Beethoven's »Fidelio«

[469] Einen ganzen Monat unausgesetzten Fleißes wandte er an das Einstudiren von Beethoven's unsterblichem Werke »Fidelio«, von dem er 14 Proben machen ließ, und mit dessen Schönheit er, je tiefer er das Werk studirte, immer begeisterter erfüllt wurde, obwohl ihm die Gesammtbehandlung des Stoffs niemals vollkommen dramatisch wirksam erschienen ist. Diese Meinung pflegte er auch in späterer Zeit, wo seine Richtung eine noch ausgeprägtere, besonders in dramatischer Beziehung, sehr abgeschlossene war, und von der Beethoven'schen allerdings gewaltig abwich, auszusprechen. Die beiden Tonmeister haben sich gegenseitig schätzen gelernt, waren zu bedeutend, um sich zu beneiden und zu befeinden, ja wurden sogar, so weit es die Heterogenität ihrer Naturen zuließ, wie wir weiter unten des Näheren sehen werden, endlich Freunde, aber sie haben es nie dahin gebracht, sich völlig verstehen zu lernen. Es bestätigt dieß Beispiel wieder das Axiom, daß, je tiefursprünglicher die Richtung eines Künstlers aus seiner Wesenheit entspringt, um so weniger kann und darf er die andern als echt gelten lassen,[469] um so weniger versteht er sie. – Der Genius ist specifisch fanatisch und wenn er sich zahm zeigt, so heuchelt er. Es giebt daher kein schlechteren Kunstkritiker, als große Künstler.

Am 21. November ging »Fidelio«, vortrefflich ausgeführt, im Scene, ließ aber die Epigonen des Publikums, das Mozart zuerst vollständig erkannt hatte, völlig kühl, so daß Weber, grimmig darüber, an Gänsbacher am 1. December schreibt:


»– – Ich habe den 26. (Novbr.) Fidelio von Beethoven gegeben, der trefflich ging. es sind wahrhaft große Sachen in der Musik, aber – sie verstehens nicht. – Man möchte des Teufels werden! Kasperle, das ist das Wahre für sie. – –«


Wir schließen den Bericht über das ereignißreiche Jahr 1814 in Weber's Leben mit einem Wohlklang, der auf das herzlichste Einvernehmen mit der geliebten Caroline, und daher auf sein Glück, deutet, indem wir einen kleinen, liebenswürdigen Vers hier folgen lassen, der das Geschenk eines silbernen Punschlöffels begleitete, welcher bis diesen Augenblick in Weber's Familie dient. Das kleine Gedicht heißt:


Ich bin ein arm Kristkindelein,

Bring nur ein kleines Löffelein;

Doch gings nach meinem Herzelein,

Müßts tausend Centner schwerer sein.

Drum nimm, geliebtes Muckerlein,

Was kommt vom Herzen, gut und Dein.


d. 24. Xbr 1814.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 469-470.
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