Sechster Abschnitt.

Die vier großen Symphonieen.

[211] Jede Poesie theilt sich zwischen dem Ich und dem nicht Ich', zwischen der äußern Welt und der Individualität des Dichters, zwischen der materiellen Thatsache und ihrem moralischem Eindrucke. Die Musik in ihrem Princip, abgesehen von ihrer Anwendung, das heißt als reine Musik betrachtet, entspricht der analytischen, contemplativen, individuellen oder innern Poesie, der, in welcher die Ergießung an der Stelle der Handlung, der Beschreibung, der Erzählung vorherrscht. Wenn man jetzt herabstiege von Gattungen zu Arten, von allgemeinen Abtheilungen zu besonderen Unterabtheilungen, so würde man finden, daß die Symphonie, Kammer-Symphonie22 genannt, mit der Ode in Wechselbeziehung steht, indem die eine der Ausdruck und der reinste Ausfluß der reinen Musik, die andere der erhabenste Ausfluß der [212] lyrischen oder unbegrenzten Poesie ist. Ihre Analogie wurde lange vor uns anerkannt. Sulzer, ein Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts, spricht sich auf folgende Weise in seiner Theorie der schönen Künste aus.

»Die Kammer-Symphonie, eine durch sich selbst bestehende Gattung, weil ihre Werke weder zur Vorbereitung, noch zur Einleitung in eine andere Musik dienen, erreicht ihren Zweck nur vermittelst eines glänzenden und feurigen Styls. Die Allegros unserer besten Kammer-Symphonieen zeigen große und kühne Gedanken, welche unabhängig entwickelt werden, eine scheinbare Unordnung in der Melodie und Harmonie, mannigfache und stark ausgesprochene Rhythmen, energische Baßgesänge und Unisonos, concertirende Mittelstimmen, freie Nachahmungen, zuweilen fugenartig behandelte Subjecte, plötzliche Modulationen, welche um so mehr frappiren, als sie die entferntesten Töne einander nahe bringen; ferner sehr auffallende Gegensätze von forte und piano und endlich eine Anwendung des crescendo, welches den größten Effect hervorbringt, namentlich, wenn es bei einer aufwärtssteigenden Melodie und einem progressiven Ausdrucke angewendet wird. Ein solches Allegro ist in der Musik das, was eine Pindar'sche Ode in der Poesie. Wie die Ode, erschüttert und erhebt die Symphonie die Seele des Zuhörers, und sie verlangt von Seiten des Musikers denselben Geist, dieselbe erhabene Phantasie und dieselbe technische Wissenschaft.«

Diese Charakterschilderung der Gattung, welche Sulzer, oder vielmehr seine musikalischen Mitarbeiter, sicher aus den ersten Symphonieen Haydn's abstrahirt haben, den einzig guten, die es damals gab, findet sich ebenso, nur in einem viel höheren Grade von Genie und Wissen, in den classischen Symphonieen Mozart's vor. – Nun werfen sich zwei Fragen auf, wovon eine die Sachen, [213] die andere die Personen betrifft. Wir fragen zuerst, ob die Symphonie als unabhängige, auf sich selbst gegründete Gattung, in ihren zukünftigen Bestrebungen, die poetische Analogie übertreffen konnte, die wir in ihr anerkannt haben, wenn sie mit den Theoretikern von ehemals übereinstimmt. Sodann fragen wir, ob Einer weiter gegangen ist, als Mozart, in diesem Zweige der musikalischen Kunst, nach dem Geiste der Ode behandelt, oder besser gesagt nach den Gesetzen der reinen Musik, seit die vollständigen Mittel der Ausführung ihr erlauben, ihre grandiosesten Formen und ihren Charakter auf die energischste Weise zu entwickeln. Mit dem Stellen dieser letzten Frage ist auch die Lösung derselben zugleich erfolgt; die erstere dagegen, welche Doctrinen berührt, die heut' zu Tage von großem Einflusse sind, verdient ernstlich geprüft zu werden.

Beethoven, der größte musikalische Genius unseres Jahrhunderts, erschien. Er kam nach Haydn und Mozart, zu einer Zeit, wenn auch nicht einer nothwendigen Abnahme, aber doch zu einer, in welcher die neuen Wege nicht mehr so leicht wie sonst zum directen Fortschritte führten; in sofern der Fortschritt in den Künsten unüberschreitbare Grenzen hat, was ihre Denkmale seit dreiundzwanzig Jahrhunderten beweisen. Bei seinem ersten Auftreten, was ihm keinen geringen Anspruch auf Ruhm verschaffte, kündigte sich Beethoven als der Fortsetzer und Nebenbuhler der beiden großen Meister an, welche ihm vorangegangen waren. Man darf sich nur, unter anderen Meisterwerken, an die sechs ersten Violinquartetts, ohne allen Vergleich die schönsten, welche Beethoven je componirt hat, an das Sextett und an die bewunderungswürdige Symphonie aus C-dur erinnern. Bald brachte ihn aber die Schwierigkeit, auf einem Wege immer weiter vorzuchreiten, welcher der zur Vollkommenheit selbst war, allmählig [214] davon ab, und führte ihn auf andere Wege. Wir sprechen hier nicht von seinen allerletzten Werken, welche er mitten unter den unaufhörlichen Leiden schuf, denen der Verfasser ausgesetzt war, und welche den Stempel der moralischen Unordnung tragen, die deren Folge war. In diesen Werken, welche die Adepten selbst als änigmatisch bezeichnen, finden wir übrigen Profanen nichts Anderes, als die traurigen und melancholischen Ueberreste eines großen Mannes. Es gibt keine Musik, die beim Anhören weher thut.

Die Neuerungen der gleichzeitigen Meister werden immer am Ende die Basis des gleichzeitigen Geschmackes, welcher seinerseits die Grundlage der gleichzeitigen Theoretiker wird. Für die Pastoral- und heroische Symphonie, für die Symphonie mit Chören, für die Schlacht von Vittoria, bedurfte es einer neuen Poesie. Diese Werke konnten nicht mehr der Ode gleichgestellt werden, deren Verhältnisse sie wesentlich änderten und überschritten. Wie sollte aber die auf diesen neuen Formen construirte Symphonie beschaffen sein, und wem sollte sie gleichen? Die nach Beethoven's Schule gebildeten Kritiker haben es übernommen, uns darüber zu belehren. So lesen wir zum Beispiel:

»Beethoven nahm die Sonate und die Symphonie da auf, wo Mozart sie gelassen hatte; er fing mit dem lyrischen Ergusse an ... Aus dieser Periode schreiben sich hauptsächlich die Symphonieen aus C- und D-dur, von denen die eine ganz Mozartisch, die zweite aber, in demselben Geiste componirt, viel entwickelter ist und bereits durch ihre Ausdehnung Mozart's Compositionen übertrifft. Hier entdeckt man auf die bestimmteste Weise den Fortschritt der Kunst nach Mozart. Aus der unbestimmten Lyrik (oder der lyrischen Unbestimmtheit, wenn man lieber will) der Mozart'schen Symphonieen, ist zuerst die [215] Symphonie aus C-moll von Beethoven herausgetreten, welche noch der lyrischen Gattung angehört, welche aber, statt sich darauf zu beschränken, einen Seelenzustand auszudrücken, mehrere mit einer tiefen psychologischen Wahrheit ausmalt23. Diese Symphonie muß als der erste Grad der Erhebung über den Mozart'schen Standpunct betrachtet werden. Die wahre Bedeutung, der Charakter und die Fähigkeiten der verschiedenen Instrumente, entfalteten sich mehr und mehr vor dem Meister, der mit unermüdlichen Schritten den Weg des Fortschrittes ging. Bald hörten die Instrumente für ihn auf, todte Mittel zu sein!? sie bekleideten sich mit einer deutlich unterschiedenen Persönlichkeit, und das Orchester wurde zum belebten, einer völlig dramatischen Thätigkeit überlassenen, Chor. Die alten Bestrebungen der Symphonie wurden aber deßhalb doch nicht verlassen, aber alle vereinigten sich von nun an in einer psychologischen Entwickelung, welche mit einer Reihenfolge äußerer Zustände verbunden waren, welche die dramatische Thätigkeit der Instrumente ausdrückt, aus welchem das Orchester besteht. Und dieß ist der erhabenste Standpunct, auf welchen sich bis jetzt die Symphonie erhoben hat.«

Diese wenigen Linien finden sich in dem Sammelwerke des Herrn v. Nissen, der sie einem Schriftsteller entlehnte, den er nicht nennt, dessen Autorität aber diesem sonderbaren Biographen von Mozart zu sehr zu imponiren scheint, als daß er die geringste Einwendung dagegen erhoben oder auch nur ein Wort als [216] Commentar hinzugefügt hätte. Ich habe die Stelle angeführt, weil sie mit ziemlicher Genauigkeit, wenn gleich in nichts weniger als gewählten Redensarten, die Ansprüche zusammenfaßt, auf welche sich die Ueberlegenheit Beethoven's in der Meinung einer Menge Musiker und Kritiker unserer Tage begründet. Das System der Mozart'schen Composition war also lyrisch, das von Beethoven ist dramatisch, und darin liegt der Unterschied. Wenn man über die Ode hinausging, so blieb freilich nur noch das Drama übrig.

Das, was wir bereits gesagt haben, als wir von den Quartetts und Quintetts Mozart's sprachen, wird unsere Antwort auf die Bemerkungen des eben angeführten Kritikers enthalten. Wir führen zuerst unser thatsächliches Argument an, die Symphonie ausC-dur von Beethoven, welche der Kritiker für ganz Mozartisch erklärt, folglich nach seiner Ansicht den Mozart'schen Symphonieen, die auf diese folgten, nachstehend, und welche andere Kritiker im Gegentheile für die zierlichste und reinste unter allen von Beethoven anerkennen. Wir setzen mit vollkommener Ueberzeugung hinzu, daß, wenn Beethoven immer und in vollem Maße die Lobsprüche des Kritikers verdiente, wenn er wirklich die Instrumente individualisirte, wie die Theater-Componisten in den Ensemblestücken zu individualisiren suchen, wenn sein Orchester stets einem dramatischen Chore glich, und wenn das Ensemble seiner Symphonieen immer eine Reihenfolge von Zuständen oder äußeren Bildern geboten hätte, so würde sich Beethoven sicher nie neben Haydn und Mozart gestellt haben; denn alle diese Dinge hätten ebenso viele relative Unvollkommenheiten bezeichnet. Er ist allerdings zuweilen, aus System, in die Fehler verfallen, welche eine neue Theorie zu Grundsätzen erheben will; aber sicher hat er nicht in Folge dieser Fehler so viele bewunderungswürdige [217] Meisterwerke geschaffen. Beethoven's Genius war seiner Beurtheilung unendlich überlegen, und seine künstlerischen Inspirationen waren tausendmal mehr werth, als seine Ansichten über die Kunst. Alle Diejenigen, welche Beethoven's Werke studirt haben, konnten sich überzeugen, daß der Styl dieses Meisters nie größer und prachtiger ist, als in den Stücken, in welchen die Gedanken sich darstellen, folgen und sich entwickeln, je nach den Convenienzen eines rein musikalischen Grundes, und ohne alle Beimischung der der angewandten Musik eigenthümlichen Formen, jener Intentionen, welche bei einem Instrumentalstücke bei einem Zuhörer sogleich die Frage erregen: was bedeutet dieß? Was will man mir sagen, oder was will man mir zeigen? Die Stücke aber, welche in diesem Geiste und in diesem Styl componirt sind, sind gerade das, was man eine reine Musik nennt; sie gehören der lyrischen Gattung, der musikalischen Ode an; sie sind wahrhaft Mozartisch. Dieser Art ist von Anfang bis zu Ende die Symphonie aus C-dur. Uebrigens, wird man mir sagen, gibt es unter den Symphonieen Beethoven's andere durchaus dramatische Stücke, welche nicht weniger bewunderungswürdig sind, der Todtenmarsch in der Sinfonia Eroica zum Beispiel, und namentlich der Sturm in der Pastoral-Symphonie, der furchtbarste, der herrlichste unter allen Stürmen, die je in den Bässen gedonnert, in den Flöten und Querpfeifen gepfiffen, in den Posaunen gebrummt und gebrüllt, in den Violinen geblitzt und gehagelt haben. Die Piece ist erhaben; wir begreifen und fühlen alle Schönheiten so gut wie die exclusivsten Verehrer Beethoven's; wir unterschreiben zum Voraus alle Lobeserhebungen, welche sie machen können, denn man läuft nicht Gefahr, in Uebertreibung zu fallen, wenn man eine solche Musik lobt; und doch kann man immer einen Einwurf machen, auf welchen man stets die Anwort [218] schuldig bleiben wird. Der Todtenmarsch und der Sturm sind in einem Styl gehalten, welcher erlaubte, dieselben in jeder Oper anzuwenden, in der diese beiden Dinge sich vorfinden. Der Marsch erfordert nichts als abgekürzt zu werden; der Sturm könnte bleiben wie er ist, aber es wäre ebenso leicht, einige Chorsätze, einige lange Stimm-Exclamationen in dem Accord anzubringen, der keine Note weder in der Melodie noch in der Harmonie des Stückes änderte24. Wenn man auf dem Theater das Begräbniß irgend eines historischen Helden sähe, der in der Vertheidigung des Vaterlandes gefallen ist, welches ihm sein Heil verdankt, die Scene mit Emblemen der Trauer und des Krieges geschmückt, die Familie und die Mitbürger des großen Mannes und seine Waffengefährten versammelt, in ihrem gemeinschaftlichen Schmerze und dem Leichenzuge folgend; wer zweifelte daran, daß der Todtenmarsch mit diesem Schauspiele noch mehr Effect hervorbringen würde, als mit seiner unsichtbaren Handlung und seinem idealen Programm. Nun stelle man sich die Heldin eines Romans vor, eine junge und schöne Prinzessin, die auf der Flucht vor einem Tyrannen, der sie liebt, und welchen sie verabscheut, an einem wilden und malerischen Orte von einem furchtbaren Sturme ereilt wurde, umgeben von einer Gruppe von vor Angst halb todter Frauen, von unglücklichen Landleuten, welche ihre zerstörte Ernte beweinen, und als Begleitung und Belebung dieses Bildes, die erhabene Musik Beethoven's, welche durch die Mitwirkung der [219] menschlichen Stimmen noch erhabener und eindringlicher geworden ist. Wenn man nur halbwegs ein Freund der Wahrheit ist, so wird man zugeben müssen, daß der Sturm der Pa storal-Symphonie, in diesem oder in einem andern Rahmen, in einer dramatischen Scene noch weit schöner, als mit dem Orchester allein wäre. Und darin liegt, hundertfach für einmal, der unvermeidliche Fehler, die Erbsünde aller Musik, welche sich zum Drama erheben will, ohne durch das Wort gehalten, oder wenigstens durch eine Pantomime unterstützt, durch eine Decoration und eine Schaustellung erklärt zu sein. Wie schön und groß, wie malerisch und ausdrucksvoll, wie erhaben endlich sie sein mag, stets wird sie das Gefühl einer relativen Unterordnung, den Gedanken an All' das erwecken, was ihr fehlt, um vollständig das Ziel zu erreichen, nach dem sie strebt. Als Ersatz für das Drama kann eine solche Musik nie eine für sich bestehende unabhängige Gattung bilden.

Ein französischer Beurtheiler der Theorie, welche wir bekämpfen, geht viel weiter, als unser deutscher Kritiker. Er theilt die Symphonie in zwei Arten ein, in die alte und neue: die Symphonie, der ein Gedanke zu Grunde liegt (das heißt ein directes oder indirectes, bezeichnetes oder darunter verstandenes Programm) und in die Symphonie, bei welcher sich keines findet. Daraus schließt er sehr natürlich, daß die Werke, welche auf eine Idee sich basirten, eine viel edlere Gattung ausmachen, als die, welchen die Ideen fehlen!!! Der Mathematiker, welcher sagte: was beweis't Alles dieß, um damit seine Ansicht über eine Tragödie auszudrücken, in welcher alle Anwesenden in Thränen zerflossen, hätte sicher keine lichtvollere Distinction entdecken können. Die eigentlichen musikalischen Gedanken zu mißkennen und in einer Orchester-Composition nichts als rationelle Gedanken zu finden, welchen die [220] Musik sich anpassen kann, ist sicher dasselbe, als den Zweck der Tragödie einem logischen Beweise gleichstellen wollen. Sonate, was willst du von mir? sagte, oder konnte wenigstens mit der nämlichen lächerlichen Abgeschmacktheit derselbe Mathematiker sagen; wenn aber dieser Mathematiker zufälligerweise auch Musiker wäre, so hätte das Wort aus seinem Munde vielleicht einen wahren und geistreichen Sinn, in Beziehung auf das Werk in sich geschlossen, das ihm dasselbe eingegeben. Sicher hätte er weder die Ouverture zur Zauberflöte zum Beispiel, noch die Symphonieen Mozart's gefragt: Sonate, was willst du von mir, denn diese sagen deutlich, was sie wollen; sie sagen es der Seele klar und deutlich. Der Mathematiker hätte seine Frage an Werke der Musik gerichtet, welche ohne Handlung Anspruch auf Handeln machen, ohne Worte erzählen, die Gegenstände zeichnen und malen, ohne sichtbare Formen oder Farben, direct zu der Intelligenz dringen wollen, ohne die Mittel einer directen Communication mit ihr. Man muß sich beinahe schämen, die in gewisser Hinsicht so abgedroschene und längst bekannte Wahrheit wiederholen zu müssen, daß die Musik auf eine ganz vollkommen verständliche Art weder handeln, erzählen, noch malen kann, als vermittelst der Verdolmetschung eines Textes, einer Pantomime oder Decoration, und daß sie dann, das ist wahr, aber auch nur dann, ihren Mithelfern mit Wucher den ihr geleisteten Vorschub vergilt. Eine andere, aber viel weniger begriffene Wahrheit ist die, daß die positive Anwendung der Musik, die einen nicht in sich selbst begründeten Zweck hat, wie schön und wahr auch diese Anwendung sein mag, immer den Verlust eines Theiles des innern Werthes des Werkes nach sich zieht. Wenn dem nicht so wäre, warum bringen die besten Opern, zu Violinquartetts arrangirt, die Speise der gewöhnlichen Dilettanten, beinahe immer einen so unbedeutenden Erfolg [221] zu Wege? Nehme man dagegen die Symphonieen Mozart's und die nicht dramatischen Stücke der Symphonieen Beethoven's, setze diese als Quartetts oder Quintetts, und man wird eine schöne Musik haben, wenn gleich die Zuhörer etwas Anderes als ein Quartett oder Quintett, wie diese beschaffen sein müssen, darin erkennen werden.

Abgesehen von ihrem ästhetischen Zwecke, haben die Werke der Kunst ihre locale Bestimmung und ihre besondere Anwendung. Die Symphonie zum Beispiel hat die Bestimmung, den Anfang eines Concertes zu machen, gleichwie die Ouverture eine Oper eröffnet. In Folge davon müssen die Verhältnisse eines Werkes dieser Gattung sich nach der gewöhnlichen Dauer eines öffentlichen Concertes richten und den Solisten Zeit lassen, sich zu produciren. So verstanden es Haydn und Mozart; ihre Symphonieen sind nicht länger als ihre Quartetts. Beethoven, welcher die Gattung aus einem andern Gesichtspunkte betrachtete, und welcher dieselbe dem Charakter der Oper annähern wollte, glaubte, man könne ihr auch die ganze Dauer derselben oder wenigstens nahezu geben. Das ist es, was unser deutscher Kritiker die erste Stufe der Erhebung über den Mozart'schen Standpunct nennt. Wahrhaftig, wenn Länge und Erhebung synonym wären, wie würden da die Leute eilen, sich über Beethoven selbst zu erheben. In dieser Hinsicht ließe sich Mozart's Unterordnung durch das ABC der Rechenkunst beweisen. Die umfangreichste Symphonie Mozart's enthält nicht mehr als 934 Tacte, und die heroische Symphonie zählt deren 1900 ungefähr, was mit den Wiederholungen und in Betracht der außerordentlichen Länge des Adagio assai, einem ganzen Opernacte gleichkommt.

In Uebereinstimmung mit dem falschen Princip, welches der erhabenen Instrumentalmusik die Tendenzen des Dramas zuschreibt, [222] dehnte Beethoven die Anwendungen immer weiter aus. Er fragte sich eines Tages, warum man aus dem Orchester, das schönste aller Instrumente, die menschliche Stimme ausschließe; und diese Frage oder vielmehr Idee, gab einer concertirenden Phantasie für das Piano, mit Chören begleitet, ihre Entstehung. In der Theorie war es das förmliche über den Haufen Werfen des Rapports, welcher zwischen den Sängern und dem Orchester besteht. Wenn Maler, die für ein Modejournal arbeiten, ihre Figuren als Nebensachen zeichnen, nur um denselben die Form und Farbe des Kleides zu geben; wenn Bildner in Pappe Köpfe für Perrücken machen, so versteht man den Nutzen dieser Künstler, aber es ist in Wahrheit schwer, den Musiker zu begreifen, der das Sujet mit dem Attribut verwechselt, der den Commentar an die Stelle des Textes und den Text an die Stelle des Commentars setzt, der das Clavier in eine Person und die Menschen in Singmaschinen verwandelt! Beeilen wir uns aber hinzuzusetzen, daß die Abgeschmacktheit sich hier nur in der Idee und nicht in der Sache selbst befindet. Die verkehrte Oper oder Cantate ist eine burleske Conception, die man nicht verwirklichen kann, außer in der Absicht, schlechte Musik zu machen. Die Phantasie mit Chor ist dagegen eine der glücklichsten Launen von Beethovens Genius, eine köstliche Composition voll Zauber und Originalität. Können denn also menschliche Stimmen, als Orchesterstimmen behandelt, ein Instrument mit Effect und Glück begleiten? Ich weiß es nicht, denn in dieser Phantasie hat Beethoven die Stimmen als Stimmen behandelt, das heißt, wie es die Ansprüche des guten Geschmackes und des Ohres verlangen. Aus diesem Grunde richtet sich auch, sobald der Chor sich vernehmen läßt, unsere ganze Aufmerksamkeit ihm zu, es ist nicht der Chor, der begleitet, sondern er ist es, [223] im Gegentheile, der als Souverain, der er ist und sein muß, herrscht, und die Passagen des Pianisten sind nichts als ein glänzendes Accompagnement. Dann sind wir aber bei den wahren Bedingungen der Vocalmusik. Wie hören einen Opern-Chor, mit einer obligaten oder concertirenden Orchester-Stimme, nachdem wir eine Phantasie für das Piano gehört haben, und dann weiß man nicht mehr, auf welche Einheit das Ensemble zurückführen, noch welchen Namen man ihm geben soll. Man hat zwei Dinge statt einem. Gleichviel übrigens, da beide bewunderungswürdig sind.

Dieselben Bemerkungen, aber nicht von denselben Entschuldigungsgründen begleitet, lassen sich auf die letzte Symphonie von Beethoven anwenden, ein unmäßig großes Werk, dessen Finale ein Chor bildet, auf die Worte des Liedes an die Freude von Schiller. Nach unserer Ansicht war es schon ein schwerer und zweifacher Fehler, zu einem Chore dieses unsterbliche Meisterwerk zu wählen, das vermöge seines herrlichen, so vollendeten und so vollkommenen Styls, als Poesie und Harmonie in Worten, sich gerade darum so gar nicht eignet, der Musik angepaßt zu werden. Die Musik verlangt von der Poesie nichts als den Stoff oder die Umrisse; wenn aber der Dichter Alles gesagt hat, was er sagen konnte, und so gut, als es dem Menschen möglich ist, es zu sagen, dann ist für den Componisten kein Raum mehr da. Die Griechen konnten ihre Oden singen, weil ihr Gesang nichts als eine auf den langen und kurzen Sylben abgemessene Declamation, ohne musikalischen Rhythmus, ohne Melodie und Harmonie war. Wir haben aber alles dieß, und damit thut man dem Rhythmus und der poetischen Harmonie, häufig auch der Klarheit des Sinnes der Worte starken Eintrag. Ein Musiker, welcher zusammengesetzte Verse übersetzen wollte, nicht um sie in [224] Musik zu setzen, sondern um die menschliche Intelligenz zu preisen und eine Sprache zu verherrlichen, dieser Musiker wird stets unter zwei Sachen eine zu wählen haben: sich im Interesse des Dichters zu vernichten, obgleich dem Letztern dadurch kein reeller Nutzen erwüchse, oder den Dichter unter der Entwickelung seiner musikalischen Version zu erdrücken. Wenn die Ode an die Freude vernünftiger Weise zum Texte eines Chores oder einer Cantate genommen werden könnte, so stünde sicher nichts im Wege, Phädra, Athalie oder Wallenstein's Tod, so wie Racine und Schiller sie geschrieben haben, ebenfalls in Opern umzuwandeln. Es ist ein Glück, daß die Ode und Tragödie in Worten sich in gleichem Grade diesen Umwandlungen widersetzen. Beethoven konnte nur den dritten Theil der Ode in das Finale seiner Symphonie zwingen, und doch hat die Ode weniger als hundert Verse, und das Finale umfaßt mehr als hundert Seiten. Er wählte nur einige Strophen auf gut Glück aus, die er nach Willkür mischte und wiederholte; er behandelte diese erhabenen Bruchstücke, wie man die Fetzen eines italienischen Libretto behandelt. Wie bedauernswerth, wie traurig!

So oft die Poesie die Musik zurückstößt, in Folge der ihr eigenthümliche Eigenschaften, so oft sie vollständige Meisterwerke in der Sphäre des harmonischen Wortes und der Intelligenz schafft, muß die Musik eine Schranke achten, die sie nur um den Preis ihrer vollständigen Niederlage überschreitet. Die Musik darf die Poesie nicht verderben, wenn sie ihr nicht zu folgen vermag, noch sich selbst demüthigenden Vergleichungen aussetzen. Aber das Lied an die Freude ist an und für sich eine außerordentlich musikalische Inspiration. Sie ist es, ohne alle Widerrede, im höchsten Grade; um sie aber aus dem Zustande des Gedankens und [225] des Gefühles in den Zustand des Werkes zu versetzen, welche Form soll der Componist wählen? Der Dichter hat seine ganze Freiheit nöthig, um die Ode an die Freude zu schreiben; er hat das geistige Gebiet durchlaufen, nach welchem der Musiker ihm nicht zu folgen vermag. Um also ein Aequivalent zu dem poetischen Meisterwerke liefern zu können, brauchte der Musiker ebenfalls seine ganze Freiheit; auch er hat sein specielles Gebiet, in welches die Schöpfungen des Wortes nie zu dringen vermögen. Er wird also die Verse des Dichters nicht übersetzen, welche für ihn unübersetzbar sind, sondern er wird den wunderbaren Aufflug der Seele übersetzen, welcher diese Verse in unübersetzbaren Noten ihrerseits, in den Formen der Sprache nämlich, geschaffen hat, das heißt, er wird eine reine Musik machen, eine musikalische oder wortlose Ode, wie der Dichter reine Poesie, eine Dithyrambe gemacht hat. Also mit einem Worte, er wird eine wahrhafte Symphonie, ohne Programm und ohne Chor machen, etwas von der Art, wie die Symphonie aus C von Mozart zum Beispiel, eine in Wahrheit etwas schwierigere Aufgabe, als die symphonistische Arbeit mit Chören und Programmen.

Beethoven, sagten wir, ist in einen doppelten Fehler gefallen, als er Schiller's Ode zur directen psychologischen Basis und zum Gesangs-Programm seines Instrumentalwerkes machte. Er täuscht sich hinsichtlich der allgemeinen Rücksichten, welche eine solche Wahl verdammen, und er betrog sich auch hinsichtlich seiner selbst. Wißt ihr, was die Ode an die Freude ist, von der er den Geist wiedergeben und deren Flug er erreichen wollte? Faßt ihr, welch' jugendlicher Enthusiasmus und frischer Glaube, welche mittheilende Kraft und Begeisterung dazu gehörten, um diese Ode zu machen, welche man, selbst in reiferem Alter, nicht wieder lesen kann, ohne daß Einem Thränen in die Augen treten, und daß [226] das Herz im Busen klopft, wie es im Alter von zwanzig Jahren klopfte? Und dieß wollte während seiner stärksten physischen und moralischen Abnahme der große Unglückliche componiren, der sich Beethoven nannte. Vermochte er es, alt, kränklich, leidend und menschenscheu, wie er war; waren die Corden, welche bei den Eindrücken des Glückes vibriren, nicht schon lange in seiner Seele verstummt? Er selbst wußte es wohl. Man sehe, welch' trauriges Geständniß er uns in Noten über diesen Gegenstand gemacht hat, auf Seite 98 und 99 der Partitur, welche deren 226 hat. Ehe er mit dem Chore beginnt, versucht er hinter einander die bereits gehörten Motive der Symphonie und verwirft sie sogleich wieder. Keines scheint ihm zum Ausdrucke der Freude zu passen, was sehr wahr ist, und was zugleich beweist, daß die Symphonie dem Gedanken des Finale gänzlich fremd geblieben ist. Ist aber das Thema, welches der Componist endlich an nimmt, glücklicher gewählt? Hat Schiller's Feuerwort es eingegeben; spricht sich mit einem Worte die große und erhabene Freude des Dichters darin aus? Leider nein; dieses Thema ist nichts als eine schmachtende Cantilene, die sich auf eine nimmer endigende Weise repetirt, und in welcher der Zuhörer nichts als das Bild der Erschöpfung und des Alters zu erkennen vermag.

Nachdem man aber einmal das Recitativ und den Chor in die Symphonie eingeführt hat, warum sollte man nicht eben so die Arie, das Duett, die Ensemblestücke einführen? Warum sollte man ihr nicht statt eines einfachen Adjectivs zum Programm den Namen irgend eines bekannten Theaterstückes, und die Dauer mehrerer Acte statt eines geben; lauter natürliche Folgerungen nach den Beispielen, die Beethoven aufgestellt hat. Ich dachte gerade an die Möglichkeit dieses neuen Fortschrittes, als die Revue et Gazette musicale de Paris meine Logik rechtfertigte. Sie [227] kündigte eine Symphonie unter dem Titel Romeo et Juliette an, welche sich mit Begleitung von Chören, Arien und Recitativen entwickelt, die nicht weniger als drei Stunden dauern. Ich vermesse mich nicht, die Verdienste dieser Composition anzugreifen, welche ich durchaus nicht kenne, und der die Revue musicale unter sehr großen Lobeserhebungen Erwähnung thut. Vielleicht ist sie ein wirkliches Meisterwerk. Nur das glaube ich, daß Herr Berlioz weit besser daran gethan hätte, sein Talent, oder selbst sein Genie, welches ihm Gott verliehen, dazu anzuwenden, eine neue Oper Romeo et Juliette, eine wahrhafte Oper mit einem Libretto, einer theatralischen Handlung mit Decorationen und Costumes zu schreiben. Ist auf diese Art Beethoven nicht weit mehr übertroffen, als er je Mozart übertraf?

Auf diese Weise führen die Grundsätze der neuen Theorie, auf ihre äußersten Consequenzen getrieben, dahin, daß man den alten, mangelhaften Kreis durchläuft, welcher die Symphonie gerade und einfach zum gesungenen Drama zurückführt.

Man kann diese Wuth unserer Zeit nicht genug beklagen – ich muß es sagen und immer wieder sagen – welche sich darin gefällt, alle Compositionsstyle zum Besten einer einzigen Gattung zu entstellen. Ist dieß nicht im Grunde der Ruin der Kunst und die Barbarei zu einem System erhoben? Vom achtzehnten Jahrhunderte an war die Kirchenmusik bereits dramatisch geworden, und das war sicher das Traurigste, was sie werden konnte. Es ist wahr, man macht sich nicht viel mehr daraus, italienische Arietten den Worten des Ritus anzupassen; unsere Kritiker verdammen diese Profanalien von schlechtem Geschmacke; sie begehen aber die Inconsequenz, das dramatische Violin-Quartett und Quintett, die dramatische Symphonie zu loben, als wenn die erhabene instrumentale Kammer-und Concertmusik nicht auch ihre besonderen [228] Regeln und Gesetze der Schicklichkeit hätten, die eben so sehr in der Natur der Dinge begründet, und eben so sehr von den Bedingungen des Theater-Styls entfernt sind.

Nachdem wir Alles gesagt haben, was sich über die falschen Grundsätze anführen läßt, so wollen wir sehen, wie Mozart die wahren bei der Gattung anwendete, deren ästhetische Gesetze und Unabhängigkeit durch die übertriebene Ausdehnung, welche man ihnen geben zu dürfen geglaubt hat, völlig vernichtet wurden. Die erste Regel, welche wir der Mozart'schen Praxis entnommen haben, ist die, daß der Charakter der musikalischen Gedanken, und vor Allem der Themas, sich immer nach der Stärke der Mittel zum Executiren richten solle. Tief und selbst abstract in seinen Quartetten, viel positiver und selbst viel rühriger in seinen Quintetten, erreicht Mozart in der Symphonie den höchsten Grad von Feuer, Energie, Leidenschaft und Begeisterung. Man darf nur die Themas in der vereinzelten ersten Violinstimme betrachten, um sogleich darin eine Composition für das große Orchester zu erkennen. Die Gänge oder Passagen der Mozart'schen Symphonieen unterscheiden sich auch von denen der Quartetts und Quintetts, indem ein großer Theil dieser Passagen auf den wohlklingenden Effect berechnet ist, den mehrere Symphonisten hervorbringen, welche dieselbe Stimme spielen. Die Solo's sind nicht zahlreich und immer den Blasinstrumenten anvertraut. Ueberdieß findet man in den Symphonieen eine verwegene, zuweilen unordentliche und excentrische Modulation, die man sonst nicht bei Mozart trifft, weil sie eigentlich nur der musikalischen Ode zukommt. Endlich erscheinen in diesen Symphonieen neben den heftigsten Ausdrücken die colossalsten Combinationen; Verbindungen und Gegensätze von Ideen, welche das Ohr verblüffen, Wunder des Contrapunctes und der Harmonie, die noch kein wunderthätiger [229] Musiker uns wiederholt hat oder wiederholen wird. Wir haben bereits bemerkt, daß das Wissen in den Instrumentalwerken Mozart's immer in directer Beziehung zu dem Ausdrucke steht. Beide sind in der Symphonie auf den höchsten Grad gebracht, weil der Componist hier über sämmtliche Effectmittel gebot, welche die doppelte Phalanx des Orchesters in sich schließt, und weil er, was die Anwendung des Contrapuncts anbelangt, diesen bis zu acht wirklichen Stimmen in die kanonischen Nachahmungen und Fugen verwickeln konnte.

Die vier Symphonieen, welche in dem autographirten Kataloge verzeichnet stehen, entsprechen hinsichtlich der Tonarten den Violinquintetts aus C, D, Es- dur und G-moll. Wir werden über diese Meisterwerke in einige Details eingehen, indem wir wie immer der chronologischen Ordnung folgen, welche hier eine herrliche Progression zeigt, deren Ende, das heißt das Finale der letzten Symphonie, das non plus ultra der Gattung, vom Standpunct des musikalischen Aequivalents für die Ode ist.

Die Symphonie aus D, die erste, dem Datum nach, wurde im Jahr 1786, nach der Hochzeit des Figaro geschrieben, von welcher sie einige Reminiscenzen an sich trägt. Ich ziehe die Ouverture dieser Oper, die ebenfalls aus D geht, dem ersten Allegro der Symphonie weit vor, in welcher man etwas schwache melodische Gedanken und sehr gelehrt combinirte Nachahmungen, aber von vielleicht zu scholastischer Regelmäßigkeit findet. Dagegen ist das Andante ausG-dur,6/8, ein Stück von idyllischer Einfachheit und bezaubernder Anmuth, melodisch, leicht zu verstehen, und des Beifalls um so sicherer, als einige seiner Sätze sich zum Vocalgesange herbeilassen, und für das dramatische Orchester taugen würden. Es findet sich auch eine köstliche und originelle Modulation von E-moll in D-moll (in den Tacten 19–22). [230] Diese Symphonie hat kein Menuet. Eine Reminiscenz an Figaro25 hat das Motiv zu dem Presto am Ende geliefert, D-dur,2/4, eine Piece, welche aus einem Gusse und fast nur aus einem Gedanken besteht; eine bewunderungswürdige thematische Arbeit, eine glänzende und feurige Musik.

Man beurtheilt die Dinge nur durch Vergleichung und die großen Künstler namentlich durch Vergleichung mit ihnen selbst. Wenn auf die Symphonieen aus D nicht andere gefolgt wären, so würde unser Bericht aller Wahrscheinlichkeit nach ganz anders ausgefallen sein. Aber mehr als irgend ein Anderer hat uns Mozart das Recht verliehen, wählerisch zu sein. Ohne die Symphonieen in Betracht zu ziehen, welche älter als das Jahr 1784 sind, deren Zahl sich auf 33 erhebt (die vier bekannten wahrscheinlich mit eingerechnet), können wir die Symphonie aus D als ein Probestück unseres Heros betrachten, nachdem er seine Studien als Componist an den Vorbildern Haydn's vollendet hatte. Das Werk beweist uns, daß zu der Zeit, in welcher es geschrieben wurde, Mozart durchaus mit Theatermusik beschäftigt, noch nicht mit solcher Klarheit von dem Unterschiede durchdrungen war, von welchem seine folgenden Werke Zeugniß ablegen, der zwischen dem Orchester der Symphonie und dem Orchester der Oper besteht. Ehe er sich zu der musikalischen Ode aufzuschwingen vermochte, hatte er noch mit seinen Gewohnheiten als dramatischer Compositeur zu kämpfen. Er schritt demnach, wie man sieht, in umgekehrtem Verhältnisse gegen die Bestrebungen und Richtungen vorwärts, welche die Theorie und die Praxis unserer Tage geheiligt haben.

[231] Die zwei Jahre später componirte Symphonie in Es nimmt eine hohe Stufe unter ihresgleichen ein, ohne daß sie jedoch den beiden erhabenen Productionen der nämlichen Gattung gleichkäme, die im Laufe desselben Jahres 1788 sehr nahe folgten. Sie fängt mit einem Adagio 4/4 an, das auf Art eines Präludiums in einem weiten und grandiosen Styl entworfen ist, der die Aufmerksamkeit und die Erwartung mächtig spannt, gleich einem Eingange, dessen Sätze die Wichtigkeit wohl ahnen, aber den Gegenstand des Gesprächs nicht errathen lassen. Mozart liebt es, das zu halten, was er verspricht, und das Allegro 3/4 entspricht der Introduction in würdiger Weise. Erhabenheit, Wärme und Adel, das ist der Charakter, den das Motiv zeigt, und welchen abwechselnd bezaubernde Melodieen und schmetternde, geräuschvolle Passagen des Orchesters erhöhen. Die Kraft und Präcision der Tutti bildet den angenehmsten Contrast mit dem Wohlklange und der leichten Anmuth der pizzicato begleiteten Gesänge und anderer Figuren, welche sich in zarten Umrissen bemerklich machen. Endlich bringt die zweite Wiederholung Combinationen voll Zierlichkeit und Effect. Mozart hat für seine Symphonieen eine unabänderliche Form angenommen, welche alle Gestalten und Gänge der hohen Instrumentalmusik in sich vereinigt. Zuerst kommt die Auseinandersetzung des Themas, die Gänge und Passagen des Orchesters, die episodischen Gesänge und zum Anfange der zweiten Wiederholung (der Mittelsatz) die Analyse der Gedanken, die thematische und contrapunctische Entwickelung, hernach wiederholt sich der Inhalt der ersten Hälfte in der zweiten mit mehr oder weniger Abänderungen und in einem anderen Tone. Dieß ist ungefähr auch die Form der Quartetts und Quintetts.

Das Andante unserer Symphonie, As-dur,2/4, hat einen kurzen melodischen Satz zum Motiv, der von Anfang wenig heißen [232] will, aber Geduld! Es ist nicht möglich, weniger Hilfsgedanken anzuwenden, als Mozart es in dieser Piece gethan hat, noch eine einfachere und strengere Einheit, bei einer immer mehr hervortretenden Steigerung des Interesses hervorzubringen. Was die Hauptgedanken anbelangt, so gibt es deren nur zwei, welche als solche nach einander auftreten. Das Thema, eine ruhige und meditative Figur, mit ihren Zergliederungen und Verwandlungen, und eine andere leidenschaftliche, elegische Figur, welche sich ebenso durch die Modulation, wie die erste, durch die Mannigfaltigkeit der Anlage, der Nachahmungen und der Theilung zwischen den Orchesterstimmen auszeichnet. In Folge des Alles zerrüttenden und progressiven Schmerzes, welchen sie ausdrückt, führt diese Figur das enharmonische Verfahren herbei. Sie tritt auf die unerwartetste Weise inH-moll hervor, und gelangt den Augenblick hernach an die äußerste Grenze der mit B bezeichneten Töne, das Bild der kläglichsten Verzweiflung; wenn sodann die Leidenschaft sich durch ihr eigenes Uebermaß erschöpft hat, tritt die Vernunft wieder in ihre Rechte; das Thema erscheint wieder und beruhigt Einen sogleich. Man sieht an diesem bewunderungswürdigen Andante, was die gründlich durchgenommene Erörterung eines Gefühlssatzes Beweise für und gegen zu liefern vermag; welche Mannigfaltigkeit die contrapunctische und modulatorische Analyse in Form und Ausdruck eines Sujets bringen kann, und welche Mittel und Hilfsquellen die Kenntniß der Entwickelungen bietet, um damit die doppelte Klippe der Monotonie und der Abschweifung zu vermeiden.

Das Menuet mit seinen kurz abgerissenen Sätzen und seinem feurigen Tempo führt die Executirenden in Versuchung, es Allegro con brio, statt Allegretto, wie Mozart es gewollt, zu nehmen. Es ist in rein melodischem Styl gehalten, voll Zauber [233] und Schwung. Namentlich ist die Melodie des Trio, welche sich zwischen dem Clarinett, der Flöte und der Violine theilt, wahrhaft entzückend.

Im Allgemeinen scheinen Mozart's Symphonieen diesen relativen Vorzug zu haben, daß die letzten Allegro's oder Finale's nicht die schwächsten Theile des Werkes sind; eine Bemerkung, welche man, wie es scheint, auf mehrere Quartetts und Quintetts des Autors anwenden könnte. In den Symphonieen dagegen vermehrt im Gegentheile das letzte Stück, weit entfernt unter den vorhergehenden zu stehen, immer die Präcision oder steigert die Energie des Grund-Charakters, welchen das erste Allegro ankündigt. So steigert das Finale der Symphonie aus Es die innere Zufriedenheit, welche sich von Anfang an kundgegeben, bis zum Sichselbstverlieren und zur Fröhlichkeit. Das Motiv athmet die herzlichste und zu Herzergießungen geneigte Munterkeit, denn alle Hilfsgedanken entspringen mittelbar und unmittelbar aus ihm, wenn nicht die Tutti des Orchesters ihm einige Ruhe verleihen. Was hat aber der Componist ihm in den verwickelten Theilen seines Werkes entgegengesetzt? Nichts Anderes als sich selbst. Er hat es in Theile zerlegt, hat die Bruchstücke zwischen den Blasinstrumenten getheilt, er gab der Violine einen kräftigen Gang in Synkopen, um dagegen zu arbeiten; dann, mit Hilfe des Kanons, der enharmonischen Modulation und der Moll-Töne mit Kreuzen, brachte er die Schatten des Gemäldes durch die Elemente selbst hervor, aus dem er die Lichtseiten genommen hatte, vermittelst eines Motivs von guter Laune und Composition, wie man sieht. Trotz einiger Anspielungen an den elegischen Gedanken des Andante, ist es doch schwer, eine Orchester-Composition mit freierem, heiterem Gange, einer charakteristischeren Lebhaftigkeit, und zugleich eine strenger thematische Piece, wie diese, zu [234] hören. Eine Fuge könnte es nicht mehr sein. Ja, es gibt sogar wenige, welche es in diesem Grade sind.

Nun kommen die letzten und vollkommensten Schöpfungen Mozart's in der Gattung der Symphonie: die Werke aus G-moll und C. Es sind fast Zwillingsschwestern, weil sie nur einen Monat von einander entstanden sind. Obgleich diese Schwestern unvergleichlich schön sind, so unterscheiden sie sich nichtsdestoweniger in den Zügen eben so sehr als hinsichtlich ihres Charakters. Ein Dilettant des achtzehnten Jahrhunderts hätte die jüngere mit Minerva, von Apollo und den Musen begleitet, und die ältere mit Venus, wie sie den Tod des Adonis beweint, verglichen, und er hätte der einen alle Eigenschaften des Herzens, der andern alle Gaben des Geistes zuerkannt.

Die Symphonie aus G-moll drückt, wie das Quintett aus demselben Tone, die Bewegung der Leidenschaft, die Wünsche und Leiden einer unglücklichen Liebe aus. Jedoch mit dem Unterschiede, daß es hier um eine tief in der Seele verschlossene Klage, die man höchstens in den Busen eines Freundes ausgießt, um einen rückhalts- und grenzenlosen Schmerz handelt, welcher Angesichts der ganzen Welt ausbricht und diese mit seinen Seufzern erfüllen möchte. Darin liegt der Unterschied zwischen der Elegie und der elegischen Ode. Ein anderer Unterschied, welcher zwischen den zwei Werken zu bemerken ist, liegt darin, daß das psychologische Drama des Quintetts eine glückliche Lösung findet, wie wir gesehen haben; dagegen bezeichnet das Finale der Symphonie den höchsten Grad des Leids, eine mit Wuth gemischte Verzweiflung. Es findet sich darin ein Fortschreiten, welches nur durch das Andante unterbrochen wird, dessen Charakter stets fühlbar von dem der anderen Stücke abweichen muß, weil sonst die Zuhörer ermüdet würden, und durch das immerwährende Zurückkommen auf denselben [235] Ausdruck verloren ginge. Man höre den Anfang des ersten Allegro, dieses Motiv mit dem zauberisch-melancholischen Ausdrucke, welcher dasselbe allen Liebhabern eingeprägt hat. Es spricht Anfangs nichts als eine verschleierte Trauer aus, eine sanfte und zärtliche Schwermuth, die aber in der zweiten Wiederholung bitter und stechend wird. Unmittelbar nach dem Accorde der Tonica, mit welchem diese Wiederholung beginnt, kommt das Thema durch einen Uebergang, in welchem ein F durch Verwandlung in ein Eis einen wunderbaren Effect hervorbringt, in Fis-moll zurück26. Es erscheint wieder, aber zögernd und verlegen, eine Freistätte bei den verschiedensten Tonarten zu suchen, ohne sie zu finden; dann kämpft es verzweiflungsvoll mit einem furchtbaren Gegensubjecte in den Violinen und dem Basse: hierauf glaubt man, durch so viele schmerzvolle Anstrengungen erschöpft, es abnehmen, erlöschen, in Stücke verfallen, langsam in einer Reihenfolge gebrochener Nachahmungen und verschwebender Harmonieen hinsterben zu sehen; endlich ersteht es in seiner ersten Form wieder, und die Symphonie fängt von Neuem an. Wie schön, erhaben! Aber verdammt sei die Sprache, welche mir keine anderen Beiwörter des Lobes und der Bewunderung, für diese mehr als bewunderungswürdige Composition des Mittelsatzes liefert.

Aber welcher Traum, aus den elfenbeinernen Thoren Elysius hervorgegangen, oder welche unbestimmte und entfernte Hoffnung unterbricht den Lauf dieses Schmerzes und tröstet die Seele durch den himmlischen Balsam, den sie auf seine Wunde legt? [236] Andante, 6/8, Es-dur, eines jener unaussprechlichen Werke, in denen dem Gefühle Alles klar und dem Geiste Alles Geheimniß ist. Das Thema ist von etwas unbestimmtem Umrisse, in der Form zusammengesetzt, und eben daraus zieht das Stück den Zauber seines Eindrucks und einen himmlischen Ausdruck, der an das Uebernatürliche streift. Man muß es genau be trachten, um sich zu überzeugen, daß dieses Meisterwerk, von so reicher und manchfaltiger Anlage es zu sein scheint, ganz allein aus den vier ersten Tacten des Anfangs, ferner aus einem andern, vom Thema unzertrennlichen Gedanken, obgleich dieser ganz anderer Art ist, construirt wurde. Es ist eine Figurine von Zweiunddreißigsteln, je zu zwei und zwei gruppirt, welche man unaufhörlich flattern hört, und die unaufhörlich ihr Schmetterlingsgesumme mit den ernstesten Synkopen, mit den unerwartetsten Gängen der Harmonie, mit den unvorhergesehensten Seitensprüngen der Modulation, mit den abstractesten thematischen Analysen vermischt. Hiezu füge man eine durchsichtige und prismatische Intrumentation, in welcher dieselben Einzelnheiten in dem verschiedenartigsten Farbenspiele sich zeigen, je nachdem sie den Streich- oder Blasinstrumenten anvertraut sind; und mitten in dieser harmonischen Gährung, Gesangsätze, welche, gleich den Stößen eines mit Wohlgerüchen angefüllten Lüftchens, vom Himmel zu kommen scheinen. Der Componist hat dieses Stück mit sämmtlichen Buchstaben in Fractur mit: Wolfgang Amadäus Mozart unterzeichnet; ebenso wie er es bei dem Andante des Quartetts in Es-dur, bei den Andantes der Quartetts in C-dur und A-dur, wie er es bei dem Adagio des Quintetts in D gethan hat. Werden wir je einen Menschen finden, der geschickt genug wäre, diese bis jetzt unnachahmliche Unterschrift nachzumachen?

Das Menuet, Allegro 3/4, führt uns zu dem positiven Charakter [237] und zu der Haupt-Tonart der Symphonie zurück. Welches Meisterwerk in wenigen Linien ist dieses Menuet! Wie sehr athmet dieserMoll-Gesang eine wilde Melancholie, durch eine hochmüthige Nachlässigkeit gemäßigt, die ich nicht zu benennen weiß! Welch' hinreißendes Feuer und welch' pathetischer Schwung liegt in dem Kanon, der die andere Hälfte der Piece einnimmt, und welche der Musiker aus dem in zwei Figuren zerbrochenen Thema construirt und über ein doppeltes Thema durch die nahe liegenden Töne geführt hat; wie köstlich schließt endlich nach der Heftigkeit und dem Tumult dieser erhabenen Arbeit eine klagende Coda der Blasinstrumente das Stück durch die Wiederholung des Themas mit halber Stimme und in einem chromatischen Baß. Wir kennen unter den Compositionen dieser Gattung nichts Schöneres noch Rührenderes.

In den Mozart'schen Symphonieen ist der Effect dessen, was man das Trio nennt, auf eine relative und dem des Menuets untergeordnete Weise berechnet, in der Absicht, damit eine Ablenkung oder einen Contrast zu Wege zu bringen, sowohl hinsichtlich des Ausdrucks als auch des Styls. Diese Trio's haben immer einige Tacte Solo's, welche den Blasinstrumenten anvertraut sind, irgend eine anmuthige Cantilene im melodischen Styl. Man darf nicht vergessen, daß sie die Mitte des Stückes einnehmen, und daß immer die Wiederholung des Menuets den Schluß bildet.

Auf die rührende, aber noch halb resignirte Klage, welche das Menuet charakterisirt, folgen in dem Finale, Allegro assai,2/4, die Ausdrücke der Verzweiflung. Des Leidens müde, wird die Seele unwillig und empört gegen das Leiden; sie überläßt sich einem ungestümen Zorne, der durch die Betonung der Octaven und Triller in dem auf das Motiv folgenden Satze beinahe [238] in Wildheit ausartet. Mit einer thematischen Basis dieser Art mußten die Nebengedanken natürlicherweise sanfter sein, weil es unmöglich war, auf den Grundgedanken zurückzukommen, und weil das Gesetz der Contraste es überdieß so wollte. Uebrigens erkennt man sie an den beschwerlichen Hindernissen, welche diese Gedanken auf ihrem Wege treffen, an den Verwickelungen der Harmonie, welche sie bei ihren Wiederholungen zu durchkreuzen haben, immer als nothwendige Episoden oder als obligate Varianten eines und desselben Gesanges des Flehens und der Verzweiflung. Ich zweifle, daß es in der Musik etwas tiefer Einschneidendes, grausamer Schmerzliches, heftiger Bestürztes, trotziger Leidenschaftlicheres gibt, als die Wiederholung dieses Finales. Und um einen derartigen Ausdruck zu Stande zu bringen, hat Mo zart fast keine andere wirkende Kraft in Bewegung gesetzt, als das Thema, dessen im Anfange dargelegte Figur, auf den Intervallen des harmonischen Dreiklangs, sich hier auf den Intervallen des Accords der kleinen None und aus anderen harten Harmonieen entwickelt. Hier theilt sich überdieß das Thema in kanonischer Form zwischen den beiden Phalanxen des Orchesters, stößt in seinem wüthenden Gange bald gegen feindliche Gegensubjecte, bald wird es durch sie niedergeschmettert; dann, ebenfalls Sieger, hört man es unerbittlich und unermüdlich eine Reihenfolge von chromatischen Corden anschlagen, welche von Kreuzen zu Kreuzen es zu dem seiner ursprünglichen Tonart entgegenstehenden Extrem treiben, und das setzt sich so während achtzig Tacten fort. Aus welchem Begegnisse seines innern Lebens, aus welchem Paroxismus des Herzens hat Mozart diese wie irre redende und doch so classische Inspiration genommen, und wie hat dieser Ausfluß der Leidenschaft den Ausfluß der Wissenschaft wiederholt? Der zweite Theil des Finales übertrifft noch den ersten, insofern die [239] episodischen Gesänge, welche zuerst in der wechselbezüglichen Tonart aus B-dur sich zeigten, hierauf in die Tonica zurückkommen, wo ihr rührenderer oder bewegterer Ausdruck viel entschiedener zu der Hauptfärbung des Stückes zurückkehrt und dem Ohre weit besser gefällt. Es gibt kaum ein Finale, auf welches finis coronat opus anwendbarer, noch ein Werk, bei welchem es schwerer zu Stand zu bringen gewesen wäre, als in der Symphonie aus G-moll, einer Symphonie, welche gleich von Anfang so groß und energisch auftritt.

Der Mann aller Gattungen, aller Ausdrücke, aller Contraste, hat uns ein letztes Werk vermacht, in welchem wir statt der elegischen Ode mit ihren schmerzlichsten Ergießungen, die auf den höchsten Grad der Pracht, der Begeisterung, der erhabenen, pindarischen Verwirrung und Trunkenheit gesteigerte Dithyrambe finden. Die Symphonie aus C zeigt uns, welche glorreiche Inspirationen Mozart's Seele von heute auf morgen aufrichteten, mitten unter den Leiden, welche er uns so eben erzählte, Leiden, welche von einem prädestinirten und bereits wankenden Leben unzertrennlich sind, von dem jedes seiner Meisterwerke einen Theil mitnahm, und dessen nahes Ende er bereits zu fühlen anfing.

Man könnte glauben, daß die Symphonie aus C dazu bestellt worden wäre, irgend ein außerordentliches Ereigniß in den Annalen der Welt, einen höchst glücklichen und auf ewige Zeiten dem menschlichen Andenken merkwürdigen Sieg zu verherrlichen! Das laut tönende Gepränge des Orchesters, welches mit dem neunten Tacte in seiner ganzen Macht sich bemerkbar macht, deutet entschieden die Fröhlichkeit des Sieges als den Grund-Charakter des Werkes an; das Thema aber, das diesem Ausdrucke der Siegesfreude vorangeht, ist doppelt. Es besteht aus einer Art von Anruf oder Fanfare, auf welche ein kleiner fragender Satz [240] in verbundenen Noten folgt. Das ist der Hauptgedanke, das fruchtbare Thema, welches durch seine Entwickelungen dem großen Jubel des Allegro einen ganz eigenthümlichen Stempel von Spiritualismus aufdrückt und sich der Seele als ein fortgesetztes Streben nach, was weiß ich welchen, intellectuellen Gipfeln kundgibt, welche der Dichter zu erreichen brennt, die er aber erst gegen das Ende der Ode erreicht. Es gibt nichts Herrlicheres und Feierlicheres, als die Erweiterungen, Umformungen und Analysen der beiden Fragmente des Themas. Das eine ertönt gleich dem Sturze eines Waldbaches, den die Echo's der Berge in mehreren Tönen wiederholen; die andere Figur, welche immer unter verschiedenen Formen das Ziel verfolgt, nach dem sie strebt, taucht bald in dem Basse unter oder schwimmt sie oben auf der Melodie, und bald steigt es in einem kräftigen Unisono gesammelt und macht sich hartnäckig durch die von den extremen Stimmen des Orchesters festgehaltenen Register Bahn, welche die langgezogenen Töne der Trompete unterhalten. Ein unaussprechlicher, erhabener Effect. Der Mittelsatz, eines der schönsten Muster der durchgearbeiteten Musik, ist zum größeren Theile aus einem Nebengedanken gemacht worden. Es ist dieß der köstliche, unvergeßliche Gesang der Violinen, mit einer Begleitung in pizzicato, welcher von der Dominante, wo man ihn zuerst gehört, in Es-dur transportirt und als Subject behandelt, hier den contrapunctischen Stoff liefert. Gegen den Schluß erscheint dieser Gesang in der Tonica als Melodie mit vermehrtem Zauber und neuen Reizen wieder.

Andante F-dur,3/4. Mag das langsame Tempo auf ein Stück von energischem oder leidendem Ausdrucke oder auf den Ausbruch eines jubelnden Enthusiasmus folgen, wie das erste Allegro unserer Symphonie, immerhin bezeichnet es jenen Moment [241] des Ausruhens, der Pause, der Entkräftung oder der Unterbrechung, welche auf die großen Gemüthsbewegungen sich einstellt. Hier gibt die Einstellung der Ode, des Andante, das Bild einer ruhigen Glückseligkeit, der höchsten Bezauberung. Das Thema voll des hinreißendsten Ausdrucks und sangbar, wie ein für die Stimme geschriebener Satz, nimmt weniger Raum ein, als Mozart gewöhnlich dem Anfangsgedanken und seinen Abweichungen in der Zusammenstellung des Stückes gewährt; und es kommt dieß von dem Ueberflusse der Nebengedanken, der Anzahl und dem besondern Wohlklange der concurrirenden Motive her. Diese Menge schöner melodischer Einzelnheiten, welche mit langen Passagen von Zweiunddreißigsteln und Sextolen vermischt sind, diese durch sich selbst vermehrten Sätze in den Wiederholungen und Nachahmungen verbreiten über die Piece eine Art von Halblicht, indem das Ohr sich mit Entzücken verliert, wie das Auge eines Zuschauers in einem Bosquet, welches die Sonnenstrahlen senkrecht durchdringen, beleuchten, entzünden und mit tausend phantastischen Gestalten bevölkern. Von Zeit zu Zeit verdunkeln aber einige große und undurchsichtige Wolken das Blau des Himmels. Die Seele fühlt den Stachel eines plötzlichen Schmerzes, peinliche Synkopen stören die Harmonie, das Moll tritt hervor und herrscht in einer Reihenfolge von von Schrecken gebrochenen Sätzen; aber diese Dünste ohne Wasser, diese Schreckbilder ohne nachhaltigen Bestand, die Spiele eines launigen Windes, verschwinden eben so rasch wieder, als sie gekommen sind. Die Sonne siegt über all' diesen unmächtigen Halbwillen der schlechten Witterung, ihre strahlende Scheibe erscheint mit dem Thema wieder, und das Herz geht von Neuem in den Strahlen einer unverwischbaren Glückseligkeit auf. Mozart mußte mit seinem Andante zufrieden sein; wir sind es auch und zwar sehr, allein trotzdem müssen wir, die Hand auf's [242] Herz, gestehen, daß wir das der Symphonie aus G-moll vorziehen.

Nachdem der Componist in dieser sentimentalen Betrachtung voll Zauber ausgeruht hat, entzündet sich ein lyrischer Feuergeist von Neuem, und bricht mit ungestümer munterer Laune in dem Menuet, Allegretto 3/4, aus, welches man gewöhnlich Allegro nimmt. Es ist nach dem technischen Muster des älteren ausG-moll gemacht, abgesehen von der Verschiedenheit der Ideen, die sehr groß ist. Dieselben flüchtigen und geräuschvollen Motive füllen die beiden Theile des Stückes; aber in dem ersten sind sie in einer einfachen Melodie dargelegt, und in der zweiten, welche viel länger und interessanter ist, ließ sie der Componist die schwierige Probe bewunderungswürdiger contrapunctischer Spiele bestehen, nach welchen eine Coda der Blasinstrumente kommt, die nicht weniger bewunderungswürdig wie die im andern Menuet ist. Das Trio ist ein anmuthiges Geplauder, welches einige energische Sätze in Moll durchschneiden, in welcher der obstinate Ton, das E, in der Octave von den Trompeten geblasen, den schönsten Effect hervorbringt.

Wir haben bereits an anderer Stelle Gelegenheit gehabt, von der erstaunenswerthen Arbeit zu sprechen, welche die Symphonie aus C beschließt, und einige Bruchstücke derselben dem Leser vor Augen zu legen. Wir haben eine materielle Analogie mit den Arten, welche Haydn in der Ouverture zur Schöpfung angenommen hat, darin erkannt; weil aber alle musikalischen Aehnlichkeiten dieser Gattung nothwendigerweise ihre Wurzeln in einer psychologischen Analogie haben, insoferne die Phänomene der Seele immer ihre Wechselbeziehungen in den Phänomenen der äußeren Welt finden, so könnten wir in diesem Finale ebenso die Verordnung eines schwankenden Gedankens unter der Zahl und der Größe [243] der Bilder finden, welche sie zu gleicher Zeit bestürmen. Aus der lyrischen Begeisterung ging der Dichter in den Zustand der Extase und des Hellsehens über, was er Anfangs erzählte, sieht er jetzt; seine Willenskraft, zuerst thätig und einsichtsvoll, wird passiv und mechanisch; er scheint einem außer ihm liegenden Einflusse zu gehorchen, der ihn unterjocht, hinreißt, ihn mit großartigem Blendwerke umgibt, und ihm Worte einflüstert, deren bloßes Echo er ist. Das menschliche Ereigniß, das er verherrlichte, verwandelt sich in das zweite Gesicht des Dichters, mit der ganzen Reihenfolge der Ursachen, welche es herbeigeführt haben, mit der ganzen Verkettung der Folgen, die daraus entspringen müssen; die Vergangenheit, die Gegenwart und Zukunft scheinen ihm vereinigt, aber deutlich unterscheidbar in diesem untheilbaren Puncte, in welchem sie sich berühren, um sich aus einander zu erzeugen und darauf zu sterben. Der Geist erliegt der Betrachtung des Ursprungs der von der göttlichen Vorsehung angeordneten Thatsachen, der Triebfedern und Reactionen, der Kräfte und der gegenwirkenden Kräfte, der Beihilfe und des Kampfes der sympathetischen und feindlichen Einflüsse, des ganzen wunderbaren Mechanismus, in dem er Anfangs nichts gewahr wird, als ein unentwirrbares Untereinander und eine riesenhafte Verwirrung, deren Resultat nichtsdestoweniger nach unserer ersten Analogie in der moralischen Ordnung ausläuft. Man sieht, daß Nichts sich mehr der Auslegung schmiegt, als der ideale Sinn der reinen Musik und insbesondere der Sinn einer Fuge. Jeder kann ihn sich nach seiner Art deuten, nach der Idee oder dem Bilde, welche das Anhören ihm gelegentlich erwecken; aber welche Auslegung man auch dem Finale unserer Symphonie geben mag, so werden darin Alle übereinstimmen, daß sie Die blenden wird, welche sie sehen, und Denen, welche sie hören, Schwindel verursachen muß; einen Schwindel [244] der Bewunderung und der Begeisterung. Man muß nothwendig diese Musik hören, um sie für möglich zu halten; sie scheint nicht zu sein, wenn man sie mit den Augen studirt.

Eine unparteiische, aber schüchterne Kritik könnte sich vielleicht fragen, ob Mozart seinen Genius in dieser sonderbaren Composition nicht mißbraucht habe, um, so zu sagen, riesenhaft und erhaben zu sein; ob nicht ein Uebermaß von Kühnheit und hinreißender Gewalt, ein Uebermaß von Combinationen und Figuren, von harmonischer und kanonischer Gelehrsamkeit, eine ungeheure Größe in der Anlage des Planes und der Einzelnheiten des Stückes, eine Ermüdung für die Aufmerksamkeit, eine Ueberladung für das Ohr, und zuweilen eine augenscheinliche und verdammungswürdige Verachtung der Regeln darin zu finden sei, welche noch aufrecht stehen? Der Leser darf glauben, daß wir mit aller Macht unserer Ueberzeugung und unserer musikalischen Sympathieen, die Mitverbindlichkeit eines so ausgesprochenen Urtheils zurückweisen würden. Nun! gibt denn diese Musik Einem nicht Alles, was man eigentlich von ihr verlangen kann? Ist sie denn nicht in der That eine Exaltation des Dreifußes, welche dem Delirium gleich zu kommen scheint, weil sie einen Grad von intellectuellem Hellsehen bezeichnet, der dem normalen Zustande des Menschen fremd ist; ist sie nicht jene ungeheure und excentrische Gewalt des Gedankens, welcher alle bekannten Formen der Sprache zerbricht, um sie aus unerhörten Constructionen und Worten wieder zusammenzusetzen, wie die Sachen selbst, welche der Dichter Einem zu sagen hat; ist sie nicht mit einem Worte die durch die Musik zu ihrer höchsten Mächtigkeit erhobene Dithyrambe! Nach unserer Ansicht ist die Fuge aus C das Meisterwerk Mozart's in der Gattung der Symphonieen und der höchste Ausdruck der Gattung selbst: der höchste Standpunct, wie der oben angeführte Kritiker, [245] dießmal aber mit mehr Grund, sagen würde. Sie ist auch die letzte Arbeit unseres Heros in diesem Zweige der Kunst. Weil Mozart nicht mehr weiter zu gehen vermochte, so componirte er keine Symphonieen mehr, und überließ seinen Nachfolgern den Ruhm die Gattung bis zum Drama zu erheben, und deren Productionen durch Beiwörter zu charakterisiren, an welche die Zuhörer nicht immer hätten denken können. Wenn aber der Maler unter seine Bilder gesetzt hat: Dieß ist ein Baum, und dieß ist ein Palast, so kann man sich über seine Intentionen nicht mehr wohl täuschen. Ueberdieß kann kein Mensch Alles machen. Mozart hat wenigstens, wenn er heut' zu Tage übertroffen wurde, den Trost, sich in seinem Grabe sagen zu können, daß, wenn er es auch nicht verstanden habe, dramatische, heroische, pathetische, erotische, phantastische, phantasmagorische, diabolische, pastorale, triumphirende, fatale, höllische, soldatische, ritterliche, burleske, oder maurische Symphonieen zu machen; wenn er Nichts von all' Dem erdacht habe, so haben dagegen die verstorbenen oder noch lebenden Meister sicher kein Stück ohne Adjectiv geschrieben, oder werden sie je ein solches schreiben, wie die Fuge aus C kurzweg. Jedem das Seine.

Häufig kommt man in die Lage das Bekannteste in Erinnerung bringen zu müssen. So kann ich meinen Artikel nicht schließen, ohne den Hauptgrund zu berühren, welcher heutigen Tages allgemein den Symphonieen Beethoven's, vor denen von Mozart, den Vorzug sichert. Die einsichtsvollsten und geachtetsten Kritiker stimmen in diesen, im Ganzen sehr augenscheinlichen Grunde überein. Unter allen Arten von Effecten, welche ein musikalisches Werk hervorzubringen vermag, ist der materielle oder akustische Effect derjenige, welchen die Mehrzahl der Zuhörer am [246] Besten faßt, und welchen ihrerseits die Componisten am Leichtesten erreichen. Dazu brauchen die Einen nichts als ihre Ohren, mögen diese gebildet sein oder nicht; die Anderen kommen damit zu Stande, wenn sie in ihren Partituren gehörig Ausfüllungsinstrumente anbringen, was ihnen keine große Verlegenheit bereiten kann. Ich bin weit entfernt, die Gewalt des materiellen Effects in Abrede zu ziehen oder zu mißkennen. Es liegen eine Menge musikalischer Eindrücke darin, die auf Jedermann sehr mächtig einwirken, es gibt sehr große Schönheiten, die er allein hervorbringt; aber ich bin deßhalb doch der Ansicht, mit all' Denen, welche gewöhnt sind, zu denken, daß die Schönheiten, welche aus der melodischen Erfindung, aus der Harmonie, der Wissenschaft, der Entwickelungen und der Combinationen entspringen, von einer Schönheit erhabener Art sind. Mozart suchte den materiellen Effect ebenso auf, wie alle möglichen Effecte in der Musik. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts und zu Anfang des unsrigen, zeichnete sich ein Orchester durch seine Vollständigkeit und numerische Stärke nicht weniger als in jeder andern Hinsicht aus, und der Vorwurf, daß er zu vielen Lärmen mache, wurde ihm nicht minder geschenkt, wie alle übrigen Vorwürfe, die man gegen ihn vorbrachte. Die Leute von Talent und Wissen, die auf unsern Heros folgten, mußten aber sicher erkennen, wie schwer es sei, Mozart als Melodisten, Harmonisten, Contrapunctisten und Declamator zu übertreffen. Und doch mußte man vorwärts schreiten, wenigstens gehen; denn die progressive oder rückgehende Bewegung ist das Gesetz jeder Kunst, welche nicht untergehen will. Es blieb also nur noch ein Princip, dessen Consequenzen Mozart auszubeuten vernachlässigt hatte. Die Uebertreibung. Es blieb ein praktisches Mittel, welches er nicht hätte erschöpfen können, selbst wenn er gewollt hätte, das Mittel, welches von den Fortschritten [247] und Entdeckungen einer andern Kunst als die seinige abhing, und in der Vermehrung und Verstärkung der klingfähigen Instrumente besteht. Man sehe aber, wie die gegenwärtigen Componisten sich in diese beiden Wege der Uebertreibung und des materiellen Effects stürzen, den sie bis zum äußersten Lärmen gesteigert haben. In den dramatischen Partituren findet man eine ganze Masse von neuen Instrumenten oder von solchen, welche man sonst nur im Freien angewendet hatte: die große und die kleine Trommel, das Tamburin (Tamtam), das Baßfagott, die Klappenhörnern und eine Menge von Blechinstrumenten, deren Namen selbst die Militair-Capellmeister nicht immer genau kennen. Unter den Sängern findet man dasselbe Streben nach Uebertreiben. Dem Geschmacke unserer Epoche zufolge ist es ganz natürlich, daß die Piecen der Instrumentalmusik, welche am meisten Geräusch machen, auch die geräuschvollsten Bravo's hervorbringen. Lärmen um Lärmen nicht mehr als billig; das Publicum zahlt dem Componisten seine Schuld. Mozart hat in seinen Symphonieen nie mehr als dreizehn oder vierzehn Orchesterstimmen angebracht, die vollkommen ausreichen, um alle erdenklichen musikalischen Gedanken wiederzugeben und sogar noch mehr, welche aber auf unsere ermüdeten und verhärteten Ohren nur einen ziemlich mittelmäßigen Eindruck von Wohlklang machen. Beethoven, welcher bei Weitem mehr als Mozart nach materiellerem Effect trachtete, vereinigte öfters in seinen Symphonieen eine doppelte Anzahl Instrumente. So hat er zum Beispiel 24 Stimmen an dem Ausbruche angewendet, welcher die Passage des Scherzo im Finale der Symphonie aus C-moll bezeichnet; was, wie man gestehen muß, einen überraschenden Effect hervorbringt, obgleich derselbe rein materieller und wohlklingender Art ist. Wie sollte ein Stoß dieser Art, ein Effect, der Jedermann, selbst den Tauben einschließlich, [248] zugänglich ist, nicht die Menge mehr rühren, als die gelehrten Schönheiten, von denen sie nichts versteht. Ganz ausschließliche Verehrer Beethoven's haben mit mir von der fraglichen Passage gesprochen, als von dem Erhabensten, was es in der Instrumentalmusik gebe, und keiner Derselben schien die Ungereimtheiten und die harmonische Abscheulichkeit zu fühlen, welche die donnernde Explosion herbeiführen27. Ein Beweis, daß mit zwei und zwar sehr guten Ohren, es einem doch an Ohr fehlen kann. Es darf jetzt nur ein Componist kommen, der die Zahl der Orchesterstimmen auf fünfzig bringt, und der die Pauken durch im Tacte abgeschossene Kanonenschüsse ersetzt, wie es Sarti in seinem Te Deum in Petersburg gemacht hat, so wird ein solcher Componist mit ein wenig Talent und vielem Pulver Beethoven eben so entthronen, wie Beethoven Mozart entthront hat.

Geben wir eine ziemlich traurige Thatsache zu, nämlich: daß wir Alle, Kenner oder Nichtkenner, uns in der Lage der Opium-Trinker oder Raucher befinden, welche, um von diesem Mittel stets denselben Erfolg zu haben, genöthigt sind, nach und nach die Dosen zu vermehren, bis endlich Wahnsinn oder Tod daraus folgen. [249] Sagen wir noch, daß Mozart selbst die Ursache dieses unvermeidlichen Uebels ist. Ist es nicht Er, der der Gründer des modernen Orchesters ist, Er, der Händel's Oratorium durch Verdoppelung der Instrumentation verstärkt hat, Er, der in seinem letzten instrumentalen Meisterwerke in der Ouverture zur Zauberflöte den materiellen Effect so weit getrieben hat, als er zu seiner Zeit gehen konnte und selbst in der unsern gehen kann; glauben wir denn noch an große Concert- und Theatermusik ohne eine Steigerung derselben durch Militärmusik.

Wenn man also heut' zu Tage die Partie zwischen Mozart und Beethoven gleich machen wollte, um sie ohne Täuschung zu beurtheilen, so müßte man die Symphonieen der Erstern durch Hinzufügen von fünf oder sechs Ausfüllungs- und Lärminstrumenten verstärken, was sehr leicht wäre; oder die Symphonieen des Einen wie des Andern auf ihren einfachsten melodischen und harmonischen Ausdruck zurückführen; das heißt sie zu Violin-Sextetten arrangiren. Dann, wenn der materielle Effect beseitigt wäre, so würde man sehen, auf welcher Seite der meiste innere Werth ist: das hohe contrapunctische Wissen, die fortwährende Schönheit der Gedanken, die fortwährende Vollkommenheit der Arbeit, die vorwurfsfreie Reinheit des Geschmacks, die Vermischung des Schönen mit Barockem und Ungefälligem, was mit Absicht und wie aus System hervorgebracht worden, die nimmer endigenden Längen, die unnöthigen Wiederholungen; dagegen aber auch um so frappantere Erhabenheiten, so daß die weniger guten Dinge nur darum da zu sein scheinen, um das Erhabene vorzubereiten und demselben mehr Augenscheinlichkeit und Relief zu verleihen28.

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 211-250.
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Deutsche Lieder aus der Schweiz

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»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.

90 Seiten, 5.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

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