Ueber: »Fanchon, das Leiermädchen«,

[136] von Himmel.


(Dresden 21. Februar 1817.)


Montag den 24. Februar zum ersten Male: Fanchon, das Leiermädchen, nach dem Französischen, von Kotzebue bearbeitet. Musik von Himmel. Die Anwesenheit der Mlle. Lindner aus Cassel, die die Rolle der Fanchon als Gastrolle geben wird, ist die Veranlassung des Erscheinens dieser in einem großen Theile Deutschlands beliebten Oper, die als Vaudeville eine Zeitlang der Drehpunkt der Pariser Aufmerksamkeit war, und in vielen Parodieen den Antheil bewies, den das Publikum an ihr nahm.

Kotzebue bearbeitete sie zunächst für das Berliner Theater, und Himmel schuf eine neue Musik in gleicher Beziehung dazu.

Friedrich Heinrich Himmel, 1765 zu Treuenbrietzen geboren, hat eine Art von näherem Anspruche auf die Theilnahme der Dresdner Musikfreunde dadurch, daß er seine eigentlichen Kunststudien bei unserm trefflichen Naumann machte, und diesem jene Harmoniekenntniß, fließende Stimmenführung und Gewandtheit der Instrumentation verdankt, die seinen lieblichen Leistungen den Reiz einer gewissen Gediegenheit und Gewandheit geben. Sein lebenslustiger, heiterer Sinn, frohe Laune und Hang zum Lebensgenusse, ließen ihm nicht Zeit, in die tiefsten Geheimnisse der Kunst zu dringen, die, ohne riefes, anhaltend strebendes Forschen, selbst dem von der Natur begünstigten Genius sich nicht erschließen; denn wahrhaft Großes zu leisten, ist nur dem in sich ganz gesammelten und abgeschlossenen Gemüthe möglich.[136]

Himmel verdankt daher auch seinen Ruf größtentheils seinen herzlichen, sinnigen Liedern, der Composition von Tiedge's Urania, und der Oper Fanchon. In diesen einzelnen Lichtstrahlen seines schönen Talentes entfaltet sich ein großer Zauber italischer Lieblichkeit mit deutscher Vollendung in der Form; jedes dieser Musikstücke scheint, wie die Spitze eines frohen Augenblicks, ein künstlerischer Champagner-Moment. Die Vorliebe und Hinneigung zu dem Sentimentalen ist vorherrschend, und Himmel hat in dieser Gattung Sachen geliefert, die gewiß unter das Vorzüglichste gehören. Fanchon ist ein solcher Blüthenstrauß, in den verschiedensten Farben der Laune und des Gefühls spielend, ein Schmetterlings-Gaukeln im Kunstgarten. Versetzt in den elegantesten Zirkel des üppigen Paris, wird jedes Musikstück zum vorüberfliegenden Witz, Scherz, oder zur sonstigen Betonung erhöhten Gefühles.

Ausgeführte größere Musikstücke lagen außer dem Kreise dieser dem Vaudeville nachgebildeten Oper, oder eigentlichem Liederspiels. Sein ausgezeichnetes Glück verdankt es hauptsächlich dem genauen Anschmiegen an die Individualität der vorzüglichsten Künstler, die (1803) die Berliner Bühne schmückten, wo jeder einzelne Charakter nach dem schon vorhandenen gezeichnet schien. Die hieraus entspringende treffliche, durchaus abgerundete Darstellung, und die Leichtigkeit, mit der jeder Zuhörer sich diese Musik aneignen konnte, mußte es für eine Zeit zum Lieblingskinde des Publikums machen, und stets wird es, mit diesem Maaßstabe gemessen, eine ungemein liebliche Erscheinung in der Theaterwelt sein.

Von größern Arbeiten hat Himmel's Vasco di Gama und seine Trauerkantate auf den Tod Friedrich Wilhelm II. am meisten in der Welt gewirkt. Weniger gefiel eine spätere Oper: Die Sylphen (1807), und gänzlich mißfiel sein letztes Werk: Der Kobold, für das Wiedner Theater in Wien geschrieben. Als Clavierspieler hatte Himmel einen außerordentlichen Zauber im Anschlage, und eine Süßigkeit des Vortrages, der ohne eigentliche große Virtuosität allgemein entzückte.[137]

Er starb vor zwei Jahren als Königl. Preuß. Kapellmeister, und mit Recht können alle Freunde lieblichen, gefühlvollen Gesanges ihn beklagen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 136-138.
Lizenz:
Kategorien: