Fünfzehntes Kapitel.

München – Idomeneo.

November 1780 – März 1781.

[96] Carl Theodor, jetzt Churfürst von Bayern, hatte trotz der Vorurtheile, welche man ihm früher gegen den jungen Musiker beizubringen gesucht, dessen Dienste er auch zurückgewiesen hatte, dennoch Mozart ein wohlwollendes Andenken erhalten. Dieser[96] Fürst liebte die Musik; das Orchester in München war eines der besten in Europa, dem sich eine Gesellschaft der besten Sänger anschloß. Der Churfürst glaubte, dieser Kapelle keine ihres Rufes und ihrer Talente würdigere Aufgabe stellen zu können, als wenn er ihr die Ausführung einer Oper von Mozart anvertraute. Dieser wurde deßhalb ausdrücklich von Seiten Sr. Durchlaucht aufgefordert, für den Carneval des nächsten Jahres 1781 eine Opera Seria zu schreiben. Mozart sagte zu, erhielt aber nur mit vieler Mühe einen Urlaub von sechs Wochen, und reiste im Monat November nach München ab. Bei einer großen lyrisch-dramatischen Arbeit war vor Allem Absprache mit dem Poeta, dem Maestro und den Sängern nöthig, bei welchem Geschäfte der Erstere sich stets als der Willfährigste zeigte, wie alle kleinen Mächte, die mit den großen unterhandeln. Das Gedicht sollte heißen:Idomeneo re di Creta osia Ilia e Idamante (Idomeneo, König von Creta oder Ilia und Idamante). Der Verfasser des Stückes, ein Abbate Varesco, der in Salzburg wohnte, konnte sich aber nicht nach München begeben. Mozart war auf diese Weise genöthigt, sich durch Vermittelung seines Vaters mit ihm in's Vernehmen zu setzen, der dem Dichter die Bemerkungen des Musikers zusandte und an diesen wieder die Texttheile schickte, sowie sie fertig wurden, oder nach den angegebenen Bemerkungen abgeändert worden waren. Mozart's Briefe zeigen bei dieser Veranlassung an mehreren Stellen diesen ausgezeichneten Tact für das, was für die Bühne paßt, der unter andern auch einen der zahllosen Verdienste seiner Partituren ausmacht. Sie werden selbst denen, welche die Musik des Idomeneo gar nicht kennen, beweisen, daß von seinem Eintritte an in die Laufbahn des musikalischen Reformators, Mozart in Gluck's Fußstapfen trat, insofern er Denker und Logiker war; daß er den dramatischen [97] Effect im Vereine mit dem musikalischen Effect tief durchdachte12.

Die beiden ersten Acte des Idomeneo erregten bei den Proben einen solchen Enthusiasmus unter den Musikern und Kennern in München, daß Mo zart's Freunde das Schicksal des dritten Actes zu befürchten anfingen, der noch nicht vollendet war. Das sinis coronat opus schien fast unmöglich und es war sogar zweifelhaft, ob der Componist sich bis an's Ende auf gleicher Höhe zu halten im Stande wäre. Mozart selbst befürchtete nichts, dagegen verdoppelte er seine Anstrengungen. »Kopf und Hände sind mir so voll,« schreibt er, »von dem dritten Acte, daß es kein Wunder wäre, wenn ich selbst zum dritten Acte würde. Der allein kostet mehr Mühe, als eine ganze Opera, denn es ist fast keine Scene darin, die nicht äußerst interessant wäre.« An einer andern Stelle heißt es: »der dritte Act wird wenigstens so gut ausfallen, als die beiden ersten, – ich glaube aber unendlich besser, und daß man mit Recht sagen könne:Finis coronat opus.« Mozart täuschte sich auch nicht. Der dritte Act stand bei weitem höher, als die beiden ersten, und wenn er ihn allein mehr Mühe kostete, als eine ganze Oper, so wird man vielleicht auch finden, daß er allein alle italienischen ernsten Opern des letzten Jahrhunderts aufwiegt.

Die Proben gingen vortrefflich; der Churfürst wohnte denselben bei, und unterhielt sich auf die herablassendste Weise mit dem Maestro. »Es freut mich sehr, Ihn wieder zu sehen,« sagte er bei'm ersten Zusammentreffen zu ihm, und einige Tage nachher: »die Oper wird charmant werden. Er wird gewiß Ehre davon [98] haben. – Man sollte nicht meinen, daß in einem so kleinen Kopfe so was Großes stecke.« Die Musiker, meistens Leute von vielem Wissen und Talent, sprachen laut ihre Bewunderung für ein Werk aus, das Alles, was sie seither gehört hatten, so weit übertraf. Mozart selbst schwamm in einem Meere von Glückseligkeit, die sich sichtbar in allen seinen Briefen ausdrückt. Die Schmeicheleien der Großen, die Huldigungen der Standesgenossen, die berauschenden Regungen des Genius, der sich in seinem ersten Werke erkennt, das untrügliche Vorgefühl eines unsterblichen Ruhmes und zu all' diesem noch die Liebe, die erwiederte Liebe, die glückliche Liebe; war das nicht in der That Alles, was die menschliche Seele von Seligkeiten zumal zu ertragen und zu kosten vermag?

Man wird sich auf diese Art nicht verwundern, daß der unter solchen Verhältnissen entstandene Idomeneo stets eines der geliebtesten Kinder seines Vaters geblieben ist. Mozart verbarg seine Vorliebe für den Erstgeborenen seines Genius nie; ja, er setzte ihn an Don Giovannis Seite, jenen furchtbaren Nachgeborenen, dessen Wuchs für Niemand einen vortheilhaften Vergleich zuzulassen schien. War es eine Selbsttäuschung in Folge der schönsten Erinnerungen des Lebens, oder eine Bevorzugung, die sich auf den wahren Werth des Werkes gründete? Wir werden dieß am gehörigen Orte sehen.

Seitdem die Proben der Oper ihren Anfang genommen, hatten sich die Gerüchte von ihrer außerordentlichen Schönheit immer mehr verbreitet. In München und den nahe liegenden Städten sprach man von nichts als von der zu erwartenden Erscheinung, welche eine neue Aera für die Musik versprach. Bald gelangten diese schmeichelhaften Gerüchte auch nach Salzburg und kamen zu L. Mozart's Ohren, indem sie die directen Nachrichten, [99] die er sowohl von seinem Sohne, als durch andere Correspondenten erhielt, bestätigten. Alle lauteten im höchsten Grade beruhigend. Der am meisten dabei Betheiligte, der Maestro, zweifelte durchaus nicht am Erfolge. Der am meisten Betheiligte? ich vergaß, daß es etwas gibt, was noch über das persönliche Interesse geht und mehr Sorgen, als die Eigenliebe macht. Während Mozart sich in vollem Vertrauen wiegte, dachte sein Vater an nichts, als durch seine Vorhersicht und seine Rathschläge, den tausenderlei unglücklichen Wendungen zuvorzukommen, deren Möglichkeit er sich, trotz der günstigsten Voranzeigen nicht aus dem Sinne zu bringen vermochte. »Du weißt,« schreibt er seinem Sohne, »daß man nicht Alle zu Freunden haben kann. Es muß immer ein Zweifel und ein Aber mit unterlaufen. Man zweifelte, ob der zweite Act so neu und gut, als der erste Act ausfallen werde? Da nun dieser Zweifel gehoben ist, so werden Wenige mehr für den dritten Act zweifeln. Aber ich wollte meinen Kopf wetten, daß Einige sein werden, die zweifeln werden, ob diese Musik in Scene auf dem Theater auch die Wirkung wie im Zimmer machen werde? – und da braucht's auch wirklich den größten Eifer und guten Willen des ganzen Orchesters. Suche nur das ganze Orchester bei guter Laune zu erhalten, ihnen zu schmeicheln, und sie durch die Bank mit Lobeserhebungen Dir geneigt zu erhalten; denn ich kenne Deine Schreibart, es gehört bei allen Instrumenten die unausgesetzteste, erstaunlichste Aufmerksamkeit dazu, und es ist eben kein Spaß, wenn das ganze Orchester wenigstens drei Stunden mit solchem Fleiße und solcher Aufmerksamkeit angespannt sein muß. Jeder, auch der schlechteste Bratschist, ist auf's Empfindlichste gerührt, wenn man ihn tête à tête lobt, und wird dadurch eifriger und aufmerksamer, und so eine Höflichkeit kostet Dich nichts.« In einem andern Briefe sagte er: »Ich empfehle [100] Dir, bei Deiner Arbeit nicht einzig und allein für das musikalische, sondern auch für das unmusikalische Publikum zu denken. Du weißt, es sind hundert unwissende gegen zehn wissende Kenner13; vergiß also das sogenannte Populäre nicht, das auch die langen Ohren kitzelt.« Auf dieses erwiederte der Sohn: »Wegen des sogenannten Populären sorgen Sie nicht, denn in meiner Oper ist Musik für alle Gattungen von Leuten – ausgenommen für lange Ohren nicht.«

Der alte Mozart wartete nicht lange erst auf den Bericht von der ersten Vorstellung des Idomeneo; denn wenn er sich das Vergnügen geraubt hätte, derselben anzuwohnen, so hätte er den Lohn für zwanzigjährige Sorgen und Mühen nur unvollständig geerntet. Er kam mit seiner Tochter den 26. Januar, also den Tag vor Wolfgang's Geburtsfeste und dem für die erste Vorstellung anberaumten Abende an. Auch aus seiner Vaterstadt hatte die Oper eine große Anzahl Menschen nach München gezogen, um der Aufführung der bewunderungswürdigen Arbeit ihres Landsmannes anzuwohnen. Die Oper gewann einen ungeheuern Beifall; das Publikum schrie und klatschte mit Händen und Füßen. Wer vermag aber die Gefühle unseres Greises zu beschreiben, den ich mir in einer Ecke des Orchesters sitzend denke, wo er lauschte, ohne seinen eigenen Ohren zu trauen, sich in dem riesenhaften Entwurfe des Quartett's14 und in den großartigen Chören verlor, bei denen die Bravo's des Publikums mit Neptun's Zorne in die Wette donnerten. Man denke sich einen Mann, dem[101] endlich, nachdem er mehr als sechzig Jahre durchlebt, die größte Freude seines Lebens zu Theil wird; einen gelehrten Musiker in der Entzückung, in den ihn eine Composition versetzt, von deren Schönheit weder er noch sonst Jemand die leiseste Ahnung hatte; den Lehrer Mozart's, dem ersten Unterrichte der Universalmusik anwohnend, welchen die Welt von seinem Schüler empfängt; von dem Schüler, dessen kleine Finger er damals geführt, als sie noch zu schwach waren, das zu schreiben, was ein Kopf von fünf Jahren entworfen hatte; von dem Schüler den Gott ihm anvertraut hatte, welcher der Zweck seines Lebens, sein Ruhm, sein Stolz, sein Glück, sein Alles, kurz sein einziger Sohn war! Von nun an war die Aufgabe des Greises zu Ende; hier war die Gränze des väterlichen Ansehens und der gänzlichen Abhängigkeit zwischen einem Vater und einem Sohne, den Idomeneo mehr als seine vierundzwanzig Jahre vollends emancipirt hatten. Mit diesem nehmen wir so gut wie Abschied von Leopold Mozart, für die Tage, die er noch zu leben hat, indem er von nun an nicht mehr so unmittelbar in die Geschichte unseres Heros eingreift. Man wird es ihm nicht verübeln, daß er so lange den Schauplatz mit Letzterem getheilt hat. Außerdem daß L. Mozart die Hauptperson war, so weit es sich um die Handlung drehte, so wird er, wie ich mir schmeichle, auch die Achtung und Freundschaft des Lesers sich erworben haben. Als trefflicher, mit seltenen Eigenschaften ausgestatteter Mensch, wandte er mit einer Ausdauer, einem Scharfblicke und einer bewunderungswürdigen Aufopferung, die Fähigkeiten, welche ihm der Himmel verliehen, dazu an, die den seinigen weit überlegenen Fähigkeiten seines Sohnes auszubilden. Gerade so macht es der Steinschneider, der die gewöhnlichen Diamanten zu Pulver zerreibt, um den unvergleichlichen und unschätzbaren [102] Solitaire damit zu schneiden und zu poliren, der die Krone eines Kaisers zu schmücken bestimmt ist15.


Correspondenz.

Der Sohn an den Vater.


München, den 9. November 1780.


Glücklich und vergnügt war meine Ankunft! – Nun von München: – Ich war noch den nämlichen Abend (wir kamen hier erst um 1 Uhr Nachmittags an) beim Grafen Seau, allwo ich, weil er nicht zu Hause war, ein Billet hinterließ. Den andern Tag Morgens ging ich mit Becké wieder hin. Seau ist von den Mannheimern wie Wachs zusammen geschmolzen. Wegen des Buches, sagte der Graf, ist es nicht nöthig, daß der Abbate Varesco es nochmals schreibe und hieher schicke, weil es hier gedruckt wird. Ich meinte aber, er sollte es gleich zusammen schreiben, aber die kleinen Noten dabei nicht vergessen, und es so bald möglich sammt dem Argument hieher schicken. Die Namen der singenden Personen betreffend, ist es ganz unnöthig; das kann wohl am leichtesten hier geschehen, denn es werden so da und dort kleine Veränderungen vorgenommen werden, die Recitative etwas abgekürzt, doch wird Alles gedruckt sein. Ich habe nun eine Bitte an den Herrn Abt: die Aria der Ilia im 2ten Acte der 2ten Scene möchte ich für das, was ich sie brauche, ein wenig verändert haben. – Se il Padre perdei, in te lo ritrovo: [103] diese Strophe könnte nicht besser sein. – Nun aber kömmt's, was mir immer, NB. in einer Aria, unnatürlich schien, – nämlich das Aparte-Reden. Im Dialoge sind diese Sachen ganz natürlich, man sagt geschwind ein paar Worte auf die Seite; aber in einer Aria, wo man die Wörter wiederholen muß, macht es üble Wirkung; und wenn auch dieses nicht wäre, so wünschte ich mir da eine Arie (der Anfang kann bleiben, wenn er ihm taugt, denn er ist charmant), eine ganz Natur fortfließende Aria, wo ich, nicht so sehr an die Worte gebunden, nur so ganz leicht auch fortschreiben kann; denn wir haben uns verabredet, hier eine Aria Andantino mit vier concertirenden Blas-Instrumenten anzubringen, für Flauto, Oboe, Corno und Fagotto, und bitte, daß ich sie so bald als möglich bekomme. –

Nun eine Hundsfötterei: – ich habe zwar nicht die Ehre den Helden del Prato zu kennen, doch der Beschreibung nach ist noch fast Ceccarelli (Castrat) besser, denn mitten in einer Arie ist öfters schon sein Odem hin, und NB. er war noch nie auf einem Theater, und Raff ist eine Statue. Nun stellen Sie sich einmal die Scene im 1sten Acte vor. –

Nun aber etwas Gutes! Mad. Dorothea Wendling ist mit ihrer Scene arcicontentissima, sie hat sie drei Mal nach einander hören wollen. –

[Wolfgang Mozart.]


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 11. November 1780.


Ich schreibe in der Eile um halb 10 Uhr Nachts, da ich den ganzen Tag nicht Zeit hatte, und Varesco mir das Buch [104] spät überbrachte. Hier übermache ich das Buch und den Plan zurück, damit Se. Excellenz Graf Seau sehen, daß Alles nach der Vorschrift gemacht worden ist. Ueber acht Tage wird mit dem Postwagen das ganze abgeschriebene Buch folgen, so nämlich, wie Abbate Varesco wünscht, daß es soll gedruckt werden. Es werden auch die nöthigen Anmerkungen dabei sein. Hier ist auch die Arie; mir scheint, es wird recht sein, wo nicht, – nur geschwind geschrieben. Was Du mir von dem singenden Personale schreibst, ist traurig; das Beste also wird die Musik-Composition thun müssen. Daß ich mich auf das vortreffliche Orchester wie ein Kind freue, kannst Du Dir leicht vorstellen, Ich wünsche, daß ich bald abkommen kann.

[Leopold Mozart.]


Der Sohn an den Vater.


München, den 13. November 1780.


In der größten Eile schreibe ich, denn ich muß zum Grafen Seau mit Cannabich, Quaglio und Legrand, dem Balletmeister, um dort zu speisen, und um das Nöthige wegen der Opera zu verabreden. Gestern habe ich mit Cannabich bei der Gräfin Baumgarten gespeis't, einer gebornen Lerchenfeld. Mein Freund ist Alles in diesem Hause, und ich nun also auch; das ist das beste und nützlichste Haus hier für mich, denn durch dieses ist auch Alles wegen meiner gegangen, und wird, will's Gott, noch gehen.

Die Opera wird erst den 20sten Januar das erste Mal gegeben werden. Haben Sie die Güte, und schicken Sie mir die zwei Sparten von den Messen, die ich bei mir habe, und die [105] Messe aus Bdur auch; denn Graf Seau wird nächstens dem Churfürsten Etwas davon sagen. Ich möchte, daß man mich in diesem Styl auch kennen lernte. Ich habe erst eine Messe von Grua gehört; von dieser Gattung kann man leicht täglich ein halbes Dutzend componiren.

Gestern hat mich Graf Seau bei Sr. Durchlaucht dem Churfürsten vorgestellt; er war sehr gnädig mit mir. Das zweite Duetto in der Oper bleibt ganz weg, und zwar mit mehr Nutzen als Schaden für die Oper; denn Sie sehen wohl, wenn Sie die Scene überlesen, daß selbe durch eine Arie oder Duetto matt und kalt wird, und für die andern Acteurs, die so hier stehen müssen, sehr génant ist – und überdieß würde der großmüthige Kampf zwischen Ilia und Idamante zu lange, und folglich seinen ganzen Werth verlieren. –

[Wolfgang Mozart.]


Der Sohn an den Vater.


München, den 15. November 1780.


Ich habe Ihr Schreiben, oder vielmehr das ganze Paquet richtig erhalten. Nun ist die Aria ganz vortrefflich. – Jetzt giebt es noch eine Veränderung, an welcher Raff Schuld ist. Er hat aber Recht, und hätte er es nicht, so müßte man doch seinen grauen Haaren etwas zu Gefallen thun. Er war gestern bei mir, wo ich ihm seine erste Arie vorgeritten habe, und er war sehr zufrieden. Nun, der Mann ist alt: in einer Aria, wie die im 2ten Acte: fuor del mar ho un mare in seno etc. kann er sich dermalen nicht mehr zeigen; – also, weil er im 3ten Act [106] ohnedieß keine Arie hat, wünschte er sich (weil seine im 1sten Acte vermöge des Ausdruckes der Worte nicht cantabile genug sein kann) nach seiner letzten Rede: o Creta fortunata! o me felice! anstatt des Quartetts eine hübsche Arie zu singen, und auf diese Art fällt auch hier ein unnöthiges Stück weg, und der 3te Act wird nun weit besser Effect machen. In der letzten Scene im 2ten Acte hat Idomeneo zwischen den Chören eine Arie oder vielmehr eine Art von Cavatina; hier wird es besser sein, ein bloßes Recitativ zu machen, unter welchem die Instrumente gut arbeiten können. Denn in dieser Scene, die, wegen der Action und der Gruppen, wie wir sie kürzlich mit Legrand verabredet haben, die schönste der ganzen Oper sein wird, wird ein solcher Lärm und Confusion auf dem Theater sein, daß eine Aria eine schlechte Figur auf diesem Platze machen würde, und überdieß ist das Donnerwetter, und das wird wohl wegen der Aria des Hrn. Raff nicht aufhören? – und der Effect eines Recitativs zwischen den Chören ist ungleich besser. Die Lisette Wendling hat auch schon ihre zwei Arien öfters durchgesungen; sie ist sehr zufrieden. Ich habe es von einer dritten Hand, daß die beiden Wendlinge, Dorothea und Lisette, ihre Arien sehr gelobt haben. Raff ist ohnedieß mein bester, liebster Freund. Meinen molto amato Castrato del Prato muß ich aber die ganze Oper lehren, denn er ist nicht im Stande, einen Eingang in eine Arie zu machen, der etwas heißt, und hat eine ungleiche Stimme. Er ist nur auf ein Jahr engagirt, und so bald das mit künftigem September aus ist, so nimmt Graf Seau einen Andern.

Nun hätte ich bald das Beste vergessen: Graf Seau hat mich letzten Sonntag nach dem Amte dem Churfürsten en passant vorgestellt, welcher sehr gnädig mit mir war, indem er sagte: »Es [107] freut mich, Ihn wieder hier zu sehen;« und als ich sagte, daß ich mich beeifern werde, den Beifall Sr. Churfürstl. Durchlaucht zu erhalten – so klopfte er mich auf die Schulter und sagte: »O daran habe ich keinen Zweifel, daß Alles sehr gut sein wird

[Wolfgang Mozart.]


München, den 24. November 1780.


Ich hoffe, Sie werden unterdessen auch die Aria für Hrn. Schickaneder erhalten haben. Die ersten acht Tage konnte ich selbe wegen meiner andern Geschäfte, weßwegen ich hier bin, nicht ganz zu Stande bringen.

Wegen meiner Oper seien Sie außer Sorgen, mein liebster Vater; ich hoffe, daß Alles ganz gut gehen wird. – Eine kleine Cabale wird es wohl absetzen, die aber vermuthlich sehr komisch ausfallen wird; denn ich habe unter der Noblesse die ansehnlichsten und vermöglichsten Häuser, und die Ersten bei der Musik sind alle für mich, besonders Cannabich. –

[Wolfgang Mozart.]


München, den 29. November 1780.


Die überschickte Arie für Raff gefällt mir und ihm gar nicht; von dem era will ich gar nichts sagen, denn das ist bei einer solchen Arie allezeit gefehlt. Metastasio hat es auch bisweilen, aber äußerst selten, und sind auch dieselben Arien nicht seine besten; und was für Nothwendigkeit ist da? – Ueberdieß [108] ist sie auch gar nicht so, wie wir sie gewünscht haben, nämlich sie soll nichts als Ruhe und Zufriedenheit zeigen, und das zeigt sie hier nur erst im zweiten Theile: denn das Unglück, welches er Alles auszustehen gehabt hat, haben wir die ganze Oper durch genug gesehen, gehört und gefühlt, aber von seinem gegenwärtigen Zustande kann er wohl reden. Wir brauchen auch gar keinen zweiten Theil – desto besser. – In der Oper: Achille in Sciro von Metastasio ist so eine Arie auf diese Art, und nach welcher Art sie Raff zu haben wünschte:


Or che mio figlio sei,

O fido il destin nemico

Sento degl' anni miei

Il peso a leggierir.


Sagen Sie mir, finden Sie nicht, daß die Rede von der unterirdischen Stimme zu lang ist? Ueberlegen Sie es recht. – Stellen Sie sich das Theater vor, die Stimme muß schreckbar sein – sie muß eindringen – man muß glauben, es sei wirklich so – wie kann sie das bewirken, wenn die Rede zu lang ist, durch welche Länge die Zuhörer immer mehr von dessen Nichtigkeit überzeugt werden? – Wäre im Hamlet die Rede des Geistes nicht so lang, sie würde noch von besserer Wirkung sein. – Diese Rede hier ist auch ganz leicht abzukürzen, sie gewinnt mehr dadurch, als sie verliert.

Nun brauche ich wegen des Marsches im 2ten Acte, den man von der Ferne hört, solche Sordinen für die Trompeten und Hörner, die man hier nicht hat. Wollten Sie mir wohl mit nächstem Postwagen von jedem Eines schicken, um sie hier nachmachen lassen zu können?

[Wolfgang Mozart.]


[109] Munic, 1. Decembre 1780.


Die Probe ist außerordentlich gut ausgefallen. Es waren nur sechs Violons, aber die gehörigen Blas-Instrumente; von Zuhörern wurde Niemand zugelassen, als die Schwester von Seau und der junge Graf Seinsheim. – Heute acht Tage wollen wir eine zweite Probe machen, wo wir dann zum 1sten Acte, welcher unterdessen duplirt wird, zwölf Geiger haben, und dann wird der zweite (wie das vorige Mal der erste Act) mit probirt werden. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Alles voll Freude und Erstaunen ist. Ich vermuthete es aber nicht anders; denn ich versichere Sie, ich ging mit so ruhigem Herzen zu dieser Probe, als wenn ich wo auf eine Collation hin ginge. –

Graf Seinsheim sagte zu mir: »Ich versichere Sie, daß ich mir sehr viel von Ihnen erwartet habe, aber das habe ich wahrlich nicht erwartet.« Das Cannabich'sche Haus, und Alle, die es frequentiren, sind doch wahre Freunde von mir. Als ich nach der Probe mit Cannabich (denn wir hatten noch Vieles mit dem Grafen zu sprechen) zu ihm nach Hause kam, ging mir schon Mad. Cannabich entgegen und umarmte mich voll Vergnügen, daß die Probe so gut ausgefallen; denn Ramm und Lange kamen wie närrisch nach Hause. Ramm sagte mir (denn wenn Sie diesen kennen, werden Sie sagen, das ist ein wahrer Deutscher, der sagt Ihnen so Alles ins Gesicht, wie er sich es denkt): »Das kann ich Ihnen wohl gestehen, sagte er, daß mir noch keine Musik solche Impression gemacht hat, und ich versichere Sie, daß ich wohl fünfzig Mal auf ihren Hrn. Vater gedacht habe, was dieser Mann für Freude haben muß, wenn er diese Oper hört.« Nun genug davon! – Mein Katarrh ist bei dieser [110] Probe etwas ärger geworden. Man erhitzt sich sehr leicht, wenn Ehre und Ruhm im Spiele sind, man mag Anfangs noch so kaltblütig sein. Gestern war wieder Mr. Raff bei mir, um die Aria im 2ten Acte zu hören. Der Mann ist so in seine Aria verliebt, als es nur immer ein junger feuriger Mann in seine Schöne sein kann; denn Nachts vor dem Schlafengehen, und so bald er erwacht, singt er sie. Er hat zu Baron Vieregg, Oberst-Stallmeister, gesagt: »Ich war sonst immer gewohnt, mir in die Rollen zu helfen, sowohl in die Recitative als Arien; da ist aber Alles geblieben, wie es war, ich wüßte keine Note, die mir nicht anständig wäre u.s.w.« – – –

[Wolfgang Mozart.]


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 11. December 1780.


Ich hoffe, Du bist gesund. Ich empfehle Dir, bei Deiner Arbeit nicht einzig und allein für das musikalische, sondern auch für das unmusikalische Publicum zu denken: – Du weißt, es sind hundert unwissende gegen zehn wissende Kenner; – vergiß also das sogenannte Populäre nicht, das auch die langen Ohren kitzelt. Wie wird es mit der Spart gehen? Wird sie nicht copirt? Du mußt darauf bedacht sein. Um so eine Bezahlung, wie diese, kann man seine Spart nicht zurück lassen. Uebereile den 3ten Act nicht, Du wirst dennoch noch früh genug fertig. Ende gut! Alles gut!

Diese Tage zeigte mir Fiala einen Brief von Becké, welcher voll der Lobeserhebungen Deiner Musik des 1sten Actes war: [111] er schrieb, daß ihm die Thränen in die Augen traten, als er die Musik hörte, vor Freude und Vergnügen, und daß Alle behaupteten, das wäre die schönste Musik, die sie gehört hätten, daß Alles neu und schön wäre etc. daß sie nun im Begriff wären, den 2ten Act zu probiren, – daß er mir dann selbst schreiben werde, u.s.w. Nun, Gott sei Dank gesagt, das geht gut. Ich kann nicht glauben, daß ich Deine Arbeit kenne, daß es Complimente sind; denn ich bin überzeugt, daß Deine Composition, wenn sie gehörig ausgeführt wird, auch ihre Wirkung thun muß.

[Leopold Mozart.]


Der Sohn an den Vater.


Munic, 16. Decembre 1780.


Heute Nachmittag ist Probe vom 1sten und 2ten Acte wieder im Zimmer beim Grafen; dann werden wir nichts als den 3ten noch probiren, alsdann aber gleich auf's Theater gehen. Wegen der Sparte brauchte ich es gar nicht fein zu machen, sondern sagte es ganz gerade dem Grafen. Es war allezeit in Mannheim üblich, wo der Kapellmeister gewiß gut bezahlt war, daß er das Original zurück bekommen. Wegen des sogenannten Populare sorgen Sie nicht, denn in meiner Oper ist Musik für alle Gattungen von Leuten, – ausgenommen für lange Ohren nicht.

Wie ist es denn mit dem Erzbischof? Künftigen Montag wird es sechs Wochen, daß ich von Salzburg weg bin. Sie wissen, mein liebster Vater, daß ich nur Ihnen zu Liebe in Salzburg bin; denn, bei Gott, wenn es auf mich ankäme, so würde [112] ich, bevor ich abgereiset bin, das letzte Decret zerrissen und meine Entlassung begehrt haben; denn mir wird, bei meiner Ehre, nicht Salzburg, sondern der Fürst und die stolze Noblesse alle Tage unerträglicher. Ich würde also mit Vergnügen erwarten, daß er mir schreiben ließe, er brauche mich nicht mehr. Ich würde auch bei der großen Protection, die ich hier habe, für gegenwärtige und zukünftige Umstände gesichert sein, Todesfälle ausgenommen, für welche Niemand stehen kann, und welche aber einem Menschen, der ledig ist, keinen Schaden bringen.

Kommen Sie bald zu mir nach München und hören Sie meine Opera, – und sagen Sie mir dann, ob ich Unrecht habe, traurig zu sein, wenn ich nach Salzburg denke; denn Sie wissen, wie schwer es gehalten hat, dieß Mal wegzukommen, ohne große Ursache ist gar kein Gedanke. Es ist zum Weinen, wenn man daran gedenkt. – Doch Ihnen zu Liebe Alles in der Welt, – und leichter würde es mir noch ankommen, wenn man doch nur bisweilen auf eine kurze Zeit weg könnte, um Odem zu schöpfen. – – Adieu! – Ich küsse Ihnen 2000 Mal die Hände und meine Schwester umarme ich von ganzem Herzen, und bin ewig Dero

gehorsamster Sohn

W.A. Mozart.


München, den 19. December 1780.


Die letzte Probe ist, wie die erste, recht gut ausgefallen, und hat sich das Orchester, wie alle Zuhörer, mit Vergnügen betrogen erfunden, daß der zweite Act in Ausdruck und Neuheit unmöglich [113] stärker als der erste sein kann. Künftigen Samstag werden wieder die zwei Acte probirt, aber in einem großen Zimmer bei Hofe, welches ich längst gewünscht, denn bei Graf Seau ist es gar zu klein. Der Churfürst wird in einem Nebenzimmer incognito zuhören. Da soll aber auf Leib und Leben probirt werden, sagte der Cannabich zu mir. Bei der letzten Probe war er ganz durchnäßt vom Schweiße.

Man ist doch froh, wenn man von einer so großen, mühsamen Arbeit endlich befreiet, und mit Ehre und Ruhm befreiet ist: denn fast bin ich es, – denn es fehlen nur noch drei Arien und der letzte Chor vom 3ten Acte, die Ouverture und das Ballet – et adieu partie!

A propos! Die Scene zwischen Vater und Sohn im 1sten Act, und die erste Scene im 2ten Acte, sind beide zu lang; sie ennuyren ganz gewiß. Besonders, weil in der ersten Beide schlechte Acteurs sind, und in der zweiten es einer ist; und der ganze Inhalt nichts als eine Erzählung von dem, was die Zuschauer schon selbst mit Augen gesehen, ist. Die Scenen werden gedruckt wie sie sind. Nur wünschte ich, daß der Herr Abbate mir anzeigen wolle, wie sie abzukürzen sind, und zwar auf das Kürzeste, dem sonst muß ich es selbst thun; denn so können die zwei Scenen nicht bleiben – versteht es sich, in der Musik. –

[Wolfgang Mozart.]


Der Vater an den Sohn.


Salzburg, den 25. December 1780.


In der ganzen Stadt ist ein allgemeines Reden wegen der Güte Deiner Opera. Den ersten Lärm machte Baron Lerbach; [114] die Hofkanzlerin sagte es mir, daß er ihr erzählt habe, die Opera werde durchgehends außerordentlich belobt. Den zweiten machte Herrn Becké's Brief an Fiala, den er aller Orten lesen ließ. Ich wünsche, daß der dritte Act die nämliche Wirkung thut, und hoffe es um so gewisser, als hier die größten Affecten vorkommen, und die unterirdische Stimme sehr überraschend und schaudernd sein muß. Basta, ich hoffe, daß es heißen soll: Finis coronat opus. Suche nur das ganze Orchester bei guter Laune zu erhalten, ihnen zu schmeicheln und sie durch die Bank mit Lobeserhebungen Dir geneigt zu erhalten; denn ich kenne Deine Schreibart, es gehört bei allen Instrumenten die unausgesetzte erstaunlichste Aufmerksamkeit dazu, und es ist eben kein Spaaß, wenn das Orchester wenigstens drei Stunden mit solchem Fleiß und Aufmerksamkeit angespannt sein muß. Jeder, auch der schlechteste Bratschist, ist auf's Empfindlichste gerührt, wenn man ihn tête à tête lobt, und wird dadurch eifriger und aufmerksamer, und so eine Höflichkeit kostet Dich nichts, als ein paar Worte. Doch – das weißt Du ja selbst, – ich sage es nur, weil man's oft da, bei der Probe, nicht gleich thun kann, und dann vergißt, und weil Du erst dann die Freundschaft und den Eifer des ganzen Orchesters nöthig hast, wenn die Opera in Scena ist. Die Lage des ganzen Orchesters ist dann ganz anders, und aller Mitspielenden Aufmerksamkeit muß noch mehr angespannt sein. Du weißt, daß man nicht Alle zu Freunden haben kann. Es muß immer ein Zweifel und Aber mit unterlaufen. Man zweifelte, ob der zweite Act so neu und gut als der erste Act aus fallen werde? – Da nun dieser Zweifel gehoben ist, so werden Wenige mehr für den dritten Act zweifeln. Aber ich wollte meinen Kopf wetten, daß Einige sein werden, die zweifeln werden, ob diese Musik in Scena auf dem Theater auch die Wirkung wie im Zimmer machen[115] werde? – – und da braucht's auch wirklich den größten Eifer und guten Willen des ganzen Orchesters.

Was anbelangt wegen der sechs Wochen, so bin ich entschlossen, mich gar nicht zu rühren, noch Etwas zu melden; sollte aber eine Rede an mich kommen, so bin ich entschlossen, zu antworten, daß wir es verstanden hätten, daß Du sechs Wochen nach componirter Opera wegen Probe und Production in München Dich aufhalten könntest, indem ich nicht vermuthen konnte, als glaubten Se. Hochfürstl. Gnaden, daß eine solche Opera in sechs Wochen componirt, abgeschrieben und aufgeführt werden könnte u.s.w.

Herr Esser hat mir und dem Ferrari von Augsburg geschrieben. Er rühmt die zwei Acte Deiner Opera, die er gehört, ganz besonders, und schrieb, daß von 5 bis 8 Uhr probirt wurde. Herr Becké, dem wir uns empfehlen, schrieb mir, daß der Chor im zweiten Acte beim Sturme so stark wäre, daß er Jedem, auch in der größten Sommerhitze, eiskalt machen müßte. Er rühmt die concertirende Arie der Dorothea Wendling im zweiten Acte außerordentlich u.s.w. Kurz, es wäre zu weitläufig, alle seine Lobsprüche über Alles herzusetzen.

Herr Ferrari macht Dir sein Compliment wegen des allgemeinen Beifalls Deiner Oper. Er zeigte den Brief von Hrn. Esser, weil sich dieser darin wegen des Accompagnements bei seinem Concerte in Salzburg bei dem ganzen Orchester bedankte, deßwegen bei Hofe Allen, besonders dem Haydn, Brunetti, Hafeneder etc.; und da lasen sie auch, daß er die zwei Acte gehört, und: che abbia sentito una musica ottima e particolare, universalmente applaudita.

[Leopold Mozart.]


[116] Der Sohn an den Vater.


München, den 27. December 1780.


Die letzte Probe ist herrlich gewesen, sie war in einem großen Saale bei Hofe, und der Churfürst war auch da. Dieses Mal ist mit dem ganzen Orchester (versteht sich, das im Opernhause Platz hat) probirt worden. – Nach dem ersten Acte sagte mir der Churfürst überlaut Bravo, und als ich hinging, ihm die Hand zu küssen, sagte er: Diese Oper wird charmant werden, Er wird gewiß Ehre davon haben. – Weil er nicht wußte, ob er so lange da bleiben konnte, so mußte man ihm die concertirende Aria und das Donnerwetter zu Anfang des zweiten Actes machen. Nach diesem gab er mir wieder auf das Freundlichste seinen Beifall, und sagte lachend: Man sollte nicht meinen, daß in einem so kleinen Kopfe so was Großes stecke. Er hat auch den andern Tag früh beim Cercle meine Opera sehr gelobt. – Die nächste Probe wird vermuthlich im Theater sein.

A propos! Becke sagte mir dieser Tage, daß er Ihnen nach der vorletzten Probe wieder geschrieben hätte, und unter andern auch, daß Raff's Arie im zweiten Acte, wider den Text geschrieben sei, welches man ihm gesagt hätte. Ich habe ihm darauf geantwortet: Hätten Sie mich eher gefragt und hernach erst geschrieben. – Ich muß Ihnen sagen, daß derjenige zu wenig Welsch kann, der Ihnen so etwas gesagt hat. Die Aria ist ganz gut auf die Wörter geschrieben. Man hört das mare und das mare funesto, und die Passagen sind auf miniacciar angebracht, welche[117] denn das miniacciar, das Drohen gänzlich ausdrücken; und überhaupt ist dieß die prächtigste Aria in der Opera, und hat auch allgemeinen Beifall gehabt.

[Wolfgang Mozart.]


Munic, ce 30. Decembre 1780.


Glückseliges neues Jahr! – Verzeihen Sie, wenn ich dieß Mal sehr wenig schreibe, denn ich stecke nun über Hals und Kopf in Arbeit. – Ich bin noch nicht ganz fertig mit dem dritten Acte, und habe dann, weil kein besonderes Ballet, sondern nur ein zur Opera gehöriges Divertissement ist, auch die Ehre, die Musik dazu zu machen, welches mir aber sehr lieb ist, denn so ist doch die Musik von einem Meister. Der dritte Act wird wenigstens so gut ausfallen, als die beiden ersten, – ich glaube aber, unendlich besser, und daß man mit Recht sagen könne: Finis coronat opus. – Der Churfürst war letzthin bei der Probe so zufrieden, daß er, wie ich Ihnen letzthin schon geschrieben, Morgens beim Cercle meine Opera sehr gelobt, und dann Abends bei der Cour wieder; – und dann weiß ich es von einer sehr sichern Hand, daß er den nämlichen Abend nach der Probe Jedermann, der zu ihm gekommen ist, von meiner Musik geredet hat, mit dem Ausdrucke: »Ich war ganz surprenirt – noch hat mir keine Musik den Effect gemacht, – das ist eine magnifique Musik

Vorgerstern haben wir eine Recitativ-Probe bei der Wendling gemacht – und das Quartett zusammen probirt. Wir haben es sechs Mal repetirt – nun geht es endlich. – Der [118] Stein des Anstoßes war der Del Prato; – der Bube kann doch gar nichts. Seine Stimme wäre nicht so übel, wenn er sie nicht in den Hals und in die Gurgel nehmen würde; übrigens hat er aber gar keine Intonation – keine Methode – keine Empfindung, sondern singt wie etwa der beste unter den Buben, die sich hören lassen, um in dem Kapellhause aufgenommen zu werden.

[Wolfgang Mozart.]


Munic, ce 3 Janvier 1781.


Mon très cher Père!


Kopf und Hände sind mir so von dem dritten Acte voll, daß es kein Wunder wäre, wenn ich selbst zu einem dritten Acte würde. – Der allein kostet mehr Mühe, als eine ganze Opera, denn es ist fast keine Scene darin, die nicht äußerst interessant wäre. – Das Accompagnement bei der unterirdischen Stimme besteht ganz allein aus fünf Stimmen, nämlich drei Posaunen und zwei Waldhörnern, welche an dem nämlichen Orte placirt sind, wo die Stimme herkömmt. Das ganze Orchester ist bei dieser Stelle still. – Die Hauptprobe ist ganz gewiß den 20sten, und die erste Production den 22sten.

[Wolfgang Mozart.]


München, den 11. Januar 1781.


So eben die Nachricht, daß die Opera wieder um acht Tage verschoben ist; die Hauptprobe ist erst den 27sten, NB. an meinem [119] Geburtstage, und die erste Opera am 29sten d.M. – Ich bin zwar froh, so kann man noch öfter probiren und mit mehr Bedachtsamkeit.

Ich habe nebst vielen andern kleinen Streitigkeiten einen starken Zank mit dem Grafen Seau wegen der Posaunen gehabt – ich heiße es einen starken Streit, weil ich mit ihm habe müssen grob sein, sonst wäre ich mit ihm nicht ausgekommen.

[Wolfgang Mozart.]


Munic, ce 18. Janvier 1781.


Verzeihen Sie, wenn ich gegenwärtig sehr wenig schreibe, denn ich muß augenblicklich in die Probe, – es ist heute die erste Recitativ-Probe im Theater.

Die Probe mit dem dritten Acte ist vortrefflich ausgefallen, und man hat gefunden, daß er die zwei ersten Acte noch um Vieles übertrifft. – Nur ist die Poesie gar zu lang, und folglich auch die Musik (welches ich immer gesagt habe); deßwegen bleibt die Aria von Idamante: No la morte io non pavento, weg, welche ohnedieß ungeschickt da ist, worüber aber die Leute, die sie in Musik gehört haben, seufzen, – und die letzte Aria von Raff auch, worüber man noch mehr seufzt. Allein, man muß aus der Noth eine Tugend machen. –

[Wolfgang Mozart.]

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 96-120.
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