Carol. Brandt's Leben

[425] Ein Kind der Bühne, Tochter des Tenoristen und Concertgeigers Brandt in der Kurfürstl. Kölnischen Capelle, zu Bonn im Jahre 1794 geboren, hatte Caroline schon als 8jähriges Mädchen als »kleine Salome« im Donauweibchen die Bretter betreten und eigentlich, von da ab, nicht aufgehört, das Publikum zu bezaubern. In einer Erziehungsanstalt in Ballenstädt war ihre allgemeine Bildung während ihres 11. bis 13. Lebensjahres nur nothdürftig nachgeholt worden. Das liebenswürdige, aufblühende, geistvolle Mädchen war dort durch ihre Spielgenossinnen in den höchsten Kreisen eingeführt und gern gesehen gewesen, und ihre Talente, ihre schnelle Fassungsgabe, die Behendigkeit ihrer Geistesfunktionen ersetzte ihr damals schon den Mangel systematischer und sorgsamer Erziehung, wie sie denselben auch später an der gereiften Frau nicht zum Vorschein kommen ließen. Nur in einer Hinsicht ging der Mangel echt weiblicher, mütterlicher Leitung und strenger Schulordnung wie ein Schatten, der oft verdunkelnd auf ihre und ihrer Umgebung Glück und Ruhe fiel, durch ihr Leben. Die Heftigkeit der Wallungen ihres genialischen Temperaments war ungebrochen, durch Disciplin der Selbstbeherrschung und christlicher Milde[425] ungemildert geblieben und erhielt lediglich in der Güte ihres Herzens ein Gegengewicht, das, wenn der Sturm vorübergebraust war, dann freilich so schwer auf ihrer weichen Seele lag, daß sie Blut und Leben aufzubieten geneigt war, durch jene Wallungen Verletztes und Verdorbenes zu heilen und zu verbessern. Die Noth der Aeltern rief sie, nachdem der Vater nach Auflösung der Kurcölnischen Capelle seine Stellung verloren hatte und nur wechselnd Stellungen bei verschiedenen Bühnen finden konnte, mit ihrem ältern, ebenfalls sehr talentbegabten Bruder, Louis, wieder zur Bühne. Sie durchzogen mit ihren Aeltern, oft mit Noth und Sorge kämpfend, gewöhnlich unter dem Namen: »das interessante Geschwisterpaar Brandt« annoncirt, Deutschland und die Schweiz, und Caroline erhielt in München, als ganz junge Schauspielerin, die Eindrücke der eminenten Leistungen der Frau Renner, die ein so volltönendes Echo in ihrer Seele fanden, daß sie sich ganz nach dem Muster dieser großen Künstlerin bildete. In dieser gereiftern Form trat sie 1810 vor das Frankfurter Publikum und gewann dasselbe ganz für sich. Hier war es auch, wie oben erwähnt, wo sie in Weber's »Sylvana« die Titelrolle spielte, ihm vortheilhaft bekannt wurde und von wo aus er sie, und mit ihr »süße Qual und bittere Luft«, die aber doch endlich das Glück seines Lebens wurden, nach Prag berief.

Caroline war klein und voll von Gestalt, mit schönen ausdrucksvollen, grauen Augen, cendreblondem Haar, lebhaft in ihren Bewegungen, die von außerordentlicher Grazie und Schnellkraft waren.

Mit ungemeinem Feinblicke für die Eindrücke der dramatischen Erscheinung auf das Publikum, fast untrüglichem Instinkte für das Wirksame auf der Bühne, großem Takt- und Schönheitsgefühl begabt, welche Eigenschaften alle, durch eine zur höchsten Geläufigkeit gesteigerte Kenntniß des Bühnenwesens, die größte praktische Verwerthbarkeit erhielten, war sie für den ausübenden Künstler eine weitaus nutzbarere Beratherin bei seinen Arbeiten, als sämmtliche Professoren der Aesthetik zusammengenommen. Weber erkannte dieß sehr bald und räumte ihr seiner Zeit einen Einfluß auf seine Schöpfungen ein, der von hoher Bedeutung für deren Wirksamkeit und packende Kraft geworden ist.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 425-426.
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