Börne über Mozart

[212] Anläßlich einer Beurtheilung von Mozart's »Entführung aus dem Serail« schreibt Börne: »Gibt es ein übersinnliches Land, wo man in Tönen spricht – die Meister der Kunst führen euch hinauf, indem sie euch erheben; nur Mozart allein zeigt uns den Himmel, zu dem Andere emportragen müssen, in unserer Brust«. Das ist's was ihn nicht allein zum Größten macht aller Tondichter, sondern zum Einzigen unter ihnen. Um Mozart-scher Musik froh zu werden, bedarf es keiner Erhebung, keiner Spannung des Gemüthes, sie strahlt Jedem, wie ein Spiegel, seine eigene und gegenwärtige Empfindung zurück, nur mit edleren Zügen; es erkennt Jeder in ihr die Poesie seines Daseins. Sie ist so erhaben und doch so herablassend, so stolz und doch Jedem zugänglich, so tiefsinnig und verständlich zugleich, ehrwürdig und kindlich, stark und milde, in ihrer Bewegung so ruhig, in ihrer Ruhe so lebenvoll. Musik, wenn sie als heimatliche Sprache der Liebe und Religion sich austönt, wird so himmlisch[212] als bei Mozart, bei Keinem vernommen. Aber bewunderungswürdiger, als in jener Höhe, wo das Wort schon im Sinne seine Verherrlichung findet, ist Mozart in der Tiefe, wo er das gemeine Treiben adelnd, die Poesie der Prosa, den Farbenschmelz des Schmutzes und den Wohlklang des Gepolters kund machte. Die Singstücke der Constanze, der Donna Anna und das furchtbare Auftreten des steinernen Gastes sind vielleicht minder unnachahmlich als Osmins Gesänge. So ein meisterhafter Geselle, so ein verklärter Brummbär und hündischer Frauenwächter, wie er ergrimmt sich an dem verriegelten Gitter abmartert, durch welches er täglich den Honig sieht, den er nicht lecken darf, so ein erboster Kerl, der alle Welt haßt, weil er nicht lieben kann, wird sobald nicht wieder in Musik gesetzt. [Gesammelte Schriften von Ludw. Börne (Wien 1868, Tendler u. Comp. 32.) Bd. IV, S. 108]. – Und ein anderes Mal thut Börne im Hinblicke auf das Verhältniß Schikaneder's zu Mozart den trefflichen Ausspruch: »Schikaneder hat sich durch sein Gedicht zur ›Zauberflöte‹ unsterblich gemacht, wie die Mücke im Bernstein«.

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 212-213.
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