Beginn der Hindernisse der Euryanthe-Aufführung in Berlin

[546] Die Angelegenheit ließ sich trefflich an. Bei einer Anwesenheit in Dresden, im December 1823, hatte sich Graf Brühl die Partitur der »Euryanthe« von Weber für Berlin behändigen lassen, ihm die sofortige Aufführung der Oper und ein Honorar von 900 Thlr. (800 für Weber, 100 für die Chezy) dafür zugesagt.

Der Graf hatte dabei, in seinem Feuereifer für die deutsche Musik und in seiner Freundschaft für Weber, nichts Geringeres vergessen, als daß er zum selbständigen Erwerb von musikalischen Werken für die Berliner Bühne nicht mehr berechtigt war, seitdem, unter Spontini's Vorsitz, eine aus Seidel, Schneider, Möser, Seidler, Bohrer und Blume gebildete Commission existirte, der, Namens der General-Musikdirektion, allein der Vorschlag und die Entscheidung über diese Beschaffungen zustand.

Es hätte sich, schon wenn auch auf dem legalsten Wege und mit sorgsamer Rücksicht auf alle einschlagenden einflußreichen, individuellen[546] Empfindungen, der Ankauf der »Euryanthe« bei dieser Commission angebahnt worden wäre, nicht ganz leicht gezeigt, dieselbe, unter dem allmächtigen Einflusse ihres Präsidenten, für Brühl's und Weber's Zwecke günstig zu stimmen. In der That mußte der Erwerb der Oper in Spontini's Augen auf das Bereiten eines Triumphzugs für seinen siegreichen Gegner hinauslaufen, und der Mensch braucht nicht Spontini zu sein, um nicht gerade mit Begeisterung dabei Hand anlegen zu mögen. Brühl's hitziges und illegales Vorgehen mußte die Abgeneigtheit der Commission aber mit Zorn und Kränkung mischen und in positiven Widerwillen verwandeln, die Erreichung des von Weber so heiß ersehnten Zwecks aber fast unmöglich machen.

Des Freundes Liebe war wiederum die Quelle von mehr Schmerzen für ihn, als des Feindes Haß.

Weber mußte seine Berliner Angelegenheit im besten Zuge glauben, da Brühl sich Anfang Januar 1824 mit Fragen in Betreff der Besetzung der »Euryanthe« an ihn wandte. Weber schlug am 7. Januar für die Euryanthe die Seidler, für die Eglantine die Schulz, für Adolar Bader, für Lysiart Blume, für den König Hildebrandt vor und demgemäß ließ der Graf Brühl die Rollen ohne Weiteres vertheilen. Gleich nach der er sten Durchsicht der Parthie erklärte die Seidler, dieselbe in diesem Umfange nicht durchführen zu können und bat dringend um Kürzung. Graf Brühl theilte dieß Weber in einem Briefe vom 18. Jan. mit, in dem er schließlich bemerkt, daß die im Concerte des Capellmeister Seidel zum ersten Male in Berlin vorgeführte Ouverture zur »Euryanthe« so gut wie keinen Eindruck gemacht habe.

Das war das erste Beginnen der endlosen Verdrießlichkeiten, die Weber aus der Aufführung der »Euryanthe« in Berlin erwachsen sollten! Weber schrieb an Brühl am 23. Jan.:

»etc. Nach der ersten Aufführung (der Euryanthe) in Wien habe ich selbst dort schon einiges gekürzt, was der Sache genützt hat (der Clavierauszug ist unangetastet geblieben), und hier (in Dresden) habe ich später noch die Vision der Euryanthe sehr zusammengedrängt. Im dritten Akte ist ebenfalls ein Recitativ der Euryanthe weggefallen.[547] Es wäre also nur noch möglich die 1. Scene III. Akts zwischen Euryanthe und Adolar zusammen zu drängen. Dieß will ich versuchen, sonst etwas streichen zu wollen hieße den Don Carlos aus dem Don Carlos streichen, und Mad. Seidler würde sich selbst alle Glanzpunkte rauben. In einem so organisch verbundenen Ganzen wie eine große Oper ist, gehört es ohnehin zu dem Schwierigsten, etwas heraus zu nehmen, wenn der Componist von Haus aus etwas über sein Werk gedacht hat.

Eine Künstlerin die die Vestalin und die Amazily aushalten konnte, darf sich auch vor Euryanthe nicht fürchten. Mlle. Sonntag hegte anfänglich auch diese Besorgnisse, die ganz bei der Darstellung schwanden, obwohl ihre Stimme und Individualität nicht zu den stärksten gerechnet werden können.

Daß die Ouverture mißfallen hat, ist mir freilich sehr unangenehm, aber konnte ich sie Seidel abschlagen? Sie muß gänzlich vergriffen worden sein, was ich schon aus den Aeußerungen über ihre Schwierigkeit schließe. Das Wiener Orchester, keineswegs an Güte dem Berliner gleich, executirte sie prima vista ohne Anstoß zu meiner Zufriedenheit und wie es schien mit Wirkung. Ja, ja! die arme Euryanthe wird noch viel zu leiden haben! Nur Geduld! Am Ende ist's ja nicht nöthig Opern zu schreiben. etc.«

Am 13. Februar sandte Weber die versprochenen Kürzungen an Brühl und schreibt selbst, daß die Sache offenbar dadurch gewonnen habe. (Im Begleitschreiben bittet er um Protektion seines Bruders Edmund, der, ein guter Componist und Dirigent, bisher in Danzig Musikdirektor gewesen sei, nun aber in Strelitz Capellmeister zu werden wünsche.)

Die Angelegenheit hüllte sich für Weber, der sie indeß in Brühl's Händen bestens gefördert meinte, hiermit in Stillschweigen.

Dagegen erweckte die bevorstehende Aufführung der Oper in Karlsruhe, von der ihm sein alter Freund und Mentor Danzi benachrichtigt, sein lebhaftes Interesse, da er unter dieses tüchtigen, sein innerstes Wesen so genau kennenden Mannes Leitung, eine gute Vorstellung und einen Erfolg hoffte. Er schreibt an ihn am 1. März:[548]


»Mein herzlieber Freund und Vetter!


Mit welchen freudigen Gefühlen und lieben Erinnerungen erkannte ich Ihre Hand, mein theurer Freund! Wie oft denke ich Ihrer mit innigem Dankgefühl; da Ihre warme Theilnahme und Nachsicht mein künstlerisches Streben einzig und allein in einer Zeit aufrecht erhielt, die mich bald ganz von meiner ursprünglichen Bestimmung abgeleitet hätte. Haben Sie nochmals und immer herzlich Dank dafür.

Ein neuer Beweis Ihrer Freundschaft ist mir die Sorgfalt, die Sie meiner Euryanthe widmen, und allerdings muß ich auch die treue Sorge meiner Freunde dieser Oper sehr wünschen, da sie einen mißlichen Platz in der Welt betritt. Die Erwartungen der Masse sind durch den wunderbaren Erfolg des Freischützen bis zum Unmöglichen in's Blaue hinauf gewirbelt; und nun kommt das einfach ernste Werk, das nichts als Wahrheit des Ausdrucks, der Leidenschaft und Charakterzeichnung sucht, und alle der mannigfachen Abwechslung und Anregungsmittel seines Vorgängers entbehrt. – Nun wie Gott will!

Das, mit dem Tempo moderato, habe ich in aller Vorsicht, doch eigentlich dumm gemacht; ich will nehmlich das Tempo nur in so fern gemäßigt haben, daß die Ausarbeitung hübsch deutlich auseinander geht und nicht überhudelt wird: welches letztere leider in den meisten Orchestern für Feuer gehalten wird. Dann wieder stringendo, wo es sich dem Hauptthema nähert, und dieses wieder in erster Bewegung mit voller Kraft.

Ich bitte, schreiben Sie mir recht aufrichtig den Erfolg der Oper und eben so ehrlich Ihre Meinung. Das Urtheil eines Mannes wie Sie, den ich so sehr hochschätze und dessen Wohlwollen für mich ich kenne, muß mir das Geschwätz von 100 Lobhudlern oder Neidern aufwiegen und mich erfreulich belehren.

Freudig hat mich Ihre Zufriedenheit mit dem Freischütz erhoben. 1000 Dank dafür.

Diesen Sommer darf ich leider nicht hoffen Sie besuchen zu können, da ich das Marienbad brauchen muß, Sommer 1825 aber soll mit Gottes Hilfe mich nichts abhalten, Sie in meine Arme zu[549] schließen, und Sie auch eigenhändig versichern zu können, wie unveränderlich innige Hochachtung und Liebe für Sie lebt im Herzen


Ihres

C. M. Weber.«

Dresden, den 1. März 1824.


Wiederum gewährte es Weber Vergnügen, einen jungen dramatischen Componisten, obgleich dessen Richtung damals eine der seinen diametral entgegengesetzte war, in das Leben einzuführen. Unter des greisen Peter Winter persönlichem und Spontini's künstlerischem Einflusse war des jungen Reissiger italienische Oper: »Didone abandonata«, nach einem Texte Metastasio's, entstanden. Das etwas breite, ohne dramatische Wirkung angelegte Werk, das unter Mitwirkung der Sandrini, Tibaldi's und Zezi's am 31. Jan. aufgeführt wurde, konnte sich, trotz der trefflichen Darstellung, von welcher sich der junge Componist, der der zweiten Vorstellung am 7. Februar anwohnte, wahrhaft entzückt zeigte, keinen Erfolg erringen. Weber wurde nicht müde, den gesunkenen Muth des Verfassers mit allen Mitteln seines Raths und seiner Autorität zu beleben.

Dagegen verstand er sich nur aus Freundschaft gegen den Ritter Seyfried, der sich um die, durch Schubert's nahe bevorstehenden Tod voraussichtlich frei werdende Kirchencompositeurstelle in Dresden beworben hatte, dazu, dessen geschmackloses Potpourri aus Mozart's Werken, die Musik zum Schauspiel »Ahasver«, einzustudiren und am 26. Febr. auf zuführen.

Ueber Meyerbeer's von ihm am 20. März gegebene »Margarethe von Anjou«, in der die Funk, die Tibaldi, Zezi, Sassaroli und Benincasa sangen und die, im Styl Rossini's geschrieben, mit großem Beifalle von den Italianissimi's Dresdens begrüßt wurde, schreibt er am 13. Febr. an Gottfried Weber:


»13. Febr. 1824.


etc. Meyerbeer verstrickt sich leider Gottes immer mehr in dem elenden Schlendrian. Welch herrliche Blüthe ging da unter! – Was hofften wir alles von ihm! – O verfluchte Lust zu gefallen! Ich studire jetzt von ihm Margarita d'Anjou ein. Er schreibt in[550] Venedig die 3. Carnevals-Oper und soll im April nach Berlin kommen. Glaubs nicht; schämt sich vor uns.....

Der Prozeß, der gegen Spontini beim Kammer-Gericht in Berlin anhängig ist, daß er nämlich die Vestalin nicht componirt habe, beschäftigt jetzt alle Welt sehr. Die Sache ist einzig.

Mit meinem Kommen im Sommer ist's dieß Jahr nichts. Mein Max ist noch zu klein, die Mutter zu ängstlich. Ein Jahr später hab ich mir es aber fest vorgenommen.

Du hast's errathen, ich schreibe gegenwärtig Nichts. Habe eine wahre Musik-Indigestion von den vielen Proben und Aufführungen in allen Sprachen und Arten. Im Sommer kommt vielleicht die Lust wieder, und dann beendige ich die komische Oper von Theodor Hell: die drei Pintos.

Nun weiß ich weiter nichts, als daß ich mich trotz meiner Strapazen zum Verwundern leidlich wohl fühle. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 546-551.
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