Congreß in Prag

[415] Prag nahm während dem eine ganz neue Physiognomie durch den Zusammenstrom von Flüchtigen vor dem Kriegsgetümmel in Sachsen und Preußen und von größtentheils bedeutsamen und hochgestellten Individualitäten an, die sich hier, theils dem, die mittlern und nördlichen Provinzen Deutschlands beängstigenden Kriegsdrange, entziehen, theils den Gang der Ereignisse in der Nähe beobachten wollten, theils in näherer oder entfernterer Beziehung zu dem Friedenscongresse standen, zu dem ein Versuch in Prag gemacht wurde. Der Kaiser von Oesterreich bezog das nahegelegene Brandeis, und auch der Sächsische Hof wanderte von der Donau her ein, lebte aber eingezogen auf der Burg. Die sonst in ihrem öffentlichen Leben so ruhige, etwas stagnirende Stadt wurde der, von Equipagen dröhnende, von Bällen, Diners, Visiten brausende, von Uniformen, Toiletten, Ordenssternen, unschädlichen Degen und schädlichen Federn wimmelnde Tummelplatz der Staatsmänner, Diplomaten, Literaten, Künstler, und ihrer Schmarotzer, der Fokus aller Hoffnungen, Befürchtungen und Conjecturen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 415.
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