Oulibicheff über Mozart

[220] Zu der Schilderung Mozart's, wie Mörike sie in seiner reizenden Novelle: »Mozart's Reise nach Prag« entwarf, gehört noch gleichsam als ergänzender Anhang, was Oulibicheff im »Leben Mozart's« sagt: »Wenn der Neid einmal, wenn er nichts Anderes findet«, schreibt Oulibicheff, »die Sitten und den Character seiner Opfer angreift, so wird er Keinen finden, der ganz unverwundbar wäre. Mozart sucht nach der Arbeit Zerstreuung; sein Herz war den Verlockungen der Liebe nicht unzugänglich; er liebte das mousirende Getränk, das die Nerven des Musikers und des Dichters anregt. Seinen Freunden stets offene Börse, deren Wahl eine bessere hätte sein können, war, wie nicht zu leugnen, oft leer und beinahe immer leicht. Er entlehnte nach allen Seiten und oft zu wucherischen Zinsen. Weit weniger als alles dieß hätte hingereicht, um einen Menschen ganz schwarz zu machen, um ihn als Trunkenbold, Wüstling und zügellosen Verschwender hinzustellen. Der Haß suchte also dem Publicum sein trübes Mikroskop herzuleihen, in welches dasselbe aus Neugierde blickte ... Man glaubte: die Einen, weil sie es gern glaubten, die Anderen, weil sie leichtgläubig waren; die Mehrzahl aber, weil ihnen die Sache nicht werth dünkte, aufgeklärt zu werden. Eben auf diese Gleichgiltigkeit speculirten die Verleumder und durch sie gelangten sie ans Ziel. Ihr Sieg über Mozart war vollständig, und zwar so, daß seine Spuren selbst theilweise bei der Nachwelt haften geblieben[220] und wie ich fürchte, unverwischbar geworden sind. Vergebens wird der Biograph die Thatsachen sprechen lassen, vergebens wird er sagen, daß ein Mensch, der so jung starb und dessen Werke allein eine ganze musikalische Bibliothek zu füllen im Stande wären, wenig Zeit seinem Vergnügen habe widmen können; daß ein Gatte, der seine Frau leidenschaftlich liebte und von dieser stets geliebt wurde, der in einer neunjährigen Ehe sechs Kinder zeugte, kein Wüstling von Gewerbe sein konnte; daß ein von Jedermann gesuchter Künstler, der jeden Tag in der ausgewähltesten Gesellschaft Zutritt hatte, nicht die Gewohnheit haben konnte, sich täglich zu berauschen. Im Gegentheile, wenn man sich über etwas zu wundern hat, so mag es darüber sein, daß ein Familienvater, dessen Einkommen kaum dem Erwerbe eines mittleren Gewerbsmannes gleichkam, der bei keiner Art von Ausgabe knickerte der seinen Freunden ohne Aussicht auf Wiedererstattung lieh, und zu all dem noch so viel erübrigen konnte, um seinem alten Vater Ersparnisse von zwanzig und dreißig Ducaten zu schicken, daß dieser Mann, sage ich, bei seinem Tode nicht mehr Schulden als die elende Summe von 3000 Gulden hinterließ.«

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 220-221.
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