Elftes Kapitel.

Aloysia Weber.

[3] So sehr es Mozart, nach dem abschläglichen Bescheide des Churfürsten, nach Paris drängte, so schmerzlich mußte ihm der Abschied werden; denn hier, in Mannheim, war es, wo der so leicht erregbare Jüngling zum erstenmal von einer leidenschaftlichen Liebe zu einer Jungfrau ergriffen wurde1. Der Leser wird sich noch aus Wolfgangs Brief an seinen Vater vom 17. Januar (Bd. I Seite 318) erinnern, daß er bei seinem Besuche in Kirchheim-Poland von einem gewissen Herrn Weber und dessen Tochter begleitet wurde, von welcher Wolfgang rühmt, daß sie vortrefflich singe, eine schöne reine Stimme habe, und erst fünfzehn Jahr alt sei. Dieser Herr Weber war als Copist und Souffleur beim Mannheimer Theater angestellt, und die jugendliche Sängerin war seine zweite Tochter Aloysia, die später als eine der [3] größten deutschen Sängerinnen glänzen sollte! Ihre reizende Stimme, ihre Fertigkeit auf dem Clavier fesselten Wolfgang als Künstler ebensosehr, als ihre aufblühende Schönheit und ihr feuriges Herz ihn als Jüngling bezaubern mochten. Und wenn er auch in seinen Briefen an sei nen Vater nur ihre musikalischen Vorzüge hervorzuheben wagt, so blickt doch auch die Leidenschaft seiner Liebe aus seinen Worten hervor. Gleich bei seiner Rückkehr von Kirchheim-Poland schrieb er wieder an seinen Vater von ihr, und zwar ganz begeistert. »Abends gingen wir nach Hof,« schreibt er am 2. Februar 1778, »das war Samstag, da sang die Mlle. Weber drei Arien. Ich übergehe ihr Singen – mit einem Wort vortrefflich! Ich habe ja im neulichen Briefe von ihren Verdiensten geschrieben, doch werde ich diesen Brief nicht schließen können, ohne noch mehr von ihr zu schreiben, da ich sie jetzt erst kennen gelernt und folglich ihre ganze Stärke einsehe.« In einer andern Stelle des Briefes heißt es: »Die Mlle. Weber sang in Allem 13mal und spielte 2mal Clavier, denn sie spielt gar nicht schlecht. Was mich am meisten wundert, ist, daß sie so gut Noten liest. Stellen Sie sich vor, sie hat meine schweren Sonaten langsam, aber ohne eine Note zu fehlen, prima vista gespielt: ich will bei meiner Ehre meine Sonaten lieber von ihr als von Vogler spielen hören. Ich habe in Allem zwölfmal gespielt, und einmal auf Begehren in der lutherischen Kirche auf der Orgel und habe der Fürstin mit 4 Sinfonien aufgewartet, und nicht mehr als 7 Louisd'or in Silbergeld bekommen, und meine liebe arme Weberin fünf. – Basta! Wir haben nichts dabei verloren, ich hab' noch 42 fl. Profit und das unaussprechliche Vergnügen, mit grundehrlichen, gut katholischen und christlichen Leuten in Bekanntschaft gekommen zu sein; mir ist leid genug, daß ich sie nicht schon lange kenne.«

[4] Von nun an widmete sich Wolfgang während seines noch übrigen Aufenthaltes in Mannheim der musikalischen Ausbildung der Aloysia Weber mit dem größten Eifer. Er studirte seine Compositonen mit ihr ein, und wie wir aus der Correspondenz (Bd. I. Seite 330) ersehen haben, componirte er die große Arie Non so d'onde viene für sie. Er schreibt darüber an seinen Vater: »Ich wollte nur wünschen, daß Sie meine neue Arie von ihr singen hörten; von ihr sage ich, denn sie ist ganz für sie gemacht. Ein Mann wie Sie, der versteht, was mit Portamento singen heißt, würde gewiß ein seltsames Vergnügen daran finden.«

Wie ungern aber Wolfgang Mannheim verlassen mußte, geht auch daraus hervor, daß er sich schon einen Plan entworfen hatte, die arme Familie Weber aus ihren beschränkten Verhältnissen zu befreien. – Herr Weber hatte, wie wir gesehen haben, sechs Kinder und 400 fl. Gehalt! Dieser Plan bestand in nichts Geringerem, als Kunstreisen mit Aloysia und ihrem Vater zu machen, und Opern zu schreiben, in denen sie glänzen könnte. Herr Weber war mit dem Plane völlig einverstanden, ob aber auch der Vater Leopold Mozart, von dessen Zustimmung die Ausführung des Planes unbedingt abhing?

Die folgenden Auszüge aus Wolfgangs Brief an seinen Vater zeigen, wie dringlich er ihm seinen Plan ans Herz legt:

»Unter dieser Zeit wird sich Herr Weber bemühen, sich wo auf Concerts mit mir zu engagiren; da wollen wir mit einander reisen. Wenn ich mit ihm reise, so ist es just so viel, als wenn ich mit Ihnen reisete. Deswegen habe ich ihn gar so lieb, weil er, des Aeußerlichen ausgenommen, ganz Ihnen gleicht und ganz Ihren Charakter und Denkungsart hat. Meine Mutter, wenn sie nicht, wie Sie wissen, zum Schreiben zu commod wäre, [5] so würde sie Ihnen das Nämliche schreiben. Ich muß bekennen, daß ich recht gern mit ihnen gereist bin. Wir waren vergnügt und lustig; ich hörte einen Mann sprechen wie Sie. Ich durfte mich um nichts bekümmern; was zerrissen war, fand ich geflickt; mit einem Wort, ich war bedient wie ein Fürst. Ich habe diese bedrückte Familie so lieb, daß ich nichts mehr wünsche, als wie ich sie glücklich machen könnte, und vielleicht kann ich es.«

»Mein Rath ist, daß sie nach Italien gehen sollten. Da wollte ich Sie also bitten, daß Sie je ehender je lieber an unsern guten Freund Lugiati2 schreiben möchten und sich erkundigen, wie viel und was das Meiste ist, was man einer Prima donna in Verona giebt; – je mehr je besser, herab kann man allzeit, – vielleicht könnte man auch die Ascensa3 in Venedig bekommen. Für ihr Singen stehe ich mit meinem Leben, daß sie mir gewiß Ehre macht. Sie hat schon die kurze Zeit viel von mir profitirt, und was wird sie erst bis dahin profitiren? Wegen der Action ist mir auch nicht bang.«

»Wenn das geschieht, so werden wir, Herr Weber, seine zwei Töchter und ich die Ehre haben, meinen lieben Papa und meine liebe Schwester im Durchreisen auf 14 Tage zu besuchen, meine Schwester wird an der Mlle. Weber eine Freundin und Cameradin finden; denn sie steht hier in dem Rufe, wie meine Schwester in Salzburg, wegen ihrer guten Aufführung, der Vater wie meiner, und die ganze Familie wie die Mozart'sche [6] Es giebt freilich Neider bei uns, aber wenn es dazu kommt, müssen sie doch halt die Wahrheit sagen: redlich währt am längsten. Ich kann sagen, daß ich mich völlig freue, wenn ich mit ihnen nach Salzburg komme, nur damit Sie sie hören. Meine Arien von der de Amicis, sowohl die Bravour-Arie als Parti m'affreto undDalla sponda tenebrosa singt sie superb. Ich bitte Sie, machen Sie ihr möglich, daß wir nach Italien können: Sie wissen mein Anliegen – Opern zu schreiben.«

»Zu Verona will ich gern die Oper um 30 Zechinen schreiben, nur damit sie sich Ruhm macht; denn wenn ich sie nicht schreibe, so wird sie, fürchte ich, sacrificirt. Bis dahin werde ich schon durch andere Reisen, die wir mit einander machen wollen, so viel Geld machen, daß es mir nicht zu wehe thut. Ich glaube, wir werden in die Schweiz gehen, vielleicht auch nach Holland, schreiben Sie mir nur bald darüber. – Wenn wir uns wo lange aufhalten, so taugt uns die andere Tochter, welche die älteste ist, gar zu gut; denn wir können eigene Hauswirthschaft führen, weil sie auch kocht.«

»Geben Sie mir bald Antwort, das bitte ich Sie. Vergessen Sie meinen Wunsch nicht Opern zu schreiben! Ich bin einem jeden neidig, der eine schreibt; ich möchte ordentlich vor Verdruß weinen, wenn ich eine Arie höre oder sehe. Aber italienisch, nicht deutsch; eine seria, nicht buffa! – Nun habe ich Alles geschrieben, wie es mir ums Herz ist, meine Mutter ist mit meiner Denkungsart ganz zufrieden.«

Aus der folgenden Nachschrift der Mutter ersieht man jedoch, daß sie mit seiner Denkungsart nicht ganz zufrieden war.

»Mein lieber Mann! Aus diesem Briefe wirst Du ersehen haben, daß wann der Wolfgang eine neue Bekanntschaft machet, er gleich Gut und Blut für solche Leute geben wollte. Es ist [7] wahr, sie singt unvergleichlich; allein da muß man sein eigenes Interesse niemals auf die Seite setzen. Es ist mir die Gesellschaft mit den Wendling und den Ramm niemals recht gewesen allein ich hatte keine Einwendung machen dürfen, und mir ist niemals geglaubt worden. Sobald er aber mit den Weber'schen ist bekannt worden, so hat er gleich seinen Sinn geändert. Mit einem Wort: bei anderen Leuten ist er lieber als bei mir, ich mache ihm in einem und anderem, was mir nicht gefällt, Einwendungen und das ist ihm nicht recht. Du wirst es also bei Dir selbst überlegen, was zu thun ist. Die Reise mit den Wendling finde ich nicht für rathsam, ich wollte ihn lieber später selbst begleiten; mit dem Postwagen würde es soviel nicht kosten. Vielleicht bekommst Du von Hrn. Grimm noch eine Antwort, unterdessen verlieren wir hier nichts. Ich schreibe dieses in der größten Geheim, weil er beim Essen ist, und ich will schließen, damit ich nicht überfallen werde. Addio, ich verbleibe Dein getreues Weib«

Marianne Mozartin.


Die Antwort des Vaters, deren Inhalt der Leser wohl ahnen wird, lautet wie folgt:


Salzburg, den 12. Februar 1778.


»Deinen Brief vom 4ten habe mit Verwunderung und Schrecken durchlesen. Ich fange auch an ihn heute den 11ten zu beantworten, indem ich die ganze Nacht nicht habe schlafen können, und so matt bin, daß ich ganz langsam Wort für Wort schreiben, und ihn nach und nach bis morgen zu Ende bringen muß. Ich war Gottlob jetzt immer wohl auf; allein dieser Brief an dem ich meinen Sohn an nichts anderm mehr erkenne als an dem Fehler, [8] daß er allen Leuten auf das erste Wort glaubt, sein zu gutes Herz durch Schmeicheleien und gute schöne Worte jedermann blosstellt, sich von jedem auf alle ihm gemachten Vorstellungen nach Belieben hin und herlenken läßt und durch Einfälle und grundlose nicht genug überlegte, in der Einbildung thunliche Aussichten sich dahin bringen läßt, dem Nutzen fremder Leute seinen eigenen Ruhm und Nutzen, und sogar den Nutzen und die seinen alten ehrlichen Eltern schuldige Hilfe aufzuopfern, dieser Brief hat mich um so mehr niedergeschlagen, als ich mir vernünftige Hoffnung machte, daß Dich einige Dir schon begegnete Umstände und meine hier mündlich und Dir schriftlich gemachte Erinnerungen hätten überzeugen sollen, daß man, um sein Glück sowohl, als auch sein nur gemeines Fortkommen in der Welt zu suchen, und unter der so verschiedenen Art guter, böser, glücklicher und unglücklicher Menschen endlich das gesuchte Ziel zu erreichen sein gutes Herz mit der größten Zurückhaltung verwahren, nichts ohne die größte Ueberlegung, unternehmen und sich von enthusiastischen Einbildungen und ohngefähren blinden Einfällen niemals hinreißen lassen müsse. Ich bitte Dich, mein lieber Sohn, lese diesen Brief mit Bedacht, nehme Dir die Zeit solchen mit Ueberlegung zu lesen – großer gütiger Gott die für mich vergnügten Augenblicke sind vorbey, wo Du als Kind und Knab nicht schlafen gingst, ohne auf dem Stuhl stehend, mir das oragnia figataxa vorzusingen, mich öfters und am Ende auf das Nasenspitzel zu küssen und mir zu sagen, daß, wenn ich alt seyn werde, Du mich in einem Kapsel, wo ein Glas vor, vor aller Luft bewahren wolltest, um mich immer bei Dir und in Ehren zu halten. Höre mich demnach mit Geduld«!

»Unsere Salzburger Bedrückungen sind Dir vollkommen bekannt, Du weißt mein schlechtes Auskommen, und endlich warum ich Dir mein Versprechen gehalten, Dich weiter gehen zu lassen [9] und alle meine Drangsalen. Die Absicht Deiner Reise waren zwei Ursachen: oder einen beständigen guten Dienst zu suchen, oder wenn dieses mislingt, sich an einen großen Platz zu begeben, wo große Verdienste sind. Beides ging auf die Absicht Deinen Eltern beizustehen und Deiner lieben Schwester fortzuhelfen, vor allem aber Dir Ruhm und Ehre in der Welt zu machen, welches auch theils in Deiner Kindheit schon geschehen, theils in Deinen Jünglingsjahren und jetzt nur ganz allein auf Dich ankommt in eins der größten Ansehen, die jemals ein Tonkünstler erreicht hat, Dich nach und nach zu erheben. Das bist Du Deinem von dem gütigsten Gott erhaltenen außerordentlichen Talente schuldig und es kommt nur auf Deine Vernunft und Lebensart an, ob Du als ein gemeiner Tonkünstler aus den die Welt vergißt, oder als ein berühmter Kapellmeister, von dem die Nachwelt auch noch in Büchern lieset, – ob Du von einem Weibsbild etwa eingeschäfert mit einer Stube voll nothleidender Kinder auf einem Strohsack oder nach einem christlich hingebrachten Leben mit Vergnügen, Ehre und Reichthum, mit Allem für Deine Familie wohl versehen bei aller Welt in Ansehen sterben willst?«

»Deine Reise ging nach München – Du weißt die Absicht – es war nichts zu thun. Wohlmeinende Freunde wünschten Dich da zu haben – Dein Wunsch war da zu bleiben. Man verfiel auf die Gedanken eine Gesellschaft zusammen zu bringen, ich darfs nicht umständlich wiederholen. Den Augenblick fandest Du die Sache thunlich, – ich fand es nicht – lese nach was ich Dir geantwortet. Du hast Ehre im Leibe: – hätte es, wenns auch geschehen wäre, Dir Ehre gemacht, von 10 Personen und ihrer monatlichen Gnade abzuhangen? da warst Du ganz erstaunlich für die kleine Sängerin des Theaters eingenommen und wünschtest nichts mehr als dem deutschen Theater aufzuhelfen: itzt [10] erklärst Du Dich, daß Du nicht einmal eine komische Oper schreiben möchtest. Sobald Du beim Thor in München hinauswarst, hatte Dich auch, wie ich vorhersagte, Deine ganze freundschaftliche Subscribentengesellschaft vergessen – und was wäre es nun in München gewesen? – Am Ende siehet man immer die Vorsehung Gottes. In Augsburg hast Du auch Deine kleinen Scenen gehabt, Dich mit meines Bruders Tochter lustig unterhalten, die Dir nun auch ihr Portrait schicken mußte. Das übrige habe Euch in den ersten Briefen nach Mannheim geschrieben. In Wallerstein machtest Du ihnen tausend Spaß, tanztest herum und spieltest, so daß man Dich als einen lustigen, aufgeräumten närrischen Menschen den damals abwesenden anpries, welches dem Herrn Beecké Gelegenheit gab, Deine Verdienste herunter zu setzen, die nun aber bei den zwei Herrn durch Deine Composition und die Spielart Deiner Schwester in ein anders Licht gesetzt worden, da sie immer sagte: ich bin nur eine Schülerin meines Bruders, so daß sie die größte Hochachtung für die Deine Kunst haben, und sich sehr über des Herrn Beecké schlechte Composition hinausließen.«

»In Mannheim hast Du sehr wohl gethan, Dich bei dem Herrn Cannabich einzuschmeicheln. Es würde aber ohne Frucht gewesen sein, wenn er nicht seinen doppelten Nutzen dabei gesucht hätte. Das übrige habe Dir schon geschrieben. Da wurde nun die Mlle. Tochter des Herrn Cannabich mit Lobeserhebungen überhäuft, das Portrait ihres Temperaments im Adagio der Sonate ausgedrückt, kurz diese war nun die Favoritperson. Dann kamst Du in die Bekanntschaft des Herrn Wendling. Jetzt war dieser der ehrlichste Freund, und was dann alles geschehen, darf nicht wiederholen. In einem Augenblick kommt die neue Bekanntschaft mit Herrn Weber: nun ist alles Vorige vorbei, itzt ist diese Familie die redlichste, christlichste Familie und die Tochter ist die [11] Hauptperson des zwischen Deiner eigenen und dieser Familie vorzustellenden Trauerspiels und alles was Du Dir in dem Taumel, in den Dich Dein für alle Leute offenes gutes Herz gesetzt hat, ohne genugsame Ueberlegung einbildest, so richtig und so unfehlbar thunlich als wenn es schon ganz natürlich so gehen müßte.«

»Du gedenkest sie als Prima Donna nach Italien zu bringen. Sage mir, ob Du eine Prima Donna kennst, die als Prima Donna, ohne vormals schon in Deutschland öfters recitirt zu haben, das Theater in Italien betreten. Wie viele Opern hat nicht die Sgra. Bernasconi in Wien recitirt und zwar Opern in den größten Affecten und unter der genauesten Kritik und Unterweisung des Gluck und Calsabigi! Wie viele Opern sang die Mlle. Deiber in Wien unter der Unterweisung des Hasse und unter dem Unterricht der alten Sängerin und berühmtesten Actrice der Sgra. Tesi, die Du beim Prinzen Hildburghausen gesehen und als ein Kind ihre Mohrin küßtest! Wie vielmal recitirte die Mlle. Schindler auf dem Wiener Theater, nachdem sie ihren Anfang bei einer Hausoper auf dem Landgut des Baron Fries unter der Unterweisung des Hasse und der Tesi und des Metastasio machte! – Haben alle diese Personen es wagen dürfen sich dem italiänischen Publikum auszusetzen? und wie viele Protection und wie viel vermögende Empfehlungen hatten sie dann erst nöthig um zu ihrem Zweck zu gelangen? Fürsten und Grafen empfahlen sie und in Ruhm stehende Componisten und Poeten stunden für ihre Geschicklichkeit. Und Du willst ich soll nur an Luggiati schreiben, Du wolltest um 50 duggati die Opera schreiben, da Du doch weißt, daß die Veroneser kein Geld haben, und niemals eine neue Opera schreiben lassen. Ich soll jetzt auf die Ascensa Bedacht sein, da mir Michelagata nicht einmal eine Antwort aus meine 2 vorige Schreiben gab. Ich lasse, daß die Mlle. Weber wie eine Gabrielli [12] singt, daß sie eine starke Stimme für die italiänischen Theater hat u.s.w., daß sie für eine Prima Donna gut gewachsen ist u.s.w., so ist es lächerlich, daß Du für ihre Aktion gut stehen willst. Da gehört was mehreres dazu, und die altkindische auch aus lauter guter Meinung und freundschaftlicher Menschenliebe unternommene Bemühungen des alten Hasse hat die Miß Davis aus ewig von der welschen Schaubühne verbannt, da sie die erste Sera ausgezischet und ihr Part der de Amicis übergeben wurde. Nicht nur ein Frauenzimmer, sondern schon ein auf dem Theater geübter Mann, zittert bei seinen ersten Auftritten in einem fremden Lande. Und glaubst Du das ist alles? keineswegs – ci vuole il possesso di teatro, sogar, bei einem Frauenzimmer in Betreff des Anzugs, der Figur, des Aufputzes u.s.w. Doch, Du weißt alles selbst, wenn Du nachdenken willst; ich weiß, die scharfe Ueberlegung alles dieses wird Dich überzeugen, daß Dein Einfall zwar von gutem Herzen kommt, aber seine Zeit und große Vorbereitung braucht, und ganz ein anderer Weg muß genommen werden, solchen nach einiger längerer Zeit auszuführen. Welcher Impresario würde nicht lachen, wenn man ihm ein Mädchen von 16 oder 17 Jahren, die noch niemals auf dem Theater gestanden, recommandiren wollte.«

»Dein Vorschlag (ich kann kaum schreiben, wenn ich daran denke), der Vorschlag mit Herrn Weber und NB. 2 Töchtern herumzureisen hätte mich beinahe um meine Vernunft gebracht. Liebster Sohn! wie kannst Du Dich von einem so abscheulichen Dir zugebrachten Gedanken auch nur auf eine Stunde einnehmen lassen. Dein Brief ist nicht anders als wie ein Roman geschrieben. – – Und Du könntest Dich wirklich entschließen mit fremden Leuten in der Welt herumzuziehen? Deinen Ruhm, Deine alten Eltern, Deine liebe Schwester auf die Seite zu setzen? mich [13] dem Fürsten und der ganzen Stadt, die Dich liebt, dem Spott und Gelächter auszusetzen? ja dem Spott, und Dich der Verachtung auszusetzen, da ich aller Welt, die mich immer fragte, sagen mußte, daß Du nach Paris gehen wirst, und am Ende wolltest Du mit fremden Personen auf geradewohl herumziehen? Nein, das kannst Du nach einem Bischen Ueberlegung nicht einmal mehr gedenken. – Doch damit ich Euch alle Eurer Uebereilung überzeuge, so wisse, daß itzt eben die Zeit kommt wo keinem vernünftigen Menschen so etwas beifallen kann. Die Umstände sind dermal so daß man nicht einmal weiß, an was für Orten überall Krieg ausbrechen wird, da an allen Orten die Regimenter theils marschiren, theils in Bereitschaft stehen. – In die Schweiz? – in Holland? ja da ist den ganzen Sommer keine Seele und im Winter bekömmt man in Bern und Zürich genau so viel, daß man nicht Hunger stirbt; sonst ist nirgends nichts. Und Holland hat jetzt auf andere Sachen als Musik zu denken und den halben Theil der Einnahmen frißt Herr Hummel und die Concertunkosten, und wo bleibt dann Dein Ruhm? Das ist nur eine Sache für kleine Lichter, für Halbcomponisten, für Schmierer, für einen Schwindl, Zappa, Ricci u.s.w. Nenne mir einen großen Componisten, der sich würdiget einen solchen niederträchtigen Schritt zu thun? – – Fort mit Dir nach Paris und das bald, setze Dich großen Leuten an die Seite – aut Caesar aut nihil! Der einzige Gedanke Paris zu sehen, hätte Dich vor allen fliegenden Einfällen bewahren sollen. Von Paris aus geht der Ruhm und Name eines Mannes von großem Talente durch die ganze Welt; da behandelt der Adel Leute von Genie mit der größten Herablassung, Hochschätzung und Höflichkeit; da sieht man eine schöne Lebensart, die ganz erstaunlich absticht gegen der Grobheit [14] unserer deutschen Cavaliers und Damen, und da machst Du Dich in französischer Sprache fest.«

»Was die Gesellschaft mit Wendling u.s.w. betrifft, hast Du sie gar nicht nöthig. Du hast sie längst gekannt, und hat es Deine Mama nicht eingesehen, waret Ihr beide blind? Nein, ich weiß, wie es sein wird. Du warst dafür eingenommen und sie durfte es nicht wagen, Dir zu wiedersprechen. Ich bin böse, daß es Euch beiden an Vertrauen und der Aufrichtigkeit fehlt, mir Alles umständlich und redlich zu berichten; Ihr machtet es mir mit dem Churfürsten ebenso und am Ende mußte doch Alles herauskommen. Ihr wolltet mir Verdruß ersparen und am Ende schüttet Ihr mir eine ganze Lauge von Verdrießlichkeiten auf einmal über den Kopf herab, die mich fast ums Leben bringen. Ihr wißt und habt 100 Proben, daß mir der gütige Gott eine gesunde Vernunft gegeben, daß mir der Kopf noch am rechten Orte steht, und daß ich in den verwirrtesten Sachen oft einen Ausweg gesunden und eine Menge Sachen vorausgesehen und errathen: was hielt Euch denn ab mich um Rath zu fragen und allzeit nach meinem Willen zu thun? Mein Sohn, Du hast mich mehr als Deinen aufrichtigen Freund, als einen scharfen Vater anzusehen – denke nach, ob ich Dich nicht allzeit freundschaftlich behandelt und wie ein Diener seinen Herrn bedient, auch Dir alle mögliche Unterhaltung verschafft, und zu allem ehrlichen und wohlanständigen Vergnügen, oft mit meiner eigenen größten Unbequemlichkeit geholfen habe?« – –

[Leopold Mozart.]


Der Gehorsam gegen seines Vaters Willen siegte in Mozarts Herzen über die Leidenschaft der Liebe. Er schrieb zurück (am 19. Febr.) »Ich habe mir nie etwas Anderes vorgestellt, als daß [15] Sie die Reise mit den Weber'schen mißbilligen werden; denn ich habe es einmal – bei unseren dermaligen Umständen versteht sich – im Sinne gehabt; aber ich habe mein Ehrenwort gegeben Ihnen das zu schreiben. Hr. Weber weiß nicht, wie wir stehen – ich sage es gewiß Niemand; weil ich also gewünscht habe in solchen Umständen zu sein, daß ich auf Niemand zu denken hätte, daß wir alle recht gut stünden, so vergaß ich in dieser Berauschung die gegenwärtige Ohnmöglichkeit der Sache und mithin auch – Ihnen das zu melden, was ich Ihnen jetzt melde. – Was Sie wegen der Mlle. Weber schreiben ist Alles wahr; und wie ich es geschrieben habe, so wußte ich so gut wie Sie, daß sie noch zu jung ist und daß sie Action braucht, und daher öfter aus dem Theater recitiren muß; allein mit gewissen Leuten muß man öfters nach und nach weiter schreiten. Die guten Leute sind müde hier zu sein, wie – Sie wissen schon wer und wo, mithin glauben sie es sei Alles thunlich. Ich habe ihm versprochen, Alles an meinen Vater zu schreiben; unterdessen als der Brief nach Salzburg lief, sagte ich schon immer, sie soll doch noch ein wenig Geduld haben, sie sei noch ein bischen zu jung. Von mir nehmen sie auch Alles an, denn sie halten Viel aus mich. Es ist Alles wahr, was Sie von der Weberin geschrieben haben, ausgenommen eines nicht, daß sie wie eine Gabrielli singt; denn das wäre mir gar nicht lieb, wenn sie so sänge. Wer die Gabrielli gehört hat, sagt und wird sagen, daß sie nichts als eine Passagen- und Rouladenmacherin war; – mit einem Worte, sie sang mit Kunst aber keinem Verstand. Diese aber singt zum Herzen und singt am liebsten cantabile. Ich habe sie erst durch die große Arie an die Passagen gebracht, weil es nothwendig ist, wenn sie in Italien kommt, daß sie Bravourarien singt; das cantabile vergißt sie gewiß nicht, denn das ist ihr natürlicher Hang.«

[16] So gehorsam Wolfgang sich vor dem Willen seines Vaters beugte, so schwer war für ihn der Entschluß, Mannheim zu verlassen. Die nahe bevorstehende Trennung von der Weber'schen Familie griff ihn körperlich und geistig an. Er wurde krank und mußte mehrere Tage das Zimmer hüten. Doch endlich raffte er sich zusammen. »Nach Gott kommt gleich der Papa, schrieb er; das war als ein Kind mein Wahlspruch oder axioma und bei dem bleibe ich.«

Die Trennungsscene selbst schildert Wolfgang seinem Vater in folgenden Worten gleich nach seiner Ankunft in Paris:

»Die Weberin hat aus gutem Herzen zwei Paar Täzeln von Filet gestrickt und mir zum Angedenken und zu einer schwachen Erkenntlichkeit verehrt. Er hat mir was ich gebraucht habe, umsonst geschrieben und Notenpapier gegeben, und hat mir die Comödien von Molière (weil er gewußt hat, daß ich sie noch niemal gelesen) geschenkt. Und wie er bei meiner Mama allein war, sagte er: Jetzt reist halt unser bester Freund weg, unser Wohlthäter. Ja, das ist gewiß, wenn Ihr Herr Sohn nicht gewesen wäre, der hat wohl meiner Tochter viel gethan und sich um sie angenommen, sie kann ihm auch nicht genug dankbar sein. – Den Tag ehe ich weggereiset bin haben sie mich noch beim Abendessen haben wollen, weil ich aber zu Hause habe sein müssen, so hat es nicht sein können. Doch habe ich ihnen zwei Stunden bis zum Abendessen noch schenken müssen; da haben sie nicht aufgehört, sich zu bedanken; sie wollten nur wünschen, sie wären im Stande mir ihre Erkenntlichkeit zu zeigen. Wie ich wegging, so weinten sie alle. Ich bitt' um Verzeihung, aber mir kommen die Thränen in die Augen, wenn ich daran denke. Er ging mit mir die Treppe herab, blieb unter der Hausthür stehen bis ich ums Eck herum war und rief mir nach Adieu!«

[17] Am 14. März erfolgte die Abreise Wolfgangs und seiner Mutter von Mannheim. Für elf Louisdor hatten sie einen Miethkutscher gedungen, der ihnen ihre Chaise um 40 fl. abkaufte; überdies betrugen die Reisekosten 4 Louisdor. Erst am 23. März kamen sie in Paris an, so daß sie über neun Tage unterwegs gewesen waren. Kein Wunder, daß Wolfgang nach Hause schrieb: »Wir haben geglaubt, wir können es nicht mehr aushalten.«

Gleich am nächsten Tage (am 24. März) meldete Wolfgang seinem Vater die glückliche Ankunft in Paris, worauf der Vater folgendes erwiederte.

Der Vater an Beide.


Salzburg, den 6. April 1778.


Wir hatten heute das sehnlichst gewünschte Vergnügen, Euern schon den 24. März geschriebenen Brief zu erhalten. Ihr seid, Gott Lob, glücklich angelangt. Jetzt empfehle ich Dir nachdrücklichst, Dir durch ein vollkommenes kindliches Vertrauen recht die Gnade, Liebe und Freundschaft des Herrn Baron v. Grimm zu verdienen, oder vielmehr solche zu erhalten, ihn in allen Stücken zu Rathe zu ziehen, und nichts aus eigenem Kopf oder vorgefaßter Einbildung zu thun, und durchaus auf Dein und dadurch auf unser gemeinschaftliches Interesse bedacht zu sein. Die Lebensart in Paris ist von der deutschen sehr unterschieden, und die Art, im Französischen sich höflich auszudrücken, sich anzuempfehlen, Protection zu suchen, sich anzumelden u.s.w., hat ganz etwas Eigenes, so daß Herr Baron von Grimm mir eben auch damals Anweisung gab, und mich fragte, was ich sagen und wie ich mich ausdrücken sollte. Sage ihm nur, nebst [18] meiner gehorsamsten Empfehlung, daß ich Dir dieses erinnert habe, und er wird mir Recht geben. Was diesen Punkt nun betrifft, bin ich zum voraus überzeugt, daß Du Dich immer an diesen unsern gewissesten Freund halten wirst.

Ihr dürft dem Herrn Baron v. Grimm alle unsere Umstände sagen; ich selbst habe ihm dieß und auch alle unsere Schulden in zwei langen Briefen geschrieben, und mich in vielen Stücken, die Verfolgung und die Verachtung, die wir vom Erzbischof ausgestanden, betreffend, auf Deine mündliche Erzählung berufen. Ich habe ihm erzählt, daß er nur dann höflich geschmeichelt, wenn er Etwas nöthig hatte, und er Dir für alle Compositionen nicht einen Kreuzer bezahlt hat. – Könntest Du, wie Hannauer, wie der selige Schobert etc. von einem Prinzen in Paris einen monatlichen Gehalt bekommen, – dann nebenbei für's Theater, für's Concert spirituel und für's Concert des amateurs zu Zeiten Etwas arbeiten, und dann einige Male par Subscription Etwas graviren lassen, – ich aber und Deine Schwester Lection geben, und Deine Schwester in Concerten und Akademieen spielen, so würden wir gewiß recht gut zu leben haben. –

[Leopold Mozart.]

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 3-19.
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