Mozart's letzte Wohnung in Wien, seine Krankheit, sein Tod, sein Grab.

[43] Bei Besprechung der Aufführungen der »Zauberflöte« erinnerten wir in einer Notiz, dass Mozart in dem Hause 970 in der Rauhensteingasse, dem sogenannten kleinen Kaiserhause, am 5. December 1791 aus dem Leben schied. Der Meister hatte diese seine letzte Wohnung, die nach Aufschreibungen des verdienstvollen Wiener Chronisten Franz Gräffer im ersten Stockwerke lag und aus einem ziemlich geräumigen, aber dunklen Zimmer, dessen zwei Fenster in einen engen Hof gingen und aus einer kleineren, aber helleren Arbeitsstube gegen die Strasse zu bestand, seit September 1790 inne. Das Sterbehaus Mozart's ist längst verschwunden, doch der Umbau, heute Nr. 8 in der Rauhensteingasse, trägt den Namen Mozarthof und sein Stiegenhaus ist mit der Büste des Unsterblichen geschmückt.

Die Todeskrankheit Mozart's dauerte – wir folgen neuerdings der Darstellung Gräffer's, der wieder in dem Freunde des Meisters, in dem k.k. Hofcapellensänger Alois Fuchs einen sicheren Gewährsmann besass – fünfzehn Tage. Er war schon schwer leidend, als er von Prag von der Krönung zurückkehrte, und konnte die ihm im Herbste 1791 angebotene Stellung eines Domcapellmeisters bei St. Stefan, die ihn mit einem Schlage aller materiellen Sorgen entbunden hätte, nicht mehr antreten. Sein Arzt Dr. Clossett erkannte die Gefährlichkeit der Krankheit und berief den Primararzt des k.k. allgemeinen Krankenhauses Dr. von Sallaba zu einem Consilium. Beide Aerzte einigten sich dahin, dass jede Rettung ausgeschlossen sei. In den ersten Morgenstunden des 5. December verschied Wolfgang Amadeus Mozart in den Armen seiner Gattin und seines Freundes Süssmayer. Alsbald fand sich Graf Deym, unter dem Namen Müller, Eigenthümer des Kunstcabinetes beim Rothen Thurm, ein und nahm einen Gypsabdruck von dem Antlitz des grossen Todten. Gottfried Freiherr van Swieten, der Sohn des treubewährten Gönners Mozart's, Gerhard Frh. van Swieten, besorgte die Bestattung des Heimgegangenen, und da er dabei nur die grösstmöglichste Ersparnis für die hinterlassenen Familienglieder berücksichtigte, so wurde der Sarg – Mozart war mit dem damals üblichen schwarzzeuchenen Todten-Bruderschaftsgewand angethan – in ein gemeinschaftliches Grab eingesenkt und selbst der [43] kleine Aufwand eines Steines, den die Witwe zur Bezeichnung der Stelle so gerne gesetzt hütte, musste vermieden werden. So weit Franz Gräffer.

Wir wollen die Frage nicht näher berühren, ob, wenn schon die Witwe Mozart's nicht in der Lage war, ihrem Gatten ein wenn auch schlichtes, so doch seine letzte Ruhestätte bezeichnendes Denkmal zu errichten, ob nicht der Freund des Verklärten, der eben genannte Gottfried Freiherr van Swieten, gleich seinem berühmten Vater Präses des Studien- und Censurwesens, Präfect der Hofbibliothek etc. etc., die für seine Verhältnisse gewiss nicht in Frage kommende Summe für einen Grabstein Mozart's, der zugleich ein Denkstein seiner Pietät für alle Zeiten gewesen und geblieben wäre, hätte aufwenden können. Bei den gegebenen Verhältnissen gibt es keine Schönfärberei: die Witwe Mozart's, die ihren unsterblichen Namen später gegen den einer Frau von Nissen vertauschte, die hochmögenden Freunde und Verehrer Mozart's, allen voran jener Freiherr van Swieten, versäumten – vielleicht entschuldigt sie die Gepflogenheit jener Tage – sie versäumten eine Pflicht der Pietät zu üben, die in unserem sonst als materialistisch verschrieenen Zeitalter gewiss nicht in so krasser Weise verletzt werden könnte oder dürfte.

Oder haben sie, die da berufen gewesen wären, die Stätte, welche Mozart's irdische Ueberreste aufnahm, für alle Zeiten zu erhalten, etwa gar vorausgeahnt, dass einst eine Zeit kommen werde, in der man allen altererbten Pietätsempfindungen zum Hohne die Friedhöfe einfach im administrativen Wege auflässt!

Die Mächtigen, welche zu entscheiden haben, seien daran erinnert, dass sie sich anschicken, ein nie zu sühnendes Sacrilegium zu begehen. Wenn wir mit harten Worten Diejenigen verurtheilen, welche Mozart's Grabstätte verfallen liessen, weil ihnen unter dem Drucke des Augenblickes die Mittel nicht klar wurden, sie zu erhalten, um wie viel vernichtender müsste das Verdammungsurtheil unserer Kinder und Enkel über uns lauten, die wir Vorhandenes rücksichtslos mit willkürlicher Gewalt zerstören. Man lasse die alten Friedhöfe auf, gestalte sie aber zu Gärten um – die grosse, weitgedehnte Stadt braucht Lungen – und in diesen Gartenanlagen bewahre man die Grabstätten bedeutender Personen als Denkmale einer verklungenen oder verklingenden Culturepoche. Und die anderen tausend und abertausend Schläfer, die Kinder des [44] Volkes, das Volk selbst – sie Alle werden in diesen Gärten im Schatten der rauschenden Bäume unter duftigen Blüthen und spriessendem Rasen friedlich, weil ungestört, entgegenträumen dem ewigen Tage, dem Morgen des Lichtes!

Quelle:
Albert Josef Weltner: Mozart's Werke und die Wiener Hof-Theater. Wien 1896, S. 43-45.
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