Unterricht in den bildenden Künsten

[28] Als die Musik aus der Seele des Knaben nicht so schnell und so leuchtende Funken schlug, als Franz Anton es wünschte, wurden ihm daher Lehrer im Zeichnen, in der Malerei, ja sogar der Kupferstecherei gehalten, wozu sich in Nürnberg vielfach Gelegenheit bot, da diese Perle unter den alten Kunststädten Deutschlands immer eine Anzahl namhafter Künstler bewohnten. Wer diese Lehrer waren, ist nicht mehr zu ermitteln gewesen, doch geht es aus kleinen, im Besitz der Familie befindlichen Arbeiten aus jener Periode hervor, daß Carl Maria sich zwar nicht ohne Geschick zu der Technik der bildenden Künste anließ, es aber auch in keiner derselben zu einem so nennenswerthen Grade von Fertigkeit brachte, daß sich auf das Vorhandensein eines wirklichen Talentes mit Sicherheit hätte schließen lassen.

Es ist übrigens kaum zu bezweifeln, daß unter dem alleinigen Einflusse der Form des Unterrichts, den Carl Maria unter den Auspicien Franz Anton's und seines ältern Bruders Fridolin genoß, jede, auch die bedeutsamste Begabung, den Charakter einer ängstlich im Treibhause zur Blüthe gebrachten Pflanze bekommen und die totale Kunstentwickelung des Mannes für immer etwas Dilettantisches und Ueberhastetes behalten haben würde, da in ersterem der heftige Trieb, Kundgebungen des Genie's bei seinem Zöglinge zu sehen, und eine unrichtige und dilettantische Ansicht von den eigenen Hilfsmitteln des Talentes, ihn etwas leichtfertig in Bezug auf die Tüchtigkeit des Werkzeuges denken ließ, das er dem Jünger zum Formen seiner Ideen in die Hand zu geben[28] hatte. Das Handwerk der Kunst, das Aneignen der trocknen Fertigkeit der geistigen und körperlichen Hand, das Lernen der Vocabeln der Sprache der Kunst, das bis zur unbewußten Ausübung gesteigerte Können, die alltägliche Verrichtung im Kunstschaffen, das dem Gehen, Stehen, Essen und Trinken des Lebens gleicht, ohne das auch dem größten Talente die Darlebung seiner Conceptionen unmöglich ist, und das sich nur unter dem dauernden und ernsten Drucke des Daches der Schulstube, im Schweiße der Stirne und unter dem ernsten Blicke unerbittlicher Meister erlernt, auf dessen schwer erworbnen Besitz die großen Lichter in Kunst und Wissenschaft aller Zeiten oft größern Werth als auf ihr Talent legten, und dessen unbedingte Erforderlichkeit die neue Musikrichtung so vornehm anzweifelt, erschien Franz Anton, der selbst Autodidakt war, bei weitem nicht gewichtig genug, um dem gemäß seinen Erziehungsplan zu regeln. Der Knabe, der noch an der Harmonielehre buchstabirte, sollte componiren, er malte in Oel und Pastell und radirte in Kupfer, ehe er den Bleistift anspruchslos und sicher auf dem Papier handhaben konnte.

Carl Maria hatte, obwohl ein gutes Geschick, immerhin zeitig genug, ernstere und bewußtere Geister lehrend in sein Leben führte, dennoch mit den Folgen der Erziehungstendenzen seines Vaters bis in eine Lebensperiode zu kämpfen, wo es nur einem so starken Willen, wie dem seinen, gelingen konnte, die eigene fruchtschwellende Jünglingsseele, die schon Ernte zu tragen versprach, mit frischem Entschlusse noch einmal umzupflügen und mit dem zu besäen, was in dem Knabengeiste zu pflanzen versäumt worden war.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 28-29.
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