Differenzen in Prag

[466] Eine Last von Unannehmlichkeiten, Mißverständnisse mit Caroline, erwartete ihn; die in seiner Abwesenheit gegebenen Opern: »Lohn der Tapferkeit« von Wojelschek, Gaveaux' »kleiner Matrose«, W. Müller's »Samson«, Mozart's »Figaro«, Boyeldieu's »Kalipso«, Paors »Camilla«, W. Müller's »Teufelsmühle«, Winter's »Opferfest«, Paor's »lustiger Schuster« zeigten sich als nachlässig einstudirt, die Disciplin des Personals gelockert und, durch Abwesenheit einer energischen Leitung, eine Menge kleiner und großer Reibereien und Differenzen entstanden, welche die Wirksamkeit seiner Thätigkeit ungemein schwächten. Er griff nun zwar, von Liebich gut unterstützt, tüchtig durch, säuberte Orchester und Personal von Störenfrieden und hatte die Genugthuung, schon am 16. Oct. Weigl's »Corsar aus Liebe« in einer Weise aufführen zu können, daß das Publikum den Unterschied in Regie und Studium mit lautem Beifall lohnte. Nichtsdestoweniger überraschte ihn sehr angenehm ein Brief des geistvollen und ihm als trefflicher Musikdilettant und geschmackreicher Sänger in Berlin bekannt gewordenen Grafen C. von Brühl, der ihm von seiner Brautreise aus München schrieb, daß er Aussicht habe, zum Intendanten am Hoftheater in Berlin ernannt zu werden und dann darauf rechne, Weber für dort zu gewinnen. So bot sich denn eine Hoffnung, das Ziel, einen Wirkungskreis in Berlin, zu erreichen und Prag mit seiner lähmenden Existenz zu verlassen.

Weber griff aber keineswegs bedingungslos zu. In einem Briefe vom 18. Oct. 1814 an Brühl, der voll Gradheit, Mann zum Manne geschrieben ist, äußert er, daß er nur kommen wolle, wenn ihm seine Stellung auch wirklich Gelegenheit biete, tüchtig für die Kunst zu wirken.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 466-467.
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