91. An Strackerjan.

[438] Geehrter Herr und Freund,


Die Zeit, wo ich Ihnen nicht schrieb, war eine sehr bewegte. Wir hatten eine Musikfahrt nach den Niederlanden unternommen, die vom Anfang bis zum Schluß von guten Glücksgeulen begleitet war. In allen Städten wurden wir mit Freuden, ja mit viel Ehren bewillkommnet. Ich habe zu meiner Verwunderung gesehen, wie meine Musik in Holland beinahe heimischer ist, als im Vaterland. Ueberall waren große Aufführungen der Symphonien, gerade der schwierigsten, der 2. und 3., im Haag auch mir die Rose vorbereitet. Ich könnte Ihnen eine bogenlange Reisebeschreibung darüber machen, – wollte Ihnen aber wenigstens das Hauptsächlichste mittheilen, da ich weiß, welchen freundlichen Antheil Sie an unsern Geschicken nehmen.

Hier zurückgekommen, erwartete mich eine andere bedeutende Arbeit, diesmal eine literarische. Ich war zum Entschluß gekommen, meine frühern musikalisch-literarischen Aufsätze zu überarbeiten und, von einem sehr anständigen Leipziger Verleger dazu angespornt, sie[438] zum Druck vorzubereiten, wie sie denn bis zur Ostermesse in vier Bänden erscheinen werden. Es macht mir Freude zu bemerken, daß ich in der langen Zeit, seit über zwanzig Jahren, von den damals ausgesprochenen Ansichten fast gar nicht abgewichen bin. Ich hoffe, daß ich Ihnen diesmal von einer ganz neuen Seite bekannt werde.

Mit vielem Interesse habe ich gelesen, was Sie mir über Ihr musikalisches Wirken schreiben. Könnte ich doch manchmal, in einen unsichtbaren Faustmantel gehüllt, Ihren Aufführungen beiwohnen.

Daß Sie das Nachtlied mit Orchester hören möchten, wünschte ich. Das giebt erst das rechte Licht. Es freut mich, daß es Ihnen zusagt. Dem Stücke habe ich immer mit besonderer Liebe angehangen. Kennen Sie eine Motette (Adventlied von Rückert) von mir?

In der letzten Zeit habe ich eine neue Sonate für Violine und Pianoforte, dann ein Heft Romanzen für Violoncell und Pfte., und eines für Clavier allein »Gesänge der Frühe« geheißen, beendigt. Könnten Sie sich doch auch in einen Faustmantel hüllen und solche Stücke manchmal von meiner Frau hören! –

Wir sind wieder in Vorbereitungen zu einem Ausflug – nach Hannover, wo die »Peri« aufgeführt wird, zu deren Direction man mich invitirt hat, und von da nach Frankfurt a/M., von woher auch eine Einladung zur Aufführung meiner 4. Symphonie gekommen ist. In Hannover treffen wir Joachim und Brahms, zwei sehr geniale Burschen.

So scheide ich denn heute von Ihnen, mit der Bitte, mich bald mit einem Briefe wieder zu erfreuen, die auch meine Frau immer mit besonderer Theilnahme liest. Denn meine Freunde sind auch ihre.


(13)

D. den 17. Januar

1854.

Leben Sie wohl!

R. Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 438-439.
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