Die Schreckenspost in Dresden

[710] Während alle dem flog Fürstenau's Brief mit der Schreckenspost nach Dresden. Es war ein Todesurtheil darin für das reinste Eheglück, das jemals zwei Sterblichen geblüht hat, für eine holdeste Häuslichkeit, für eine hoffnungsreiche Zukunft, und fast Todesgift für eins der edelsten Frauenherzen; er erklärte zwei blühende Knaben zu Waisen und nahm Weib und Kind des Todten selbst die Erhebung, die im Erfüllen der letzten Pflicht gegen den Geliebten, dem letzten Kusse auf die erkaltende Hand, ruht. – Was Wunder, daß Fürstenau es nicht über sich gewann, an Caroline selbst zu schreiben. Der Brief war an ihre nächste Freundin, Fräulein Charlotte von Hanmann, gerichtet.

Die Arme hatte mit dem Entsetzlichen in Hand und Herz den weiten Weg hinaus nach Hosterwitz, wo Caroline wohnte, zu fahren. – Unfähig, allein der leidenschaftlichen Frau in diesem Schreckensmomente gegenüber zu stehen, ließ sie den Wagen im Dorfe, vor dem ungefähr hundert Schritt von Weber's Wohnung gelegenen Hause halten, in dem Freund Roth ein Stübchen gemiethet hatte. Caroline hatte das Rollen des Wagens gehört – sie sprang an das Thor des Gehöfts – sah ihn an ungewöhnlicher Stelle halten, Fräulein von Hanmann aussteigen, in Roth's Haus verschwinden – das war nie geschehen – die schrecklichste Ahnung faßt sie – sie fliegt mehr als sie geht nach jenem Hause – sieht die Beiden im Garten weinend, händeringend stehen – da weiß sie Alles und liegt im Augenblicke bewußtlos zu ihren Füßen. – Das vierjährige Söhnchen Max war ihr nachgelaufen. – Fast vierzig Jahre sind seitdem vergangen, aber in seinem Ohre gellt heut noch der Schrei, mit dem ihn die Mutter umklammerte, als sie aus todtenähnlicher Ohnmacht auf dem Rasen[710] liegend erwachte und das thränenbeströmte Kindergesicht über sich gebeugt sah. – – –

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 710-711.
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