Weber auf Prager Maskenbällen

[509] Für einen solchen Maskenball bei Liebich, dessen Feste dieser Art für alle Classen der gebildeten Bevölkerung Prags, durch ihre anständige Fröhlichkeit, Originalität und Behaglichkeit großen Reiz hatten, so daß sie Aristokratie, Künstler, Gelehrte, Banquiers in bunter Mischung versammelten und dadurch ihren Hauptreiz erhielten, schrieb er Walzer, deren unwiderstehliche Fußbewegungskraft noch jetzt in der Erinnerung aller Theilnehmer an jenen Festen lebt. Diese Tänze sind verschollen, wenn sie nicht unter denen sich befinden, die, als nachgelassenes Werk, bei Trautwein erschienen, was eben nicht wahrscheinlich ist. Auf einer Redoute bei Kleinwächter erschien er als »farçirter Schweinskopf«, das doppelte Tischblatt auf den Schultern, den Kopf in einem großen pappenen Saukopfe, der eine Citrone im Maul »nur französisch« sprach: »oui! oui! oui!« Auf einem an dern Balle, bei Liebich, arrangirte er, gar mit vieler Mühe, als Kehraus des Faschings, einen Aufzug voll origineller, Hofmann'sch spukhafter Gedanken. So erschienen dabei die Musiker mit umflorten Instrumenten; auf ihren Haarbeuteln stand: »Jetzt ist's ausgegeigt«. Caroline, ein reizende, junge Columbine, wurde von Harlekinen auf einer Todtenbahre getragen als »verlorene Liebesmühe des Carnevals«. Pierrots erschienen als Trauerweiber, hinter dem, als fetter, aber todtenblasser Gastwirth gefahrenen, in den letzten Zügen liegenden Fasching, schritt Weber selbst als Tod mit Faschingskrapfen zwischen den fletschenden Zähnen[509] und: »Ausgespeist, ausgezecht, ausgetanzt!« auf der Sense; Bankerott, Katzenjammer, Leihhaus und Reste tanzten personifizirt hinterdrein. Unter allen, die ungern an Weber's Scheiden dachten, stand der wackere Liebich oben an, der ihn am 16. Februar mit Thränen in den Augen fragte, ob das Gerücht wahrspreche. Auf Weber's Bejahung lag er ihm so rührend in seiner biedern Weise an, dazubleiben, daß Weber nur mit großer Mühe bei seinem Entschlusse beharren konnte. Vielleicht würde er auch den unwiderstehlichen Bitten des werthen Mannes nachgegeben und seine Functionen wenigstens um ein Jahr verlängert haben, wenn ihm nicht, in den ersten Tagen des März, von Liebich ein, bei Gelegenheit des Wechsels des Theater-Präsidenten in der ständischen Verwaltung, an Liebich erlassenes Rescript mitgetheilt worden wäre, das, bei der Weber so oft kundgegebenen Anerkennung seiner Verdienste, in eben so überraschender als schmerzlicher Weise, Unzufriedenheit mit den Leistungen der Oper vom Jahr 1812 an, aussprach. Dieß festigte nicht allein den Entschluß, seinen Posten zu verlassen, sondern veranlaßte ihn auch zu nachstehender, ausführlicher Expectoration an Liebich:

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 509-510.
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