Friedrich Wieck's Lieder

[476] Man wird im II. Bande dieses Werkes sehen, welchen Werth Weber in späterer Zeit dem »Metronom« beilegte, indem er z.B. die Tempi's der »Euryanthe«, von Anfang bis zu Ende, auf's genaueste nach dem Metronom bestimmte und mehreren Bühnen, die sich wegen Aufführung dieser Oper an ihn wandten, diese Bestimmungen niedergeschrieben zusandte. Um sich in dem Wust rein geschäftlichen Theatertreibens, den Mühen des Einstudirens einer Oper nach der andern, zu dem ihn der, in Bezug auf die Reichhaltigkeit des Repertoirs unersättliche Liebich, trieb, einmal wieder ein Stück seinem Herzen wohlthuender Thätigkeit zu geben, ließ Weber, auf seines lieben Freundes des Justizcommissar Wollank zu Berlin, Wunsch, das dreiaktige vom Regierungsrath Löß gedichtete Singspiel, »die Alpenhirten«, das dieser talentvolle und musikgebildete Dilettant componirt hatte, zum Studium vornehmen. Die etwas concertmäßige Musik dieses durch und durch romantischen Singspiels hatte, bei Aufführung der Oper am 19. Februar 1811 zu Berlin, sehr angesprochen und so hoffte Weber seinem Freunde durch die Anzeige eines Erfolgs eine Freude bereiten zu können, was ihm vielleicht um so angenehmer gewesen wäre, als Bernhard Anselm Weber's Oper »die Wette«, deren Musik Weber in einem Briefe an Lichtenstein vom 19. April »breit und schwer« nennt, am 8. April total durchgefallen war. Diese Freude sollte ihm indeß nicht zu Theil werden, denn auch Wollank's Singspiel ließ das Publikum so kalt, daß Weber ihm gar nicht darüber zu schreiben wagte und sich »schwer ärgerte«. Große Freude wurde ihm dagegen durch eine Sendung bereitet, die ihm, auf speciellen Befehl des Großherzogs von Hessen, durch die Gattin des Tonkünstlers Dussek zuging und im wohlgetroffenen, lebensgroßen Brustbilde Vogler's in Kreidezeichnung bestand. Die Liebe, die Weber für diesen bedeutenden Menschen fühlte, machte ihm dieses Geschenk höchst werthvoll. Das Bild ist später, durch Ungeschicklichkeit eines Dienstboten, nach Weber's Tode zu Grunde gegangen. Einer andern, in dieser Zeit an ihn gelangenden Sendung, ist auch zu gedenken, die Wichtigkeit dadurch erhält, daß der Name des Senders später in der Musikwelt sehr bekannt geworden ist. Friedrich Wieck, der treffliche Musikmeister, Vater zweier berühmter Clavierspielerinnen[477] und Schwiegervater Robert Schumann's, sandte ihm ein Heft Lieder, nachdem er ihn durch Rochlitz hatte bitten lassen, die Dedication derselben anzunehmen. Er hatte damals an Rochlitz einen Brief geschrieben, der, neben Bemerkung über diese Dedication, des Interessanten mehr enthält und den wir daher hier in den Hauptsachen folgen lassen.


»Prag, den 14. März 1815.


– – Leyer und Schwerdt sind meine letzten Kinder, mögen Sie Ihnen auch lieb werden. Die 4 stimmigen habe ich hier im Concert mit 16 Stimmen gegeben, wo sie großen Enthusiasmus erweckten. Die 4 mit Clavierbegleitung sprechen sich selbst aus; nur wünschte ich, daß Sie in dem Gebet während der Schlacht in der Clavier-Begleitung, nicht etwa ein Schlachtgemälde sehen sollten, nein, das Mahlen liebe ich nicht, aber die wogende Empfindung in der Seele des Betenden während der Schlacht, indem er in einzeln betenden, andächtigen, langen Akzenten zu Gott mit gepreßter Seele ruft, – die wollte ich schildern. – Verzeihung, wenn ich Ihnen so etwas bemerke.«

»Die Gesänge des Herrn Wieck werden mir ein angenehmes Geschenk sein, denn ich halte es für einen schönsten Lohn, wenn mein Streben und Wirken, ein emporstrebendes Gemüth erheben und zum Guten und Schönen zu leiten im Stande ist. Ich bitte Sie, ihm im Voraus meinen besten Dank für diesen Beweis seiner Achtung zu bezeugen.«

»Ihre unermüdliche Thätigkeit für die Kunst, durch ihre Concerte, ist wirklich bewundernswerth, und mögen nur Leipzigs Bewohner es auch gehörig zu würdigen wissen. Daß ich an meiner Symphonie manches jetzt anders schreiben würde, daß weiß Gott, ich bin eigentlich mit nichts darin ganz zufrieden, als mit der Menuett und allenfalls dem Adagio – das erste Allegro ist ein toller Phantasiesatz, im Ouvertüren-Style allenfalls, in abgerissenen Sätzen und das beste konnte ausgeführter noch sein. item ich schrieb sie in meinem 16 Jahre. – –«

»Sie können sich darauf verlaßen, liebster Freund, daß Sie bald[478] nach Ostern, eine vollständige Relation über das Wichtigste, in den 2 Jahren, die ich in Prag hauße, – erhalten. ich warte nur noch das Ende der zallosen Concerte ab. Materialien habe ich liegen, und Zeit ist es, daß die Welt endlich einmal erfährt, daß Prag auch noch in der Kunstwelt lebt und zu zählen weiß!«

»Ich habe jetzt ein Clavier-Conzert in F moll im Plane, da aber die Moll-Conzerte ohne bestimmte erweckende Idee beim Publikum selten wirken, so hat sich so ganz seltsam in mir unwillkürlich dem Ganzen eine Art Geschichte untergeschoben, nach deren Faden die Stücke sich reihen und ihren Charakter erhalten, und zwar so detaillirt und gleichsam dramatisch, daß ich mich genöthigt sehen werde ihnen folgenden Titel zu geben: Allegro, Trennung; Adagio, Klage; Finale, höchster Schmerz, Trost, Wiedersehen, Jubel

»Da ich alle betitelten Tonbilder sehr haße so wird es mir höllisch sauer mich selbst an diese Idee zu gewöhnen, und doch drängt sie sich mir unwiderstehlich immer wieder auf und will mich von ihrer Wirksamkeit überzeugen. Auf jeden Fall möchte ich an keinem Orte wo man mich nicht schon kennt damit zuerst auftreten, aus Furcht verkannt und unter die musikalischen Charlatans gerechnet zu werden. Was halten Sie davon? – –«


Nachdem die Lieder nun jetzt am 18. Mai an ihn gelangt waren, schrieb er am 12. Aug. an Friedrich Wieck die ausführliche Besprechung seiner Lieder, die wir, als zu ausgedehnt für gegenwärtige Stelle, im III. Bande geben.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 476-479.
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