Statuten des »Harmonischen Vereins«.

[228] Die so häufig einseitigen Partheischen Beurtheilungen von Kunstwerken, von Verlegern gedungene Lobpreiser ihres Verlages und die Schwierigkeit dem wahrhaft Guten auch ohne großen Namen, in der Welt Plaz und Würdigung zu verschaffen, bewogen C. M. von W., Joh. G. M.-Beer, Gottfried W. und Alexander v. Dusch einen Verein zu knüpfen, der zum Besten der Kunst sich gegenseitig thätig unterstützend, handeln und wirken könnte. Gleich großer Eifer für die Kunst, gleiche Ansichten derselben, die Nothwendigkeit besonders den Aesthetischen Theil derselben mehr zu pflegen, waren die Hauptgründe des Vereines. –[228]

Das Schicksal erlaubte nicht, daß alle Theilnehmer an einem Orte vereint wirken könnten und deßwegen hielt man es für nothwendig eine Norm zu zweckmäßigen Gang des Ganzen zu entwerfen und festzusetzen.

Die wahre untadelhafte Ansicht des Vereins ist bei jedem Gliede vorauszusetzen und da manche schiefe Ansicht und Deutung möglich wäre und auch manches Hinderniß nur durch Beharrlichkeit zu überwinden sein wird, so wählte man zum Wahlspruch: Beharrlichkeit führt zum Ziel. Mit Recht glaubte sich der Verein, den Harmonischen Verein nennen zu dürfen, weil hier Alles von Einem Eifer, Einer Ansicht beseelt, und in dem Entferntesten Eines ist.

§. 1. Die strengste Verschwiegenheit über die Existenz des Vereines ist eine Pflicht die aus der Natur der Sache entspringt. Alle Wirckungen desselben würden aufhören, wenn er bekannt wäre, denn schwerlich würde das Publikum einem solchem Vereine Unpartheilichkeit und Wahrheit zu trauen.

§. 2. Die Leitung des Ganzen wurde C. M. v. W. als Dirigens übertragen.

§. 3. Zum fixen Central Punkt ist Mannheim bestimmt, wo Gotts. W. als Sekretär des Vereins das Archiv bewahrt, die Casse hat, ein Buch über Einnahme und Ausgaben führen wird, und die einkommenden Aufsätze und überhaupt alle Aktenstücke so ordnet und verzeichnet, daß der Gang der Arbeiten genau übersehen werden könne.

§. 4. Alle Schreiben an den Dirigens werden offen unter der Adresse H. Licentiat Weber in Mannheim eingeschickt, welcher in steter Berührung mit dem Dirigens sie ihm am schnellsten zusenden wird.

§. 5. Da auf jeden Fall bedeutende Porto Auslagen etc. vorfallen werden so wird hierzu später ein fixer Beitrag bestimmt.

§. 6. Eigentlich constuirende Mitglieder können nur die seyn, die Componisten und Schriftsteller zugleich sind, besonders aber auch in Hinsicht ihres Karakters den wahren Gebrauch des Vereines nicht verunedeln.[229]

§. 7. Außer diesen sollen auch noch litterärische Brüder aufgenommen werden, nämlich solche, welche ohne Componisten zu seyn, Musikkenntniß mit schriftstellerischen Talent verbinden und durch ihre Gedichte und andere litt. Arbeiten der Tonkunst nützlich sein können. Sie genießen durchaus gleiche Rechte und Antheile wie die übrigen Brüder.

§. 8. In der Wahl neuer Brüder muß man die größte Vorsicht beobachten, daher kann kein Mitglied aufgenommen werden für das der Vorschlagende sich nicht aufs strengste verbürgt und

§. 9. indem er ihn dem Dirigens vorschlägt eine genaue Auseinandersetzung seiner Kunst und Lebensansichten einsendet, welche der D. den andern B. zur Beurtheilung mittheilt.

§. 10. Daß eher der Anzunehmende nichts von der Existenz des Vereins erfahre, versteht sich von selbst, hierdurch werden Mißbräuche verhindert, keineswegs aber Talentvolle Menschen von den heilbringend. Arbeiten des Vereines ausgeschlossen.

§. 11. Jeder Bruder muß sich einen Nahmen wählen den er unter seine Rezensionen etc. setzt wenn er nicht seinen eigenen unterzeichnet, hierdurch wird möglichen Collisionen vorgebeugt da jeder Bruder sogleich die Arbeiten des Andern erkennt.

§. 12. Sollte ein Bruder es nöthig finden sich zur Unterschrift mehrerer Nahmen zu bedienen oder einen neuen wählen, so soll er es sogleich dem Central-Büreau anzeigen, welches dies den andern Mitglieder eröffnet.

§. 13. Zwey Monate nach der Aufnahme (resp. 2 Monate nach Abschließung des Vereins, ist jeder Bruder verpflichtet, seine Biographie, worin hauptsächlich seine Kunstbildung entwickelt ist, dem Archiv einzusenden, und am Ende eines jeden Jahres die Fortsetzung pünktlich zu liefern. Der Central-Sekretär wird die säumigen Mitglieder daran zu mahnen haben.

§. 14. Der Hauptzweck des Vereins, und folglich die Hauptpflicht eines jeden Bruders ist das Gute zu erheben und hervorzuziehen, wo er es immer finden mag, und besonders ist hier auf junge angehende Talente Rücksicht zu nehmen.[230]

§. 15. Hingegen, da die Welt mit so viel schlechten Produckten überschwemmt wird, die oft nur durch Autoritäten und elende Rezensionen gehoben werden, so ist es ebenso Pflicht, dies aufzudecken und davor zu warnen wo man es findet, doch hoffen wir daß dabei auch aller gewöhnlicher Rezensenten Ton vermieden werde.

§. 16. Nächst diesem ist Verbreitung und Würdigung der Arbeiten der Brüder eine angenehme Pflicht.

§. 17. Jedes Werck das aus der Feder eines Bruders fließt muß dem Dirigenten unvorzüglich bei seiner öffentlichen Erscheinung von dem Verfaßer angezeigt werden wobei er die individuellen Ansichten seiner Arbeiten bemerkt, der Dirigens überträgt dessen Rezension in einem bestimmten Blatte einem andern Bruder und zeigt es dem Verfaßer an.

§. 18. Von jeder Rezension, Aufl. etc. schickt der Verfaßer derselben eine eng geschriebene Abschrift in 8° Format an das Archiv woraus die Wirckung und das Fortschreiten des Archivs zu sehen jedem Mitgliede belehrend willkommen sein wird.

§. 19. Partheilichkeit muß aufs strengste vermieden werden, daher das zu Tadelnde in der Rezension nicht übergangen werden darf: aber wenigstens mit Bescheidenheit gesagt und nicht im beißenden hämischen Tone unserer Zeit-Rezensenten gethan werden muß.

§. 20. Sollte aber, welcher Fall nicht wohl denkbar ist, ein Bruder etwas wirklich schlechtes geliefert haben so soll ihm der Dirigens dieses offen sagen und ihn zur Zurücknahme der Arbeit bewegen. Hat der Verfaßer Einwendungen gegen das Urtheil des Dirigens, so holt dießer ein weiteres Gutachten von zweien Brüdern ein. Wenn alsdann einer von dießen zweien, mit dem Urtheil des Dirigens einverstanden, den Verfaßer zur Zurücknahme des Werckes räth, dießer aber sich dazu dennoch nicht entschließt, so soll alsdann gegen ihn nach §. 15 verfahren werden.

§. 21. Obwohl die Tendenz des Vereins in gar keiner Hinsicht auf irgend eine politische Existenz Einfluß haben soll, so ist es doch vorauszusetzen das jeder Bruder, wo er den Andern[231] findet, demselben mit allen Kräften dient und dadurch sich über den so häufigen erbärmlichen Künstlerneid erhaben zeigt.


Central-Archiv den 30. 9br. 1810.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 228-232.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Flegeljahre. Eine Biographie

Flegeljahre. Eine Biographie

Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.

386 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon