Sechszehntes Kapitel.

Mozart in Wien bis zu seinem Austritt aus dem erzbischöflichen Dienste.

März – Mai 1781.

[120] Mozart hatte in seiner Wonne in München ganz vergessen, daß sein Urlaub bereits seit drei Monaten zu Ende war, als ein Befehl des Erzbischofes ihn nach Wien berief, wohin sich dieser Prälat begeben hatte. Der Uebergang von einem freien, gefeierten und vergnügten Leben unter die erzbischöfliche Zuchtruthe war gar zu rasch, als daß der Unterschied nicht um so schneidender geworden wäre. Mozart kommt Morgens neun Uhr in Wien an, man kündigt ihm sogleich an, daß er sich regelmäßig um halb zwölf Uhr zu Tische einzufinden habe, weil um diese Stunde zu Mittag gegessen werde. Er hat um diese Zeit noch keinen Hunger; indessen ist es besser ohne Appetit, als gar nicht zu Mittag zu essen. Wer sind aber seine Tischgenossen? Die zwei Leib-Kammerdiener des Erzbischofes, welche die ersten Plätze einnehmen; zwei Köche, ein Zuckerbäcker, sodann Ceccarelli und Brunetti, Musiker aus der Salzburger Kapelle. Die culinarischen Künstler würzen das Mahl mit kräftigen Spässen, denen Mozart nur durch gänzliches Stillschweigen zu entgehen vermag. Die liebenswürdige Gesellschaft, welcher der Erzbischof ihn zugesellt hat, konnte für ihn, der an fürstlichen Tafeln gesessen, nichts Anziehendes haben. Abends wurde Musik gemacht. Brunetti theilte seinem [121] neu angekommenen Kameraden mit, daß sämmtliche Leute aus der Kapelle sich der eingeführten Gewohnheit unabänderlich zu unterwerfen haben, und entweder bei ihrem Gebieter, wenn er einen musikalischen Abend gebe, oder bei einem andern gnädigen Herrn spielen müßten, dem der Erzbischof seine Leute zu leihen geruhe. Ein Kammerdiener des Prälaten hielt sich stets an der Thüre in die Empfangszimmer auf, der, sobald er einen Musiker nahen sah, einen Lakaien herbeirief, der diesen einführen und ihm eine Ecke im Salon zeigen mußte, wo er sich unbeweglich zu halten hatte, bis das Conzert seinen Anfang nahm. Diese Art von Etiquette war eben so wenig nach Mozart's Geschmack, als die des Mittagessens. Der Componist des Idomeneo meinte, daß er, um in einen Salon zu treten, keines Ceremonienmeisters in Livree bedürfe. Er dachte es und handelte darnach. Den folgenden Tag gab ein in Wien lebender vornehmer Russe, der Fürst Galitzin, ein Conzert. Obgleich weder der Adel noch der Kaiser den Erzbischof ausstehen mochten, so war er doch eingeladen, weil dieß der einzige Weg war, seine Leute zu bekommen. Mozart begibt sich allein in die Gesellschaft; er steigt die Treppen hinauf, geht an dem Kammerdiener vorbei, überholt den herbeigerufenen Lakaien, eilt durch die Gemächer und tritt gerade auf den Fürsten zu, »machte ihm sein Compliment,« und verbleibt auf dem Ehrenposten, den er sich mit so vieler Bravour erobert hatte. Während er ganz ungezwungen mit dem Herrn des Hauses sich unterhält, erblickt er seine Kameraden Brunetti und Ceccarelli, die in einer Ecke des Orchesters sitzen und weder Hand noch Fuß zu rühren wagen. Eine solche Verwegenheit erregte den Zorn des Erzbischofes im höchsten Grade, der es sich von nun als eine Verletzung seiner Pflichten vorgeworfen hätte, wenn er Mozart im Mindesten etwas an der Buße nachgelassen haben würde, die [122] er ihm von diesem Augenblicke an auferlegen zu müssen meinte. Täglich mußte er die beleidigendsten Beiwörter hören, und um ihm alle Gedanken an Hochmuth zu benehmen, welche weltliche Beifallsbezeugungen so leicht in uns erwecken, und um die Versuchungen abzuschneiden, denen uns eine wohlgespickte Börse aussetzt, so verweigerte er ihm die Erlaubniß, ein Conzert geben zu dürfen. Ja, man ging so weit, ihm nicht einmal gestatten zu wollen, in einem Conzerte, zum Nutzen der Wittwen und Musiker, in einer, aus sämmtlichen Künstlern und Dilettanten Wien's gebildeten Gesellschaft, gratis spielen zu dürfen. Dießmal verwendete sich aber der sämmtliche Adel für den Büßenden. Man stellte dem Erzbischofe vor, daß, wenn er der Gesellschaft das dem Wiener Publikum ganz neue Talent vorenthalte, dieß so viel wäre, als wenn er den Pfennig der Wittwe angreife, von dem er als Hirte der Wächter wäre. Eine Anspielung dieser Art mußte ihm in's Gedächtniß rufen, daß Mildthätigkeit zum äußern Anstande gehöre, und er hielt etwas auf diesen äußern Anstand. Mozart erhielt endlich die Erlaubniß, an diesem Acte der Wohlthätigkeit Theil nehmen zu dürfen. Ein Pianist, wie Mozart, der damals keinen seines gleichen auf der Welt fand, feierte in Wien, dem classischen Boden des Piano's, ein herrliches Debut. Das Publikum nahm ihn mit Begeisterung auf. Seine Freunde wünschten ihm Glück und drangen in ihn, ein Conzert zu seinem Nutzen zu geben. Die Damen wollten es über sich nehmen, die Billets unterzubringen. Vergebens: das Verbot des Erzbischofes blieb unwiderruflich.

Schon seit einiger Zeit dachte Mozart daran, den Dienst des Erzbischofes auf immer zu verlassen. Die Härte und der Geiz dieses Prälaten, die Mißachtung, welche er den Künstlern seiner Kapelle an den Tag legte, die unartigen Ausdrücke, deren er sich fortwährend gegen sie erlaubte, hatten endlich Mozart's Geduld [123] erschöpft. Er hatte diese Lage nur aus Liebe zu seinem Vater ertragen: aber es gibt Gränzen, wo die kindliche Aufopferung aufhört und aufhören muß. Die Launen eines Tyrannen, denen er gehorchen mußte, beraubten ihn der einzigen Hilfsquelle, die dem Künstler Brod gibt. Ein einziges Conzert in Wien hätte ihm das Doppelte des elenden Gehaltes eingetragen, den er in Salzburg bezog. Er wußte dieß, und doch schien er noch zu schwanken. Es mußte erst bis zu den äußersten Mißhandlungen kommen, ehe er sich entschließen konnte, die Bande zu brechen, die ihn an seinen unwürdigen Herrn ketteten. Die Worte Bube, Schurke, Bursche, liederlicher Kerl ertönten in seine Ohren; diese schändlichen Worte galten dem Componisten des Idomeneo, und der, welcher sie ausstieß, war ein Erzbischof, ein Verkündiger des heiligen Evangeliums! In Folge dieses Auftrittes mußte Mozart zwei Tage das Bett hüten; ehe er sich aber hineinlegte, hatte er seine Entlassung eingereicht.

Die Einzelnheiten dieser traurigen Lage liefert die folgende


Correspondenz.

Wien, den 17. März 1781.


Gestern, als den 16ten, bin ich, Gott Lob und Dank glücklich und gesund hier Morgens 9 Uhr angekommen. Ich schreibe dieses im Mesmer'schen Garten auf der Landstraße. – Nun sogleich vom Erzbischof. Ich habe ein charmantes Zimmer im nämlichen Hause, wo der Erzbischof wohnt. Brunetti und Ceccarelli logiren in einem andern Hause. Che distinzione! – Mein Nachbar ist Hr. v. Kleinmeyern, welcher mich mit [124] allen Höflichkeiten überhäufte; er ist auch in der That ein charmanter Mann. Um halb zwölf Uhr Mittags wird schon zu Tische gegangen, leider für mich ein bischen zu früh. Da speisen die zwei Leib-Kammerdiener, der Controleur, Hr. Zetti, der Zuckerbäcker, zwei Köche, Ceccarelli, Brunetti und meine Wenigkeit. Die zwei Leib-Kammerdiener sitzen oben an, und ich habe wenigstens die Ehre, vor den Köchen zu sitzen. Nun, ich denke, ich bin in Salzburg. – Bei Tische werden einfältige grobe Spässe gemacht; mit mir macht Keiner Spaaß, weil ich kein Wort rede, und wenn ich was reden muß, so ist es allezeit mit der größten Seriösität, und so wie ich abgespeiset habe, gehe ich meines Weges. Abends haben wir keine Tafel, sondern Jeder bekömmt drei Ducaten – da kann Einer weit springen. Der Hr. Erzbischof hat die Güte und gloriirt mit seinen Leuten, raubt ihnen ihre Verdienste und bezahlt sie nicht dafür. –

Gestern um 4 Uhr haben wir schon Musik gehabt, da waren ganz gewiß zwanzig Personen von der größten Noblesse da. – Ceccarelli hat schon beim Palfy singen müssen. Heute müssen wir zum Fürsten Gallizin, der gestern auch da war. – Jetzt will ich nur abwarten, ob ich nichts bekomme; wenn nicht, so gehe ich zum Erzbischof und sage es ihm ganz gerade: wenn er nicht will, daß ich was verdienen soll, so soll er mich bezahlen, daß ich nicht von meinem Gelde leben muß.

[Wolfgang Mozart.]


Wien, den 24. März 1781.


Was Sie mir vom Erzbischof schreiben, hat, was seinen Ehrgeiz in Betreff meiner Person kitzelt, in so weit seine Richtigkeit; [125] – allein, was nützt mir Alles dieß? – Von diesem lebt man nicht. – Und was giebt er mir denn für Distinction? – Hr. von Kleinmeyrn, Boenecke haben mit dem erlauchten Grafen Arco eine besondere Tafel; – das wäre Distinction, wenn ich bei dieser Tafel wäre, – aber nicht bei den Kammerdienern, die außer dem ersten Platze am Tische die Lüster anzünden, die Thüre aufmachen und im Vorzimmer bleiben müssen; und dann, wenn wir wo zu einem Concerte gerufen werden, so muß ein Herr Leib-Kammerdiener herauspassen, bis die Herren Salzburger kommen, und sie dann durch einen Lakai weisen lassen, damit sie hinein dürfen, wie das mir Brunetti so im Discours erzählte. Da dachte ich mir: wartet nur, bis ich einmal komme.

Als wir also letzthin zum Fürsten Gallizin mußten, ging ich mit Fleiß allein hin; – als ich hinauf ging, stand schon der Hr. Angerbauer da, dem Bedienten zu sagen, daß er mich hinein führen sollte. – Ich gab aber weder auf den Hrn. Leib-Kammerdiener, noch auf den Bedienten Acht, sondern ging gerade die Zimmer durch in das Musikzimmer, denn die Thüren waren alle offen, – und schnurgerade zum Prinzen hin, und machte ihm mein Compliment, wo ich dann stehen blieb und immer mit ihm sprach. – Ich hatte ganz auf Brunetti und Ceccarelli vergessen, denn man sah sie nicht, die steckten ganz hinterm Orchester an die Mauer gelehnt, und getraueten sich keinen Schritt hervor. Ich gehe Heute Abends mit Herrn von Kleinmayrn zu einem seiner Freunde, zum Hofrath Braun, wo mir Alle sagen, daß er der größte Liebhaber vom Clavier sei. Bei der Gräfin Thun habe ich schon zwei Mal gespeis't, und komme fast alle Tage hin: das ist die charmanteste, liebste Dame, die ich in meinem Leben gesehen, und ich gelte auch sehr viel bei ihr. – Beim Grafen Cobenzl habe ich auch gespeis't. – Nun ist meine Hauptabsicht [126] hier, daß ich mit guter Manier zum Kaiser komme, denn ich will absolument, daß er mich kennen lernen soll. – Ich möchte ihm mit Lust meine Opera durchspielen und dann brav Fugen spielen; denn das ist seine Sache. – O hätte ich gewußt, daß ich die Fasten nach Wien kommen würde, hätte ich ein kleines Oratorium geschrieben, und zu meinem Vortheile im Theater gegeben, wie es hier Alles macht. Ich hätte leicht vorher zu schreiben gehabt, weil ich die Stimmen alle kenne. – Wie gern gäbe ich nicht ein öffentliches Concert, wie es hier gewöhnlich ist; aber es wird mir nicht erlaubt, das weiß ich gewiß: denn stellen Sie sich nur vor – Sie wissen, daß hier eine Societät ist, welche zum Vortheile der Wittwen von den Musicis Akademieen giebt, und Alles, was nur Musik heißt, spielt da umsonst. Das Orchester ist 180 Personen stark; kein Virtuos, der nur ein wenig Nächstenliebe hat, schlägt es ab, darin zu spielen, wenn von der Societät aus darum ersucht wird; denn man macht sich darum sowohl beim Kaiser als beim Publicum beliebt. – Starzer hatte den Auftrag, mich darum zu bitten, und ich sagte es ihm sogleich zu, doch mußte ich vorher meines Fürsten Gutachten darüber vernehmen, und ich hatte gar keinen Zweifel, weil es eine geistliche Art und unentgeldlich, nur um ein gutes Werk zu thun, ist. – Er erlaubte es mir nicht, welches ihm die ganze hiesige Noblesse übel genommen hat. – Mir ist es nur deßwegen leid: ich hätte kein Concert, sondern, weil der Kaiser in der Proscen-Loge ist, ganz allein präludirt, eine Fuge und dann die Variationen (Je suis Lindor) gespielt. – Wo ich das so öffentlich gemacht habe, hatte ich allezeit den größten Beifall erhalten, weil es so gut absticht und weil Jeder Etwas hat. Die Gräfin Thun hätte mir ihr schönes Pianoforte von Stein dazu gegeben.

[Wolfgang Mozart.]


[127] Wien, den 28. März.


Ich bin mit dem Briefe nicht fertig geworden, weil mich Herr von Kleinmayrn zum Concert beim Baron Braun in der Kutsche abgeholt hat; mithin schreibe ich jetzt, daß der Erzbischof mir erlaubt hat, in dem Wittwen-Concerte zu spielen; denn Stazer ist zur Akademie beim Gallizin gegangen, und er und die ganze Noblesse haben ihn so gequält, bis er es erlaubt hat. – Bin ich froh. –

Der alte Fürst Colloredo, bei dem wir Musik hatten, hat Jedem von uns fünf Ducaten gegeben. – Die Gräfin Rombeck habe ich zur Schülerin.

[Wolfgang Mozart.]


Wien, den 4. August 1781.


Ich habe Ihnen letzthin schon geschrieben, daß mir der Erzbischof ein großes Hinderniß ist; denn er macht mir wenigstens 100 Ducaten Schaden, die ich ganz gewiß durch eine Akademie im Theater machen könnte, denn die Damen haben sich mir schon selbst angetragen, Billets auszutheilen. Gestern, kann ich wohl sagen, daß ich mit dem Wiener Publicum recht zufrieden war. Ich spielte in der Akademie der Wittwen im Kärnthnerthor-Theater, und mußte wieder neuerdings anfangen, weil des Applaudirens kein Ende war. Das, was mich am meisten gefreut und verwundert hat, war das erstaunliche Silentium und mitten im Spielen das Bravo-Schreien. Für Wien, wo so viele, und so viele gute Clavierspieler sind, ist das gewiß Ehre genug. – Was [128] glauben Sie, wenn ich nun, da mich das Publicum einmal kennt, eine Akademie für mich gäbe, was ich nicht da machen würde? – Allein unser Erzbischof erlaubt es nicht – er will nicht, daß seine Leute Nutzen haben sollen, sondern Schaden. Doch dieß kann er bei mir nicht zuwege bringen; denn wenn ich hier zwei Scholaren habe, so stehe ich besser als in Salzburg.

Heute hatten wir Akademie, wo drei Stücke von mir gemacht wurden, versteht sich, neue, – als: ein Rondo zu einem Concert für Brunetti – eine Sonate mit Accompagnement einer Violine für mich, welche ich gestern Nachts von 11 bis 12 Uhr componirt habe; aber, damit ich fertig geworden bin, nur die Accompagnement-Stimme für Brunetti geschrieben habe, ich aber meine Parthie im Kopfe behalten habe, – und dann ein Rondo für Ceccarelli, welches er hat repetiren müssen, und für diese meine Arbeit bekomme ich nichts. Was mich aber halb desperat macht, ist, daß ich an dem nämlichen Abend, als wir die Musik hatten, zur Gräfin Thun invitirt war, und also nicht hinkommen konnte, und wer war dort? – Der Kaiser; – Adamberger und Weigl waren auch dort, und hat Jeder 50 Ducaten bekommen. – Und welche Gelegenheit! –

[Wolfgang Mozart.]


Wien, 12. Mai 1781.


Sie wissen aus meinem letzten Briefe, daß ich den Fürsten den 9ten Mai um meine Entlassung gebeten habe, weil er mir es selbst geheißen hat; denn schon in den ersten zwei Audienzen sagte er mir: scher' Er sich weiter, wenn Er mir nicht recht dienen will! – Was Wunder also, wenn ich endlich durch Bube, Schurke, [129] Bursche, liederlicher Kerl und dergleichen Ausdrücke mehr außer mir, das: scher' er sich weiter! endlich für bekannt angenommen habe.

Ich gab den folgenden Tag dem Grafen Arco eine Bittschrift, um selbe Sr. Hochfürstl. Gnaden zu über reichen, und auch wieder das Reisegeld, welches in 15 fl. 40 kr. für die Diligence, und 2 Ducaten Verzehrungsgeld besteht. Er nahm mir Beides nicht an, sondern versicherte mich, daß ich gar nicht quittiren könnte, ohne Ihre Einwilligung, mein Vater, zu haben. Das ist Ihre Schuldigkeit, sagte er mir. – Ich versicherte ihn gleichfalls, daß ich so gut als er meine Schuldigkeit gegen meinen Vater kenne, und es wäre mir sehr leid, wenn ich sie von ihm erst lernen müßte. – Gut also, sagte er, ist er damit zufrieden, so können Sie Ihre Entlassung begehren, wo nicht, so – können Sie sie – auch begehren. – Eine schöne Distinction! – Alles, was mir der Erzbischof in den drei Audienzen Erbauliches sagte, besonders in der letzten, – und was mir jetzt wieder dieser herrliche Mann Gottes Neues erzählte, machte eine so treffliche Wirkung auf meinen Körper, daß ich Abends in der Opera mitten im ersten Acte nach Hause gehen mußte, um mich zu legen; denn ich war ganz erhitzt – zitterte am ganzen Leibe – und taumelte wie ein Besoffener auf der Gasse, blieb auch den folgenden Tag, als gestern, zu Hause, und den ganzen Vormittag im Bette. – Daß Sie glauben, daß ich mich bei der Noblesse und dem Kaiser selbst in üblen Credit setzen werde, ist grundfalsch, denn der Erzbischof ist hier gehaßt, und vom Kaiser am meisten; das ist eben sein Zorn, daß ihn der Kaiser nicht nach Laxenburg eingeladen hat. – –

Ich will also nur noch den Hauptvorwurf über meine Bedienung hersetzen. Ich wußte nicht, daß ich Kammerdiener wäre, und das brach mir den Hals. Ich hätte sollen alle Morgen so [130] ein paar Stunden in derAnticamera verschleudern; man hat mir freilich öfters gesagt, ich sollte mich sehen lassen, – ich konnte mich aber niemals erinnern, daß dieß mein Dienst sei, und kam nur allezeit richtig, wenn mich der Erzbischof rufen ließ. – Nun habe ich mit Ihnen gesprochen, als wenn wir in Gegenwart des Erzbischofs wären. – Jetzt spreche ich aber ganz allein mit Ihnen, mein liebster Vater. Von allem Unrecht, welches mir der Erzbischof vom Anbeginn seiner Regierung bis jetzt angethan, von dem unaufhörlichen Schimpfen, von allen Impertinenzen und Sottisen, die er mir in das Gesicht sagte, von dem unwidersprechlichen Recht, das ich habe, von ihm wegzugehen, wollen wir ganz schweigen, denn da läßt sich nichts dawieder sagen. Nur will ich von dem sprechen, was mich – auch ohne alle Ursache einer Kränkung – von ihm wegzugehen verleitet haben würde.

Ich habe hier die schönsten und nützlichsten Connoissances von der Welt, bin in den größten Häusern angesehen und beliebt, man erzeigt mir alle mögliche Ehre, und bin dazu noch dafür bezahlt, – und ich soll um 400 fl. in Salzburg schmachten, ohne Aufmunterung? – Was würde das Ende davon sein? – immer das nämliche: ich müßte mich todt kränken lassen, oder wieder weggehen. – Ich brauche Ihnen nichts mehr zu sagen, Sie wissen es selbst. Nur noch dieses; – Die ganze Stadt Wien weiß schon meine Geschichte. Die ganze Noblesse redet mir zu, ich soll mich ja nicht mehr einführen lassen u.s.w.

[Wolfgang Mozart.]

Quelle:
Alexander Ulibischeff: Mozart's Leben und Werke. Stuttgart 2[1859], S. 120-131.
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