Seelenkämpfe

[440] Es konnte Therese Brunetti nicht verborgen bleiben, daß mit Carl Maria's innerem Leben, in Bezug auf sie, sehr wesentliche Veränderungen vorgingen, und sie hätte kein Weib sein müssen, wenn sie einen Augenblick über die Individualität, die sie hervorbrachte, in Zweifel geblieben wäre und nicht einen bittern Haß auf sie geworfen hätte, ungeachtet sie selbst Weber's, den sie vielleicht keinen Augenblick geliebt hat, vollständig müde war. Vielleicht nur um Carolinen zu quälen, ließ sie daher nicht ab, Carl Maria mit allen Kräften, die ihr ihre Erfahrung und die alte Neigung in die Hand gaben, an sich zu ziehen. Bei dem hohen Reize, den diese Frau auf Weber übte, erwuchsen ihm aus alledem Seelenzerwürfnisse, die ihm den Schlaf in peinigender Weise raubten und, in Verbindung mit der ihm obliegenden Masse heterogener, zerfahrener, die Kräfte unruhig anspannender, aber dabei fast durchaus äußerlicher Geschäfte der Theaterleitung mit ihrem ganzen Detail, seine psychischen und physischen Kräfte auf's Aeußerste absorbirten.

Rechnet man hinzu, daß ihm der, für ihn so nothwendige Verkehr mit einer treuen Freundesseele abging, an den er gewöhnt war, und weder vom Publikum, noch der Geselligkeit, noch seinem Amte ihm Veranlassung zu einer künstlerisch produktiven Thätigkeit gegeben wurde, so daß er selbst eine Aufforderung, einen Marsch für die Prager Schützengarde zu schreiben, mit Freuden begrüßte; so erscheint es begreiflich, daß er des Losreißens aus diesen ungesunden, fiebrigen Verhältnissen, des Aufenthalts in waldeskräftiger, schöner Natur, und zunächst des ungestörten Umgangs mit sich selbst, dann mit anregenden, bedeutenden Menschen und endlich einem anerkennenden und fordernden Publikum bedurfte.[440]

Er beschloß daher, als die Friedensfeier mit Illumination, Festtheater etc. vorüber war, in's Bad Liebwerda bei Friedland zu gehen und dann, nach der Körperkur, die Seele durch Besuch der Freunde in Berlin, Gotha, Weimar, Leipzig aufzufrischen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 440-441.
Lizenz:
Kategorien: