C. Biographische Notizen über Fr. Wieck.

[308] Friedrich Wieck, geboren zu Pretsch, einem Städtchen bei Wittenberg, im Jahre 1785 am 18. August, war der Sohn eines dortigen Kaufmanns. Schon frühe zeigte er große Neigung zur Musik, für deren Befriedigung indessen wegen der sehr beschränkten Verhältnisse seiner Eltern nichts geschehen konnte. Durch Unterstützung wohlthätiger Freunde wurde er später in Stand gesetzt, das Gymnasium zu Torgau zu besuchen. Nachdem er dasselbe absolvirt, bezog er 1803 die Universität zu Wittenberg, um Theologie zu studiren; hier fand er im Umgang mit mehreren musikalischen Commilitonen erwünschte Gelegenheit, seiner Liebhaberei für Musik Genüge zu thun, und zwar in so umfangreichem Maaße, daß er sich auf mehreren Instrumenten, als Harfe, Clavier, Violine, Horn und Contrabaß zugleich versuchte, »seinen musikalischen Gelüsten nothdürftige Genugthuung verschaffend«, wie er sich selbst humoristisch ausdrückt. Auf dem Clavier erhielt er damals etwa 6 Lectionen von dem in Torgau lebenden und durch eine Clavierschule seiner Zeit bekannten Musikdirektor Milchmayer, – überhaupt der einzige Unterricht, den Friedrich Wieck in seinem ganzen Leben genossen.[308] Er glaubt, ihm die nothwendigsten Begriffe über ein korrektes Clavierspiel zu verdanken. Nach vollbrachter Studienzeit und einer während derselben abgelegten Probepredigt ging Wieck nach Dresden, um sich dort von dem Oberhofprediger Reinhardt als Candidat der Theologie prüfen zu lassen. Da sich aber nicht sogleich Gelegenheit zu einer Anstellung fand, trat er als Hauslehrer bei einem Baron v. Z. auf Zingst in der Nähe von Querfurt ein. Hier erhielt seine Vorliebe für die Musik neue Nahrung durch die Bekanntschaft des in demselben Hause engagirten Musiklehrers Bargiel1. Die etwas abenteuerliche Existenz in dem Hause ihres Brodherrn, der den curiosesten Gelüsten nachging, nöthigte aber beide junge Männer nach einiger Zeit, bei Nacht und Nebel das Weite zu suchen. Ohne alle Mittel das materielle Dasein zu fristen, fanden sie im Hause des menschenfreundlichen Superintendenten F. in Querfurt gastfreie Aufnahme während mehrerer Monate. Bargiel wandte sich demnächst nach Leipzig, um sich dort als Musiklehrer niederzulassen. Wieck dagegen nahm abermals eine Stelle als Hauslehrer bei einem Herrn v. M. in Bielitz bei Bautzen an. Aber auch hier war seines Bleibens nicht lange. Nach mehrfachem in der Folge noch unternommenen Conditionswechsel sah Wieck sich genöthigt, seine bisherige Wirksamkeit einstweilen wegen Gesichtsschmerz einzustellen. Sich von demselben zu befreien, ging er nach. Leipzig zu dem berühmten Hahnemann, um eine homöopathische Kur zu gebrauchen. Leipzig wurde von da ab für eine lange Reihe von Jahren Wieck's bleibender Aufenthaltsort. Er etablirte ein Leihinstitut für Musikalien und Pianofortes und ertheilte außerdem Clavierunterricht zunächst nach dem Logier'schen System, das er jedoch im Laufe der Jahre mit einer eigenen auf rationelle Anschauung begründeten und durch scharfsinnige, seine Beobachtungsgabe nach und nach vervollkommneten Methode vertauschte. Ostern 1840 verließ er Leipzig, um nach Dresden überzusiedeln, wo er als ausgezeichneter Clavierlehrer und auch als Gesanglehrer bis 1873 wirkte. In diesem Jahre starb er am 6. October zu Loschwitz bei Dresden. Fr. Wieck war zweimal verheirathet. Aus der ersten Ehe entsproß seine Tochter Clara, die nachmalige vielbewunderte Gattin R. Schumann's, aus der zweiten seine Tochter Marie, die sich im Laufe der Zeit als ausgezeichnete Pianistin allgemeine Anerkennung erworben hat.

1

Es ist der Vater des begabten Componisten Woldemar Bargiel.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 308-309.
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