Giacomo Liverati

[411] Wenn ihm aber Salieri's ethischer Mensch antipathisch war, so erregte seines Vorgängers im Prager Amte, Giacomo Liverati's musikalische Natur, bei Anhörung jedes seiner lärmenden Werke, seinen musikalisch-sittlichen Zorn. »Posaunist von Fach, oder Stiefelputzer bei Spontini muß der Kerl gewesen sein«, ruft er nach dem Anhören von dessen biblischer Oper: »David und Goliath«, aus, als deren dröhnender Blechlärm dennoch dem Publikum Beifall abzwang!

Er schreibt über sein Wiener Leben und einige der Kunstgrößen, mit denen er da zusammenkam, an Gänsbacher:[411]


»Wien den 16. April 1813.


– – Du bist begierig auf mein Tagebuch? ach das fällt sehr mager aus und will ich Dir in 3 Worten beynah sagen wie's einen Tag wie den andern geht. von 7 bis 11 Uhr geht es bei mir wie in einem Taubenschlage, aus und ein, dann fange ich an Visiten zu machen bis 2 Uhr, dann gehts zu Tisch bis 4 Uhr, dann wieder Visiten, und dann ins Theater und Gesellschaft, oder nach Hause und geschrieben. ich finde beinah alles unter meiner Erwartung, die großen Lichter werden so klein, wenn man sie in der Nähe sieht. Moscheles, Hummel, v. Krufft etc. sind alles nur Sterne von braver aber gewöhnlicher Größe. Gesehen und gehört habe ich bis jetzt: d. 4: Mayseders Concert; sehr brav, läßt aber kalt. d. 6. Titus, die Harlas den Sextus wie gewöhnlich trefflich. d. 8: ›David und Goliath‹ neue Oper von Liverati, ein Stiefelpuzzer Spontinis und gebohrner Posaunist. der 1. Act ziemlich gut, d. 2. höchst ledern, übrigens sehr gehalten. d. 9. Papa's Orgelconcert, wobei Beer und ich registrirt. viel göttliches und manches was hätte wegbleiben können. 300 zahlende Zuhörer, der Beyfall – so – so, – Er wird noch einige geben, ist übrigens noch ganz der Alte, und Hr. Hiemer auch. d. 10. sprach ich Palffy der mich ungemein artig aufnahm und den ich versprechen mußte, alles was ich für das Theater schriebe ihm zuerst zu schikken. d. 12: die Jahreszeiten im Kärnthner Thor mit 200 Musikern, doch ohne großen Effeckt gegangen. d. 13. Bärmanns Geburtstag, wo dein oft gedacht wurde. Beer und ich überraschten ihn jeder mit seinem Quintett. und wir speisten in Schönbrunn. Abends Clements Concertin der Leopoldstadt. voll und er spielte sehr brav. alte Schule, aber exact. – – etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 411-412.
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