Leidenschaft Weber's für Therese Brunetti

[419] Während der Proben zu den genannten Opern trat Weber Therese Bennetti, die es liebte, die Opernproben zu besuchen, näher und eine heiße Leidenschaft für diese schöne und verlockende Frau schlug dem jungen Meister über dem, sonst so klaren Haupte, zusammen, die weder die Wucht der Arbeit, noch die kalte Fluth der profansten Geschäfte zu löschen im Stande war, die er, trotz aller aufgewandten Mühe, nicht verbergen konnte, ihm den Spott und das Kopfschütteln seiner Freunde zuzog, ihn in tausend verdrießliche Situationen verwickelte, die schönsten Schätze seines reichen Herzens plünderte und weder zur Hebung seiner moralischen Kraft diente, noch ihn auf seiner künstlerischen Laufbahn förderte. Gern ward der neue Operndirektor von dem leichtfertigen Gatten der leichtfertigen Frau in seinem Hause aufgenommen, und diese, halb wirkliche Neigung für den, trotz seiner körperlichen Unscheinbarkeit so liebenswürdigen Mann empfindend, halb geschmeichelt von der Bevorzugung des genialen, jungen Direktors, ließ ihn, ihre Macht bald erkennend, mit seiner Kunst bald von den süßen Paradiesesfrüchten verbotener, beglückender Liebe kosten, bald schleppte sie ihn durch die Fegefeuer des Zweifels und die Höllen der Eifersucht hindurch, ihn fest an der weichen Hand haltend, bis eine höhere Neigung die unwürdigen Bande löste. Es bedurfte des ganzen gewaltigen Grundes von Weber's moralischer Elasticität und wahrem Feststehen, um von diesem Wirbelsturme der Gefühle nicht in den Abgrund gezogen zu werden.

Nichts ist rührender als der Contrast zwischen seinen beimischungslosen Liebesgefühlen und ihrem leichtsinnigen Spiele mit diesen kraftvollen Empfindungen, die ihr Herz nicht mehr beschäftigten, als die Courmachereien der Tänzer und Schauspieler, zu denen sie in »Beziehung« gestanden hatte.

Während sie durch das neue »Verhältniß« im Gange ihres freundlichen, genußjagenden Lebens Nichts ändern ließ, oft gegen seinen Willen, noch öfter ohne sein Wissen, Landpartien, Soupers und Bälle in Begleitung anderer Herren mitmachte und besuchte, belauschte er ihren Blick und ihren Athem, um ihre Wünsche zu errathen, Andeutungen zu erhalten, wodurch er ihr Freude machen, seine Liebe zeigen[420] konnte, wohnteunerträglichen Gesellschaften und Bällen, bis zum frühen Morgen hin, todtmüde, bei, um in ihrer Nähe sein, sie beobachten zu können, durchlief die Stadt in Sonnenbrand und Regen, oft das Mittagmahl zwischen seinen erdrückenden Geschäften opfernd, um ihr ein Band, einen Ring, ja sogar einen Leckerbissen zu verschaffen, nach dem sie ein Gelüst geäußert und der schwer herbeizuschaffen war. Das, was er ihr brachte, wurde nach Laune mit glühenden Liebkosungen gelohnt oder kühl hingenommen. Die Scenen, wenn er sie überführen konnte, daß sie gegen ihre heiligen Versprechen gehandelt, ihn belogen und hintergangen hatte, waren schrecklich, besonders da sie sehr geschickt meist Mittel fand, sich selbst eifersüchtig zu zeigen und so die Schuld auf seine Seite zu bringen.

Sein ganzes Fühlen und Denken jener Zeit, bei jeder Handlung, jedem Beginnen, drehte sich um die peinliche Frage: In welcher Laune wird sie es aufnehmen? –

Oft bricht er, selbst in den sonst so kärglichen Notizen seines Aus-gabe- und Einnahmebuchs, bis zur Verzweiflung gereizt und vom Unrechte des Weibes überzeugt, in heftige Schmähungen gegen sie aus, die die stärksten Ausdrücke enthalten, und zeigt sich kaum Stunden darauf selig, daß sie ihn angelächelt hat.

Das Unterjochtsein dieser starken Natur von diesem wilden Gefühle hat etwas Erschütterndes! –

So ruft er am 8. November aus:

»Fürchterliche Scene (mit Therese). Es ist wirklich ein hartes Schicksal, daß das erste Weib, das ich wahrhaft und innig liebe, mich untreu glaubt, und das ist doch bei Gott nicht wahr. Der schönste Traum ist vorüber. Vertrauen kommt nicht mehr. Calina kam dazu; peinliche Lage. Die Kette riß!«

Und am 9.:

»Zu Theresen. Unendlich schmerzliche Erklärung. Ich vergoß die ersten Thränen die mir der Schmerz abpreßte. Kopfweh und Fieber.«

Am 14.:

»Zu Theresen. Lange Spannung. endlich Versöhnung, die[421] unbegreiflich wirkte, denn uns beiden war das Unwohlsein wie weggeblasen. So mächtig wirkt der Geist auf den Körper!«

Am 23. mit der Feinheit des Liebesschmerzes beobachtet:

»Sie liebt mich nicht. denn wie wäre es sonst möglich, daß sie mit solcher Wärme von ihrer ersten Liebe sprechen könnte, daß sie jedes kleinen Umstandes beim Anfange derselben mit Entzücken erwähnt und ihre seltsamen Gefühle dabei erzählt? Bei mir war ihr das nicht so und könnte sie so schonungslos sein wenn sie mich liebte? Nein dieser Traum ist auch dahin, ich soll einmal nicht dieses Glück kennen und ewig allein stehen. Hier liebe ich zum ersten Male und dieses Weib hat Alles was mich glücklich machen könnte. Sie bildet sich auch zuweilen ein sie liebe mich, aber es ist nicht wahr. Das Bedürfniß der Mittheilung und Zutrauen zu meiner Rechtlichkeit hat sie zu mir gezogen. Sie kann stundenlang ruhig neben mir sitzen und bringt der Zufall das Gespräch auf Hans, dann ist sie Entzücken und Wonne. Ich will also wieder mich in mich selbst verschließen und sie soll wenigstens nicht sagen können daß ich sie nicht innigst liebte, alles will ich zu ihrer Freude thun, meine bittre Ueberzeugung tief in mir vergraben und – arbeiten. – –«

Am 25.:

»Nach Hause Epistel (an Therese) geschrieben und beim Liede von Gänsbacher unaufhaltsam Thränen vergossen.«

Am 26.:

»Zu Therese. Wie ich vorausgesehen. Sie war lieb und gut und Alles vergeben und vergessen.

Am 29.:

Zu Therese. Calina kam und sie mußte endlich mit ihm gehen. Ein peinlicher Tag. Kein Wort der Theilnahme von ihr. Ich begleitete sie und ging dann zurück um Resi Unterricht zu geben. Während sie vielleicht nicht an mich dachte sorgte ich für ihre Freude,«

Die hier erwähnte Resi war Therese Brunetti's, damals 12jährige Tochter, Therese. Die Brunetti hatte den Wunsch flüchtig geäußert, daß sie Musik-Unterricht erhalten möchte, da sie gute Stimme zeige. Für Weber war dieß genug, diesen Unterricht sofort heimlich[422] mit Resi zu beginnen, ihm jede Museestunde zu widmen, so daß er schon nach wenig Monaten das talentvolle Kind am Geburtsage der Mutter (23. Dec.) vor ihr spielen lassen konnte. Weber schreibt davon:

»Die ganze Nacht unruhig geschlafen. Früh aufgestanden. Hinaus. Um 9 kamen sie zum Frühstück. Resi spielte. Herzliche Freude und mein Zweck ihr Vergnügen zu machen war erreicht, wodurch ich mich sehr glücklich fühlte. Es ist nicht möglich, daß sie nicht wissen kann wie lieb ich sie habe.«

Wie rein, wie edel, wie mit dem Herzen und der Seele gehegt, ist diese Leidenschaft, bei aller ihrer sogenannten Illegitimität!

Bewundernswerth ist gleichzeitig die geistige Kraft Weber's, die jenen Theil seiner seelischen Funktionen, die den Geschäften angehörten, unaufhaltsam und unbeirrt durch die Stürme dieser Leidenschaft fortwirken ließ Obgleich noch sehr durch den Mangel eines weiblichen Chores behindert, den in Werken wie die, welche er vorführte, Diskant und Alt singende Knaben nur schlecht ersetzen konnten, brachte Weber doch die, erst von ihm in Prag aufgeführte Oper Spontini's: »Cortez«, die Liebich mit wahrhaft fürstlicher Munifizenz ausgestattet hatte, am 9. Sept. auf die Bühne. Der Sänger Morhardt, der männliche Chor, das Orchester, errangen selbst den lebhaften Beifall der kritischen Prager, die mit Genugthuung äußerten: »die neu organisirte Oper gereiche dem Operndirektor von Weber zur Ehre.« Liebich überschüttete ihn mit Dank und Lob. Er selbst schreibt an Gänsbacher:


»Prag 10. Sept. 1813.


– – Gestern war zum ersten Male Cortez ging vortrefflich und gefiel so, wie etwas diesen kalten Seelen gefallen kann. Das Orchester und die Chöre thaten alles Mögliche und ich war sehr zufrieden; die Ouverture wurde sehr applaudirt und auch mir geschah diese Ehre nach dem 1. Akte. etc. etc. Wie sehr fehltest Du mir gestern, da hätte ich doch eine Seele gehabt, die wahren Antheil genommen hätte und begreiffen und fühlen konnte, was geleistet wurde. Manches ging wirklich ganz trefflich. Samstag den 14. gebe ich Concert für die armen Blessirten von denen unsere ganze Stadt voll liegt. etc«[423]

»So allein wie ich jetzt stehe habe ich lange nicht gestanden. Wie Gott will! ich habe Kraft zur Ausdauer und stürze mich in einen Strudel von Arbeit der mich betäuben soll. Gesund bin ich ziemlich. Etwas angreiffend ist es immer. Nun lebe wohl liebster Bruder ein schützender Engel schwebe um Dich. etc.«


Das hier erwähnte Concert fand am genannten Tage unter Weber's Leitung statt, er spielte selbst sein Concertstück aus C dur ohne viel Beifall. Das Ganze ertrug für die Blessirten 810 Gulden.

In so rascher Folge, daß es wohl die meisten neuen Opernleitungen in neidisches Erstaunen setzen dürfte, ließ er nun Catel's: »Vornehme Wirthe« 10 Tage nach dem »Cortez« folgen, 7 Tage darauf die mit besonderer Vorliebe einstudirte, von ihm sehr hoch gehaltene, herrliche Oper Mehul's: »Jacob und seine Söhne«, wieder 7 Tage später die brillant ausgestattete »Vestalin«, 14 Tage hierauf Cherubini's schönen »Wasserträger«, 20 Tage später Cherubini's »Faniska«, 14 Tage darauf Isouard's »Lottolos«, und, da sich die öffentliche Stimme gegen die andauernde Vorführung von ausländischen Componisten erhob, am 19. Dec. Fränzel's »Carlo Fioras«. Leider wurde diese erste, unter Weber's Leitung in Prag aufgeführte Oper eines deutschen Componisten mit entschiedener Kälte auf genommen. Binnen 10 Monaten war ein neues Operninstitut von Grund aus geschaffen und 21 Akte großer, bedeutsamer Opern waren, mit durchaus neuen Kräften, in 41/2 Monat einstudirt und zu einer, dem kritischsten Publikum und dem am schwersten zu befriedigenden Dirigenten genügenden Darstellung, gebracht worden! Das war die erste Leistung von Weber's Talent als Direktor.

Es ist fraglich ob es in seiner Art kleiner war als seine musikalische Begabung.

Das Jahr sollte nicht scheiden, ohne die Persönlichkeit in seine Nähe gebracht zu haben, die von Allen, die in sein Leben treten, den am tiefsten bewegenden Einfluß auf sein Fühlen und Schaffen haben sollte. Die junge Sängerin und Schauspielerin, Caroline Brandt, kam am 11. December an, gewann, von Weber bei Direktion und Proektoren[424] eingeführt, schnell alle Herzen, und schon Ende des Jahres stand sie in den Proben auf der Bühne, die ihr zukünftiger Gatte geschaffen hatte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 419-425.
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