Franz Danzi

[41] Die kleinen Fugen wurden von Rochlitz, dem sie ohne Zweifel von Franz Anton übersendet worden waren und der damals als Musikkritiker im hohen Ansehen stand, im Jahrgang I seiner allgemeinen Musikzeitung pag. 32 sehr günstig besprochen. Der Vater war es, der zuerst den Unterricht bei Michel Haydn für nicht mehr seinen Zwecken entsprechend fand. Ganz im dramatischen Leben aufgehend, Kunst und Welt fast immer nur in ihren Beziehungen zur Bühne anschauend, lag dem alten Herrn daran, so bald irgend möglich ein Product[41] der Feder seines Sohnes auf den Brettern zu sehen. Dahin leitete aber die Schule Michel Haydn's nicht. Als daher die immer näher rückende Brandung des tobenden Kriegsmeeres die theatralische Unternehmung in Salzburg immer unhaltbarer machte, trat er die Leitung derselben ab und zog mit seiner ganzen Familie zu Ende des Jahres 1798 nach München, diesmal wie es scheint, lediglich in der Absicht, dem aufblühenden Talente des Sohnes die Leitung zu verschaffen, die ihm, seinen Tendenzen nach, die zweckmäßigste scheinen mußte und die es glücklicher Weise auch war, nämlich die, welche des Knaben angelebte, dramatische Anschauungsweise auf musikalisch dramatische Production hinweisen sollte. München hatte vor nicht langer Zeit eine Glanzperiode des dramatisch musikalischen Lebens, die zugleich ein Entwickelungsstadium der aufblühenden deutschen Oper überhaupt bildete, gehabt, als Carl Theodor von der Pfalz, nachdem er 1778 Baiern geerbt hatte, seine vortreffliche Mannheimer Capelle mit Vogler's und Peter Winter's großen Namen und Talent an der Spitze und mit der Marchand'schen Operntruppe nach München kommen ließ und befahl, »daß fortan an seinem Hofe kein ausländischer Spektakel mehr sein solle«, auch mit der Aufführung der Holzbauer'schen pp. Opern den Anfang damit machte, das »große deutsche Singspiel« auf seiner Hofbühne einzubürgern. Der Baiern nicht liebende, aber kunstsinnige Fürst hatte, gezwungen in München seine Residenz zu nehmen, seinen Hofhalt dort, nach seinem üppigen Sinne, mit allem Glanz, den Theater, Musik und bildende Künste geben können, gefüllt, bis 1795 seine zweite Ehe mit Marie Leopoldine von Oesterreich, der Donner der Kanonen Jourdan's und Moreau's, die schmähliche Flucht nach Sachsen und alle die Jammerdependenzen des sieglosen Kriegs gegen die Armee der Revolution, aus dem heitern Lebemanne einen finstern Frömmling gemacht hatten, der, ohnmächtig gegen die Waffen der Umwälzung, den Ideen derselben einen feig tyrannischen Krieg in seinen Staaten geschworen hatte. Unter dem widrigen Regimente des Pater Frank und des eben so grausamen als schurkischen Geheimrath Lippert, war an kein heitres Blühen des Geistes, welches das Leben der Kunst bedingt, zu denken und Musik und Wohllaut vertrug sich nicht mit dem[42] Rollen des gespenstischen »Einspänners« und dem Weheruf der Gequälten in der »gelben Kammer«. Aber die Talente, welche die goldene Münchener Kunstzeit nach dieser Stadt gezogen hatte, waren da, das Theater bestand sogar mit einem gewissen Glanze fort. Anna Cannabich und Elise Lenz, Lessen, Tochtermann und Muck sangen und von seinem alten Ruhme hatte das Orchester wenig verloren, in dessen Dirigentenstuhl Salieri's Schüler, Peter Winter, der Schöpfer des »Unterbrochenen Opferfestes« und »Maria von Montalban«, saß, ein Künstler, der eben so stolz, schroff und hochfahrend, als sein weniger berühmter College, Franz Danzi, voll Gemüth, liebenswerth und bescheiden war. Diese Männer, die beide, im entgegengesetzten Sinne, in spätern Jahren großen Einfluß auf Weber's Entwickelung und Schicksal übten, kontrastirten, wie im Innern, so auch im Aeußern, scharf mit einander. Winter athletisch, von majestätischer Erscheinung, Danzi klein, dick und anspruchslos. Letzterer, der Bruder der berühmten Sängerin Lebrun, war 1796 Capellmeister in München geworden, wo seine harmlosen Opern: »der Kuß«, »der Quasimann«, »Mitternachtsstunde«, freundlich auf die dunkle Stimmung des Publikums wirkten.

Beide Männer meinten es gut mit der Kunst und hatten Autorität genug, ihr Banner hoch zu halten.

Es waren aber diese beiden Choragen nicht unmittelbar und eigentlich, um derentwillen Franz Anton seinen Sohn nach München brachte, sondern ihn lockte ein wunderlicher Heiliger und ein alternder Sänger dahin.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 41-43.
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