[450] In Berlin trat er in eine gewaltig bewegte Sphäre voll Anschauungen und Gefühle ein, die in dieser From, Größe und Allgemeinheit durchaus neu für ihn waren. Die große Volkserhebung vom Jahre 1813 hatte ihre Früchte getragen, die Nation hatte durch eignen Willen, eigne Opfer, eigne Kraft den großen Unterdrücker besiegt und stand, wie ein Löwe, ihrer Stärke bewußt, auf dem Siegesfelde. In Prag hatte man die Siege der Armee Sr. Maj. des Kaisers Franz über die Sr. Maj. des Kaisers Napoleon gefeiert, hier feierte man den Triumph des deutschen Volkes über seine Dränger, der Freiheit über das Joch, des Nationenrechts über die Eroberergewalt. Dort hatte man sich in Gala gratulirt und pflichtschuldigst illuminirt, hier loderte die Begeisterung über die große That in hellen Flammen. Vom kleinen Straßenjungen an, der, seit dem Mai 1814, in Berlin militärisch stramm einher ging, bis zu den Generalen des aus dem Volke hervorgegangenen Heeres, füllte nur ein Gefühl alle Herzen: Selbsterkämpfter Sieg, Kraft, Freiheit! –

Leben, Kunst, Wissen, Alles mußte sich auf diese Begriffe und Ideen beziehen, wenn es Gewicht in den Augen des Volkes erhalten, Aufmerksamkeit erwecken sollte.

Wer wollte noch Darstellungen der heiligen Geschichte, des Mittelalters, der süßen Freuden des Friedens sehen, wer noch Liebeslieder[450] singen oder sanfte Weisen hören? Wie hätten sich so zarte Töne in dem Gebrause von Jubel und Kriegslärm lautbar machen sollen?! Auf der Bühne wie im Leben hallte es von Waffenrasseln wieder, Schlachtbilder wurden gemalt und Kriegs-, Sieges- und Freiheitslieder componirt. An letzteren besonders konnte den ebenso musikalischen als patriotischen Berlinern kaum genug producirt werden.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 450-451.
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