Reise nach Bad Liebwerda bei Friedland

[441] Wie vollständig Weber's Seele von seinen Empfindungen für Caroline erfüllt war, dafür sprechen alle seine Briefe aus Liebwerda; daß er dabei aber auch seine Sinne wach und die Augen offen hatte, vor allem ein Brief an Gänsbacher, den wir hier in der Hauptsache geben:


»Liebwerda, 15. Juli 1815.


– – Endlich – trat ich den 8. Nachts 12 Uhr meine Reise hieher an, wo ich glücklich den 10. ankam und in größter Ruhe meine Gesundheit pflegen nebenbei auch wieder für mich arbeiten will. Mit mir sind Madame Liebich und Madame Allram hergereist und der einzige Umgang, den ich habe und haben will, denn die Zeit, die mir das Baden, Brunnentrinken und spazieren gehen übrig läßt, bringe ich in meinem stillen Stübchen am Schreibtische zu. Du wirst es kaum glauben, wenn ich Dir sage, daß ich Prag mit schwerem Herzen verlassen habe. Doch wird sich auch schnell das Räthsel lösen, wenn Du hörst, daß ich ein recht liebes Wesen da zurückgelassen habe. Die – wenn sie nicht auch zu der durchtriebensten Race gehört, mich recht glücklich und froh machen könnte, denn es sieht wirklich so aus, als ob sie mich wirklich liebte. Brauchst übrigens nicht zu fürchten, daß ich deshalb blind bin und mich meine frühern Erfahrungen nicht scheu und mißtrauisch gemacht hätten, aber werde ja nun sehen wie das Wesen wird[441] und ob es Probe hält, wozu meine Abwesenheit von 3 Monat keine kleine Gelegenheit zur Probe giebt. Aber ich schwazze da in den Tag hinein und Du weißt nicht einmal von Wem. Es ist Mlle. Caroline Brandt, die ich recht herzlich lieb habe, und von der ich täglich zu Gott bitte, daß er Sie nur etwas besser als die übrigen sein lassen möchte. Was das aber für ein Fressen für Krähwinkel ist, kannst du denken. ca. 1000 Mal haben sie mich schon verheirathet, aber damit ist es Nichts. Du kennst meine Ansichten und Grundsäzze über diesen Punkt. Es ist allerdings ein hartes Loos um des Künstlers willen das Glück des Menschen opfern zu müssen. aber es ist einmal so, nur eins kann man ganz sein, und ich hasse das Halbe. – – etc.«


Von diesen Prinzipien in Bezug auf die Ehe des Künstlers bekehrte ihn die Neigung zu Carolinen, die zur Zeit des Aufenthaltes in Liebwerda offenbar schon den Charakter großer Tiefe und Kraft gehabt hat, wie aus den Briefauszügen hervorgeht, die wir geben. Der Typus, den diese Briefe tragen, ist unwandelbar derselbe in seiner Correspondenz mit Braut und Gattin geblieben und der Reflex des Lichts seiner starken Liebe auf dem unzählig wechselnden Wellenspiel von Carolinens rasch, leidenschaftlich, von jedem Windhauche, jeder Stimmung zu Eifersucht, Furcht, Muthlosigkeit, eben so wie auch zu edelster Hingebung, heißer Liebe, großem Opfermuth bewegtem Charakter.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 441-442.
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