Text zur Cantate »Kampf und Sieg«

[488] Anfang August hatte Wohlbrück das, nichts weniger als poetische, Gedicht zur Cantate »Kampf und Sieg« vollendet, in dem die nüchterne Vermischung von allegorischen Gestalten mit der Realität des Kampfbildes ungemein erkühlend wirkt und bei dessen Durchlesung man sich recht lebhaft den damaligen Schwung der Geister vergegenwärtigen muß, wenn man es begreiflich finden will, wie es Weber zu seiner kraftvollen, feurigen Musik begeistern konnte.

Dennoch schreibt er an Caroline am 17. August:


»– – Das Gedicht ist vortrefflich und ganz des großen Gegenstandes würdig. Möge der Himmel mir nun auch die Kraft verleihen es eben so groß von Seiten der Musik der Welt zu geben, damit doch etwas mein kurzes Leben überlebt. – –«


Und an Rochlitz am 27. August:


»– – Das Gedicht meiner Cantate hat die Tendenz die Sie wünschen. Nie würde ich mich zu einem bloßen Lob und Preis schwingenden Gelegenheits Gedichte, wo alle Augenblicke: Vivat Blücher! Vivat Wellington etc. vorkommt, hergegeben haben. – –«


In interessanter, prägnanter Weise faßt die Hauptereignisse und Bestrebungen der letzten Monate, im Lichte seiner damaligen Stimmung erzählt, ein Brief an Gottfried Weber zusammen, den wir mit wenigen Auslassungen hier folgen lassen:


»München 20. Aug.


– – Mein theurer lieber Bruder, könnte ich doch bei Dir sein und in Deine treue Freundesbrust den Schmerz niederlegen, den man dem todten Papiere nicht anvertrauen kann. Schildern kann[488] ich Dir nichts, aber kannst Du mich begreifen und fühlen, so wirst Du es in wenig Worten verstehen. Du hast meine trübe Stimmung schon in meinen früheren Briefen gesehen, ich habe Dir ein Bild meines Kunstlebens in Prag, das ein immerwährendes Sterben ist, gegeben. Dazu gesellt sich seit Jahr und Tag eine unendlich heftige Liebe. Meine erste. – Hatte ich vorher über alles gelacht was ich darüber gelesen und gehört hatte, so lernte ich nun an mir selbst das Unbegreifliche begreiflich finden. etc. –«

»Ich war auf dem Punkte sie zu heirathen, doch hatte ich so viel Besonnenheit erhalten mich damit nicht zu übereilen und – liebt sie mich wahrhaft – einst mit einem sicheren Brod, sie zu meiner Frau zu machen. – Die Mutter war gegen mich, da ihr das Haus Regiment entzogen wurde, ich lernte einsehen, daß eine Verbindung mit Lina nur uns beyderseitig unglücklich machen würde – und wir trennten uns endlich mit beyderseitigem Willen, ich mit demselben Herzen voll der innigsten Liebe für sie, nur der reinen Ueberzeugung folgend. Sie anscheinend eben so. Ich begann meine Urlaubsreise früher, als gewöhnlich, schon den 7. Juny, brachte 14 Tage auf dem Lande zu, die übrige Zeit hier bei Bärmann, der alles hervor sucht, mich heiter und ruhig zu machen. Das letztere wird hoffentlich die Zeit geben, das erstere wohl schwerlich wieder kehren. Wer mit einer solchen Heftigkeit und mit so tiefem Gefühle liebt, wie ich, für den ist der Frohsinn verlohren. – Mit Schrekken sehe ich die Zeit herannahen, wo ich wieder nach Prag zurück muß und wo meine Verhältnisse mich zwingen, das Wesen, das ich nicht mehr lieben darf, täglich zu sehen, Daß ich also seit Jahr und Tag todt für alles war, nur mit der höchsten Anstrengung meine Dienst Geschäfte besorgte, wirst Du nun begreiflich finden. Aber bey Gott!! ich bin gewiß der alte, ewig und unauslöschlich steht die Liebe zu Dir in meiner Seele, und keine Zeit, keine Begebenheit kann sie daraus verdrängen. Ich muß etwas ausruhen – die Rückerinnerung greift mich noch immer zu heftig an. Ich bin so reizbar und weich geworden, ich kann jetzt sogar weinen. –«

»Seit dem 30. Januar habe ich Dir nicht mehr geschrieben!! eine lange Zeit – ich will versuchen Dir meine Hauptbegebenheiten[489] bis jetzt nachzuholen und dann Deine Briefe beantworten. D. 1. Februar erhielt ich Deine Briefe vom 7. Februar: – Meyerbeer zu sehen muß Dich sehr gefreut haben, was Du über sein Spiel sagst, ist ganz wahr. Daß er aber an Herz lichkeit gewonnen habe, glaube ich nicht recht, mehr Weltmann ist er geworden. Ich habe auch einen Brief von ihm aus Paris erhalten, bin ihm aber auch noch Antwort schuldig; jetzt weiß ich nicht, wo er ist. Mit Freuden sehe ich aus Deinen Briefen und überall, wo ich hin komme, daß Du gekannt und geachtet bist. Gestern spielte meine Schülerin Fräulein von Wiebeking Deine Sonate durch und schwer fiel mir mein Unrecht gegen Dich ein. Du sollst aber künftig gewiß mit mir zufrieden sein. O ich habe viel nach zu holen viel vor zu arbeiten. Dein Requiem hat mir sehr gefallen. Die Ausführung hat aber gewiß große Schwierigkeiten, da jede Einzelnheit so bedeutend heraustritt. Die erste freie Zeit wende ich dazu an, Dir eine ordentliche Rezension darüber zu schreiben, damit Du nicht immer über mich schimpfst. Mein Bruder hat mich seit der Zeit auf eine höchst abentheuerliche Weise besucht, ohne alle Aussicht, ohne allen Zweck, jetzt ist er bei einer kleinen Gesellschaft in Carlsbad. Er glaubte, ich hätte die Stellen mit voller Hand zu vergeben, aber leider konnte ich ihm wenig nüzzen. Gänsbacher ist jetzt in Innsbruck und formirt das 2. Bataillon; in diesem Augenblick aber ist er nach Prag geschickt, um eine Musik für die Jäger zu engagiren, ist das nicht um rasend zu werden, nun Er in Prag ist, sizze ich hier. – Mit meiner und mit Spontinis Anstellung ist es dermalen in Berlin nichts, da die Zeiten noch auf andere Dinge hindeuten. Daß Beer und ich so eselhaft von Deinem Chronometer sprechen, muß Dich von Niemand wundern, der im Oestreichischen lebt, man ist da in litterarischer Hinsicht total von allem abgeschnitten, da fremde Blätter enorme Summen kosten und ich nur höchst selten die Musik-Zeitung erwische.«


»Uebrigens habe ich allen Respekt vor Deiner Erfindung und werde selbe auch benuzzen. Voglers Te Deum werde ich Dir schicken, Du hast ja ohnedieß noch Sachen von mir und ich muß mich wieder[490] flott machen, da ich in einem Jahre abermals die Anker lichten und ins offene Weltmeer steuern will. – –«

»– – Den 17. Juny also reißte ich hierher und wollte von hier aus über Gotha, Weimar und Leipzig zurückgehen. Mein Concert verschob sich aber bis den 2. huj. D. 8. gab ich und Bärmann in Augsburg Conc. Beydes geschah mit dem glänzendsten Erfolge. D. 10. erhielt ich von dem Prinz Eugen (Vice König von Italien) einen schönen Brillant Ring mit seiner Chiffre, ich wollte nun weiter reisen, als eine große Idee mich packte, der zu liebe ich meine weitere Reise aufgab und sogleich zu arbeiten anfing, ich schreibe nämlich eine Cantate zur Feyer der Schlacht bei Belle Alliance. Ein treffliches Gedicht, von Wohlbrück, den Du ja kennen mußt, in meinem nächsten Brief schicke ich Dir eine Abschrift, ich schicke dann die Partitur an alle Souveraine. Der hiesige englische Gesandte, schickt sie, an den Prinz Regenten, und besorgt eine Uebersezung ins Englische. Du kannst denken, wie sehr mich eine solche Arbeit, die meinen Ruf in der Welt begründen kann, Tag und Nacht beschäftigt, und – Gott sey Dank!! seit den wenigen Tagen, die ich daran denke, fühle ich das Wiederkehren meiner Kraft und daß ich der Welt noch etwas nüzzen kann.«

»D. 5. Sept. reiße ich ab, nach Prag zurück, wo ich den 7. Sept. einzutreffen gedenke. –. Habe ich wohl die Freude, hier noch einen versöhnten Freundes und Bruders Ruf von Dir zu hören? – –«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 488-491.
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