Wilhelmine Schröder-Devrient

[435] Bei dieser Aufführung des »Don Juan« sang der Sänger Schröder, Gatte der großen Tragödin Sophie Schröder, die so eben für das Prager Theater gewonnen worden und mit ihm und ihren drei kleinen, reizenden Töchtern zu Anfang des Jahres dahin gekommen war, die Titelrolle ohne Beifall. Schröder sollte an des trefflichen, auch als Mensch höchst schätzenswerthen Tenoristen Morhardt Stelle, engagirt werden, genügte aber durchaus nicht. Morhardt's am 22. Febr. erfolgter Tod hatte Weber, dem er sehr werth geworden war, tief ergriffen und er hatte mit Pietät Gänsbacher's schönes Requiem zu seinem Exequiem aufgeführt. Weber verehrte das Genie Sophie Schröder's so hoch, daß er bei einer Vorstellung der »Medea« am 21. Jan., der durch plötzliches Unwohlsein des Souffleurs Unterbrechung drohte, selbst in den Souffleurkasten kroch und sich auch in dieser Branche der Bühnenpraxis vollkommen bewährte. Er sah hier zuerst die kleine Wilhelmine, die später seine »Agathe« so trefflich verkörpern sollte und schon im Mai in Ballets mitwirkte, welche die, später durch ihre Kinderballets berüchtigt gewordene Mad. Horschelt in Prag arrangirte. Die Vorliebe für »Don[435] Juan« brachte Weber übrigens Segen, denn sein Benefiz trug ihm 1200 Gulden W. W. ein. Weit weniger glücklich ging es ihm mit seiner Benefiz-Akademie, die drolliger Weise ohne den Concertgeber gegeben werden mußte. Er thut derselben in einem Briefe an Rochlitz Erwähnung, der seine, mit der wachsenden Verkühlung seines Verhältnisses zu Therese, steigende Sehnsucht nach liebevoller Häuslichkeit und seinen Lebens- und Seelenzustand schildert. Wir geben ihn daher nachstehend:


»Prag den 16. Mai 1814.


– – Sie glücklicher Mann! Ich kann mich dieses Ausrufes nicht erwehren, so oft ich einen Blick in Ihr häusliches Leben thue. Bei Ihnen wandeln selbst trübe Ereignisse sich zu glücklichen Momenten, weil sie die schöne, erhebende Ueberzeugung ewig neu gebären, so eine treffliche Lebensgefährtin an der Seite zu haben. Die Trennung Ihres Georg von seiner theuern Mutter kann vielleicht Niemand lebendiger nachfühlen als ich, in dessen Leben, eine ganz ähnliche Handlung, vielleicht die Epoche war, die auf die ganze übrige Lebenszeit mir Selbständigkeit und Muth zur Arbeit im Vertrauen auf reines Streben gab. Meine verewigte Tante, schon hoch an Jahren, dem Grabe nahe, ließ – ja trieb mich – die einzige Freude ihres Alters, von sich, weil sie einsah, daß ich nur dadurch mir selbst erhalten werden konnte. – Friede und Seegen ihrer Asche! –«

»Sie wollen einen Umriß meines Zustandes? Ich könnte ihn Ihnen als vollkommenes Gegen – nicht Seitenstück zu dem Ihrigen geben. – Früh Morgens bis 10 Uhr, als der einzigen Zeit, wo ich sicher zu treffen bin, bestürmen mich alle Wesen, die etwas mit mir zu besprechen haben; da habe ich denn keine ungestörte Viertelstunde, und bin froh wenn ich die trockenste Arbeit in den Intervallen vornehmen kann. Täglich von 10 Uhr ist Probe die bis gegen 11/2 Uhr dauert. Sie werden dies begreiflich finden, da ich ein beschränktes Personal habe, und immer einen Tag um den andern Oper ist, da alle Tage, Jahr aus, Jahr ein, gespielt wird. Dann werde ich meistens wo abgefüttert, wo man hingehen muß um nicht ganz aus der Menschen Augen zu kommen, und ihnen auch gelegentlich zu sagen,[436] was sie von diesem oder jenem zu halten haben. Dann geht es noch einen Augenblick nach Hause, um die nöthige Geschäfts Correspondenz zu besorgen, Partituren, Bücher durchzulesen, zu corrigiren und 1000 Dinge mehr, die sich täglich haufenweise einfinden und doch schwer aufzuführen wären. Dann ins Theater um die nöthigen Befehle für den folgenden Tag zu geben, Rücksprache mit dem Direktor zu nehmen etc. Ist das geschehen, und ich recht ermüdet von der Last des Tages, dann wäre der Augenblick da, wo ich so gern an Freundesbrust ruhen, und mit ihm mich des Gelungenen freuen, oder auf Verbesserung des Fehlerhaften sinnen möchte – aber da bleibt mir nichts als mein einsames Zimmer, der heftige Kopfschmerz, und das Gefühl eines unnennbaren Alleinstehens. – Soll, kann man damit arbeiten? Wäre mein Gänsbacher hier, so wäre freilich das Alles anders, aber seitdem dieser seiner hohen Vaterlandsliebe gefolgt, und bei den Tyroler Jägern ein rauhes gefahrvolles Leben, einer ruhigen angenehmen Existenz vorzog – giebt es hier keine Seele, die nur im geringsten Anklange zu der Meinigen gestimmt wäre. Der Geist des Publikums, den Sie so treffend wahr, einen matten, unruhig in's Blaue hinaus wünschenden nennen, ist so niederschlagend für den schöpfenden Künstler, daß er ganz dem entsagt, auf selbes zu wirken, und sich wieder von ihm begeistern zu lassen. Nichts erregt eigentlichen Enthusiasmus, alles kommt und geht mit Todeskälte. Der Hause fühlt nicht als Hause, weil er überhaupt keinen Gemein-Geist besitzt, keine Geselligkeit existirt, und jeder Stand, und in diesem wieder jede Familie isolirt für sich dasteht und vegetirt.«

»Daß ich Liebe genug zur Sache besitze um deshalb doch meine Pflicht als Direktor im vollsten Maaße mit Aufwand all meiner Kräfte zu thun, trauen Sie mir wohl zu, aber der Trieb zum Arbeiten, zu schaffenden Leistungen, ist so hohen Ursprungs wie die Liebe, und läßt sich eben so wenig erzwingen.«

»Gegen Ende März bekam ich den Friesel sehr heftig und daraus entstand eine komische Sache, nemlich ein Conzert ohne den Conzertgeber. Meine Akademie war auf den 4. April (einen freien Tag im Theater) festgesetzt; ich hoffte von Stunde so weit zu Stunde so weit hergestellt[437] zu seyn, und so kam es, daß es weder verschoben werden noch ich dabei sehn konnte. Ich hatte Werke einheimischer Componisten, von Wittassek, Tomascheck und Weber4 gewählt, dazu Mozart, Gluck und Vogler. Von mir natürlich nichts. Aber mein neuengagirter Patriotismus bekam mir schlecht, denn das Haus war leer. item. – – Seit einigen Tagen drückt mich auch sehr eine Nachricht nieder die ich Ihnen zugleich als Notiz, die Sie unter meinem Namen in die M. Z. setzen können, mittheile, und an der Sie gewiß Antheil nehmen. Abt Vogler ist nicht mehr. Er starb schnell den 6. Mai früh!, 1/25 Uhr in Darmstadt, und ich behalte mir vor später etwas Ausführliches über ihn und seine Werke zu schreiben. – – Das heutige Johannisfest hat auch mir das Fest verschafft mit Ihnen sprechen zu können. Es ist der erste Morgen seit langer Zeit der mein ist. – –«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 435-438.
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