Verfall der Prager Theaterzustände

[530] In Prag traf Weber die Theaterverhältnisse in angehender Zerrüttung und das Personal in allgemeiner Verstimmtheit. Der wackere Liebich, der Vater ihrer aller, war in das letzte Stadium jener Krankheit getreten, die ihn schon so lange folterte und jetzt hoffnungslos auf das Lager geworfen hatte, von dem er nicht wieder erstehen sollte. Man erwartete seinen Tod ungefähr zu gleicher Zeit mit Weber's Abgange, so daß die Bühne im selben Monate ihre beiden genialen Leiter verlieren sollte. Zudem war die Frau Liebich, welche die Direktion fortzuführen beabsichtigte, wegen unverträglichen, herrischen Charakters und böser Launen wenig beliebt, so daß es Weber, den überdieß die Geschäfte für Uebergabe seines Postens an seinen Nachfolger sehr in Anspruch zu nehmen begannen, nicht mehr gelingen[530] wollte, mit den Personalkräften der Bühne im bisherigen Geiste zu wirken und sich ein merkliches Sinken der Qualität der Darstellungen fühlbar machte, die das Publikum, das bekanntlich keine Rücksichten nimmt, gegen die Leitung schließlich verstimmte. Auch die Gesinnung desselben gegen den jungen Operndirektor, »der offenbar, bei seinem nahen Weggange, die Sache vernachlässige«, verkühlte merklich.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 530-531.
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