An Mozart!

[95] Nach der Festwoche im Wiener Hofoperntheater.1


So singt der Lenz, wenn er die Ketten sprengt,

In die der Winter all' die Blumen zwängt,

Die duftig aus dem Grün der Wiesen leuchten;

So singt die Liebe, wenn im ersten Kuss

Ihr süss' Geheimnis sie verrathen muss,

Und Thränen der Beglückten Wangen feuchten.


So singt ein Engel, dessen Segenshand

Beglückend ruht auf dem geliebten Land;

So sanft, so mild und doch so allgewaltig,

Wie Du, o Meister, singst in Deinem Lied,

Vor dessen Zauber jedes Leid entflieht,

Wie mächtig auch es sei und vielgestaltig.


Das ist Musik, die in die Herzen klingt,

Das ist Musik, mit der sich aufwärts schwingt

Die Seele nach den ewig lichten Räumen,

Die Dir, Verklärter, sich geoffenbart,

Damit durch Deine Kunst uns stets gewahrt

Der Wunderglaube an ein himmlisch Träumen!


[95] Wir mussten lang entfremdet Dich uns seh'n,

Und wagten 's nicht, die Liebe zu gesteh'n,

Die wir für Dich gehegt und Deine Lieder –

Da kamst Du selbst und sprachest zu uns mild:

Wenn, wie dereinst, ihr noch für Mozart fühlt

So komme ich mit jedem Jahre wieder!


Vernahmst, o Meister, Du den Jubel? Komm'!

Was uns begeisternd an im Herzen glomm,

Es ward entfacht vom Zauber Deiner Töne.

Wie auch die tolle Menge sich beträgt,

O, glaube uns! – Das Herz der Besten schlägt

Für Dich und Deine Kunst – die ewig schöne!


Wien, am 28. Jänner 1880.

Fußnoten

1 Den Anlass zu diesem Gedichte bot die in der Zeit vom 81. bis 27. Jänner 1880 veranstaltete erste cyklische Aufführung der Opern Mozart's.


Quelle:
Albert Josef Weltner: Mozart's Werke und die Wiener Hof-Theater. Wien 1896, S. 97.
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