Luftfahrt der Mad. Blanchard

[216] Das Orchester und das Personal des Frankfurter Theaters zeigten von Weber's liebenswürdigem, kenntnißreichen und doch so bescheidenem Wesen, eingenommen, den wahrhaftesten Eifer ihm zu dienen, und sein Werk würdig ins Leben zu führen, er selbst vergaß keine Pflicht der Höflichkeit, sich die maßgebenden Persönlichkeiten geneigt zu machen, die Primadonna, Madame Schönberger, welche die Mechthilde sang, zeigte sich ihm sehr gewogen, die mitwirkenden Kräfte waren gut, die Einstudirung genügend und Alles hätte ein vollkommenes Gelingen in Aussicht gestellt, wenn nicht eine dunkle Wolke am Hoffnungshimmel Weber's geschwebt hätte. Diese Wolke war nichts anderes als der Ballon der Madame Blanchard! Luftfahrten waren damals noch etwas außerordentlich seltenes und absorbirten in Städten, wo sie stattfanden, die öffentliche Aufmerksamkeit mehr als die Aufführung der besten Oper des berühmtesten Componisten, wie viel mehr mußte ein junger Anfänger mit seinem Erstlingswerke von dem Ungeheuer eines Luftballons fürchten![216]

Weber's böser Stern waltete! Die Luftfahrt der Madame Blanchard wurde für Sonntag den 17. September, dem Tage der Aufführung der »Sylvana« angekündigt. Das Volk kam in Bewegung, der Name der hochgestiegenen, dicken, berühmten Frau war in aller Munde, man drängte sich nach den Billets zu den Räumen, in denen die Füllung des Ballons geschah, die Aufregung war allgemein, die Anfangsstunde der Oper mußte verlegt werden und von der öffentlichen Aufmerksamkeit blieb nur ein kleiner, kühler Theil für die arme »Sylvana« und den armen Weber, dessen Name ganz von dem der Madame Blanchard übertönt war, übrig.

Was half es Weber, in Hinsicht auf den öffentlichen Erfolg, daß alle seine Freunde aus Mannheim, Heidelberg und Darmstadt zur Aufführung seiner Oper herüberkamen, daß Vogler, Meyerbeer, Hoffmann, Hertlings, Roek, die ersten im Theater waren und die Meinung leiteten. Die Aufmerksamkeit des Publikums war getheilt, die Darstellenden selbst nicht recht bei der Sache, die Oper ging wesentlich unsicherer als in der Generalprobe und die Arie Rudolphs, Mechthildes und Adelheids, also die drei Glanzpunkte des ganzen Werkes, blieben, wegen des späten Anfangs der Vorstellung weg, das über dem Auditorium schwebende Geräusch ließ viele Feinheiten verloren gehen, u.s.w.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 216-217.
Lizenz:
Kategorien: