35. An Keferstein.

[378] Leipzig, den 19. Februar 1840.


Bis heute, mein verehrter Freund, hab' ich mit Sammeln der Doktor-Materialien zugebracht. Verzeihen Sie mir, daß ich die ganze Sache an Sie adressirt habe? Ich wünschte nämlich, Sie läsen, ehe Sie ihn abgäben, den Brief an den Hrn. Dekan und die Biographie, die mir blutsauer geworden, da man über sich sehr viel und auch sehr wenig sagen kann. Hat beides Ihre Approbation, so befördern Sie es denn gütigst mit dem Anderen, was Sie beizulegen gedenken. Soll ein Aufsatz von mir den Akten beigelegt werden, so stimme ich für den Aufsatz über Berlioz's Symphonie und etwa den über Beethoven's Monument. Ein Gefallen geschähe mir, wenn ich die Zeugnisse wieder zurückerhalten könnte. Vielleicht geht das?

Und nun haben Sie herzlichen Dank für Ihre Freundlichkeit und führen es zum besten Ende. Montag über 8 Tage, den 2. März, reise ich wahrscheinlich nach Hamburg zu Klara, vielleicht auch dann mit ihr und der Mutter nördlicher. Eine Freude würde es mir sein, wenn bis dahin das Diplom in meinen Händen wäre, um Klara eine Ueberraschung zu machen.

Vielleicht unterstützen Sie meine Bitte bei dem Hrn. Dekan mit einigen Worten. Vergessen Sie auch nicht, wenn ich Sie bitten darf, meinen Wunsch wegen der musikalischen Doctorschaft, die mich am meisten freuen würde.

Ihr lieber Brief enthält im Uebrigen so manches Wichtige, was kaum aus der Ferne zu beantworten ist. Sie wissen vielleicht nicht, was ich Alles in den letzten Jahren zu Tag gefördert als Componist und wie ich trotzdem meine Pflicht als Redacteur treulich erfüllt. Glauben Sie wohl, daß ich in den beiden vergangenen Jahren 400 Seiten Musik geschrieben, die auch meistens gedruckt ist. Und dann denke ich doch auch, meine Musik hat nichts vom Handwerk an sich und kostet dem Herzen mehr, als man ahnen mag, und dann will es doch auch Ruhe nach so großer Anstrengung.

Die Redaction der Zeitung kann nur Nebensache sein, mit so großer Liebe ich sie auch hege. Ist doch jeder Mensch auf das Heiligste verpflichtet, die höheren Gaben, die in ihn gelegt sind, zu bilden. Sie[378] selbst schrieben mir, wie ich mich erinnere, vor einigen Jahren das Nämliche und ich habe seitdem wacker fortgearbeitet. Ich schreibe Ihnen das, mein verehrter Freund, weil ich in Ihren letzten Zeilen einen kleinen Vorwurf über meine Redactionsverwaltung zu sehen glaube, den ich wahrhaftig nicht verdiene, eben weil ich so viel außerdem arbeite und weil dieses das Wichtigere ist und die höhere Bestimmung, die ich in diesem Leben zu erfüllen habe. Eben komme ich noch ganz warm vom Componiren. Ich schreibe jetzt nur Gesangsachen, großes und kleines, auch Männerquartetten, die ich meinem verehrten Freund, der eben diese Zeilen liest, zueignen möchte, wenn er mir freundlich verspricht, mich nicht mehr vom Componiren abzuhalten. Darf ich? Kaum kann ich Ihnen sagen, welcher Genuß es ist, für die Stimme zu schreiben im Verhältniß zur Instrumentalcomposition, und wie das in mir wogt und tobt, wenn ich in der Arbeit sitze. Da sind mir ganz neue Dinge aufgegangen und ich denke wohl auch an eine Oper, was freilich nur möglich, wenn ich ganz einmal von der Redaction los bin.

Was übrigens den alten Herrn anlangt und seine Unzufriedenheit mit der Zeitung, so wissen Sie ja, daß er früher mit eben derselben Begeisterung dafür gesprochen, wie er jetzt dagegen zieht. – – – – – – Ach, wie viel müßte ich Ihnen da erzählen, wie viel ist da vorgefallen. Begründete Sorge um unsere spätere Stellung kann keine da sein. Wir sind jung, haben Hände und Kräfte und Namen; auch besitze ich, um Sie auch darüber aufzuklären, ein kleines Vermögen mit 500 Th. Zinsen. Die Zeitung trägt mir ebensoviel ein und meine Compositionen bekomme ich ebenfalls gut honorirt. Sagen Sie mir, ob da eine Besorgniß aufkommen kann.

Ihr Gedanke wegen einer Verbindung mit der Euterpe25 ist einer der Gesellschaft selbst, die mich schon früher darum befrug und die Zeitschrift zum Organ ihres Wirkens wünschen mochte. Ihr Streben ist ein sehr ehrenwerthes; für die Oeffentlichkeit eignen sich aber zumeist die Leistungen der 1. ausübenden Section, die Conzerte, die trefflich geleitet sind; der 2. Section fehlt es noch an einem rechten Leben, an einem Princip. Komme ich nur einmal zur Ruhe, so denke ich etwas für sie thun können. Das Wirken des Omnia in majorem gloriam ist[379] freilich nicht schwer zu übertreffen. Mir kömmt die ganze Sache wie ein Scandal vor, über den Jedermann so viel als möglich schweigt, da man doch als Ehrenmitglied nicht gut über sich selbst schimpfen kann, Spaßhaft ist es mir, von den meisten Ehrenmitgliedern fast wöchentlich Briefe zu erhalten, wo es heißt »Sch. ist ein erbärmlicher etc.« etc. etc. Ich meine auch, das könne sich nicht halten, zumal sobald Spohr zurücktritt. Lassen Sie uns später Ihren schönen Plan wieder überlegen; Sie haben gewiß Recht, daß mit unsern sächsischen Kräften, die in Leipzig sich concentriren ließen, etwas Tüchtiges herzustellen wäre. Vielleicht träten Sie dem Verein thätig bei, wenn er Sie darum anginge. Ich schreibe Ihnen später noch darüber.

Nun muß ich Abschied von Ihnen nehmen. Verzeihen Sie mir dies Flüchtige und erfreuen mich bald durch ein paar Worte und gedenken.


Ihres

ergebenen

R. Schumann.


Von meinem Concert hab' ich nur ein Exemplar, aber in einem voluminösen Band mit Anderem zusammengebunden. Ich denke, ich sehe Sie noch im Frühling. Klara kömmt vielleicht nach Weimar.

25

Das Concertinstitut, welches neben den Gewandhausconcerten in Leipzig existirt.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 378-380.
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