Adelheid v. Weber 1798

[39] Es ist als ein großes Glück für Carl Maria's Seelenentwickelung zu betrachten, daß mit dem Tode seiner Mutter nicht alle Einwirkung edler Weiblichkeit auf seine Erziehung aufhörte. Franz Anton's Schwester, Adelheid, ein in Jahren stehendes Mädchen, war eine gute Tante, im edelsten Sinne des Wortes. Durch das Leben mehr als durch Unterricht gebildet, von edlem Herzen und freundlichem Gemüthe, bei ihrem Bruder, eben so wie bei Allen die sie kannten, in vielem Ansehen stehend, ergriff sie die Zügel der Erziehung der Waisen mit kluger, praktischer Hand, die Einwirkungen der Extravaganzen[39] Franz Anton's und des Verkehrs mit dem Theaterleben mildernd, und vor Allem eine Tendenz zu Schärfe und Sarkasmus, die sich in der Seele des geistvollen Knaben Carl Maria zu entwickeln begann, mit aller Macht weiblicher Milde abstumpfend. Ihrem Einflusse ist es wahrscheinlich zu danken, daß diese Tendenz sich bei dem reisenden Jünglinge und Manne zu jenem reizenden Humor und jener harmlos scurrilen Laune läuterte, durch die später Carl Maria selbst »Feinde zu versöhnen und seine Freunde ganz zu bezaubern« vermochte.

Mit welcher Genugthuung der Knabe bald auf sein bei Vater Haydn bereits erworbenes Eigenthum an musikwissenschaftlichen Kenntnissen blickte, davon spricht ein Brief, den er an seinen theuern Lehrer Heuschkel, wahrscheinlich Mitte des Jahres 1798 richtete:


Lieber Herr Heuschkel.


Daß sie mich ganz vergessen haben, ist ein beweiß, da Sie auf meinen Wohlmeinenden Neujars Glückwunsch vom 28 december vorigen Jahrs mich mit keiner Antwort beehret haben, demohngeachtet mache ich mir daß Vergnügen, Ihnen hiebey ein Exemplar meiner ersten Composition zu Schiken welche ich bisher unter der Leitung des Hr: Michel Haydn Studieret habe. daß ich meine liebe unvergeßliche Mutter bereits den 13ten März dieses Jahrs leider! verlohren habe, werden sie schon Wissen. Ach Gott! ein unersetzlicher Verlust für mich! gegen Ende dieses Monats reife ich mit meinem lieben Vater, Frau Tante, und meinem kleinen Schwesterchen zu unsern Grossen Vater Joseph Haydn nach Wien. es soll mir lieb sein wenn sie uns dort einmahl besuchen wollen. und ich Ihnen sodann zeigen werde, das Sie keine unehre von ihrem Schüler haben. Wo ich Sie dann abmahlen, und ein paar gute Fugen vorfuchteln werde. Einen Gruß von meinem Vater, leben sie wohl, ich bin mit aller liebe und achtung


ihr

aufrichtig ergebener Freund

Carl M. v. Weber.

N: S:


Wollen sie mich mit einer Antwort beehren so sein Sie so gütig, und geben nur den Brief an Tit: Hr: Strasser ab, so erhalte ich ihn Sicher. adieu.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 39-40.
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