Ueber: »Helena«,

[141] Oper von Mehul.


(19. April 1817.)


Bei der Anzeige der, Dienstag den 22. April 1817, zum ersten Male auf unserer Bühne erscheinenden Oper: Helena, nach dem Frazösischen des Bouilly, von Treitschke, Musik von Mehul, – habe ich blos, auf die von mir in den letzten Januarblättern dieser Zeitung, bei Gelegenheit der Oper: Jakob und seine Söhne, versuchte Bezeichnung der Eigenthümlichkeiten dieses trefflichen Meisters zurückweisend, noch zu bemerken: daß Helena um fünf Jahre früher als Jakob und seine Söhne geschrieben wurde, und uns heiteres, ländliches Leben mit dem schön eingeschlochtenen Gegensatze leidenschaftlicher Erregung und Charaktere zu vernehmen giebt.

Obwohl in ganz anderer Gattung und Colorit, wird doch dem aufmerksamen Hörer auch hier wieder das sich selbst treu Bleibende und Selbständige des Componisten unverkennbar sein.

Dem musikalischen Gastrechte zu Folge, das dem Fremdlinge gern vergönnt, alle Mittel zur größern Entfaltung seines Talents anzuwenden und zu benutzen – werden Herr und Madame Weixelbaum, die die Rollen des Constantin und der Helena geben, eine Cavatine, ein Duett und eine Arie von italienischen Meistern einlegen. Dieses anzuzeigen, fordert die Achtung, die dem Schöpfer eines Kunstwerks gebührt, zur richtigen Beurtheilung desselben.

Nicht überflüssig dünkt es mir, bei dieser Gelegenheit wiederholt in's Gedächtniß zurückzurufen: daß wir die Ehre, eine deutsche Opern–Gesellschaft genannt zu werden, in diesem Augenblicke noch ablehnen müssen, und daß alle Vorstellungen in dieser Beziehung nur als Versuche zur Bildung eines Kunstkörpers – (aber ja nicht als ein schon wirklich existirender)betrachtet werden müssen, die uns Mittel geben, fremde Talente würdigen und zu[141] späterer Benutzung kennen zu lernen, und als eröffnete Laufbahn zur weiteren Kunstbildung der schon vorhandenen.

Nur die Zeit bringt Rosen.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 3, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 141-142.
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