Joseph Grätz

[43] Der erstere war Joseph Grätz, ein Mann, der viel versucht, viel gesehn und dann, im kleinen Kreise, viel getroffen hatte. Chorknabe, Student der Jurisprudenz, Physiker, Organist, Rechtspraktikant hinter einander, war er aus diesem polychromen Lebensbilde durch eine jener wunderbaren Verkettungen der Umstände, die den Ruf machen und vernichten, als ein berühmter Musiktheoretiker und Claviermeister hervorgegangen, dessen Name weit über die Grenzen Baierns hinausklang. An diesen Mann, Bertoni's in Venedig und Michael Haydn's Schüler, hatte letzterer, der seine eminenten Kenntnisse und sein Unterrichtstalent[43] zu würdigen wußte, Franz Anton empfohlen, damit der dem alten Meister liebgewordene Knabe, den Unterricht des seltenen Mannes genösse.

Joseph Grätz war damals 38 Jahre alt, sehr aufgeweckter Lebemann und Claviermeister des Hofs, überdieß vielgesuchter Lehrer aller jener, die seinen theuern Unterricht bezahlen konnten. Auf hohe Preise und prompte Honorirung hielt der vielbrauchende Künstler streng.

Mag es nun sein, daß die Erscheinung Franz Anton's, dessen Glücksumstände sich immer mißlicher gestalteten, ihm Zweifel in dieser Beziehung eingeflößt hatten. oder war er, wie ebenfalls glaubhaft, in der That überhäuft mit Geschäften, kurz, er wies die Bitte, dem Knaben Carl Maria Unterricht zu geben, kurz und bestimmt von der Hand und verstand sich schließlich nur dazu, einen seiner Schüler, Johann Nepomuk Kalcher zu veranlassen, diesen Unterricht zu übernehmen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 43-44.
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