Er – philosophirte, politisirte auch wohl, in seiner Art. Er sprach von, England und den Engländern, wie er nämlich Beide in unvergleichlicher Herrlichkeit sich dachte – was zum Theil wunderlich genug herauskam. Dann brachte er mancherlei Geschichten von Franzosen aus der Zeit der zweimaligen Einnahme Wiens. Diesen war er nicht grün. Alles trug er vor in größter Sorglosigkeit und ohne den mindesten Rückhalt; Alles auch gewürzt mit höchst originellen, naiven Urtheilen oder possirlichen Einfällen. Er kam mir dabei vor, wie ein Mann [284] von reichem, vordringendem Geist, unbe schränkter, nimmer rastender Phantasie, der als heranreifender, höchstfähiger Knabe, mit dem, was er bis dahin erlebt und erlernt hätte, oder was an Kenntnissen ihm sonst angeflogen wäre, auf eine wüste Insel wäre ausgesetzt worden, und dort über jenen Stoff gesonnen und gebrütet hätte, bis ihm seine Fragmente zu Ganzen, seine Einbildungen zu Ueberzeugungen geworden, welche er nun getrost und zutraulich in die Welt hinausrufte. – Jetzt hatte er seine Mahlzeit beendigt, stand auf kam zu mir. Na, geht's gut im alten Wien? sagte er freundlich. Durch Zeichen bejahete ich, trank auf sein Wohl und forderte ihn auf, es zu erwidern. Er nahm's an, winkte mir aber nach einem kleinen Seitenzimmer. Das war eben recht. Ich nahm die Flasche und folgte. Hier waren wir nun allein, bis auf zuweilen einen Gucker, der aber bald wieder abtrollte. Er bot mir ein Täfelchen, worauf ich schreiben sollte, was er aus meinen Zeichen nicht verstand. Er begann mit dem Lobe Leipzigs und seiner Musik, nämlich dessen, was zur Aufführung in Kirche, Konzert und Theater gewählt wird, sonst kennt er Leipzig nicht und ist nur als Jüngling, als er nach Wien ging, durchgereiset.122 Und wenn darüber nichts gedruckt wäre, als die dürren Register; ich läse es doch mit Vergnügen, sagte er. Man sieht doch: es ist Verstand darin, und guter Wille gegen Alle. Hier hingegen... Nun gings los, und derb; auch ließ er sich gar nicht Einhalt thun. Er kam auf sich: Von mir hören Sie hier gar nichts. ›Jetzt, im Sommer!‹ schrieb ich. Nein, rief er, im Winter auch. Was sollten Sie hören? Fidelio? Den können sie nicht geben und wollen ihn auch nicht hören.123 Die Symphonien? Dazu haben sie nicht Zeit.124 Die Konzerte? Da orgelt jeder nur ab, was er selbst gemacht hat. Die Solosachen? Die sind hier längst aus der Mode, und die Mode thut Alles. Höchstens sucht der Schuppanzigh manchmal ein Quartett hervor125 u.s.w. So viel Uebertreibung darin ist: ohne Grund und Wahrheit ist es nicht. Endlich hatte er sich ausgeschüttet und kam auf Leipzig zurück. Aber, sagte er, Sie leben ja wohl eigentlich in Weimar? Er mochte nach meiner Adresse sich das gedacht haben. Ich schüttelte. ›Da kennen Sie also auch den großen Göthe, nicht?‹ Ich nickte, und das tüchtig. Ich kenn' ihn auch, fuhr er fort, indem er sich an die Brust warf und helle Freude aus seinen Zügen sprach. In Carlsbad hab' ich ihn kennen gelernt, vor – Gott weiß wie langer Zeit.126 Ich war damals noch nicht so taub: wie jetzt, aber schwer hörte [285] ich schon. Was hat der große Mann da für Geduld mit mir gehabt! was hat er an mir gethan! Er erzählte vielerlei kleine Geschichtchen und höchst erfreuliche Details. ›Wie glücklich hat mich das damals gemacht! Todtschlagen hätt' ich mich für ihn lassen; und zehnmal. Damals, als ich so recht im Feuer saß, hab' ich mir auch meine Musik zu seinem Egmont ausgesonnen;127 und sie ist gelungen – nicht wahr?‹«


Rochlitz gibt seine Freude zu erkennen und erzählt, daß sie die Musik in Leipzig fast jedes Jahr im Konzert mit einer Erläuterung aus dem Gedichte geben.


»Ich weiß! ich weiß! rief er. Seit dem Carlsbader Sommer lese ich in Göthe alle Tage – wenn ich nämlich überhaupt lese. Er hat den Klopstock bei mir todtgemacht.128 Sie wundern sich? Nun lachen Sie? Aha, darüber, daß ich den Klopstock gelesen habe! Ich habe mich Jahre lang mit ihm getragen; wenn ich spazieren ging, und sonst. Ei nun: verstanden hab' ich ihn freilich nicht überall. Er springt so herum; er fängt auch immer gar zu weit von oben herunter an; immer Maestoso! Des dur! Nicht?129 Aber er ist doch groß und hebt die Seele. Wo ich ihn nicht verstand, da rieth ich doch – so ungefähr. Wenn er nur nicht immer sterben wollte! Das kömmt so wohl Zeit genug. Nun: wenigstens klingt's immer gut u.s.w. Aber der Göthe: der lebt, und wir Alle sollen mitleben. Darum läßt er sich auch komponiren. Es läßt sich keiner so gut komponiren, wie er. Ich schreibe nur nicht gern Lieder...130«


Hier glaubte Rochlitz die Gelegenheit gegeben, einen Auftrag Härtels auszurichten und schrieb ihn Beethoven auf. Es war, nach einer beigefügten Anmerkung von Rochlitz, der Vorschlag, eine Musik zu Goethes Faust, ähnlich der zum Egmont, zu schreiben.


»Er las. Ha! rief er aus und warf die Hand hoch empor. Das wär' ein Stück Arbeit! Da könnt' es was geben! In dieser Art fuhr er eine Weile fort, malete die Gedanken sich sogleich und gar nicht übel aus, und sahe dabei, zurückgebeugten Hauptes, starr an die Decke. Aber, begann er hernach, ich trage mich schon eine Zeit her mit drei andern großen Werken. Viel dazu ist schon ausgeheckt; im Kopfe nämlich. Diese muß ich erst vom Halse [286] haben; zwei große Symphonieen, und jede andere; und ein Oratorium. Und damit wird's lange dauern; denn, sehen Sie, seit einiger Zeit bring' ich mich nicht mehr leicht zum Schreiben. Ich sitze und sinne und sinne; ich habs lange: aber es will nicht aufs Papier. Es grauet mir vor'm Anfange so großer Werke.131 Bin ich drin: Da geht's wohl... Und so fuhr er noch lange fort. Da zweifle ich nun. Doch wollen wir hoffen, weil ihn der Gedanke reizt und er einmal über das andere versichert, ihn nicht außer Acht lassen zu wollen.«


Wir haben diese Mitteilungen hier wiedergegeben, da sie mit dem Anspruche eines historischen Berichtes auftreten, mußten aber stellenweise unsere Bedenken aussprechen und wiederholen unsere Mahnung zur Vorsicht bei Benutzung derselben. Der Gedanke, Goethes Faust zu komponieren, war schon früher einmal aufgetaucht132 (1808) und noch in seinen letzten Lebensjahren schwebte er ihm vor. Daß er mit Rochlitz darüber gesprochen, ist an sich wohl glaublich. Hier machen wir auf eins aufmerksam. Der Antrag Griesingers (oben S. 281), ein neues Operngedicht zu bearbeiten, kam ebenfalls von Härtel; er fällt in der Zeit mit Rochlitz' Aufforderung beinahe zusammen. Das waren doch zwei verschiedene Dinge, welche Härtel nicht ohne weiteres als ein einheitliches vorschlagen konnte. Ich bin daher geneigt anzunehmen, daß der Vorschlag, Musik zu Faust zu komponieren, von Rochlitz selbst und nicht von Härtel herrührt, wenigstens nicht als unmittelbarer Vorschlag; sonst hätte doch Griesinger nicht davon geschwiegen.

Wir entnehmen aber anderen Angaben, daß in jener Zeit Rochlitz eigene Pläne mit Beethoven verfolgte. Nach Schindler (I S. 199) hatte er 1822 bei seiner Anwesenheit Beethoven seine Dichtung »Preis der Tonkunst« zur Komposition vorgelegt; dieselbe wurde bekanntlich in einer neuen von Haslinger veranstalteten Ausgabe (1836) der Kantate »Der glorreiche Augenblick« zu grunde gelegt. Rochlitz aber hatte noch weitere Wünsche; in einem Briefe an Haslinger vom 10. September 1822 (damals war er also in Leipzig zurück) schreibt er:133


»Übrigens wünschte ich sehr, daß sich der herrliche Beethoven auch einmal durch eines meiner musikalischen Gedichte (Auswahl 5ter Band) zu einer Komposition begeistert fühlte; und zwar vielleicht durch das, eben für ihn [287] wenn ich nicht irre, am meisten passende der erste Ton. Ich wünsche es nicht aus Eitelkeit, oder sonst in Rücksicht auf mich – als worüber ich längst hinweg bin, sondern weil er da Raum und Stoff für seine reiche Fantasie und große Kunst der Ausmalung fände – Raum und Stoff in Überfluß.«


Beethoven prüfte den Gedanken, ging aber auf denselben nicht ein, und lehnte die Komposition ab. Am 23. Dezember 1822 schrieb Rochlitz nochmals an Haslinger:


»Beethoven hat, wie ich wirklich erst auf seine Erinnerung bemerke, nicht unrecht, wenn er sagte, die musikalische Bearbeitung des ersten Tons möchte an Haydns ›Schöpfung‹ erinnern. Zwar ließe sich diesem ausweichen, wenn man eine ganz andere Behandlung erwählete, nämlich daß man das Gedicht als Declamationsstück mit Zwischenmusik der Instrumente (melodramatisch) behandelte; aber so ist es schon früh einmal, obgleich nicht gut in Musik gesetzt worden, und da wird es unser Künstler nicht nochmals so machen wollen, obgleich jene Composition fast gar nicht bekannt geworden ist und auf der ganzen Erde Niemand weniger als Er diese Collision zu scheuen hätte. Sollte er dennoch in diese Idee eingehen wollen, so dürfte der äußere Zuschnitt am vortheilhaftesten also zu machen sein.«


Daß Beethoven auf den Gedanken nicht einging, wird niemand wundern, der von dem Gedicht Kenntnis nimmt. Wir teilen es im Anhang mit.134

Von diesen weiter gehenden Wünschen erzählt uns nun Rochlitz in seinem Berichte, der ja erst ein Jahrzehnt später an die Öffentlichkeit trat, nichts, obgleich sie ihn doch sicherlich beschäftigten; und z.B. die Frage wegen des Textes »Preis der Tonkunst«, bei welcher auch Haslinger interessiert war, gewiß besprochen ist; dadurch wird unser Vertrauen in die Zuverlässigkeit seiner Mitteilungen nicht gestärkt. Wir wollen hier noch die Fortsetzung seines Berichtes folgen lassen, den wir oben unterbrochen haben. S. 358 fährt er fort:


»Unsere dritte Zusammenkunft war die heiterste von allen. Er kam hierher, nach Baden,135 und zwar diesmal ganz nett und sauber, ja elegant. Doch hinderte ihn dies nicht (es war ein heißer Tag), bei einem Spaziergange im Helenenthal – und das heißt, auf dem Wege, den Alles, selbst der Kaiser und sein hohes Haus geht, und wo Alle auf meist schmalem Pfade hart an einander vorbei müssen – den seinen schwarzen Frack auszuziehen, ihn am Stocke auf den Rücken zu tragen und blosarmig zu wandern. Er blieb von ungefähr Vormittags zehn, bis Nachmittags sechs Uhr. Jener sein Freund [288] und Gebauer136 waren mit ihm. Diese ganze Zeit über war er überaus fröhlich, mitunter höchst possierlich, und Alles, was ihm in den Sinn kam, mußte heraus. (›Ich bin nun einmal heute aufgeknöpft‹; so nannte ers, und bezeichnend genug) Sein ganzes Reden und Thun war eine Kette von Eigenheiten, und zum Theil höchst wunderlichen. Aus allem leuchtete aber eine wahrhaft kindliche Gutmüthigkeit, Sorglosigkeit, Zutraulichkeit gegen Alle, die ihn nahe kamen, hervor.137 Selbst seine keifenden Tiraden – wie jene gegen die jetzigen Wiener, deren ich oben gedachte – sind nur Explosionen der Phantasie und augenblicklichen Aufgeregtheit. Sie werden ohne allen Hochmuth, ohne alles Erbitterte und Gehässige der Gesinnung – sie werden mit leichtem Sinn, gutem Muthe, in wirrig humoristischer Laune herausgepoltert; und damit ist's aus.138 Auch beweiset er im Leben – und für seine Subsistenz nur allzuoft und allzuentscheidend – daß er demselben, der ihn schwer verletzt und gegen den er in der einen Stunde am heftigsten geeifert, in der zweiten den letzten Thaler hingiebt, wenn dieser ihn nöthig hat. Da nun zu alle dem noch das froheste Anerkenntniß fremder, wenn nur wahrhaft ausgezeichneter und zugleich wahrhaft selbstständiger Verdienste kömmt; (wie spricht er von Händel, Bach, Mozart!) da er über die größeren seiner Arbeiten sich zwar nicht meistern läßt, (und wer hätte auch dazu das Recht?) aber wahrlich sie nicht überschätzt, und die kleineren lachend mehr preisgiebt, als vielleicht irgend ein Anderer; da überdies, ist er einmal in Bewegung gesetzt, derbschlagende Witzworte, possierliche Einfälle, überraschende, aufregende Kombinationen und Paradoxien, ihm immerfort zuströmen: so behaupte ich in vollem Ernst: er erscheint selbst liebenswürdig; oder erschrickst Du hier vor diesem Worte, so sage ich: der dunkle, ungeleckte Bär hält sich so treumüthig und zutraulich, brummt auch und schüttelt die Zottelchen so gefahrlos und kurios, daß man sich freuen und ihm gut sein müßte, sogar wenn er nichts wäre, als solch ein Bär, und nichts geleistet hätte, als was nun eben ein solcher kann. Die Geschichte dieses Tages aber, oder vielmehr die Summe seiner kleinen originellen Geschichtchen, muß ich für mündliche Mittheilung aufheben; denn wann wollte ich Kurgast, der nicht schreiben soll, zu Ende kommen. Indessen – als ich den guten Beethoven in den Wagen geschoben hatte und allein in jenem reizenden Thale auf und ab ging: da wurde mirs doch wieder sehr ernst zu Muthe.«


[289] Die Betrachtungen, welche Rochlitz hier weiter anschließt, zuerst Beethovens Leiden betreffend, dann allgemeiner Natur, übergehen wir hier.

Was die Zeit dieser Zusammenkunft betrifft, so wissen wir bereits, daß Beethoven seit dem 1. September für längeren Aufenthalt nach Baden gekommen war; hier handelt es sich aber um einen Besuch von einem Tage, und zwar an einem heißen Tage, und so ist diese spätere Zeit ausgeschlossen. Da nun Rochlitz am 9. Juli schrieb, so muß also Beethoven von Oberdöbling aus, wo er damals noch war, mit Freunden in der ersten Zeit des Juli139 einen Ausflug nach Baden gemacht haben. Da auch Schindler gegen das Tatsächliche in diesen Mitteilungen keinen Einwand macht, so haben auch wir keinen Anlaß, an der Richtigkeit von Rochlitz' Erzählung zu zweifeln; seine Mitteilungen im einzelnen werden einer prüfenden Kritik zu unterziehen sein.

Von späteren Beziehungen zwischen Beethoven und Rochlitz ist nichts bekannt; doch blieb bei Beethoven die Schätzung des geistvollen Schriftstellers bestehen, und noch in seiner letzten Krankheit erklärte er auf eine Frage, daß er Rochlitz zu seinem Biographen erwählen würde. Wir Nachgeborenen brauchen es nicht zu bedauern, daß Rochlitz den an ihn gerichteten Antrag – seiner Gesundheit wegen – abgelehnt hat. –

Eine andere, uns noch mehr interessierende Begegnung hatte Beethoven in diesem Jahre (doch früher) mit Rossini.140 Rossinis Opern waren schon seit mehreren Jahren in Wien aufgeführt worden und hatten Aufsehen und wachsenden Enthusiasmus erregt, der sich unter der Einwirkung von Rossinis Anwesenheit bis zum Fanatismus steigerte. Auch Beethoven hatte den Barbier, nachdem er vorher von der Partitur Einsicht genommen, von den besten italienischen Sängern aufführen gesehen und war davon sehr befriedigt (er liebte ja italienischen Gesang), so daß er sogar auf den Gedanken kam, eine italienische Oper zu schreiben, der nun freilich, wie so manches andere, unausgeführt blieb.141 Rossini war früh im Jahre 1822 nach Wien gekommen;142 man war entzückt von dem gebildeten, liebenswürdigen Manne. Am 13. April wurde die für Wien geschriebene Oper Zelmira in Anwesenheit des Maestro aufgeführt; bei den weiteren Vorstellungen [290] steigerte sich der Jubel und erreichte bei der Schlußvorstellung der Saison, Rossinis Corradino, seinen Höhepunkt.143 Daß dieses Eindringen neu-italienischer Musik den Geschmack des Wiener großen Publikums stark beeinflußte und dasselbe zeitweise von den deutschen Meistern abwandte, ist erklärlich; auch ernste Männer verfielen dem Enthusiasmus. Davon war auch Beethoven betroffen und empfand es, war aber im Bewußtsein seiner künstlerischen Größe für die Folgen ruhig. In einem Gespräche über die neuen Zustände, die manchem fast trostlos erschienen, hörte ihn Schindler mit Emphase erwidern: »Nun, den Platz in der Kunstgeschichte können sie mir doch nicht nehmen!«144 Seine Äußerungen über Rossini lassen wohl erkennen, wie entschieden er den Abstand seiner Kunst von der Rossinis empfand.145 Doch brauchte er nicht zu fürchten, daß diese leicht fließende und faßliche, auf den Glanz gesanglicher Leistungen gerichtete, nicht in die Tiefe des Herzens dringende, dabei aber geschickt und mit Kenntnis der Bühne und musikalischen Technik geschriebene Musik für die Dauer der mehr und mehr sich Bahn brechenden Wirkung seiner Schöpfungen Gefahr bereiten könne.

Rossini hatte die Quartette Beethovens, durch Mayseder vorgetragen, gehört und war von denselben sehr begeistert; der Wunsch, Beethoven zu besuchen, war natürlich, er hatte denselben auch dem Bruder Johann oder dem Neffen146 ausgesprochen, wie einer derselben in einer Konversation aus jener Zeit dem Meister aufschreibt. Nun erzählt Schindler (II S. 178), Rossini habe zweimal in Begleitung Artarias (der auch zweimal habe anfragen lassen) bei Beethoven vorzusprechen gesucht, Beethoven aber habe sich stets entschuldigen lassen. Das sei in Wien viel besprochen und kommentiert worden; in Beethovens Gegenwart habe man dies nicht erwähnen [291] dürfen.147 Jene Erzählung, welche von Nohl (III S. 326) und Wasielewsky (II S. 127) ohne Kritik nacherzählt wurde, ist vollständig irrtümlich und später durch Rossini selbst widerlegt.148 Im Jahre 1867 besuchte Hanslick mit 2 Begleitern in Paris Rossini und berichtete darüber an die Neue Freie Presse;149 aus ihrer Unterhaltung ist folgendes mitzuteilen.


»Aber plötzlich, als wollte er absichtlich an höheres erinnern, fragte er, ob denn Mozarts Denkmal in Wien schon vollendet sei? Und Beethovens? Wir drei Österreicher sahen etwas verlegen drein. ›Ich erinnere mich sehr genau an Beethoven,‹ fuhr Rossini nach einer Pause fort, ›obwohl es bald ein halbes Jahrhundert her ist. Bei meinem Aufenthalt in Wien habe ich mich beeilt, ihn aufzusuchen.‹ – ›Und er hat Sie nicht vorgelassen, wie Schindler und andere Biographen versichern.‹ – ›Im Gegentheil,‹ corrigierte mich Rossini, ›ich ließ mich durch Carpani, den italienischen Dichter, mit dem ich zuvor auch Salieri besucht, bei Beethoven einführen, und dieser empfing uns sofort und sehr artig.‹ Freilich währte der Besuch nicht lange, denn die Conversation mit Beethoven war geradezu peinlich. Er hörte an dem Tage besondere schlecht und verstand mich nicht trotz des lautesten Schreiens; obendrein mag seine geringe Uebung im Italienischen ihm das Gespräch noch erschwert haben.«


Ganz ähnlich hatte Rossini schon früher (1856) Hiller beim Gespräche über Beethoven erzählt:150


»Während meines Aufenthalts in Wien habe ich mich durch den alten Calpani [Carpani] bei ihm vorstellen lassen; aber bei seiner Taubheit und meiner Unkenntnis der deutschen Sprache war kein Gespräch möglich. Ich freue mich, ihn wenigstens gesehen zu haben.«151


[292] Es kam hier nur darauf an, festzustellen, daß die persönliche Begegnung von Beethoven und Rossini nach des letzteren eigenem Zeugnisse stattgefunden hat, und daß der Vorwurf einer ungewöhnlichen Unfreundlichkeit und Abschließung auf Beethovens Gedächtnis nicht lastet, wenn auch seine Ansicht über Rossini dieselbe blieb und später auch wohl noch schärfer zum Ausdruck kam. Wir sehen aber auch hier wieder, welche Vorsicht bei der Annahme von Schindlers Mitteilungen geboten ist. –

Letztere Erfahrung machen wir auch aus Schindlers Mitteilung über eine Begegnung Beethovens mit Franz Schubert, welche ebenfalls in dieses Jahr verlegt wird.152 Wir hatten früher Veranlassung zu bemerken, daß Schubert und Beethoven sich zwar kannten und sich zuweilen am dritten Orte sahen, daß aber eine nähere Beziehung zwischen ihnen nicht bestand; Beethoven hatte bisher von dem jungen Komponisten wenig Notiz genommen, während dieser mit Bewunderung und scheuer Verehrung zu ihm aufblickte.153 Nun erzählt Schindler, daß Schubert, in Begleitung Diabellis, dem Meister die ihm gewidmeten vierhändigen Variationen überreichte, daß ihn aber im Angesicht der Künstler-Majestät der Mut ganz verlassen habe, so daß er kaum im stande gewesen sei, die an ihn gerichteten Fragen schriftlich zu beantworten. Als ihm aber Beethoven eine kleine harmonische Unrichtigkeit gezeigt habe, welche jedoch »keine Todsünde« sei, sei er ganz außer Fassung gekommen und habe sich erst außerhalb des Hauses wieder zusammengerafft, aber niemals wieder den Mut gehabt habe, sich dem Meister vorzustellen. Dem gegenüber führt Schuberts Biograph, Heinrich von Kreißle, (S. 261) das Zeugnis Joseph Hüttenbrenners an, der mit Schubert nahe befreundet war und von diesem gehört habe, daß er sich allerdings zu Beethoven begeben habe, ihn aber nicht zu Hause getroffen und die Variationen der Magd oder dem Diener übergeben habe, damals also Beethoven weder gesehen noch gesprochen habe. Später habe Schubert mit Freude vernommen, daß Beethoven an den Variationen Gefallen finde und [293] sie oft und gern mit seinem Neffen Carl durchspiele.154 Nähere Bekanntschaft mit Schuberts Kompositionen machte Beethoven erst später, auf seinem Krankenlager nach Schindler; und da wird uns auch Schubert noch einmal begegnen. Die obige Erzählung Schindlers trägt, auch wenn wir Hüttenbrenners Zeugnis nicht hätten, die Spur der Unwahrscheinlichkeit in sich; auch konnte Schindler nicht Augenzeuge gewesen sein, da er das gewiß gesagt hätte; er wohnte in diesem Jahre noch nicht mit Beethoven zusammen. –

Noch eine interessante Begegnung hatte in diesem Jahre der Schauspieler Heinrich Anschütz mit Beethoven, welche er uns in seinen Erinnerungen erzählt.155 Er hielt sich im Sommer 1822 in Döbling auf und sah auf einem Spaziergange in der Nähe von Heiligenstadt auf dem Wiesengrunde zwischen Bäumen und dem Bach


»einen Mann gelagert, in etwas ungeordneter Kleidung, den gedankenschweren, geistreichen, wildschönen Kopf in die linke Hand gestützt, und den Blick auf ein Notenblatt geheftet, in das er mit der Rechten mystische Runenzüge eingrub, während er in den Zwischenpausen mit den Fingern trommelte. Ah, Beethoven! rief ich in Gedanken aus. Ich hatte ihn eine Weile mit dem höchsten Interesse beobachtet und wollte mich soeben, um ihn in seinen Künstlerträumen nicht zu stören, nach der Richtung, woher ich gekommen war, wieder zurückziehen, als er plötzlich das Haupt erhob und unsere Blicke sich begegneten. Ich grüßte ihn, was er kurz erwiderte. Unwillkürlich gefesselt, trat ich näher und entschuldigte, daß ich ihn gestört hätte. ›Der Weg ist für jedermann.‹ ›Darf ich wissen, was da gerade im Entstehen ist?‹ ›Dummes Zeug, ein Orchesterstück, das ich hier aufführen will, um die Gelsen (Mücken) und Ameisen zu vertreiben.‹ Hiermit war die Unterhaltung aus. Er starrte in das Notenblatt, trommelte, schrieb und vergaß ganz und gar auf den Nachbar. Endlich entfernte ich mich leise, und er war so verloren, daß er es nicht bemerkte. Ich begegnete ihm nun öfter. Obwohl damals schon sehr schwerhörig, war er doch dem Umgang mit Menschen noch nicht ganz verschlossen. Wir wurden bald näher bekannt. Eines Tages begleitete ich ihn eine Strecke. Wir sprachen über Kunst, Musik und endlich über Lear und Macbeth. Wie zufällig warf ich die Bemerkung hin, daß mich schon öfter der Gedanke beschäftigt habe, ob er nicht als Seitenstück zur Egmontmusik den Macbeth musikalisch illustrieren sollte? Der Gedanke schien ihn zu elektrisiren. Er blieb wie angewurzelt stehen, sah mich mit einem durchdringenden, fast dämonischen Blicke an und erwiderte hastig: ›Ich habe mich auch schon damit beschäftigt. Die Hexen, die Mordscene, das Geistermahl, die Kesselerscheinungen, die Nachtwandlerscene, Macbeths Todesraserei!‹ Es war im höchsten Grade interessant, seinem Mienenspiele zu folgen. in welchem sich die [294] blitzschnellen Gedanken jagten. In wenigen Minuten hatte sein Genius das ganze Trauerspiel durchgearbeitet. Bei der nächsten Frage, die ich an ihn richtete, drehte er sich um und rannte nach einer flüchtigen Begrüßung davon. Leider aber war seiner stürmischen Erregung nicht die That gefolgt. Als ich nach einiger Zeit das Thema noch einmal berührte, fand ich ihn verdrießlich und schwieg. Welcher Schatz ist der Musikwelt durch die wachsende Verdüsterung seines Innern entzogen worden! Was müßte Macbeth mit Unterstützung seiner Töne geworden sein!«


Daß Beethoven von diesem Gedanken stark ergriffen wurde, daß er sagt, er habe sich auch schon damit beschäftigt, fällt nicht auf, da wir bereits wissen, daß Beethoven in den Jahren 1808/9 eine Oper Macbeth zu komponieren vorhatte, zu welcher Collin den Text nach Shakespeare zu schreiben begonnen, denselben aber nicht vollendet hatte.156 Heinrich Anschütz war derselbe, welcher die von Grillparzer verfaßte Gedächtnisrede an Beethovens Grabe zu halten hatte. Auch davon erzählt er uns in seinen Erinnerungen (S. 252). –

Und jetzt ist es an der Zeit, daß wir uns der Hauptarbeit dieses Jahres und der Aufführung, für welche sie bestimmt war, zuwenden. Vorher sei erwähnt, daß Beethoven nach Beendigung des Badener Aufenthalts und nach der Rückkehr in die Stadt das neue von dem Bruder gemietete Quartier in der Kothgasse (jetzt Gumpendorfer Straße) bezog, wo er mit dem Bruder in demselben Hause wohnte. Bei diesem Umzuge traf ihn noch ein besonderes Mißgeschick. In einem Artikel des Morgenblatts vom 5. November 1823 über Beethoven, welchen die Wiener Theater-Zeitung vom 15. November 1823 abdruckte, und der von einer kundigen Hand herrührt, lesen wir: »Sehr schmerzlich fiel es ihm, daß im verflossenen Jahre bei Gelegenheit seiner Übersiedlung vom Lande in die Stadt, viel leicht durch Nachlässigkeit, vielleicht durch Treulosigkeit des mit dem Fortschaffen der Effekten Beauftragten – denn häufig wird der nur mit seiner Kunst Beschäftigte hintergangen – seine ganze Korrespondenz in Verlust geriet.« »Im vorigen Jahre«, also 1822. Alles weitere muß Vermutung bleiben, da dieses Ereignis sonst nicht erwähnt wird; daß es der definitive Umzug von Baden nach Wien, nicht ein vielleicht nur vorübergehender von Oberdöbling nach Wien war, ist uns wahrscheinlicher.

Aber schon vorher, als er noch in Baden war, hatte ihn die neue Arbeit in Anspruch genommen, die ihn wieder einmal mit der Öffentlichkeit in Verbindung bringen sollte – die Musik zu der Weihe des Hauses, [295] d.h. zur Einweihung des Josephstädter Theaters. »Kaum bin ich hier,« schreibt er am 13. September aus Baden, »so befindet sich ein Theaterdirektor, der ein Theater in Wien erbaut und es mit einem Werke von mir eröffnet, hier, dem zu Gefallen ich einige neue Werke hinzuschreiben mußte.« Und in demselben Monat schreibt er an Bruder Johann, ebenfalls aus Baden: »Mittlerweile hat mich die Josephstadt hier in Arbeit gesetzt, welches mir bei meiner Wasser- und Badekur wirklich beschwerlich fällt. – Ich habe unterdessen schon einen neuen Chor mit Tänzen und Sologesängen gemacht.157 Läßt es meine Gesundheit zu, so mache ich noch eine neue Ouvertüre.«

Carl Friedrich Hensler,158 Direktor der vereinigten Bühnen von Preßburg und Baden, mit Beethoven gut bekannt und von ihm sehr geschätzt, hatte 1821 das Privilegium des: Theaters in der Josephstadt an sich gebracht und für dasselbe ein neues Haus aufgeführt, welches 1822 am 3. Oktober, dem Namenstage des Kaisers, feierlich eröffnet werden sollte. Als Feststücke waren zwei Dichtungen von Carl Meisl159 gewählt, »Die Weihe des Hauses« und »Das Bild des Fürsten«. Ersteres war eine Nachbildung der zu âhnlichem Anlasse für Pesth geschriebenen »Ruinen von Athen« (1812). Meisl hatte also die Worte der Veränderung des Orts anzupassen, dieselben aber doch so einzurichten, daß sie zu Beethovens Musik zu den Ruinen paßten. Selbstverständlich war Beethoven in Anspruch genommen und auch bereit, mitzuwirken, daß das neue Stück, welchem ein längst komponiertes Werk Beethovens zu grunde gelegt war, für den neuen Zweck hergerichtet werde; er sollte die nötigen Abänderungen vornehmen und einiges Neue hinzukomponieren.

Es ist Nottebohm gelungen, das Textbuch wieder ausfindig zu machen; er hat dasselbe in der Allg. Mus. Ztg. von 1873 (Nr. 25) mitgeteilt.160 [296] Durch Nottebohms Verdienst sind wir in den Stand gesetzt, den Text mit dem uns bekannten zu den Ruinen zu vergleichen. Den Text zur Weihe des Hauses hat Meisl in dem von ihm herausgegebenen »Taschenbuch von K. K. priv. Theater in der Leopoldstadt. Zwölfter Jahrgang. Wien 1825«, mitgeteilt, und zwar nach Nottebohms wohl begründeter Vermutung so, wie er ihn geschrieben und der Theaterdirektion übergeben hatte, ohne die bei der Aufführung noch nötig gewordenen Änderungen zu berücksichtigen. Nach Beethovens Durchsicht mußte der Text sich noch Veränderungen gefallen lassen; denn es war Meisl nicht gelungen, seine Worte der vorhandenen Musik Beethovens ordentlich anzupassen, mit andern Worten, den ursprünglichen Text Kotzebues genau nachzubilden. Diese und andere Klagen mögen Beethoven den Ausruf entlockt haben, den Schindler in seiner Handschrift las: »Zum Meißel ist er gut, aber zum Bildner?!«

Gleich der erste Chor ist musikalisch ganz derselbe wie in den Ruinen; Meisl hat aber die Worte geändert, weil sie jetzt nicht wie dort an Minerva, sondern an Thespis, den Vertreter der dramatischen Dichtkunst, gerichtet sind. Es heißt daher nicht: »Tochter des mächtigen Zeus! erwache!« sondern: »Folge dem mächtigen Rufe getrost!« und anstatt »sein Ruf ertönt,« heißt es jetzt: »Hierher! hierher!« Es war klar, daß diese Worte nicht zu Beethovens Melodie paßten; sie wurden daher, sicherlich auf seine Veranlassung, geändert in »Folge dem mächtigen Ruf der Ehre! Hierher, hierher!« Auch dieses hierher! will nicht recht zu Beethovens Noten passen.161

Auf den Ruf kommt nun Thespis mit seinem Karren und den Attributen der Bühnenkunst (in den Ruinen spricht hier Minerva); er sucht eine Ruhestätte, einen Tempel für die Kunst, findet sich aber in einer rauhen Gegend, und weiß nicht, wohin er sich wenden soll. In diesen gesprochenen Partien ist Meisl natürlich selbständig und von Kotzebue unabhängig. Am Schlusse seiner Worte schreibt Meisl »Akkord« und denkt sich wohl Apollos Erscheinen von Musik begleitet. Es erscheint Apollo, der ihn auch bisher geleitet; er ermuntert ihn, seiner Kunst sich bewußt zu werden, welche belebend gleich der Sonne in die Finsternis dringe und aus der Wüste ein Paradies schaffe.162 Nottebohm wirst hier die Frage auf, ob Beethoven von diesen Andeutungen Meisls Gebrauch gemacht und [297] an diesen beiden Stellen (Akkord und Harmonika) Musik eingelegt habe; das darf aber wohl verneint werden, weitere Musikstücke außer den bekannten sind nicht vorhanden und Beethoven würde sie, wenn sie fertig waren, sicherlich nicht haben untergehen lassen. Bei Apollos Worten wandelt sich die Gegend in eine schöne, rosig beleuchtete Landschaft; Apollo gibt sich dem erstaunten Thespis zu erkennen, und da dieser niederknien will, belehrt er ihn:


»Nicht sollst du die Kniee beugen,

Dieses ziemt dem Künstler nicht.

Freisinn – Kunstsinn sei ihm eigen,

Dann gelanget er ans Licht,«


und knüpft daran eine weitere Vorhaltung über die Pflichten des Künstlers. Auf die weiteren Fragen des dankbaren Thespis belehrt er ihn (in geschmackloser Nachbildung von Goethes »Kennst du das Land«) über das Land, in welchem sie sich befinden, den Strom (Donau), die Stadt (Wien), und verspricht dem Zagenden, ihm selbst einen Tempel zu bauen. Thespis will einen ernsten Weihegesang, »zur Probe« liefern, zuerst aber, da die Kunst dort, wo sie geboren, in Fesseln liege und nur aus den Ruinen seufze, in einem kurzen Zwischenspiele den Verfall schildern; ein Jüngling und ein Mädchen kommen klagend, Ruinen von Tempeln werden sichtbar. Dieses Zwischenspiel enthält das Textbuch nicht, es war also der Ausführung überlassen. Hier wurde also zunächst das Duett »Ohne Verschulden« aus den Ruinen eingelegt; das steht durch die Berichte in den Zeitschriften jener Tage163 und Schindlers Zeugnis (II S. 9) fest. Dann folgte nach aller Wahrscheinlichkeit der Derwischchor und der türkische Marsch; denn Thespis zeigt eine Mehrheit von Bildern des Verfalls,164 und durch Hinzunahme dieser Stücke wird die Zahl von 10 Stücken des neuen Werkes, welche Beethoven in einem Briefe an den Bruder angibt, voll; von dem »Akkord« und der »Harmonika« muß hier doch wohl abgesehen werden. Apollo mahnt ihn jetzt, nicht alles aus den Verfallzeiten zu schildern; die ewig blühende Kunst solle sich einen neuen Schauplatz suchen; hier in diesem schönen Lande, bei dem seinem Herrscherhause treuen Volke soll sie wohnen.165 Auf seinen Wink wird das neue Haus sichtbar, es erscheinen [298] »Thaliens Sprossen«, der Tanz und die Grazie mit ihrem Gefolge, und es beginnt von beiden geführt der Chorsatz:


»Wo sich die Pulse

jugendlich jagen,

Schwebet im Tanze

das Leben dahin« usw.


Das ist der Chor, welchen Beethoven im September 1822 zu diesem besonderen Zwecke hinzukomponierte.166 Auch hier zeigt der Text des Musikstücks Verschiedenheiten gegenüber dem ursprünglichen Meislschen Text. Nun läßt Apollo die verschiedenen Dichtungsgattungen – Lustspiel, Satire, Parodie, schließlich Melodram und Gesang – erscheinen; wir werden in den Tempel geführt, der mit Altären und den Bildern der Musen geschmückt ist, und es beginnt der Marsch mit Chor, wie wir ihn aus den Ruinen kennen. Diesen hat Beethoven zu dem vorliegenden Zwecke neu eingerichtet; die gesprochenen Worte (S. 62 der Partitur) fehlen, der gesungene Text ist erweitert (»Empfanget uns –«); die zugefügten Worte stehen nicht bei Meisl.167 Dann tritt der Oberpriester auf; die Worte, die ihn Meisl zuerst sprechen läßt, stimmen mit geringen Änderungen und Weglassung der Schlußworte mit den Worten überein, welche in den Ruinen der Greis spricht (Nr. 5, S. 59 der Partitur) und waren zweifellos von derselben melodramatischen Musik begleitet wie dort, wenngleich Meisl dies nicht sagt.168 Dann folgt das Rezitativ des Oberpriesters (Ruinen Part. S. 82, wieder die Worte Kotzebues) mit einer unwesentlichen Änderung, hierauf der Chor: »wir tragen empfängliche Herzen« (Part. S. 85, mit Kotzebues Worten), dann die Arie des Oberpriesters (Part. S. 90) mit entsprechend geänderten Schlußworten, und es erhebt sich ein dritter Altar, nicht wie in den Ruinen mit dem Bilde des Königs, sondern mit »Oesterreichs Schutzgeist«; ein kurzer Jubelchor, und nach einer neuen Anrede Apollos folgt [299] der glänzende Schlußchor (»Heil unserm Kaiser«), in welchem statt der früheren »ungarischen« Treue»alte österreichische Treue« geschworen wird.169

Außer dem einen genannten Chore hat dann Beethoven dem Werke aus diesem Anlasse eine neue Ouvertüre gegeben, die zur»Weihe des Hauses.« Die Ouvertüre zu den Ruinen konnte sich als Eröffnungsstück nicht eignen, diese waren ja bei jener früheren Gelegenheit das zweite Stück, oder wie Beethoven selbst an den Bruder schreibt, ein »Nachstück«.

Der Meislsche Text verrät nach Erfindung und Sprache keine poetische Begabung und steht durchaus unter dem Kotzebueschen; wir können uns Beethovens Unmut wohl erklären.170 Die anfängliche Unklarheit der Lokalität, die gezwungene Einführung des Zwischenspiels und die seltsame Aufzählung der Dichtungsgattungen, von denen er die ernsteren gar nicht auftreten läßt, wenngleich sie nachher (nach Kotzebue) genannt werden, durften wohl Bedenken erregen und erklären uns, weshalb Beethoven die Wahrheit vermißte. Die Änderungen bei der Aufführung gingen noch weiter, wie bereits erwähnt, und erstreckten sich auch auf die Personen; insbesondere wurde Apollo durch Pallas [Minerva] ersetzt.171

Wann hat Beethoven die neue Musik geschrieben? Den Endpunkt gibt uns der 3. Oktober. der Tag der Aufführung; wann hat er begonnen? Bei dieser Frage mußte uns Schindler Führer sein, ist aber leider kein ganz sicherer. Schindler erzählt II S. 6:


»Den Sommer von 1822 in Baden weilend, wo der Verfasser sich gleichfalls befand, machte er sich nach völlig beendigter Feile an der Missa solemnis im Laufe des Monats Juli an diese neue Arbeit, die jedoch in Folge der überaus warmen Temperatur der Jahreszeit nicht so rasch von Statten gehen wollte, wie aller Seite gewünscht worden.«


[300] Beethoven war aber, wie wir aus den Briefen an Peters und an Bruder Johann wissen, erst seit dem 1. September in Baden und wohnte vorher in Döbling. Erst in Baden hat er die neuen Stücke geschrieben, wie die schon angeführten Briefe ergeben. Eine von Beethoven revidierte Abschrift des Chores »Wo sich die Pulse« trägt von Beethovens Hand die Aufschrift: »geschrieben gegen Ende September 1823, aufgeführt am 3. Oktober am Josephstädt. Theater.« Die falsche Jahreszahl 1823 steht auch auf einer Abschrift der Ouvertüre und des später zu erwähnenden Gratulationsmenuetts; es ist ein Irrtum Beethovens, es muß natürlich 1822 heißen.172 Da das Stück leicht erfunden und gestaltet ist, steht der Annahme, daß es im September nicht bloß beendigt, sondern auch begonnen ist, nichts entgegen. Bei der Ouvertüre kann vollends kein Zweifel sein; Beethoven erzählt dem Bruder (s. o. S. 277), daß er den neuen Chor mit Tänzen und Sologesängen komponiert habe, und fügt hinzu, daß er, falls es seine Gesundheit zulasse, auch noch eine neue Ouvertüre machen werde.173 Sie gehört also in den September. Schindler war also hinsichtlich der Zeit, wenn er den Juli für diese neuen Kompositionen angibt, im Irrtum und hat sich wohl in der Erinnerung getäuscht. Daß die Ouvertüre wirklich im September in Baden entstanden ist, geht aus Schindlers eigener Erzählung hervor. Er erzählt II S. 7:


»Mittlerweile war der September herangekommen. Es war daher an der Zeit, an Ausarbeitung einer neuen Ouvertüre zu gehen, denn der Meister hatte längst die den Ruinen von Athen zugehörige aus begreiflichen Gründen zur bevorstehenden Eröffnungsfeier für nicht geeignet befunden. Eines Tages mit ihm und seinem Neffen in dem schönen Helenenthale bei Baden uns ergehend, hieß Beethoven uns eine Strecke voraus zu wandern und ihn an einer bezeichneten Stelle erwarten. Nicht lange hatte er uns schon eingeholt, bemerkend: er habe nun zwei Motive zu einer Ouvertüre notirt. Sofort äußerte er sich auch über den Plan der Bearbeitung dahin, daß das eine in freiem, das andere aber in strengem Styl, und zwar im Haendel'schen, ausgeführt [301] werden solle. Soviel seine Stimme vermochte, sang er beide Motive und frug dann, welches uns wohl am besten gefalle? Es mag dies seine momentan rosige Stimmung bezeichnen, in welche er durch Auffinden zweier Edelsteine versetzt worden, nach denen er vielleicht schon lange gesucht hatte, Der Neffe entschied sich für beide, meiner Seits sprach ich den Wunsch aus, das Fugen-Motiv zu obigen Zweck bearbeiten zu wollen. Keinesfalls hat jedoch Beethoven die Ouverture ›zur Weihe des Hauses‹ ausgearbeitet, weil ich es gewünscht, sondern weil er sich längst mit dem Plan umgetragen, eine Ouverture unstrengen, und zwar ausdrücklich im Haendel'schen Style zu schreiben,«


Die Ouvertüre wurde denn auch zur Aufführung fertig: »das neu zusammengestellte Orchester des Josephstädter Theaters erhielt sie erst am Nachmittage vor der Eröffnung mit unzähligen Schreibfehlern in jeder Stimme. Was für ihre Einübung bei einem nahezu schon ganz gefüllten Parterre geschehen konnte, genügte kaum zur Correktur der größten Schreibfehler.«174

Die beiden für die »Weihe des Hauses« neu komponierten Stücke, Chor und Ouverture, sind also im eigentlichsten Sinne Gelegenheitskompositionen; sie sind in einer so kurzen Zeit konzipiert und ausgearbeitet, wie kaum ein anderes Werk jener Periode. Das hat man sich bei Aufnahme und Beurteilung derselben gegenwärtig zu halten. Wir wollen die Stücke kurz betrachten.

Der neue Chor hatte (s. o. S. 299) seine Stelle dort, wo der neue Kunsttempel sichtbar geworden und nun Tanz und Grazie mit ihrem Gefolge tanzend erscheinen;175 während des Gesanges und am Schlusse des Tanzes gruppiert sich alles. Beethoven hatte bei diesem Stück mit dem Textdichter und dem im Amte noch neuen Ballettmeister, der ein neu zusammengestelltes Korps einzuüben hatte, viele Schwierigkeiten; auch die fertige Nummer wollte er nicht ausfolgen, bis er das ganze Werk wieder durchgesehen; unter vielfachen Klagen wurde die Sache endlich geordnet. Die Vergleichung der komponierten Worte mit den ursprünglichen des Textbuches zeigt, daß einige ganz törichte Worte des letzteren wegfielen und eine längere Stelle in dem Gesange der Grazie hinzugedichtet wurde;176 die Verteilung zwischen Chor und Soli ist, wie wir doch wohl annehmen müssen, von Beethoven selbst bestimmt. Folgendes sind die Worte, die er komponierte:


[302] (Der Tanz.)


(Chor)


»Wo sich die Pulse

jugendlich jagen,

Schwebet im Tanze

das Leben dahin.


(Solo)


Laßt uns im Tanze,

das fliehende Leben

Neckend erhaschend,

dem Drucke entschweben.


(Solo und Chor)


Ist es im Herzen

Arglos und jung

Ist selbst das Sterben.

Zur Ruhe ein Sprung.


(Grazie.)


(Solo)


Paart sich im Tanze

die Anmuth im Blicke,

In den Geberden

die Grazie mild,

Wird es ein Bild

des verschönerten Lebens.


(Solo und einige Stimmen)


Lasset im Tanze

glühendes Leben

fröhlich entfalten

Mit heiteren Sinnen.

Jugend und Liebe –

Göttergefühle,

Jugend muß tanzen,

Ihr winket Freude.

Mögen die Alten

Mögen sie schleichen,

Uns rufet Freude

Zu fröhlichen Tänzen.

Jugend und Frohsinn

Pflücken die Blumen,

Winden sie alle

Zu festlichen Kränzen.


(Chor)


Lasset uns tanzend

Blumen hier pflücken

Und mit Entzücken

Gönnern sie streun.«


(Tableau).


[303] Zu Anfang regt es sich in einer lebhaften leisen Geigenfigur im Orchester, man hört kurze Motive der Hörner und eine anmutige einfache Melodie der Geige, und es folgt ein frischer Chorsatz, heiter, edel gestaltet, durchweg mit lebhafter Begleitung; sicher war er vom Tanze begleitet. Ihn unterbricht ein Solostück (wohl »der Tanz«), wieder munter und lebendig, welches an die Geläufigkeit und die Höhe der Sopranstimme nicht geringe Anforderungen stellt; hier sucht der Meister auch dem Ausdruck der Worte gerecht zu werden, man beachte die Koloratur auf »entschweben«.177 Nun bildet eine kurze Kadenz einer Solo-Violine (con grazia) den Übergang zu einem langsamen Satze, in welchem, nach Intonierung der Melodie durch die Violine, die »Grazie« die Vereinigung von Anmut im Blicke und der Grazie in den Gebärden im Tanze preist, in einer sanften, einschmeichelnden, eigentümlich an Mozart anklingenden Weise (pizz. und kurze abgestoßene Figuren der Bläser); die Begleitung ist hier stiller und diskreter, beherrscht von der Kantilene der Solovioline. Man möchte vermuten, daß auch hier ein Solotanz die Scene begleitete. Nach kräftig aufrufendem Übergange beginnt in lebhaftem Tempo ein munteres Tanzlied, einfach und zierlich, von einer Soloflöte begleitet, zwischen Solo und»einigen Stimmen« wechselnd; von den tieferen Stimmen wird die Tanzbewegung hübsch nachgeahmt; humoristisch wirkt es auch, wenn bei den Worten: »mögen die Alten, mögen sie schleichen« die Molltonart angeschlagen wird. Auch hier ist die Begleitung diskret; die Klangfarbe sehr reizend. Die klare Symmetrie der Abschnitte dient jedenfalls dem Tanze. Dann kehrt der Anfangschor wieder, diesmal kräftiger und voller; ein glänzendes Chorstück, in welchem nur Beethoven die hohen Stimmen stark anstrengt, das hohe C muß mehrere Takte hindurch ausgehalten werden. Lebhafte Triolenbewegung der Geigen und volle Harmonie der Blasinstrumente begleiten den Satz. der sich zu hohem Glanze steigert; ein langes festliches Nachspiel begleitet das, »Tableau«, für dessen Gestaltung die letzten Worte »lasset uns tanzend Blumen hier pflücken und mit Entzücken Gönnern sie streun« eine Hindeutung geben mögen. Die eigensinnige monotone Baßbegleitung zu dem jubelnden Ausgang zeigt den Humor, mit welchem Beethoven das Stück ausarbeitete.

Das Stück ist durchaus einfach erfunden und gestaltet und verleugnet die Spur rascher Konzeption und Ausarbeitung nirgendwo. Aber man würde demselben doch nicht gerecht, wenn man es einfach als »heiter unbedeutend« [304] abtut (Nohl III S. 883). Von Anfang bis zu Ende zeigt es Beethovens Geist und in Erfindung und Faktur Beethovens Eigenart und läßt vor allem die Klarheit und Objektivität erkennen, mit welcher er gegebenen Voraussetzungen sich anzupassen wußte. Der Chor gehörte zu den Nummern, welche durch Johanns Vermittlung Steiner angeboten wurden; das zerschlug sich damals, und so blieb der Chor ungedruckt bis zum Jahre 1888, in welchem er im Supplementbande der neuen Gesamtausgabe nach Mandyczewskis Revision178 zum erstenmal veröffentlicht wurde. Aufgeführt wurde er am 23. März 1873 durch Johannes Brahms in einem Gesellschaftskonzerte zu Wien, wohl zum erstenmal seit 50 Jahren.

Das andere neue Werk, welches Beethoven zu der Aufführung schrieb, die Ouvertüre in C, hebt uns nun freilich auf eine größere Höhe und läßt jenen Chor weit hinter sich; hier haben wir unseren Beethoven jener Zeit in seinem vollen Glanze. Es galt die Feier der Eröffnung eines neuen Kunsttempels; und seine Kunst zu feiern, das griff tief in sein Inneres, es nahm seine ganze Begeisterung in Anspruch. Über die Zeit der Entstehung der Ouvertüre wurde oben das Nötige gesagt, auch darüber, daß sich Beethoven entschlossen hatte, die Ouvertüre im strengen, speziell Händelschen Stile zu schreiben. Darin werden wir wohl nichts mehr zu suchen haben als die Absicht, im polyphonen, fugierten Stile zu schreiben, welchen er ja, wie wir längst wissen, in jenen Jahren mit bewußter Vorliebe und energischem Eifer pflegte; und wenn er speziell Händel nennt, so galt ihm dieser ja wie überhaupt so gerade in diesem Stile als der höchste und unerreichte Meister, und er mochte sich, da es eine Ouvertüre galt, an so manche Ouvertüre Händels erinnern, welcher ja gern seine Eröffnungsstücke mit einem langsamen, gewichtigen Stücke beginnt und diesem einen fugierten Satz folgen läßt; man denke an das Alexanderfest, den Messias und manche andere seiner Oratorien. Hier ist es von Interesse, was aus den Skizzen zu entnehmen ist, daß Beethoven nach Feststellung der Skizzen zu dem festlichen Einleitungssatze, den er auch beibehielt, zunächst ein anderes Thema für den Hauptsatz in Angriff nahm, wohl das, was er in Baden neben dem fugiert zu behandelnden gefunden hatte. Dies ließ er dann liegen, begann die Bearbeitung des Fugenthemas, nahm aber den Einleitungssatz zu diesem herüber. So hat die Ouvertüre Op. 124 einen [305] Einleitungssatz bekommen, der ursprünglich für einen anderen Hauptsatz bestimmt war.179 Für die Beurteilung der Ouvertüre ist diese an sich interessante Tatsache doch ohne Belang; in der Gestalt, welche ihr der Meister in der Ausarbeitung gab, ist sie doch sicherlich ein Werk aus einem Gusse.

Nach mächtigen, die Erwartung spannenden Akkordschlägen des ganzen Orchesters beginnt ein Gesang von wunderbarer, ernster Feierlichkeit, zuerst von den Bläsern, dann vom vollen Orchester, gleichsam das Herannahen eines Festzuges andeutend (wie Marx treffend bemerkt). Diese Einleitung zeigt gleich, in wie erhabener Weise Beethoven seinen Gegenstand erfaßt; wir blicken in seine Phantasie hinein und stellen uns vor, wie er den prächtigen, symmetrisch aufgebauten, hoch gewölbten Bau vor sich erschaut. Die Stimmung ist da; das Fest soll vor sich gehen; die Trompeten, muntere Läufe der Fagotte, von vollen Akkorden begleitet, beleben das Bild180 und geben ihm ein humoristisches Gepräge; dann nehmen auch die Geigen an der Sechzehntelbewegung teil, welcher sich auch andere Instrumente begleitend gesellen, eine kräftige Steigerung will einen Abschluß auf der Dominantentonart bringen, der aber leise und erwartend sich hinzieht, bis ein neues kleines Motiv, in Streich-und Blasinstrumenten wechselnd, auf- und absteigend, allmählich festen Zusammenhalt gewinnt und in kräftiger fester Steigerung unter Beschleunigung des Tempos das Thema des Hauptsatzes, jubelnd und festlich, gewinnt. Diesem gesellt sich ein Kontrasubjekt in synkopierten Gängen, denen sich Sechzehntelfiguren anschließen. So wird das Stück eine Zeitlang in der Weise der Doppelfuge durchgeführt; doch löst sich Beethoven bald von der strengen Überlieferung der Farm, deren volle Beherrschung er wieder zeigt, und geht zu freierer Entwicklung des Satzes über; das Kontrasubjekt läßt er zurücktreten; nur die bewegten Sechzehntel beleben fortwährend das Stück und das festliche Hauptthema beherrscht den Satz, mehr wie wir das in irgendeinem anderen Werk Beethovens finden. In unendlicher Mannigfaltigkeit wird der Inhalt desselben in sprechenden Imitationen und wundervollen Modulationen dargelegt. Nichts gleicht dem markigen, triumphierenden Auftreten auf C vor dem schönen Abschlusse in E moll (S. 29 der Partitur). Wie er dann das Thema bei dem Wiederauftreten in neuer Weise entwickelt und schmückt [306] (wo man die harmonische Bedeutung des Gegenthemas in den begleitenden Figuren verfolgen muß), wie er es zu kleinen melodischen Sätzchen erweitert, mannigfach in den Instrumenten imitierend in seinen Elementen auftreten läßt, wie er nach dem mächtigen Abschlusse nach dem einen Adagio-Takte (S. 37 d. P.) die Wirkung in den Harmoniefolgen, der Bewegung und der wachsenden Stärke, der freien Behandlung des Themas, den schwirrenden Sechzehnteln und den stolz triumphierenden Motiven des Schlusses immer noch zu steigern weiß, wie man es in einem so einfach und einheitlich konzipierten Stück kaum erwartet, das ist alles zu reich und mannigfaltig, als daß man es so kurz beschreiben könnte. Freude und Festigkeit des Wollens klingt aus dem herrlichen Satze, der Meister zeigt sich in seiner alten Schaffenslust, er wirst die Trübsal des Lebens hinter sich und bringt mit hellem, frohem Entschluß der von ihm so geliebten Kunst an ihrem Ehrentage sein Bestes dar; die Ouvertüre will eine jubelnde, glänzende Verherrlichung eines der Kunst geweihten Festes sein. Mehr soll man nicht in sie hineinbringen; mit den zu anderen Anlässen geschriebenen Ouvertüren Beethovens zu Egmont, zur Leonore will sie nicht verglichen sein. Unsere Bewunderung steigt, wenn wir bedenken, in wie kurzer Zeit sie erfunden und vollendet wurde.

Die Ouvertüre war Steiner zum Verlage angetragen, außerdem (mit anderen Stücken des Werkes) Diabelli; da dies nicht zur Ausführung kam, erschien sie 1825 bei Schott in Mainz und wurde dem Fürsten Galitzin gewidmet. Beethoven war bei dieser Gelegenheit genötigt, vor einem verfehlten Klavierauszuge der Ouvertüre zu 4 Händen von Henning zu warnen, der bei Trautwein erschienen war, mit dem Hinzufügen, daß getreue Klavierauszüge von Czerny demnächst erscheinen würden.181 Nach einem Nachworte [307] der Verlagshandlung ist der vierhändige Auszug von Czerny bald nachher erschienen, ebenso nach einer Anzeige der zweihändige.

[308] Die Aufführung der »Weihe des Hauses« fand dem Plane gemäß am 3. Oktober, dem Vorabend des Namenstages des Kaisers, statt; schon einige Wochen vorher waren alle gesperrten Sitze (400) und Logen (14). vergriffen.182 Über die Aufführung besitzen wir Schindlers Bericht (S. 8 fg.) Beethoven hatte sich die Oberleitung vorbehalten; er nahm seinen Platz am Klavier, das Orchester größtenteils im Gesicht, das linke, noch einige Dienste leistende Ohr183 der Bühne zugewendet. Der Kapellmeister Franz Gläser stand rechts neben ihm, Schindler (der eben die juristische Laufbahn verlassen hatte) führte das Orchester an der ersten Violine. In der Hauptprobe benahm sich die noch jugendliche Sängerin, Fräulein Fanny Heckermann, in dem Duett zaghaft und schleppte merkbar. Beethoven merkte es gleichfalls, ließ die Sängerin zu sich herantreten, sie auf jene Stellen aufmerksam machend, in denen sie sich leichter bewegen solle, sprach ihr sodann Mut zu und empfahl ihr, sich fest an den gewandten Tenor anschließen zu wollen. Darauf ließ er die Nummer wiederholen und äußerte am Schlusse seine Zufriedenheit mit den Worten: »Jetzt war es gut, Fräulein Heckermann!«184 Der Tenorist war Michael Greiner, von Baden her mit Beethoven bekannt, später Theaterdirektor in Aachen. Die Rolle der Pallas wurde durch Fräulein Kaiser dargestellt.185 Beethoven bewies, sagt Schindler, sowohl bei der Probe wie bei der Aufführung, daß er fernerhin »unter jeder Bedingung außer Stande sei, Massen zu leiten«. Das kann uns leider nicht wundern.

Der musikalische Erfolg konnte nach Schindler trotz der Begeisterung beim Zusammenwirken, welche durch Beethovens ermunternde Worte noch erhöht wurde, im ganzen kein günstiger genannt werden.


[309] »Oefteres Schwanken auf der Bühne wie auch im Orchester in Folge angestrengten Lauschens und Zurückhaltens der Bewegung von Seite der Oberleitung, zuweilen im völligen Gegensatze mit beiden Unterleitern, versetzte alles in große Beängstigung. Beethoven fühlte nicht, daß hauptsächlich er selber Schuld daran trage. Seine Ermahnungen betreffs ›zu vielen Eilens‹ konnten darum im Gange nichts ändern, weil dem nicht so war. Indeß wurde die Vorstellung ohne merklichen Unfall glücklich zu Ende gebracht und der erhabene Meister von dem aufs höchste begeisterten Auditorium wiederholt auf die Bühne gerufen. Er erschien an der Hand des würdigen Direktors Hensler.«186


Der »Sammler« berichtete am 17. Oktober folgendes:


»Zur Eröffnung des Theaters selbst, das einem Volksfeste glich, wurden zwei Gelegenheitsgedichte von Meisl: ›Die Weihe des Hauses‹, Musik von Beethoven, und ›Das Bild des Fürsten‹, Musik von Drechsler, gegeben. Ce war zu dem 1sten Stücke jene Musik von Beethoven bestimmt, die er auf Kotzebus Vorspiel187 ›Die Ruinen von Athen‹ für die Eröffnung des Pesther Nationaltheaters geschrieben hatte und die ein Eigenthum Herrn Henslers geworden war. Unser unerreichter Meister aber ließ sich's nicht nehmen, eine fast durchaus neue Musik [?] aus Freundschaft für Hensler und aus Liebe zur Sache zu schreiben, und so entstand ein Meisterwerk, das freilich nicht von allen gewürdigt werden konnte. Beethoven dirigirte am ersten Abende sein Werk selbst, man kann sich den Enthusiasmus denken, mit dem der theure Zeitgenosse von einer gewählten Versammlung begrüßt ward. Jedes Musikstück wurde lärmend beklatscht und am Schlusse führte Hr. Hensler noch einmal den gefeierten Genius der jubelnden Menge vor.«


Die Aufführung wurde an den drei folgenden Tagen (4. bis Sonntag den 6. Oktober) wiederholt. –

Daß Beethoven so rasch bereit war, dem Feste seine Mitwirkung zu leihen, und daß er dies in so glänzender Weise ausführte, daran hatte gewiß auch seine Zuneigung zu dem würdigen Direktor Hensler ihren Anteil. Von dieser einen Beweis zu geben, hatte er nicht lange nachher wiederum Gelegenheit; dieselbe veranlaßte die Entstehung eines besonders reizenden kleinen Orchesterwerks. Am 3. November wurde ihm im Theater nach der Aufführung des Stückes: »1722. 1822. 1922« (von Meisl), mit »Musikarrangement« von Gläser, eine ehrenvolle Huldigung zu seinem [310] Namenstage gebracht.188 Darüber erzählt uns Bäuerles Theaterzeitung vom 9. November 1822 (S. 539 »Tagebuch der Wiener Bühnen.« Den 3. – »Josephst. 1722. 1822. 1922.«) folgendes:


»Das Namensfest des biedern Direktors Carl Friedr. Hensler wurde von seiner Gesellschaft auf eine dem edlen Herzen des besten Mannes so angemessene Weise gefeiert, daß es gewiß nicht unangenehm sein dürfte, ein Näheres hierüber zu erfahren. Nach Beendigung des Stückes und nachdem das anwesende Publikum das Haus verlassen hatte, wurde die Bühne geschmackvoll erleuchtet und dekoriert – im Hintergrunde derselben prangte von allegorischen Figuren und Denksprüchen umgeben, und von einem schönen Kranze umschlungen Henslers wohlgetroffenes Bildniß. Die ganze Gesellschaft war versammelt, die Frauen weiß, die Männer schwarz gekleidet. Unter Intraden von Trompeten und Pauken führte der Regisseur, Hr. Fischer, und der Kapellmeister, Prof. Drechsler, Herrn Hensler aus seiner Wohnung auf das Theater, woselbst der Regisseur, Herr Hopp, eine von ihm recht niedlich in Versen verfaßte Rede im Namen der Gesellschaft so herzlich und ergreifend vortrug, daß der wackere Biedermann von Rührung durchdrungen in die Arme der Versammelten eilte, auf das innigste für diese Ueberraschung dankte, und laut den Wunsch aussprach, die ihm noch zugemessene Zeit des Lebens in so schönem Verein zubringen zu können. – Hohe Rührung, tiefe, seelenergreifende Empfindungen durchdrangen die Herzen, und die Thränen, die gegenseitig in den Augen glühten, waren die stillen Zeugen der höchsten, Freude Aller. – Ein lautes Lebehoch, das wie ein freundliches Echo durch die Mauern des ganzen Hauses drang, unterbrach endlich die Stille und beschloß die Feier des Festes auf der Bühne; doch kaum war Herr Hensler in seine Wohnung getreten, so begann unter den Fenstern auf der Straße von dem gesammten Orchester-Personale die schöne Ouvertüre des Herrn Kapellmeister Prof. Drechsler aus dem Melodrama ›Der verlorene Sohn‹, auf diese folgte ein trefflich gespieltes, ›Flötenconcert‹, darauf eine sehr gute Ouvertüre des Hrn. Kapellmeister Gläser, und endlich eine eigends für diesen Abend von Ludwig van Beethoven herrlich neu komponierte Simphonie. – Wie schmeichelhaft die Auszeichnung dieses großen Tonsetzers für Hrn. Hensler seyn kann, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung. Den gänzlichen Beschluß machte ein Marsch und Chor aus der Oper ›Titus‹, welch letzteren das sämmtliche Chorpersonal mit neuem auf den Zweck des Festes passend unterlegtem Texte beinahe enthusiastisch absang. Die allgemeine Freude, und die [311] so herzlich bewiesene Liebe und Anhänglichkeit der ganzen Gesellschaft gegen ihren würdigen Direktor, ist der schönste Beweis, und die vollkommenste Bestätigung der Wahrheit, des in einem von Hrn. Hensler gedichteten und seit vielen Jahren beliebten Volksliedes, vorkommenden Spruches:


›Deutsche Treu' und Redlichkeit

Macht uns geltend weit und breit.‹


F. X. T«


Alle Mitglieder waren anwesend, beim Klang von Trompeten und Trommel führte Regisseur Hopp, Herr Fischer und Kapellmeister Drechsler Hensler aus seiner Wohnung zum Theater. Hopp hielt ihm eine poetische Anrede, nach welcher Hensler nach Hause zurückkehrte. Das Orchester brachte ihm von der Straße eine Serenade; das erste Stück war Drechslers Ouvertüre zum »verlorenen Sohn«, dann folgte ein Konzert für Flöte, dann eine Ouvertüre von Gläser und schließlich eine »eigens für diesen Abend von Beethoven herrlich neu komponierte Simphonie.« Das war der Gratulationsmenuett. »Wie schmeichelhaft die Auszeichnung dieses großen Tonsetzers für Hrn. Hensler sein kann, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung,« sagt die Theaterzeitung. Die Serenade schloß mit Marsch und Chor aus: Titus, mit einem für die Gelegenheit verfaßten Texte. Bei dieser Feier kann Beethoven (was ja auch nicht berichtet wird) nicht zugegen gewesen sein, da an demselben Abend die Aufführung des Fidelio im Kärthnerthortheater war. Am folgenden Tage189 gab Hensler ein Diner in der Garderobe des Josephstädter Theaters, bei welchem Beethoven, Gläser, Bäuerle, Gleich, Meisl, Hopp und andere zugegen waren. Beethoven hatte seinen Platz unmittelbar unter einer Spieluhr. Gläser sagte es Reichl,190 und dieser besorgte das Spiel in der Weise, daß die Uhr gesetzt wurde, um die Ouvertüre zu Fidelio zu spielen; dann schrieb er Beethoven auf, er möge horchen, er werde die Uhr gleich spielen hören. Beethoven horchte und sagte dann: »Sie spielt sie besser als das Orchester im Kärnthnerthor.«191

[312] Die Zeit der Entstehung des Gratulationsmenuetts – denn kein anderes Stück kann in obiger Erzählung gemeint sein, wenn es auch die Theaterzeitung eine Symphonie nennt – ist hiernach bestimmt; es war am 3. November 1822 fertig. Auch dieses kleine Werkchen zeugt von der Frische und Luft am Schaffen, welche in den Kompositionen für die Josephstadt hervortrat; in der Tat, die alten Zeiten scheinen wiedergekehrt. Die Anmut, die behaglich verbindliche Weise des Themas – man meint die Gratulanten sich zierlich verneigen zu sehen; nach den kurzen Trompetenfanfaren die Antwort der Instrumente, die gesteigerte Tonfülle; das zarte Trio mit seinen Nachahmungen und den humoristischen Gängen der Blasinstrumente, die Sauberkeit der Ausarbeitung, der überraschende Wohllaut; alles berechtigt uns zu der Ansicht, daß wir das kleine anspruchslose Stück zu den feinsinnigsten Konzeptionen des Meisters zählen dürfen; wir bewundern sein Geschick, für eine bestimmte Gelegenheit charakteristische Musik zu liefern. Es ist zu bedauern, daß man das Stück so selten hört.

Beethoven wollte dieses Stück bald herausgeben, er bot es verschiedenen Verlegern an.192 Dann erhielt der Erzherzog eine Abschrift, wieder mit der unrichtigen Jahreszahl 1823.193 Auf dem Autograph, im Besitze Artarias, ist es überschrieben: Tempo di Minuetto quasi Allegretto; daneben stand Allegro non troppo. letzteres ist ausgestrichen und darunter mit Bleistift geschrieben: Gratulationsmenuett. Artaria gab es 1835 unter dem Titel: Allegretto (Gratulations-Menuet) mit einer Widmung an Carl Holz heraus.194

Dieselben Novembertage brachten noch ein für Beethoven bedeutsames und ehrenvolles Ereignis: die Wiederaufführung seines Fidelio nach dreijähriger (nicht wie Schindler sagt achtjähriger) Unterbrechung. Nach Bäuerles Theaterzeitung195 ging am Sonntag den 3. November,196 dem Namenstage der Kaiserin (Caroline), Beethovens Meisterwerk in glänzender Ausstattung in Szene. Die Theaterzeitung schreibt am 9. November:


[313] »Tagebuch der Wiener Bühnen. November 1822.«


»Den 3. [Burgth.] – Kärnth. Beethovens Meister-Werk im Opernsache, leider seine einzige Schöpfung in dieser Gattung, ist wieder in die Scene gegangen, mit Anstrengung und Fleiß studieret, mit dem besten Erfolge gegeben, mit lebhaftem Vergnügen aufgenommen worden. Das beglückende Namensfest Ihrer Majestät unserer allergnädigsten Landesmutter wurde von der Administration des k. k. Hof- Operntheaters mit Aufführung von Beethovens ›Fidelio‹ gefeiert und die Darstellung bei Beleuchtung des äußeren Schauplatzes, unter herzlichem Antheil, mit der Absingung des Volksliedes ›Gott erhalte Franz‹ begonnen. Mit welchem Eifer das Einstudieren dieser Oper getrieben worden war, bewies schon der Vortrag der Ouverture. Sie machte einen so allgemeinen und lebhaften Eindruck, daß die Wiederholung ungestüm gefordert wurde; auch das zweite Mal gab man sie mit derselben Präcision. Die Parthie Fidelios gab Dem. Schröder mit solchem Fleiße, mit solcher Anstrengung, mit solchem Feuer, daß sie dennoch überraschte, obschon man nur höchst lebendige und glanzvolle Darstellungen an ihr gewohnt ist. Dies junge Talent ist auf dem besten Wege eine ganz vorzügliche deklamatorische Sängerin zu werden. Ihre Stimme gewinnt täglich an Kraft, ihr Vortrag an Wahrheit und Effekt, es ist ihr nur noch vorzüglich eine gleichförmige Ausbildung aller ihrer Töne, und ein gleich deutliches Anschlagen aller ihrer Chorden auch in schnelleren Noten herzustellen übrig, um in der vollendeten Lieferung jeder deklamatorischen Sing-Parthie nach keiner Richtung hin gehindert zu seyn. Es ist nicht zu viel gesagt, daß Dem. Schröder als Fidelio nicht allein sich selbst, son dern auch alle Erwartungen des Publikums übertoffen habe. Von der Kraft und Ausdauer der jungen Sängerin gab die Wiederholung des Duettes einen Beweis, das sie bis zur letzten Note mit Herrn Haizinger siegreich sang, obwohl eine ungeheure Anstrengung im Quartett vorher gegangen war. Dem. Schröder wurde am Schlusse der Oper einstimmig gerufen, und Herr Haizinger erschien mit ihr. Dieser fleißige Sänger gab die Parthie des gefangenen Florestan mit aller Aufmerksamkeit, und obwohl Stimme und Gesangsweise ihn mehr zu hochliegenden Bravour-Parthien als zum getragenen und zum deklamatorischen Gesange eignen, so füllte er seinen Platz dennoch mit Ehren, und sang besondere das berührte Duett mit hinreißendem Feuer. Trefflich war die Darstellung des Gefangenwärters durch Herrn Zeltner. Diese Parthie ist eine Feuer-Probe für den Sänger; wer sowie Herr Zeltner, durch die schwierige Intonation sich sogar nicht in dem schönsten und richtigsten Vortrag beirren läßt, hat sie mit allen Ehren bestanden. Auch im Spiele zeichnete sich Herr Zeltner auf das Vortheilhafteste aus. Herr Forti als Gouverneur sang besonders schön das Duett mit Rocco, dem Gefangenwärter, im ersten Akte; im Quartett im Kerker war er nur schwach vernehmbar. Dem. Demmer als Marcelline und Herr Rausch er als Jaquino, thaten genügend das Ihrige, und trugen besondere im herrlich kanonisch geschriebenen Quartette des ersten Aktes zum schönen Vortrage desselben bei: es machte so viel Vergnügen, daß es wiederholet werden mußte. Auch die Chöre wurden mit aller Präcision zur allgemeinen Zufriedenheit gegeben. –«


[314] Die Rollen waren so verteilt: den Florestan sang Haitzinger, den Rocco Zeltner, den Pizarro Forti, den Jaquino Rauscher, den Minister Nestroy (Kannes M. Z.), die Marzelline Fräul. Demmer; die Titelrolle aber war der 17 jährigen Wilhelmine Schröder anvertraut, zu deren Benefiz die Aufführung stattfand. Über den Hergang der Ereignisse vor der Aufführung gibt uns Schindler (II S. 10) nach seiner eigenen Wahrnehmung Bericht. Beethoven hatte trotz des dringenden Abratens seiner Freunde sich bereit erklärt, unter dem Beistande Umlaufs die Leitung zu übernehmen. In der Hauptprobe, zu welcher Schindler ihn begleitete, ging die Ouvertüre recht gut, aber schon im ersten Duett zeigte sich, daß er von dem, was auf der Bühne vorging, nichts hörte. Es mußte zweimal Halt geboten werden, ohne daß Beethoven wußte, weshalb. Da ihn aus Verlegenheit niemand aufklären wollte, rief er Schindler.


»In seine Nähe ans Orchester getreten, reichte er mir sein Taschenbuch hin mit der Deutung, aufzuschreiben, was es gebe. Ich schrieb eiligst ungefähr die Worte: ›Ich bitte nicht weiter fortzufahren, zu Hause das Weitere.‹ Im Nu sprang er in das Parterre hinüber und sagte blos: ›Geschwinde hinaus‹. Unaufhaltsam lief er seiner Wohnung zu, Pfarrgasse, Vorstadt Leimgrube. Eingetreten, warf er sich auf das Sopha, bedeck te mit beiden Händen das Gesicht, und verblieb in dieser Lage bis wir uns an den Tisch setzten. Aber auch während des Mahls war kein Laut aus seinem Munde zu vernehmen; die ganze Gestalt das Bild der tiefsten Schwermuth und Niedergeschlagenheit. Als ich mich nach Tsch entfernen wollte, äußerte er den Wunsch ihn nicht zu verlassen bis zur Theaterzeit.«


Die Erzählung Schindlers als unmittelbar beteiligten Augenzeugen verdient hier wohl in erster Linie vollen Glauben. In der Darstellung von Claire von Glümer, in ihren Erinnerungen, welcher die eigenen Aufzeichnungen und Mitteilungen von Wilhelmine Schröder-Devrient zu Gebote standen,197 lesen wir die Sache so dargestellt:


»Beethoven hatte sich ausbedungen, die Oper selbst zu dirigiren, und in der Generalprobe führte er den Taktstock. Wilhelmine hatte ihn nie zuvor gesehen – ihr wurde bang ums Herz, als sie den Meister, dessen Ohr schon damals allen irdischen Tönen verschlossen war, heftig gesticulirend, mit wirrem Haar, verstörten Mienen und unheimlich leuchtenden Augen dastehen sah. Sollte piano gespielt werden, so kroch er fast unter das Notenpult, beim forte [315] sprang er auf und stieß die seltsamsten Töne aus. Orchester und Sänger geriethen in Verwirrung, und nach Schluß der Probe mußte der Kapellmeister Umlauf dem Componisten die peinliche Mittheilung machen, daß es unmöglich wäre, ihm die Leitung seiner Oper zu überlassen.«


Das letztere stimmt nicht ganz mit Schindlers Erzählung überein, welche denn doch wohl den Vorzug verdient.

War nun Beethoven auch in der Aufführung? Darüber sagt Schindler kein Wort, sondern erzählt nur, Beethoven habe ihn gebeten, ihn bis zur Theaterzeit nicht zu verlassen. Wenn wir die Stimmung Beethovens im Anschlusse an das bittere Erlebnis in Betracht ziehen, so sollten wir annehmen, daß er nicht bei der Aufführung zugegen war und das negative Zeugnis Schindlers als Beweis betrachten. Dem steht nun der ausdrückliche Bericht von Claire von Glümer entgegen, den wir in dem Buche von Wolzogen lesen, und dem eigene Aufzeichnungen oder Erzählungen von Wilhelmine Schröder-Devrient zu grunde liegen können. Beethoven soll, erzählt sie, anfangs unzufrieden gewesen sein, daß diese erhabene Gestalt »einem solchen Kinde« anvertraut sei. Aber die Bestimmung war einmal getroffen, und die Mutter (Sophie Schröder) studierte ihr die Rolle ein. Sie fährt dann fort:


»So saß er denn am Abend der Aufführung im Orchester hinter dem Kapellmeister und hatte sich so tief in seinen Mantel gehüllt, daß nur die glühenden Augen daraus hervorleuchteten. Wilhelmine fürchtete sich vor diesen Augen; es war ihr unaussprechlich bange zu Mute. Aber kaum hatte sie die ersten Worte gesprochen, als sie sich von wunderbarer Kraft durchströmt fühlte. Beethoven, das ganze Publikum verschwand vor ihren Blicken – alles Zusammengetragene, Einstudirte fiel von ihr ab. Sie selbst war Leonore, sie durchlebte, durchlitt Scene auf Scene.«


Sie erzählte dann, wie sie in der Kerkerszene, von wirklicher Angst erfüllt, fast unwillkürlich, den Hauptmoment so darstellte, wie es die Situation erforderte, und gewaltigen Beifallssturm erntete.198 »Auch Beethoven,« erzählt Cl. v. Glümer dann weiter,


[316] »hatte seine Leonore in ihr erkannt. Den Ton ihrer Stimme zu hören war ihm versagt, aber die Seele ihres Gesanges offenbarte sich ihm in jeder Miene des von Geist durchleuchteten Gesichte, in dem glühenden Leben der ganzen Erscheinung. Nach der Vorstellung ging er zu ihr – seine sonst so finsteren Augen lächelten ihr zu, er klopfte ihr auf die Wangen, dankte ihr für den Fidelio und versprach ihr eine neue Oper für sie zu componiren – ein Versprechen, das leider nicht erfüllt werden sollte. Wilhelmine kam nie wieder mit dem Meister zusammen, aber unter allen Huldigungen, die der berühmten Frau später zu Theil wurden, blieben die Worte der Anerkennung, die ihr Beethoven gesagt hatte, die liebste Erinnerung.«


Daß die Aufzeichnungen von Cl. v. Glümer nur mit Vorsicht zu benutzen sind und vielfach vor der kritischen Forschung nicht standhalten, bemerkte Wolzogen in seinem Buche über die Schröder-Devrient (S. 3). An dieser Stelle glaubt er die Quelle für unanfechtbar halten zu dürfen (S. 56). Auch wir würden, wie wir die oben mitgeteilte Stelle lesen, an sich kein Recht finden, den Inhalt in Zweifel zu ziehen. Da ist denn zunächst der auffallende Umstand, daß Schindler, der in jenen Tagen immer in Beethovens Nähe war, und der das Ereignis aus der Probe ausführlich erzählt, von einer Anwesenheit Beethovens bei der Aufführung kein Wort sagt. Der Zweifel, in welchen uns dieses Stillschweigen versetzt, wird noch gesteigert durch die Betrachtung, daß es, nachdem Beethoven in demütigender Weise die Direktion aufzugeben gezwungen worden war, und eine tief gedrückte Stimmung sich seiner bemächtigt hatte, schwer denkbar ist, daß er am Tage der Aufführung im Theater und noch dazu im Orchester anwesend gewesen sein sollte. Dazu kommt nun noch, daß Schindler an einer andern Stelle später nachträglich angedeutet hat, was er in der Biographie verschweigt. In der Neuen Berliner Musikzeitung von 1851 (30. Juli) steht S. 241 ein Brief (Korrespondenz) Schindlers an den Redakteur aus Frankfurt a. M. vom 18. Juli über das Gastspiel der Frau Köster-Schlegel auf der Frankfurter Bühne, wo sie u.a. als Leonore aufgetreten war. Dort führt Schindler aus, daß alle bisherigen Sängerinnen [317] Beethovens Ansprüchen an die Rolle der Leonore nicht genügt hätten; »allen fehlte noch dazu der unerläßliche Grad tiefster Innigkeit« usw. Dann sagt er ausdrücklich: »Beigehend ist zu bemerken, daß Beethoven die Schröder-Devrient als Fidelio niemals gesehen, mit ihrer Auffassung dieses Charakters aber. die er aus öffentlichen Blättern und durch mündliche Mittheilung kannte, nicht einverstanden war. Sein Ideal war keine Opernheldin« usw.199

Durch diese Worte Schindlers könnte die Schwierigkeit, die wir erwähnt haben, gelöst scheinen; Beethoven wäre nicht in der Aufführung gewesen. Leider aber zeigt sich Schindlers Gedächtnis hier, wie auch in manchen andern Fällen, nicht ganz treu. Die Aufführung des Fidelio wurde am folgenden Tage wiederholt (4. Non);200 bei dieser Wiederholung war Beethoven anwesend und saß in einer Loge des ersten Ranges, nach der Modenzeitung vom 12. November. Daß Beethoven dieser Aufführung vom 4. November beiwohnte, wird uns auch durch die später zu erwähnende Erzählung L. Schlössers bestätigt, der auch in dieser Aufführung war und Beethoven in Begleitung Schindlers und Breunings aus derselben herausgehen sah.201 Da hat denn Beethoven von dem Gesange wohl nichts hören und sich also ein volles Urteil nicht bilden können. Aber die strikte Behauptung Schindlers, Beethoven habe die Schröder in der Rolle nie gesehen, erscheint nun doch etwas bedenklich. So viel aber darf, meine ich, gesagt werden, daß Schindler diese Äußerung nicht hätte tun können, wenn Beethoven gleich am ersten Tage der Aufführung, an dessen Ereignissen er so stark persönlich beteiligt war, in der Aufführung anwesend gewesen und sogar mit der Künstlerin in persönlichen Verkehr getreten wäre. Bezüglich der späteren Aufführungen konnte ihn eher sein Gedächtnis im Stiche gelassen haben. Ich gestehe daher, zu der Ansicht zu neigen, daß er in der ersten Aufführung nicht anwesend war – Schindler mußte das erwähnen, wenn es der Fall gewesen wäre – und daß die oben mitgeteilte poetische [318] Erzählung von der Szene zwischen Beethoven und der Schröder nicht auf Tatsachen beruht. Ich habe aber die Umstände, welche von beiden Seiten in Betracht kommen, zusammengestellt, und muß den Leser bitten, sich danach ein Urteil über die Frage zu bilden, welche für Beethovens damalige Gemütsverfassung immerhin nicht ohne Belang ist. Daß ihm die Schröder in ihrer damaligen Entwicklung dem Ideale seiner Leonore nicht entsprach, mochte er sie nun gesehen oder seine Kenntnis aus Erzählungen und Zeitungsberichten geschöpft haben, werden wir Schindler wohl glauben dürfen, der in jener Zeit fortgesetzt mit ihm verkehrte. Daß die Schröder-Devrient später die Hauptdarstellerin dieser Rolle wurde und durch ihre dramatische Auffassung die größten Wirkungen erzielte, hat Beethoven nicht mehr erlebt; wir nehmen Bezug auf die früher zitierte Schrift von Wolzogen.

An diese Stelle gehört noch eine kurze chronologische Erörterung bezüglich der Tage der verschiedenen erzählten Ereignisse. Oben haben wir die Erzählung Hopps an Thayer wiedergegeben, nach welcher Beethoven am Tage nach der Hensler dargebrachten Huldigung von demselben zum Mittagessen eingeladen war; also am 4. November; und am Abende desselben Tages wohnte er auch der zweiten Aufführung des Fidelio bei. Diese beiden Erzählungen lassen sich an sich ganz wohl vereinigen. Da jedoch mancher Leser ein Bedenken äußern könnte, z.B. darüber, daß Beethoven in diesen Tagen einer bitteren Enttäuschung (wir erinnern an Schindlers Bericht) der Einladung zum Mittagessen gefolgt sei, so haben wir oben die Erzählung Hopps nur mit einem gewissen Vorbehalt gegeben. Eine unbedingte Entscheidung dürfte, wer hier etwa zweifeln sollte, von niemanden erwarten dürfen. –

Das Erlebnis bei der Probe hatte, wie uns Schindler weiter erzählt,202 die Folge, daß sich Beethoven noch einmal, zum letztenmal, entschloß, für sein Gehör etwas zu tun. Er besuchte seinen Arzt Dr. Smetana, der ihm Medizin zum Einnehmen verschrieb. »Damit schien er zu zeigen, daß er den um Linderung seines Gehörleidens Flehenden nur mit etwas beschäftigen wolle, ohne selber die geringste Hoffnung auf Besserung des Leidens zu haben. Zudem wußte er aus Erfahrung, wie es dieser höchst ungeduldige und zerstreute Patient mit ärztlichen Vorschriften zu halten pflege.« Auch hier war, wenn wir aus Schindlers Worten schließen dürfen, die Wirkung der neuen Kur eher zum Schaden als Nutzen des Patienten.

[319] Auch ließ es Beethoven nicht bei derselben; bald nach ihrem Beginn erinnerte er sich des aus früherer Zeit ihm bekannten Pater Weiß an St. Stephan203 und besuchte ihn in Schindlers Begleitung. »Rührend war die von dem würdigen Manne ihm bewiesene Theilnahme, und obgleich nichts versprechend, so fühlte sich Beethoven dennoch so wohlthuend dadurch gestärkt, daß er selber Hoffnungen auf einigen guten Erfolg gesetzt hatte, demnach zu erwarten stand, er werde sich endlich allen Vorschriften pünktlich unterziehen und dem Arzte mit Geduld und Ausdauer entgegenkommen. Pater Weiß wendete zunächst Oeleinspritzungen an, was der Patient wohlgefällig aufnahm.« Der geistliche Herr durfte Patienten nur in seiner Wohnung behandeln und lud Beethoven ein, ihn täglich zu besuchen; da Beethoven schon bald ausblieb, wiederholte er die Aufforderung schriftlich, da er sich wenigstens für das linke Ohr guten Erfolg verspreche. Aber Beethoven war einerseits durch Arbeiten gefesselt, andrerseits hatte er einmal kein Vertrauen zu ärztlichen Vorschriften, wenn der Erfolg nicht gleich sichtbar war. Er kam nicht wieder; er fand sich in sein Geschick als ein unabänderliches und ließ seitdem keine Klagen mehr vernehmen. –

Die Arbeiten, welche Beethoven in diesem letzten Teile des Jahres beschäftigten, galten im wesentlichen der Weiterführung und Beendigung bereits begonnener Werke, so der letzten Feile der im großen fertigen Messe in D, dann der neunten Symphonie, vielleicht eines Quartetts – wir werden erkennen, daß er nach aller Wahrscheinlichkeit die Komposition von Quartetten wieder aufgenommen hatte – und wohl auch kleinerer Kompositionen.

So fällt die Beendigung der Bagatellen für Klavier Op. 119 in diese Zeit. Ein Teil derselben war schon früher geschrieben und bekannt geworden; Beethoven hatte, wie bereits früher erwähnt wurde, dem Kapellmeister Starke einige Stücke als Beitrag zu seiner Wiener Pianoforte-Schule zur Verfügung gestellt; dies waren Nr. 7–11 dieser Sammlung, welche sich in der 1821 erschienenen dritten Abteilung von Starkes Schule finden. Ende 1822 waren auch die sechs ersten Stücke fertig; das bei Artaria befindliche Autograph trägt die Aufschrift: »Kleinigkeiten 1822 Novemb.«204 Diese Stücke waren aber keineswegs alle neu, und zum Teil viel früher konzipiert und dann von Beethoven umgearbeitet; Nottebohm setzt die Konzeption von Nr. 2–5 in die Zeit zwischen 1800 und 1804; [320] eine Skizze zu Nr. 5 in C moll (Risoluto) findet sich zwischen Entwürfen zu der C moll-Sonate Op. 30, also 1802;205 Skizzen zu Nr. 3 in D (à L'Allemande) sollen sich nach Lenz206 unter den Skizzen zum letzten Satze der Eroica befinden, Nr. 6 (Gdur) ist skizziert auf einem Blatte, dessen andere Seite nachträgliche Versuche zu einer Stelle desCredo der Messe enthält; das Stück mag daher 1829 oder 1821 entworfen sein; Entwürfe zu Nr. 2 und 4 stehen zusammen mit den Versuchen zur Komposition von Goethes Erlkönig, gehören also auch einer erheblich früheren Zeit an, die nicht genau festzustellen ist. Die Stücke von 7–11 sind entworfen neben Skizzen zur E dur-Sonate Op. 109 und zum Benedictus der Messe, sie werden also etwa 1820 entstanden sein, in der Zeit, als Beethoven um einen Beitrag für Starke ersucht wurde.207 Eine erst später, nach Beethovens Tode, in Diabellis Ausgabe als Nr. 12 hinzugefügte Bagatelle ist ursprünglich ein Lied mit Klavierbegleitung und gehört im Entwurfe spätestens dem Jahre 1809 an; daß es Beethoven als Klavierstück bearbeitet hätte, muß dahingestellt bleiben, und zu dieser Sammlung gehört es sicherlich nicht. Die älteren Ausgaben und so auch die Rudolfinische Sammlung enthalten nur 11 Stücke.

Wir haben also eine Reihe äußerlich und innerlich nicht zusammenhängender, zu verschiedenen Zeiten entstandener Stücke vor uns. Daß die kleinen Stücke in Motiven, Modulation und manchen technischen Zügen Beethovenschen Charakter tragen, wird man als selbstverständlich annehmen; im übrigen sind sie durchaus anspruchslos, leicht hingeworfene und nur knapp ausgeführte Gedanken, gleichsam Erholung von gewichtigeren Arbeiten. Nur in Nr. 1 und Nr. 3 kommt es bei sonst ganz einfacher Struktur zu kleinen Seitensätzen; sonst ist gerade Nr. 1 und das kurze leidenschaftliche Nr. 5 hübsch und charakteristisch; unnötig gedehnt am Schlusse ist das in späterer Zeit komponierte Nr. 6. In Nr. 7 ist der lange Orgelpunkt mit dem Triller (point d'orgue hat er selbst in der Skizze dazu geschrieben) und der humoristischen Steigerung der Bewegung charakteristisch: sonst sind gerade die für Starke geschriebenen Stücke ziemlich unbedeutend. Daß Beethoven wenig Wert auf dieses Opus legte, wie Nottebohm aus der Nachlässigkeit der Reinschrift von 1–6 schließen wollte, möchten wir doch nicht so bestimmt [321] annehmen; einzelne Hinweisungen auf den Vortrag, wie risoluto, »leichtlich vorgetragen« (leggiermente), innocentemente e cantabile lassen nicht gerade auf Gleichgültigkeit schließen. Wir nehmen die Stücke dankbar, wie sie der Meister uns bietet. Mit den später geschriebenen Bagatellen Op. 126 können sie freilich keinen Vergleich aushalten.

Beethoven bot eine Anzahl der Bagatellen Peters in Leipzig an;208 anfangs hatte er 4 Nummern für ihn bestimmt, erbot sich aber dann, eine größere Zahl zu schicken; er schickte dann 6, deren Absendung er Peters am 15. Februar 1823 anzeigt.209 Zugleich schickte er im ganzen 11 Bagatellen zum Verkaufe in England an Ferd. Ries; in dem Briefe vom 25. Febr. 1823 (s. Nohl N. Br. Nr. 251) lesen wir: – »zugleich erhalten sie 6 Bagatellen oder Kleinigkeiten und wieder fünf zusammengehörend in 2 Theile. Verschachern sie selbe so gut sie können,« was ersichtlich nur von Op. 119 verstanden werden kann. Endlich wurden auch Lißner in Petersburg am 7. Mai 1823 6 Bagatellen angeboten; s. bei Nohl Br. B. S. 234. Peters aber schickte die Bagatellen zurück – Beethoven erhielt die Sendung am 19. März – mit der Bemerkung, sie seien des Preises unwert, Beethoven sollte es unter seiner Würde halten, die Zeit mit solchen Kleinigkeiten, wie sie jeder machen könne, zu verbringen; was Beethoven, wie leicht begreiflich, sehr unangenehm berührte.210 So erschienen sie denn Ende 1823 mit der Opuszahl 112 bei Moritz Schlesinger in Paris211 und wurden von demselben zu Anfang des folgenden Jahres angezeigt; dann mit derselben Opuszahl und fast gleichem Titel bei Sauer und Leidesdorf in Wien (Anzeige Wiener Zeitung vom 1. Mai 1824). Später druckte sie Diabelli, in seine Ausgabe kam nach Beethovens Tode das oben erwähnte 12. Stück. Die Opuszahl 119 scheinen sie erhalten zu haben, nachdem über die jetzt mit Op. 112 – 118 [322] bezeichneten, bei Steiner und Haslinger erschienenen Kompositionen Bestimmung getroffen war.212

Außerdem stammt aus dieser Zeit die Beendigung der letzten bekannt gewordenen Gesangskomposition Beethovens, die kleine Ariette, »Der Kuß« nach dem Texte von Ch. F. Weiße »Ich war bei Chloen ganz allein«. Das war aber keine neue Komposition; sie war schon 1798 skizziert und wurde erst jetzt in ihre bleibende Gestalt gebracht mit nur geringen Änderungen. Skizzen der neuen Gestalt finden sich neben Entwürfen zur Weihe des Hauses, zur neunten Symphonie u.a.213 Das Autograph trägt die Aufschrift: 1822 im Dezbr.214 Es ist ein schlichtes, anmutiges Lied, in seinem Ausgange nicht ohne reizenden Humor; die Melodie ganz in frühbeethovenscher Weise; »scherzend« will es Beethoven vorgetragen haben, einmal schreibt er sogar dazu »lächelnd«, bei den Worten: »ja wohl sie schrie, doch lange hinterher«, bei welchen auch die scherzhafte Steigerung zu beachten ist. Die Sangbarkeit ist einwandfrei, die Deklamation sein den Worten und dem Sinn angepaßt. Aber unter die Erzeugnisse dieser letzten Periode kann das Lied doch nicht als ebenbürtig eingereiht werden. Beethoven sandte auch dieses Lied an Peters in Leipzig;215 dort erschien es aber nicht, sondern erst 1825 bei Schott in Mainz mit der Opuszahl 121; später erhielt es die Opuszahl 128.216

Die letzte Zeit dieses Jahres ist noch bezeichnet durch Anknüpfung einer neuen Beziehung, welche für Beethovens weiteres Schaffen bedeutungsvoll werden sollte. Fürst Nicolas Boris Galitzin in Petersburg, geboren 1795, als junger Mann am französischen Kriege teilnehmend, zeichnete sich durch musikalische Begabung, Geschmack und Kenntnis klassischer Musik aus und übte auf die musikalischen Interessen Petersburgs einen großen Einfluß. Er war Violoncellspieler, seine Frau (geborene Fürstin Saltykow) vorzügliche Klavierspielerin. Er hatte Beethovensche Klavierkompositionen, da er sie selbst nicht spielen konnte, für Streichquartett arrangiert. Ob er Beethoven schon persönlich kennen gelernt hatte, wird sich nicht feststellen [323] lassen; genug, jetzt erfaßte ihn der Wunsch, für sich persönlich Beethovensche Kompositionen zu erhalten. Am 9. November schrieb er an Beethoven folgenden Brief:217


»a Monsieur

Monsieur Louis van Beethoven

a Vienne


St. Petersburg 9. Novembre 1822.


Monsieur!


Aussi passionné amateur de musique, que grand admirateur de votre talent, je prend la liberté de vous ecrire, pour vous demander, si vous ne consentirez pas à composer un, deux ou trois nouveaux Quatuors, dont je me ferais un plaisir de vous payer la peine ce que vous jugerez à propos de marquer. J'en accepterai la dédicace avec reconnaissance. Veuillez me faire savoir à quel banquier je dois addresser la somme, que vous voulez avoir. L'instrument, que je cultive, est le Violoncello. J'attends votre réponse avec la plus vive impatience. Veuillez m'addresser votre lettre à l'addresse suivante

Au Prince Nicolas de Galitzin à S. Petersburg aux soins de Mrs. Stieglitz et Co. Banquiers.

Je vous prie d'agréer l'assurance de ma grande admiration et de ma considération distinguée.


Prince Nicolas Galitzin.«


Beethoven antwortete am 25. Januar des folgenden Jahres (der Brief ist, wie es scheint, nicht vorhanden, uns jedenfalls unbekannt) zustimmend, forderte 50 Dukaten für jedes Quartett und versprach das erste bald zu liefern. Daraus könnte man schließen, daß er auch schon aus eigenem Antriebe zur Komposition von Quartetten zurückgekehrt war; hatte er ja doch, wie wir sehen, auch Peters in Leipzig ein solches liefern wollen. Das ist das Vorspiel zur Komposition der letzten großen Quartette; für jetzt müssen wir diesen Gegenstand verlassen.

Fußnoten

1 Wir nehmen Bezug auf die Angaben des vorigen Kapitels und auf unsere unten folgenden Bemerkungen zu den Briefen an Simrock.


2 Aus Amerlings Sammlung.


3 Die Stelle ist zweifelhaft; sie steht hier nach Thayers Abschrift.


4 Beide Namen waren, wie es scheint, undeutlich.


5 Hanslick Concertw. S. 246. Es waren im ganzen 6 Konzerte, vgl. Wiener allg. Mus. Ztg. vom 9. Febr. 1822, Leipziger Allg. Mus. Ztg. 27. Febr. und 3. April 1822, 3 im Januar, 3 im Februar, von diesen letzteren eins im Kärnthnerthor-Theater (23. Febr.) in Anwesenheit des Hofes.


6 Aus O. Jahns Nachlaß, nach Thayers Abschrift. Jetzt gedruckt bei Kalischer Neue B. Br. S. 58.


7 Ich vermute »unausgesetzten«.


8 Vgl. Nottebohm II. Beeth. S. 152. 153.


9 S. o. den Brief Simrocks an Brentano, Kap. 4, S. 215.


10 Aus Amerlings Sammlung. Adresse: »Herrn Herrn Louis van Beethoven, Josephstädter Glacis Fürstlich Anersberg'schen Hause gegenüber Nr. 16 im Hause des Freiherrn von Fingerlin in Wien.« Dazu bemerkt der Postsekretär: »befindet sich in Döbling«. (S. u.) Die Angabe der Wohnung war unrichtig, es war die vorherige; in dem folgenden Briefe Beethovens wird sie berichtigt.


11 Dieser Brief, aus dem Brentanoschen Nachlaß stammend, befindet sich jetzt im Besitze des Beethovenhauses in Bonn. Auf dem Briefe steht von anderer Hand: »auf der Landstraße No. 244 Hauptstiege 2ten Stock«. Durch diese Wohnungsangabe, welche auch zu den übrigen Angaben stimmt (s. vor. Kap.), wird die Angabe auf die vorigen Briefe Simrocks berichtigt; da sie auf einem Briefe Beethovens selbst steht und also doch aus seiner Umgebung stammt, ist ihr Glaube beizumessen.


12 Beethoven hatte also schon vor Übergabe der Abschrift, welche am 19. März 1823 erfolgte, eine eigenhändige Partitur übergeben. Die Partitur, welche er zurückerhielt, kann doch nicht die schön abgeschriebene für den Erzherzog gewesen sein. Das würde auch zu dem Datum nicht stimmen.


13 Abschrift durch gütige Vermittlung des Herrn Dr. von Brentano in Offenbach. – Daß es dieser Brief war, ist ja doch wahrscheinlicher, als daß es der vom 12. Nov. 1821 war, auf den Simrocks Antwort auch passen würde.


14 So, in der Abschrift aus O. Jahns Nachlaß.


15 »Die Briefe Beethovens an diese Firma scheinen völlig verloren gegangen zu sein« Kalischer, Neue Beethovenbr. S. 61. Der folgende Brief Schlesingers stammt aus Amerlings Sammlung.


16 »meisten« in der Abschrift.


17 Diesen Brief machte Frimmel in seinem wichtigen und schönen Aufsatze: »Neue Beethoven-Studien«, Wiener Zeitung vom 16. Dezember 1888, bekannt; nach seiner Angabe war Herr Rob. Holz Eigentümer des Originals. Die äußere Adresse ist nach Frimmel: »Monsieur L. de Beethoven, celebre compositeur, par Adr. Mrs. Steiner et Co. marchands de musique,


Vienne

am Graben, paternostergässchen.«


Autriche.


18 Diese Bemerkungen beziehen sich, wie leicht zu sehen, auf die 3 letzten im vorigen Kapitel besprochenen Sonaten, die letzte speziell auf dieC moll-Sonate. Der junge Schlesinger scheint sie gar nicht genauer zu kennen, wenn er in derselben ein Allegro vermißt.


19 Das kann sich nicht gut auf die Schottischen Lieder Op. 108 beziehen, die längst an Schlesinger gelangt waren und schon Ende 1821 erschienen.


20 Das war das oben S. 176 erwähnte Stück »Glaube und hoffe aus dem J. 1819«.


21 Derselbe befand sich im Besitze der Witwe van Beethoven.


22 Es sei schon hier bemerkt, daß später eine Aussöhnung stattgefunden hat und zwei der letzten Quartette bei Schlesinger erschienen sind. Vgl. Kalischer, Neue B, Br. S. 62.


23 Den Brief besaß Frau van Beethoven; er folgt hier auf Grund der Abschrift Thayers im Auszuge.


24 Der Brief befand sich in Amerlings Sammlung. Das Autograph blieb in Wien, Peters erhielt eine Abschrift, die von Beethoven unterschrieben war, und einzelne Abweichungen nicht wichtiger Art enthielt. Nottebohm brachte ihn in der Allg. Mus. Ztg. (N. F. I S. 680) zur Veröffentlichung (nach ihm Nohl Br. B, Nr. 237). Der Redakteur der Allg. Mus. Ztg. betrachtete die Abschrift bei Peters als maßgebend und glaubte danach Nottebohms Abschrift, die nach dem Autograph genommen war, korrigieren zu dürfen; auch meinte er in sehr unkritischer Weise, die Eigentümlichkeiten von Beethovens Schreibweise verwischen zu dürfen. Uns liegt eine Abschrift Thayers nach dem Original mit den Zusätzen vor. Wir glauben dennoch den Brief tunlichst, wie ihn Peters wirklich erhielt, hier geben zu müssen, fügen aber die Varianten des Originals (mit Ausnahme einzelner unwesentlicher) bei. Die Adresse lautet auf dem Original: »An Seine Wohlgeboren Herrn C. F. Peters Bureau de Musique

in Leipzig«,


der Abschrift (nach der A. M. Z.)


»Herrn C. F. Peters,

Musik- und Kunsthändler in Leipzig.«


25 Orig. »befinde«.


26 Orig. »das nöthigste – obschon« und so auch an andern Stellen.


27 Orig. »L.« statt Leipzig.


28 »herab« fehlt im Orig.


29 »schwere« fehlt im Orig.


30 »in 20 gf« ist im Orig., nicht von Beethovens Hand, mit Bleistift beigeschrieben.


31 Statt Wiener Ducaten im Orig. »Sage 30. ⌗ –«


32 Das war ein Jugendwerk (s. Bd. I S. 281) wie vermutlich auch das folgende, in dem wir die »Prüfung des Küssens« vermuten dürfen (ebd. S. 280).


33 Die Worte »auch – Recitativ« sind im Orig. unten am Rande beigefügt. Ob diese Lieder unter den seither herausgegebenen nachzuweisen sind, bleibe dahingestellt. Bei der italien. Kantate kann man an die Arie Primo amore (Br. u. H. G. A. S. 23, 271) denken, doch hat dieselbe Orchesterbegleitung.


34 Der »elegische Gesang« Op. 118 erschien 1826 bei Haslinger.


35 »für 20. ⌗« im Orig. mit Bleistift beigefügt.


36 Die beiden Romanzen Op. 40 u. 50 waren längst erschienen. Es scheint also, daß Beethoven noch eine dritte zu schreiben beabsichtigte und entworfen hatte, er bezeichnet ja alle diese Werke als fertig.


37 Das Trio Op. 87 war längst bei Artaria erschienen. Für dieselben Instrumente hatte Beethoven auch Variationen über La ci darem aus Don Juan geschrieben, welche bei der ersten Aufführung (1797) als »Terzett« bezeichnet werden. Thayer Verz. 284 mit Nottebohms handschr. Bem. Dies kann er hier gemeint haben.


38 Vor »auf Verlangen« steht im Orig. mit Bleistift 24.


39 Diese letzten Worte fehlen im Orig.


40 Eine der Sonaten Op.109–111 kann das nach den früheren Angaben nicht gewesen sein, da Schlesinger sie längst hatte. Wir dürfen also annehmen, daß Beethoven noch eine Sonate schreiben wollte.


41 Hier ist im Orig. noch beigefügt: »alle übrigen angegebenen Werke könnten sie gleich haben«; nach Weglassung dieser Worte scheint er also die obige Bemerkung (Anm. 4) beigefügt zu haben. – Die Erwähnung eines Quartetts gestattet die Vermutung, daß Op. 127 bereits begonnen war.


42 »gar sehr« im Orig.


43 Das Orig. sagt nur: »in 2 Jahren besorgen«.


44 »geleistet« Orig.


45 »Produkt« Orig.


46 Orig.: »10000 (Zehntausend) fl. C. M.« Die folgende Angabe »im 20 Fl. Fuß« fehlt.


47 »um die höchste Verschwiegenheit«, Orig.


48 Hier steht noch im Orig.: »Wie leid ist es mir, daß Steiner, welcher schätzenswürdige Eigenschaften hat sich hier wieder als gemeiner Kaufmann gezeigt hat.«


49 Orig. »ihm« statt »Herrn Steiner«.


50 »ergebener« Orig.


51 Orig. nur »Beethoven«.


52 Der Brief war im Besitz der Frau van Beethoven und ist zum Teil mitgeteilt von Nohl N. Br. B. S. 199. Uns liegt eine Abschrift Thayers vor. Nach dem Postvermerk ging er am 17. Juni ab.


53 Hier hat Beethoven nach Nohls Angabe mit Bleistift die Preise der Stücke hingekritzelt und noch ein besonderes Verzeichnis derselben gemacht, worauf er dann den gleich mitzuteilenden Brief folgen ließ.


54 Den Brief bringt Nohl N. Br. Nr. 240 nach dem Original. Das Datum lautet »Wien am 26. Juli 1822«. Nohl sah richtig, daß das Datum irrtümlich ist und der Brief in den Juni gehört. Er ist offenbar die direkte Antwort auf Peters' Brief, der noch eine zweite, welche die erste voraussetzt, am 6. Juli folgte. Er war auch, aber nicht ganz korrekt und vollständig, abgedruckt in der N. Ztschr. 1837. 14. März. (Nr. 21.)


55 Wir nehmen hier, Nohl folgend, Bezug auf Schindlers Darlegungen II, S. 39.


56 Auszugsweise mitg. bei Nohl, N. Br. S. 206. 210.


57 Nohl, N. Br. Nr. 244 (nach dem Original).


58 Der Brief befand sich in Amerlings Sammlung.


59 Piringer, der bei Steiner verkehrte, hatte am 25. Juli in einer kurzen Zuschrift, die Nohl, N. Br. B. S. 213 mitteilt, Beethoven geschrieben: »Domine Generalissime! Victoria in Döbling – frische Truppen rücken an! – Die Großhändler, Gebrüder Meisl in der Rauhensteingasse im eignen Hause 2ter Stock haben von Hr. Peters in Leipzig den Auftrag erhalten dem Herrn Ludwig van Beethoven einige hundert Gulden auszuzahlen. – Ich eile mit Degens Flügeln, diese frohe Nachricht Illustrissimo sogleich mitzutheilen. – Heute ist der erste traurige Tag im Wiener Kalender, weil gestern die letzte italienische Oper war. –

25. VII. 22


Mit der größten Hochachtung

Illustrissimi Generalissimi

humillimus servus

Ferd. Piringer«.


Diese Zuschrift hatte Beethoven einem Briefe an Peters vom 13. September als Beilage beigefügt, um zu zeigen, daß schon Geschwätz über die Sache entstanden war. Damals hatte er das Geld in Empfang genommen, s.u.


60 Dieser Brief stand in der N. Ztschr. für M. 1837, 14 März, und bei Nohl, Br. B. Nr. 239. Wir können nicht alle Briefe an Peters hier vollständig mitteilen.


61 Nohl, N. Br. Nr. 248.


62 Der Brief Piringers, s. o. Beethoven fürchtete, Piringer möchte es Steiner erzählen.


63 Der Brief in der N. Ztschr für Mus. 1837, 14. März, und bei Nohl, Br. B. Nr. 241.


64 Nottebohm II. Beeth. bringt Skizzen zu einer »Messe aus Cis moll«, S. 162, 541, 543, deren Zeit also hierdurch annähernd bestimmt wird.


65 Beethoven begann in jener Zeit allerdings eine zweite Messe für den Kaiser, von welcher Nottebohm Skizzen mitteilte. Sogar noch eine dritte hatte er die Absicht zu schreiben.


66 Nach Nottebohms Vermutung (zu Thayers Verz. 222) Sauer u. Leidesdorf. Vgl. auch Nohl, Biogr. III S. 889 (Anm. 151), der bei dem Worte nach per Centen ein nicht ausgefallen glaubt.


67 Vermutlich das schon früher erwähnte Terzett (S. 251).


68 Das war eine ganz neue Arbeit, die wir weiter unten zu erwähnen haben.


69 Vgl. den Brief an Peters vom 15. Febr. 1823 (in der Allg. Mus. Ztg. 1874 Nr. 2, mit Nottebohms Anmerkungen), und den Brief vom 20. März 1823, in der Neuen Zeitschr. für Musik 1837 Nr. 21 und bei Nohl, Br. B. Nr. 252.


70 Nach Thayers Abschrift. Der Brief ist im Besitze von Artaria und auch von Nohl, Br. B. Nr. 240 veröffentlicht. Er trägt das Empfangsdatum 22. bis 23. August 1822.


71 Wir nehmen Bezug auf Bd. III, S. 188.


72 Auf einem früher in Haslingers Besitz gewesenen Exemplar der »Meeresstille« stand von Beethovens Hand mit roter Tinte: »NB. Schon wieder 150 fl. getilgt an der mea culpa, mea maxima culpa und am heutigen dato auf dem Glacis der Schein davon in Feuer und Flammen aufgegangen. Wien am 19ten Apr. 1822«. Ich entnehme diese Notiz Thayers Aufzeichnungen.


73 Vgl. Bd. III S. 30 fg., S. 216 fg.


74 Sein Bild befand sich nach G. v. Breuning im Besitze der Witwe Carls van Beethoven. Gerh. v. Breuning, aus dem Schwarzspanierhause S. 126, wo auch eine kurze Beschreibung gegeben wird.


75 »Mein Vater [Stephan von Breuning] hat wiederholt geäußert, wie so ganz unähnlich Ludwig und Johann in Gesicht wie Gestalt und Charakter seien.« Gerh. v. Breuning in seinen Bemerkungen zu Thayers Broschüre.


76 Einige der ärgsten Übertreibungen hat Nohl auf Grund besserer Information. berichtigt (vgl. dessen Musik. Skizzenbuch S. 221, Neue Ztschr. für Musik 1878 Nr. 23), was Thayer unbekannt war.


77 S. Bd. III S. 216 fg.


78 Brief vom Aug. 1822 (Nohl N. Br. Nr. 246): »Da du schreibst, daß du die Messe wünschest, so bin ich ganz damit einverstanden, nur wollte ich nicht, daß du dabei irgend einen Schaden habest.« Vorher hatte er geschrieben, daß er an Simrock geschrieben, er wolle ihm die Messe für 1000 G. überlassen. Und am 6. Okt.: »Wegen der Messe bitte ich wohl zu überlegen, weil ich Simrock antworten muß, wenn du in keinen Schaden kommst, sonst bitte ich es nicht zu übernehmen.« Das wäre also wieder ein Neues; er will also auch diese Verhandlung in Johanne Hand legen.


79 Das wird in den Briefen erwähnt, s.u.


80 Nach Thayers Abschrift; das Original besaß Frau van Beethoven. Veröffentlicht ist der Brief von Nohl N. Br. Nr. 254, aber chronologisch nicht richtig eingeordnet. Die Brüder waren noch nicht lange zusammen, eine gemeinsame Wohnung ist noch nicht gefunden und von der Reise nach Baden ist noch keine Rede. Der Brief ist also in frühe Zeit des Sommers zu setzen. – In dieselbe Zeit gehören folgende Zeilen des alten Freundes Zmeskall, welche wir hier einfügen, da sich ein anderer Zusammenhang nicht ergibt:


»Lieber Beethoven,


Mit Erstaunen entdeckte ich dieser Tage, daß auf meinem Dachboden sich Sachen befinden, die Ihnen zugehören, und von denen ich nie etwas wußte, außer von zwei Gypsbüsten, die ich längst schon von den nämlichen Bedienten, dem Sie selbige zur Aufbewahrung übergeben hatten, Ihnen zurückgestellet worden zu sein, geglaubt habe: Hier schicke ich Ihnen alles zurück, was sich vorgefunden hat, und was ich für Ihnen gehörig halte. Auch erhalten Sie noch hiermit Ihr Buch von Weißenbach und Rabenfedern, die Sie mir vor längerer Zeit zugeschickt haben.

Ich reise übermorgen nach Carlsbad und Teplitz, wo ich noch mein Heil suchen will. Ihnen wünsche ich ununterbrochenes Wohlsein und Freuden des beglücktesten Menschen.


Zmeskall.«

Wien den 4ten May 1822.

Vier Flaschen Ofner folgen mit

Die Fracht ist ganz berichtigt.

Der Brief war im Besitze der Frau van Beethoven; ob er nach Wien geschrieben war, ist nicht zu entscheiden.


81 Aus Thayers Papieren, nach Jahns Abschrift. Nohl, N. Br. Nr. 239 teilt ihn »nach einem Facsimile« mit, sagt aber nicht, wo sich dieses befindet.


82 »zu machen« bei Nohl, der auch »Schuhe u. Schuhe [sic]« druckt.


83 »in Karls Institut« bei Nohl, ganz unverständlich. Ich folge der Einheitlichkeit wegen der Jahnschen Abschrift.


84 »Sonntags herkommen« Nohl.


85 Statt »wohin zu schlendern« druckt Nohl »von hier zu schreiben«.


86 Der Brief war im Besitze von Frau (Karl) van Beethoven. Ich folge der Abschrift Thayers. Gedruckt ist er bei Nohl, N. Br, Nr. 245.


87 Das war also die Hauptarbeit in Döbling.


88 S. u. den Brief Griesingers.


89 Zur Erläuterung folge hier das Schreiben eines Dieners des Erzherzogs (wie es scheint) an Beethoven, welches sich im Besitz der Frau van Beethoven befand:


»Pour Monsieur van Beethoven

zu Oberdöbling Alleegasse No. 135.

Hochgeehrter Herr van Beethoven,


Ich berichte Ihnen hiermit daß Se. Kaiserliche Hoheit Sich nicht wohl befinden. Dahero ist morgen hir nichts zu machen. Wenn es Ihnen gefällig ist, so möchten Sie Mittwoch als den 31ten July, um halb sechs Uhr kommen, da würden Se. Kaiserliche Hoheit Sie erwarten.

Nun leben Sie wohl, ich bin mit aller Hochachtung,


dero

ergebenster Zips.


am 26. July 1822.«


90 Die Wohnung ist die in der Kothgasse, Johann hatte also, wie es scheint, bei Ludwigs Unschlüssigkeit durchgegriffen.


91 Beethoven war, wie der vorher mitgeteilte Zettel von Zips zeigt, noch in Oberdöbling, hatte aber noch die Stadtwohnung.


92 Dieser Brief befand sich ebenfalls im Besitze der Witwe des Neffen Carl. Er folgt hier nach Thayers Abschrift. Mitgeteilt von Nohl N. Br. Nr. 241. Bis auf Unterschrift und Nachschrift von der Hand des Neffen.


93 »Bestes Brüderl« bei Nohl.


94 Die Worte nehmen direkten Bezug auf den vorigen Brief, es ist also klar, daß der gegenwärtige Brief nach dem vorigen geschrieben ist.


95 »einige« bei Thayer, Nohl wohl richtig »einiges«, da offenbar von einer zu entleihenden Summe die Rede ist. Der Betrag von 290 fl. war wohl vorher schon besprochen. – Übrigens zeigen die vorstehenden Mitteilungen, daß Johann bei den früheren Verhandlungen noch nicht beteiligt war.


96 Diese Worte scheinen doch zu zeigen, daß Johann sich nicht aufdrängt.


97 Bei Nohl »am 3ten July 1822«. In den beiden Abschriften bei Thayer steht 31ten. Jenes Datum ist unmöglich, der Inhalt des letzten Briefes zeigt deutlich, daß er nach dem vom 26. geschrieben ist. Aber die Nachschrift kann ein paar Tage später geschrieben sein, wegen des »Gestern« am Anfang des Briefes.


98 Nach Nohl »ins Couvert geschrieben«. Br hielt für möglich, daß die Zuschrift zu dem vorigen Briefe gehörte. Doch war sie wohl eine neue, hatte ja auch ihre eigene Aufschrift. Sie befand sich ebenfalls bei Frau van Beethoven.


99 In Thayers Abschrift dir, was unmöglich ist, da das Geld für Ludwig angewiesen war. Daher Nohl richtig die.


100 Nach Thayers Abschrift. Der Brief war ebenfalls im Besitze der Frau van Beethoven. Bei Nohl N. Br. Nr. 247.


101 Statt dessen bei Nohl »bei Steiner«, sicher unrichtig. Einen Brief an den Bruder gab er wohl nicht bei Steiner ab.


102 Den Brief hat L. Nohl in der N. Fr. Presse 1871 1. Sept. (in dem Aufsatze »K. Holz's Mittheilungen über Beethoven«) mitgeteilt, dann in »Beethoven, Liszt und Wagner« S. 109. Gedruckt und erläutert ist er wieder bei Kalischer N. Br. B. S. 176. Der Brief war dem Neffen Karl diktiert.


103 Bäckermeister Obermayer, der Schwager Johanns; siehe die Adresse auf dem letzten Briefe dieser Reihe.


104 Die Ouvertüre war also die zu König Stephan, wie auch Kalischer S. 178 annahm.


105 Nach Kalischer wären das die Damen Unger und Sonntag gewesen. Beide waren damals in Wien, insofern wäre es möglich. Aber die Sonntag lernte Beethoven, wie aus den Konversationen von 1824 hervorgeht, erst in diesem Jahre kennen.Der Zweifel, daß die beiden Besucherinnen Carlotta Unger und Henriette Sontag gewesen, behebt sich durch Seite 436, wo (im Juni 1823!) dieselben Beethoven zu einem Spaziergange einladen.


106 Nach Thayers Abschrift; der Brief war im Besitze der Frau van Beethoven. Er ist vom Neffen geschrieben, von Beethoven nur unterschrieben. Beethoven hat die Jahreszahl 1822 darauf geschrieben. – Bei Nohl N. Br. Nr. 246, welcher den Brief unrichtig in den August verlegt.


107 Dieser Brief ist gewiß bei der Firma noch vorhanden, uns aber nicht zugänglich.


108 Das ist der Chor »Wo sich die Pulse« usw., der nach Beethovens Aufschrift auf einer Abschrift »gegen Ende September« geschrieben ist.


109 Ich gebe ihn nach Thayers Abschrift, der ihn seiner Angabe nach aus Jahns Nachlaß hatte. Er ist gedruckt bei Nohl N. Br. Nr. 249, nach dessen Angabe er im Besitze von W. Künzel in Leipzig war. Der Brief ist von des Neffen Hand, von Beethoven nur unterschrieben.


110 In der Wiener Zeitung vom 5. Okt. 1822 stand folgende »vorläufige Nachricht« Steiners: »Der mit allgemeinem Beifall bei der Eröffnung des neuen Theaters in der Josephstadt in Wien aufgeführte große Marsch mit Chor zu dem Gelegenheitsgedichte die Weihe des Hauses in Musik gesetzt von L. v. Beethoven, den wir von dem berühmten Compositeur als Eigenthum an uns gekauft haben, wird in wenigen Tagen in verschiedenen Ausgaben in unserem Verlage erscheinen.« Demnach wurde der Brief am 6. Oktober geschrieben.


111 Nohl druckt: »promptement«. Einige andere Abweichungen übergehen wir,


112 Köchel, Nr. 67.


113 Nach Thayers Abschrift; der Brief befand sich in Amerlings Sammlung. Er ist von Nohl, N. Br. B. S. 208 mitgeteilt. Auf die Außenseite des Briefes schrieb Beethoven mit Bleistift


»die 7 Bankak.

196 fl. C. M.

in W. W. 490 fl.«


114 S. Bd. II S. 69. Piersons Ausg. v. Seyfrieds Beeth. Studien.


115 Den Brief an Griesinger aus 1823 teilt Kalischer in den Neuen Beeth. Briefen S. 66 mit und gibt dort auch weitere Mitteilung über Griesinger.


116 Diese Daten finde ich in Thayers Exemplar des Schindler, anscheinend von F. Luibs Hand. Ich muß ihm die Verantwortung überlassen.Zu den Besuchern Beethovens i. J. 1822 zählte auch der Geiger Alexander Boucher (29. April 1822), der mit einer Empfehlung Goethes kam und deshalb sehr warm aufgenommen wurde, auch ein paar Zeilen mit Noten von Beethovens Hand erhielt (Gust. Vallat, Al. Boucher et son temps 1890). Der Bericht wird bestätigt durch einen Brief Mendelssohns an Goethe vom 22. Mai 1822, aus dem hervorgeht, daß Boucher beim Wiener Publikum abfiel. Vgl. Frimmel, Beethovenstudien II. 73 ff.


117 Die Briefe stehen in Rochlitz' Werk »Für Freunde der Tonkunst« Bd. IV S. 319 fg., der auf Beethoven bezügliche S. 339. Auf letzterem beruhen die Angaben bei Schindler II S. 23, 291 und bei Nohl III S. 303. Über Rochlitz brauchen wir nur auf O. Jahns Vorreden zu Mozart hinzuweisen.


118 Vorstehendes ist Nohls Vermutung, die wir für richtig halten. Rochlitz nennt weder Ort noch Namen.


119 Schindler macht hier auf das ganz andere geartete Verhalten Beethovens in vertrautem Kreise aufmerksam. Im übrigen erkennt er die persönliche Schilderung


120 Über diesen Auftrag Härtels s.u.


121 Eine so weit gehende nähere Beziehung zwischen Beethoven und Schubert hat schwerlich damals bestanden, wenngleich sie sich vorübergehend wohl öfter gesehen haben mögen, als gewöhnlich angenommen wird.


122 Das kann nur auf der Berliner Reise gewesen sein, von der Rochlitz nichts zu wissen scheint.


123 Das paßt nur auf die beiden vorhergegangenen Jahre, in allen übrigen seit 1814 ging Fidelio wiederholt über die Bühne.


124 Beethovens Symphonien wurden sowohl in den Spirituelkonzerten, wie in den Konzerten der Gesellschaft der Musikfreunde wiederholt aufgeführt.


125 Schuppanzigh war noch nicht aus Rußland zurück. Nohl dachte (III S. 882) an eine Verwechslung mit Böhm, die aber in Beethovens Munde schwer denkbar ist. Ich glaube, alle die vorhergegangenen Worte kann Beethoven so nicht gesprochen haben.


126 Unrichtig, in Teplitz, nicht in Carlsbad. Das war 1812. – S. Bd. III S. 208.


127 Wieder ganz falsch, die Egmontmusik wurde 1810 geschrieben, zwei Jahre vor Beethovens Bekanntschaft mit Goethe. Solche Irrtümer gestatten den Zweifel, ob nicht Rochlitz auch sonst in dieser Darstellung manches erdichtet hat.


128 Daß Beethoven Klopstock hoch hielt, wissen wir auch sonst; er hielt ihn für schwer zu komponieren, und wir wissen nicht, daß er je etwas von ihm komponiert hätte. Seine Verehrung für Goethe war mindestens ebenso alt.


129 Einer Charakteristik der Tonarten ist Beethoven auch sonst nicht abhold. H moll nennt er einmal »eine schwarze Tonart«. Vgl. Nottebohm II. Beeth. S. 326.


130 Das soll der Komponist des Liederkreises »an die entfernte Geliebte« gesagt haben?


131 Eine solche Äußerung kann Beethoven ganz wohl getan haben; wir wissen, daß er damals langsam arbeitete und große Werke schwer in Angriff nahm. Aber das »aufs Papier bringen fertiger Gedanken« war ihm doch nicht so schwer, man denke an die ausgedehnte Arbeit in den Skizzenbüchern.


132 Vgl. Nohl, Beeth. II S. 510.


133 Kenntnis dieser Briefe verdankte Thayer dem Schubertbiographen Kreißle; ich finde sie in seinem Nachlasse.


134 S. Anh. VI. Die Tonmalerei, die hier geradezu herausgefordert wird, war wohl keine Beethoven sympathische Aufgabe.


135 Rochlitz' Brief ist vom 9. Juli aus Baden datiert.


136 Mit Gebauer bestanden keine näheren Beziehungen. Rochlitz verwechselt ihn wohl mit Schindler, den er auffallenderweise nirgendwo nennt, der aber jedenfalls bei zweien dieser Zusammenkünste anwesend war, s. II S. 23. Schindler war, wie er selbst erzählt, in diesem Sommer ebenfalls in Baden, im Juli, sagt er, habe Beethoven mit seiner neuen Arbeit begonnen (was verfrüht ist)


137 Dieses Bild läßt sich auch durch die Erzählungen der Fanny Giannatasio ergänzen.


138 Gegen diese Schilderung erhebt Schindler aus seiner Kenntnis Einspruch, 11 S. 23. Dr. Bertolini erzählte O. Jahn, allerdings auf eine etwas frühere Zeit bezüglich: »Beethoven war in Gesellschaft guter Freunde ungemein heiter und aufgeräumt, voll witziger Einfälle.«


139 Dies nahm auch Nohl (III S. 310) richtig an.


140 Wir nehmen hier Bezug auf den lehrreichen und interessanten Aufsatz Kalischers: »Beethoven und Rossini« in der Neuen Berliner Musikzeitung von 1892, Jahrg. 46 Nr. 3 fg.


141 So erzählt Schindler, II S. 49.


142 Im März war er dort, nach Nohl III S. 323, der eine Quelle nicht angibt.


143 Vgl. Schindler, II S. 57 fg.


144 Schindler II S. 282.


145 Auf die Frage: »was ist Rossini« soll er nach Seyfried (Anhang S. 24) niedergeschrieben haben: »ein guter Theatermaler.« Ebenda S. 39 lesen wir Beethovens Äußerung: »Da ihr Abgott, der Rossini, hätte ihm Fortuna nicht ein hübsches Talent, und verliebte Melodieen schockweise bescheert, von dem was er aus der Schule mitbrächte würde er seinen Wanst höchstens mit Kartoffeln abfüttern können.« Zu Freudenberg (aus dem Leben eines alten Organisten S. 42) räumte er ein, »Rossini sei ein Talent und melodievoller Komponist, seine Musik passe für den frivolen sinnlichen Zeitgeist und seine Productivität brauche zur Composition einer Oper so viel Wochen, wie die Deutschen Jahre.« Seiner Abneigung hat er auch später noch Ausdruck gegeben; auch in seinem Kreise wurde dieselbe gepflegt. Das zeigen die Konversationen, aus denen Kalischer bezeichnende Stellen anführt.


146 Kalischer läßt es unbestimmt, ob es der Bruder oder der Neffe war.


147 Noch 1826 (August) schreibt jemand im Konv. Buch: »Nicht wahr, Rossini wollte Sie besuchen, Sie aber haben es abgeschlagen?«


148 Rich. Wagner Ges. Schr. III S. 255, 2. Aufl., beschränkt sich darauf, zu sagen, daß Rossini Beethoven einen Ehrenbesuch abstattete, den dieser nicht erwiderte; was wir nicht weiter auffallend finden werden. – Thayer hörte (wie ich in seinen Papieren finde) von einem Schwager Dr. Bertolinis, Miller, daß Beethoven mit Rossini bei Artaria zusammengetroffen sei; Bertolini sei zugegen gewesen.


149 N. Fr. Pr. 1867, 21. Juli (Thayer). Sein Bericht (Brief vom 18. Juli 1867) ist wieder abgedruckt in dem Buche »aus dem Concert-Saal«, 2. Aufl. Wien und Leipzig 1897 S. 594.


150 Ferd. Hiller, Aue dem Tonleben unserer Zeit, Bd. II S. 49.


151 Entsprechendes erzählte Azevedo in seiner Biographie Rossinis (1864) und der Berichterstatter der Zeitschrift »Salon« (III S. 484 fg. 1869). Nach dem ersteren habe Rossini den Meister in einer kleinen schmutzigen Wohnung gefunden (Oberdöbling?)[dans un reduit des plus exigus, de plus sales, des plus miserables]. Diese Hinweisungen verdanke ich Kalischer in dem oben erwähnten Aufsatze, der auch noch Alfr. v. Wurzbach (Zeitgenossen 1870–71; H. 5) und Georg Grove in seinem Dictionary of Music and Musicians als zustimmend anführt.


152 Schindler, Bd. II S. 176.


153 Schuberts Bruder Ferdinand Schubert sagte später (vgl. N. Ztschr. s. M. Bd. 10 Nr. 34): »Mit Beethoven, den er heilig hielt und der sich oft in großer Anerkennung namentlich über seine Lieder aussprach, kam er öftere zusammen, ohne daß man ihn deshalb, wie oft geschehen, einen Schüler Beethovens nennen durfte.« Nach Kreißle (S. 265) hat derselbe Ferdinand auf eine Frage geantwortet, sie seien selten zusammengekommen. Dem fügt Kreißle hinzu, im Steinerschen Lokale im Paternostergäßchen sei Schubert mit Beethoven öfter zusammengekommen. Die Begriffe öfter und selten sind hier wohl nicht bestimmt abzugrenzen. Die Tatsache des Zusammenkommens darf nach diesen Zeugnissen wohl als feststehend gelten.


154 Letzteres wird bei Beethovens Gehörzustand bezweifelt werden dürfen.


155 Heinrich Anschütz, Erinnerungen aus dessen Leben und Wirken. Leipzig, Reclam (1866) S. 207 fg.


156 Thayer Beeth. III S. 38 fg., 88. Nottebohm, 2. Beethoveniana S. 225 fg.


157 Es wurde schon bemerkt, daß dieser Chor von Beethovens Hand die Aufschrift »gegen Ende September« trägt.


158 Hensler war 1761 geboren, seit 1784 in Wien, gestorben am 24. November 1825, schrieb zahlreiche Bühnenstücke, von welchen das »Donauweibchen« am bekanntesten geworden ist. Vgl. Goedekes Grundriß V 2. S. 327. Ich folge hier und im folgenden der Erzählung Schindlers (II S. 5), der ja Augenzeuge der Ereignisse war, sich aber dennoch nicht überall genau unterrichtet zeigt.


159 In Böckhs Merkwürdigkeiten der Stadt Wien (1823) wird Carl Meisl, »K. K. Marine-Kriegs-Kommissar«, unter den Schriftstellern angeführt. (Nottebohm, handschr. Bem. zu Thayers Verz. Nr. 235.)


160 Danach ist es wieder abgedruckt in Nottebohms 2. Beethoveniana S. 385 fg. Wegen des Textes zu den Ruinen von Athen nehmen wir auf die gedruckte Partitur Bezug, in welcher derselbe enthalten ist; bei Revision des 3. Bandes werden wir uns über denselben noch zu äußern haben.


161 Eine von Beethoven revidierte Abschrift dieses Chores im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien enthält diese Fassung des Textes. Nottebohm a.a.O. S. 387.


162 Apollos Worte (in der 2. Scene) werden von »einer fernen Harmonika« begleitet (Nottebohm a.a.O. S. 390).


163 Nottebohm S. 392.


164 »Mit beredten wahren Bildern zeigtest du mir den Verfall«, sagt Apollo. Vgl. noch Nottebohm S. 403, der die Frage nicht entscheiden will, so lange wir die alten Theaterzettel nicht haben.


165 Apollos Worte geben die Gedanken des Greises in den Ruinen wieder.


166 In einer alten Abschrift (Nott. S. 403) wird dieser Chor als Nr. 4 bezeichnet. Vielleicht wurde in der Abschrift für die Aufführung das ganze Zwischenspiel als eine Nummer (3) behandelt.


167 Der neu eingerichtete Marsch mit Chor ist von Beethoven als Op. 114 besondere neu herausgegeben. Abgesehen von der Textvermehrung und kleinen Vereinfachungen des Chorsatzes ist derselbe hinsichtlich der Gestalt und Ausdehnung ganz gleich mit dem in den Ruinen, es ist kein Takt hinzugekommen. Die Ausgabe erfolgte in 2- und 4 händ. Klavierauszuge bei Steiner noch 1822, in Partitur 1824. In der neuen B. u. H. Gesamtausgabe S. 20 Nr. 207 a.


168 Im Textbuch folgt »die Musik hinter der Scene« (6) auf den Marsch mit Chor (Nott. S. 402).


169 Bäuerles Theaterzeitung 1822, 12. Okt. »Das Gelegenheitsstück selbst ist kein eigentlicher Gegenstand für die Kritik, und durch Tadel an solchen flüchtigen Arbeiten zum Ritter werden wollen, würde unbescheiden sein.«


170 Noch 1826 schärft er dem Sänger Ehlers, als es sich um eine neue Bearbeitung der Ruinen für Berlin handelte, ein, die Wahrheit nicht zu vergessen, welche durch die Meißnerische [Meislsche] Bearbeitung gelitten habe und nur im Kotzebueschen Text zu finden sei. Dieser Brief kommt 1826 an seiner Stelle zur Erwähnung. Er ist jetzt gedruckt bei Kalischer N. B. Br. S. 193 und bei Nohl Mosaik S. 334.


171 Das entnehmen wir der Wiener Zeitschr. für Kunst vom 10. Okt. 1822. Vgl. Nottebohm S. 386. Auch Schindler (II S. 6) scheint das zu bestätigen. »Unter den Spielenden war Dem. Kaiser als Minerva im ersten Stück eine liebliche Erscheinung; Vortrag und Spiel sind erhaben – die Begeisterung seelenvoll« heißt es in der Theaterzeitung a.a.O.


172 »Der Schreibfehler ist zu erklären, wenn man annimmt, daß er die Abschriften um die Zeit überschrieb, als er sie dem Erzherzog schickte.« Nottebohm S. 396.


173 Auch in den Skizzen folgten die zur Ouvertüre denen zu dem Chore, Nottebohm S. 404. Das Autograph der Ouvertüre, früher im Besitze von Artaria, dann des Herrn Dr. E. Prieger in Bonn, trägt die Aufschrift: »Overtüre geschrieben von L. v. Beethoven zur Eröffnung des Josephstädter Theaters, zu Ende September 1822« – aufgeführt am 3. Oktober 1822. Die Abschrift für den Erzherzog und eine an Stumpff in London gesendete Abschrift (Bd. II S. 249) trug die unrichtige Jahreszahl 1823.


174 Schindler II S. 8.


175 Der Chor wurde früher und noch vor Thayers chronol. Verzeichnis (Nr. 235), ehe das Textbuch bekannt war, als Schlußchor bezeichnet, Der Irrtum scheint auf eine Äußerung Sonnleithners zurückzugehen.


176 Nottebohm S. 395, wo es Z. 11 anstatt Streben »Sterben« heißen muß.


177 Die Sopranistin in dem Konzert war Fräulein Heckermann, von der die Allg. Mus. Ztg. (1823 S. 650) schreibt: »Das Stimmchen ist recht artig, auch ziemlich Geläufigkeit vorhanden.« Nohl III S. 886.


178 Br. u. H. Ges. A. Serie 25 Nr. 266. Das Autograph befindet sich jetzt auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin.


179 Nottebohm II. Beeth. S. 404–408.


180 Wasielewski (II S. 87) sieht hier das bunte Bühnenleben versinnbildet und allerlei Gestalten von verschiedenen Seiten herbeieilen, die sich endlich vereinigen und wieder entfernen.


181 S. Thayers chron. Verz. Nr. 234. Beethovens Erklärung stand als »Nachricht« in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur und Musik vom 5. März 1825, und fast gleichlautend in den Intelligenzblättern der Caecilia von 1825 vom 20. April, wurde auch in andern Blättern veröffentlicht und lautete so:


»Ich halte es für meine Pflicht, das musikalische Publikum vor einem gänzlich verfehlten, von der Ori ginal-Partitur abweichenden Clavierauszuge meiner letzten Ouvertüre, zu 4 Händen, welche unter dem Titel: Festouvertüre von L. v. B. bei Trautwein in Berlin herausgekommen ist, zu warnen, um so mehr, da die Clavierauszüge zu 2 und 4 Händen, von Herrn Carl Czerny verfaßt, und der Partitur völlig getreu, nächstens in der einzig rechtmäßigen Auflage bei B. Schotte Söhnen in Mainz erscheinen werden.


L. v. Beethoven.«


Darauf erklärte die Trautweinsche Verlagshandlung am 15. März, nachdem sie die Erklärung aus der Wiener Zeitschrift angeführt, folgendes:

»Diese mich in mehrfacher Hinsicht schwer verletzende und unvollständige Nachricht zu ergänzen und erörtern ist der Zweck nachstehender Erklärung:

Der Herr Konzertmeister C. W. Henning hierselbst trug mir im Oktober vorigen Jahres das in Frage stehende Arrangement der Ouvertüre des Herrn v. Beethoven zum Verlag an. Da derselbe die Befugniß hiezu durch Beifügung seines Namens auf dem Ttel (wie solches auch wirklich nachher geschehen ist) öffentlich beurkunden wollte, so wäre schon deshalb für mich als Verleger kein Grund vorhanden gewesen, die Berechtigung des Konzertmeisters Henning zur Herausgabe dieser Ouvertüre in Zweifel zu ziehen, wenn nicht dessen anderweite Eröffnungen dies ganz unzweifelhaft gemacht hätten, und die simple Versicherung des Herrn v. Beethoven, daß die angekündigten Arrangements des Hrn. Czerny die einzig rechtmäßige Auflage seyn würden, ist nicht hinreichend, um der bei mir erschienenen Ausgabe ihre Rechtmäßigkeit zu rauben.

Nicht minderes Bedenken findet ferner die Versicherung des Herrn v. Beethoven, daß die bei mir erschienene Ausgabe gänzlich verfehlt und der Original-Partitur ungetreu sey, indem Herr Henning sich streng an die Originalpartitur gehalten und alles vermieden hat, was irgend eine Abweichung hätte zuwege bringen können. Berlin am 15. März 1825.


P. Trautwein,

Buch- und Musikhandlung.«


Dem schloß sich Henning mit folgenden Worten an:

»Hiermit bezeuge ich, daß vorstehende Erklärung ganz der Wahrheit angemessen ist, und daß ich bereit bin, die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Arrangements zu jeder Zeit zu vertreten.


C. W. Henning

Conzertmeister.«


Schärfer lautete die Erklärung Schotts im Sinne Beethovens:

»Herr van Beethoven hat öffentlich die eben so unrechtliche als unrichtige Ausgabe eines vierhändigen Clavierauszuges seiner Fest-Ouvertüre bei Trautwein in Berlin, verfertigt von Herrn Henning gerügt. – Ohne zu erwähnen, was von selbst in die Augen fällt, daß ein solcher Vordruck noch schändlicher als ein Nachdruck ist, zeigen wir dem verehrlichen Publicum nur dieses an, daß wir von dem berühmten Tonsetzer schon vor geraumer Zeit das ausschließliche Verlagsrecht dieses Werkes erworben haben, und daß davon ein, von dem bekannten Claviervirtuosen Herrn Czerny, unter den Augen des Componisten selbst verfertigter Auszug für vier Hände, bei uns so eben erschienen ist, wir also im Stande sind, als rechtmäßige Verleger, eine des genialen Original-Werkes würdigere Bearbeitung zu liefern, als die von Herrn Henning eingeschmuggelte.

Mainz, den 30. Juli 1825.


B. Schott's Söhne.«


In einem Briefe vom 5. Febr. 1825 (s.u.) kommt Beethoven noch einmal auf die Sache zurück.


182 Bäuerles Theaterzeitung 12. Okt. 1822: »Die gespannteste Erwartung theilte sich im hiesigen Publikum, und einige Wochen vorher waren bereits alle gesperrten Sitze (400 an der Zahl) und Logen (14), wovon die Hofloge der Lage des Hauses wegen, da man sonst kein Appartement dazu hätte beigeben können, linke angebracht werden mußte, vergriffen.«


183 Nach Schindlers Erzählung befand sich neben dem Josephstädter Theater eine Restauration, in welcher sich eine Spieluhr befand. Beethoven pflegte sich in deren Nähe zu setzen und sich oft sein Lieblingsstück, Cherubinis Medea-Ouvertüre, vorspielen zu lassen; er vermochte jedes Stück gleich beim ersten Takt zu erkennen und zu verfolgen, wenn er mit dem linken Ohr zuhörte; mit dem rechten allerdings war ihm alles tönendes Chaos Schindler II S. 9.


184 Fräulein Heckermann war k. k. Hofopernsängerin; sie starb schon am 4. Sept. 1827.


185 Wiener Ztschr. für Kunst vom 10. Okt. 1822. (Notteb. S. 386.)


186 Bäuerles Theaterzeitung a.a.O.: »Am Schlusse des Vorspiels wurden Herr Beethoven, Hr. Hensler und Dem. Kaiser gerufen. Sie erschienen unter einem Sturm von Beifall.«


187 Muß heißen: Nachspiel.


188 Der Namenstag (Carl) war am 4. November. Da nun die hier erwähnte Feier und die daran sich schließende Serenade abends stattfand, war es also eine Vorfeier, wie sie ja Bäuerles Zeitung ausdrücklich für den 3. November angibt. Die erste Vorführung des Gratulationsmenuetts fällt also auf den Abend des 3. November, wie es richtig Thayer (Verz. Nr. 236) sagt.


189 Das folgende nach einer Erzählung Hopps an A. W. Thayer aus d. J. 1859. Ich gebe den Bericht mit allem Vorbehalt, da derselbe hinsichtlich der Zeit eine Schwierigkeit ergibt, von der weiter unten die Rede sein wird.


190 Inhaber der Restauration, welche Beethoven in den Jahren 1822/23 oft besuchte, da Karl bei Blöchlinger und Schindler dicht beim Theater wohnte.


191 Man halte dazu die oben erwähnte Erzählung Schindlers II S. 9. Man denke daran, daß die Wiederaufführung des Fidelio gleichzeitig war, und Beethoven also die Ouvertüre gerade vorher gehört hatte.


192 »Einen Gratulations-Menuett für ganzes Orchester« in dem Briefe an Peters vom 20. Dezember 1822.


193 S. o. S. 301. Im Katalog der Rudolfinischen Sammlung: »Gratulations Menuet im Novbr. 1823.Part. M. S.«


194 In Br. u. H. Ges. Ausg. Serie 2 Nr. 13.


195 Vgl. auch Kannes Wiener Musikzeitung vom 9. Nov., W. Modenzeitung vom 12. Nov.


196 Also an demselben Tage, an welchem die Huldigung für Hensler stattfand.


197 Alfr. v. Wolzogen, Wilhelmine Schreder-Devrient, Leipzig 1863, S. 56 fg. Hier wird S. 52 der 9. November als Tag der Aufführung angegeben; Cl. v. Glümer gibt aber selbst an, sie sei zum Namenstage der Kaiserin erfolgt. Im übrigen verweisen wir rücksichtlich der Schröder-Devrient auf das Buch von Wolzogen.


198 Statt der Wiedergabe ihrer Worte, die man bei Wolzogen findet, lassen wir hier die bezügliche Stelle aus der Besprechung von Kannes Allg. Mus. Zeitung vom 9. November 1822 folgen.


»Die Rolle des Fidelio wurde von Dlle. Schröder mit einer zwar nicht unerwarteten, aber doch in Hinsicht der schweren Rolle wirklich überraschenden Geschicklichkeit gegeben, denn sie trug die durch manche schwere Intonation, und reiche Figuren des edelsten Style ausgezeichnete Parthie nicht allein mit schöner, frischer Stimme und besonderer Präcision vor, sondern sie wußte auch ihrem Spiele einen solchen Grad von Leben zu verleihen, daß Spiel und Gesang in schöner Eintracht verschmolzen erschienen, und die nicht leichte Aufgabe der Darstellung dieses Charakters von ihr auf eine recht genügende Weise gelest wurde. Die reine und sonore Hohe ihrer Stimme zeigte sich besondere siegreich im zweiten Acte, in dem großen Duett, noch mehr aber in dem Duett: ›O namenlose Wonne! Das Finale des ersten Acts wurde ebenfalls von ihr recht brav gehalten.‹«


199 Diese genaueren Angaben verdanke ich der Güte des Herrn Oberbibliothekars Dr. Kopfermann in Berlin.


200 Fidelio wurde wiederholt am 4. und 26. November, am 2. und 17. Dezember, dann 1823 am 3. und 18. März, nach Bäuerles Theaterzeitung (Thayer). »Der zweyten Vorstellung wohnte der berühmte Tonsetzer in einer Loge des ersten Ranges bey.« Modenzeitung vom 12. Nov. 1822. Und doch sagt Kapellmeister Reuling (Konv. H., Thayer) im März 1823 »bei der ersten Vorstellung des Fidelio sah ich Sie im Theater.« War das die erste am 3. Nov. 1822? –


201 Zeitschrift Hallelujah S. 232. »Ich hörte«, erzählt Schlösser, »eine musterhafte Leistung in jeder Beziehung; der Eindruck war überwältigend, den sie hervorbrachte.« Mit Schlosser war Fr. Schubert.


202 Schindler II S. 11


203 Schindler I S. 43.


204 Wegen der Chronologie dieser Stücke nehmen wir Bezug auf Nottebohms zweite Beethoveniana S. 146, vgl. auch S. 155. 462.


205 Nottebohm, im Skizzenbuch von Beethoven S. 26.


206 Lenz, Beethoven V S. 133. Nottebohm sagt in einer handschriftlichen Notiz zu Thayers Verzeichnis: zu den Variationen Op. 35. Das wäre dann ebenfalls 1802.


207 Nottebohm II. Beeth. S. 462.


208 Vgl. die verschiedenen Briefe an Peters vom 5. Juni; 6. Juli; 22. Nov. 1822 (oben S. 12, S. 15 s., S. 18) und den an Bruder Johann bei Nohl N. Br. S. 202. (Oben S. 37.)


209 S. den von Nottebohm mitgeteilten Brief Allg. Mus. Ztg. 1874 S. 17, Nottebohm bezog dies damals auf die Bagatellen Op. 126, hat aber später festgestellt (II. Beeth. S. 201), daß diese nicht vor Ende 1823 begonnen sind.


210 Dies erzählt Schindler II S. 44, der aber ebenfalls die Bagatellen mit denen Op. 126 verwechselt. Diese waren damals noch nicht geschrieben, und über sie würde Peters ein solches Urteil wohl nicht gewagt haben.


211 Titel: Nouvelles Bagatelles ou collection de morceaux faciles et agréables pour le Pianoforte par L. van Beethoven. Oeuvre 112. à Paris chez Moritz Schlesinger.


212 Vgl. Nohl Bd. III S. 888/99. – Die neue Gesamtausgabe (Br. u. H.) bringt die Bagatellen Serie 18, Nr. 189.


213 Vgl. Nottebohm II. Beeth. S. 471, 473, 477.


214 Nottebohm S. 473. Nohl III S. 354. Thayer (Verz. Nr. 237) gibt an: November. Das Autograph besaß früher Ascher in Wien, 1867 (nach Nohl IV. S. 883) O. A. Schulz in Leipzig.


215 S. den Brief vom 15. Februar 1823 (A. M. Z. 1874 S. 17): »eine ziemlich ausgeführte Ariette mit Clavierbegleit allein.«


216 Die Gesamtausgabe bringt es Serie 23 Nr. 227.


217 Nach einer in Thayers Materialien befindlichen Abschrift.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 4, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1907..
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