Feuersbrunst bei Nep. Kalcher

[48] Fast wäre durch ein sonderbares Ereigniß, das zu gleicher Zeit auf den empfänglichen Sinn des Knaben einwirkte, dieser Impuls so kräftig geworden, daß er seinen Lebensweg nicht allein von seinem wahren Ziele abgelenkt, sondern auch die Absichten, die Franz Anton hatte, als er ihn so eifrig mit der Lithographie beschäftigte, gänzlich gekreuzt hätte. Genofeva von Weber's streng gläubige, schwärmerische Natur hatte, bei dem tiefen, seelischen Einflusse, den sie auf ihr phantasiereiches Kind übte, nicht verfehlt, in diesem eine aus der vollen Wärme des Herzens emporquellende, glühende Verehrung für die Formen und Dogmen der katholischen Kirche mit allem Detail derselben und dem halb poetischen, halb abergläubischen Schmucke, den sie von der Dichterkraft des Volks erhalten hatten, hervorzurufen, so daß das Kind sich von Eingaben thatsächlich geleitet und die Welt mit geheimnißvollen Kräften, die sich durch allerhand Zeichen und Vorbedeutungen kund gäben, angefüllt wähnte. Carl Maria ist, wie wir weiter unten sehen werden, von einem guten Theile mehr oder weniger poetischen Aberglaubens, durch sein ganzes Leben begleitet worden.

Nun verwahrte Kalcher, wie erwähnt, Carl Maria's Compositionen zum Theil in einem besondern Schranke, der im Vorzimmer seiner kleinen Wohnung stand, aber seit einiger Zeit weniger oft, als sonst, geöffnet wurde.

Gerade als Carl Maria's Eifer für die Lithographie im höchsten Flore stand, und man wahrscheinlich drauf und dran war, die am werthvollsten erscheinenden Arbeiten des Knaben, auf diese Weise[48] zu veröffentlichen, verzehrte eine auf unerklärliche Weise ausgebrochene, kleine Feuersbrunst diesen Schrank ganz allein, ohne sonstiges Eigenthum Kalcher's wesentlich zu beschädigen. Carl Maria versetzte die Nachricht hiervon in tief nachdenkliche Stimmung, aus welcher der vierzehnjährige Knabe mit der Ueberzeugung hervorging, daß dieß ein Fingerzeig der sein Leben lenkenden Macht sei, der darauf deute, daß er der Musik ganz entsagen und sein ganzes Streben der neu erfundenen Vervielfältigungskunst widmen solle. Diese Ansicht sprach er gegen Kalcher und Valesi, zu deren Leidwesen, bestimmt aus.

Als nun zu gleicher Zeit es bemerklich zu werden anfing, daß Sennefelder auf die Bestrebungen der Weber's eifersüchtig wurde und nicht allein seinen Umgang mit ihnen sehr beschränkte, sondern ihnen auch die Ausführung ihrer verbesserten Presse auf alle Weise erschwerte, so legte Carl Maria seinem Vater durchaus keine Hindernisse in den Weg, als dieser beschloß, zur Ausführung ihrer Pläne, in eine andere Stadt überzusiedeln.

Dieses Vorhaben wurde durch den Tod der jüngsten, kaum ein und ein halb Jahr alten Tochter Franz Anton's, der 1797 zu Hildburghausen gebornen Marie Antoinette, beschleunigt, die am 29. Dec. 1798 starb. Dieß veranlaßte auch Franz Anton's Schwester, Adelheid, die bis dahin ihr Loos, um des Kindes willen, an das seinige geknüpft hatte, ihm zu erklären, daß sie in München bleiben und ihn auf seinen ferneren Zügen nicht mehr folgen werde.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 48-49.
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