Salzburg 1797

[32] Leider sollte der Knabe diesen ihm so zusagenden, von einem geliebten und ihm an Alter nicht zu fern stehenden Lehrer ertheilten Unterricht, nebst all dem Vortheil, den ihm der Verkehr mit Gespielen aus angesehenen und gebildeten Familien zu Hildburghausen bot, unter denen die des Diakon Pistorius, des Buchhalters Frühwirth, des Jägereiverwalters Leiner und des Capellmeisters Gleichmann zu nennen sind, nicht lange genießen. Franz Anton's Theatergesellschaft war indeß, wie es scheint, nach Salzburg gekommen; gewiß ist, daß er mit dem Rathe daselbst in Betreff der Uebernahme der Theatervorstellungen während des Winters 1797 zu 1798 verhandelte. Diese Verhandlungen scheinen auch zu Resultaten geführt zu haben, denn[32] schon im Sommer 1797 hielt ihn nur die Schwangerschaft seiner Gattin Genofeva ab, dahin überzusiedeln. Als diese mit einem Töchterchen niedergekommen war, der Franz Anton, charakteristisch genug, nicht weniger als zehn Namen, nämlich: Maria, Antonia, Adelheid, Felicitas, Luise, Philippine, Johanna, Walburge, Josephe, Joachima beilegen ließ, und eine lange Genesungszeit verflossen war, zog Franz Anton im Herbst des Jahres 1797 zur Uebernahme des Theaters nach Salzburg, von wo aus sich dann die Gesellschaft durch Baiern nach Baden und der Pfalz wenden wollte. Bis zu dieser Zeit waren die gewaltigen Orkane im Völkerleben, die von Westen herantobten, kaum durch ihr fernes Brausen auf dem Lebenswege Franz Anton's und seiner Familie vernehmlich gewesen. Jetzt begannen sie hie und da durch seine Plane hinzufegen. Die unerhörten Erfolge der republikanischen Waffen hatten die Fürsten Westdeutschlands in die bangste Spannung versetzt. Moreau hatte vor München gestanden, der Friede zu Campo-Formio kaum die Fortschritte des unüberwindlichen Bonaparte, denen mit Waffengewalt kein Ziel zu setzen war, gehemmt, die Karte Europa's hatte andere Gesichtszüge angenommen und instinktiv fühlten die Völker das Heranziehen noch schwererer Gewitter, das Nahen noch durchgreifenderer Umgestaltungen. Es giebt keine Zeiten, die schwerer auf dem Kunstleben der Welt lasten, als die vor großen politischen Umwälzungen, deren elektrische Spannung bewußt und unbewußt die Gemüther füllt. Alle Gefahren erscheinen im Voraus gewaltiger, als wenn sie da sind, und dasselbe Volk, das an die Nachrichten von Kampf, Umsturz, Niederlage, Sieg einmal im Kriege gewöhnt, in unmittelbarer Nähe der Schlachtfelder auf Bällen tanzt und im Theater lacht, brütet ohne Theilnahme für Lebensgenuß und Kunst über seinen Sorgen, ehe der erste Kanonenschuß gedonnert hat.

In diese ermattende Siroccolust vor dem großen europäischen Kampfe fiel die neue theatralische Unternehmung Franz Anton's und dieser, der sich bald durch dieselbe allenthalben gelähmt sah, beschloß das Wetter, das er bald vorübergehend meinte, in Salzburg auszudauern.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 32-33.
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