Arthur von Nordstern

[63] Im Kreise des Dichter-Thee's, wo Weber Kind, Kuhn, Gehe, Winkler, Kügelgen, Prof. Herrmann, Carl Förster versammelt fand, hieß ihn der edle Arthur von Nordstern willkommen, der Weber vom ersten Augenblick an Verehrung und Neigung für seine Person einflößte, ganz abgesehen von der Schätzung, die er seinen lyrisch-poetischen Productionen zollte. Der Minister, ein eben so offener als milder Charakter, genoß die allgemeinste Liebe und Verehrung, vermehrt durch die, aus den Geheimnissen des Cabinets in's Publikum transpirirende Wahrnehmung, daß er, als, im damaligen Sinn, liberalster der Räthe des Königs, oft den lähmenden Maßregeln ziemlich energisch entgegen trat, mit denen das Einsiedel'sche Regiment den Gedankenaustausch und die Meinungsäußerung des Volkes bedrückte und das Prinzip der Mittelmäßigkeits-Pflege kultivirte. In wahrhaft horazischer Seelenheiterkeit lebte er im Kreise seiner trefflichen Familie im Sommer auf einem schöngelegenen Weinberge in Loschwitz. Seine älteste Tochter, Clotilde, eine junge Dame von großer Fähigkeit des Geistes und Herzens, war eine weibliche Dichterin im edelsten Sinne des Worts. Sie ist die Verfasserin mehrerer Texte Weber'scher Lieder, z.B. des reizenden Schlummerliedes: »Schlaf Herzens Söhnchen«. Seine zweite Tochter Heliodora, damals ein Kind, erblühte zu einer anziehenden Jungfrauen-Erscheinung. Sie ist jetzt die Gattin eines ausgezeichneten sächsischen Beamten, des Geheimenraths von Schimpff. Der Zirkel des Dichter-Thee's sagte Weber mehr zu, als es bei der Frische, Objectivität und Thatkraft des Meisters zu vermuthen gewesen wäre, die so sehr mit der matten, süßen Richtung des dort herrschenden Geistes kontrastirte. Weber war aber, wie überhaupt wohl selten ein bedeutender[63] Mensch, nicht ganz frei von dem wohligen Anmuthen, sich, unter Guten und Anerkannten, als der Beste und Anerkannteste zu fühlen, und da der Kreis ihn sehr bald unwillkürlich und von selbst an diese Stelle setzte, so gefiel er sich mit einem behaglichen Selbsttäuschen darin, die, welche ihn erhoben, größer und bedeutender zu machen, als sie waren. Jeder, auch der Bescheidenste, ist da mit Freuden, wo er sich gefeiert sieht, und so fühlte sich Weber denn auch bald im »Liederkreise« heimisch, dessen anregenden Einflüssen wir nicht allein eine Anzahl trefflicher Lieder, sondern auch mehrere der liebenswürdigen Aufsätze, die wir im III. Bande dieses Werkes mittheilen, verdanken. Hier, im Dichter-Kreise, wurde auch die, schon im vorigen Jahre gemachte Bekanntschaft mit Friedrich Kind erneuert, die von so großen Folgen für Weber's künstlerische Entwickelung werden sollte.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 63-64.
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