IV.
Mozart's Wohnungen in Salzburg, Wien und anderen Städten.

[138] Die Stätte, die ein großer Mensch betrat, die ist geweiht für alle Zeiten; dieser den Worten, welche Goethe Eleonoren im »Tasso« (Aufz. I. Scene 1) sprechen läßt, nachgebildete Satz findet wohl auch auf unseren Mozart Anwendung, dessen Wohnungen, die letzte, das Grab mitbegriffen, ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode ein Gegenstand der eingehendsten Nachforschungen wurden und eine förmliche Literatur bilden. Diese letztere in einer übersichtlichen Darstellung mitzutheilen, ist der Zweck der folgenden Zeilen. Jedoch wird ausdrücklich bemerkt, daß nur jener Wohnungen gedacht wird, die durch Mozart's längeren Aufenthalt gleichsam geweiht sind. Durch die folgenden Mittheilungen wird auch einigermaßen O. Jahn's Notiz im III. Bande seiner Biographie Mozart's, S. 238, Anmerkung 129, ergänzt.

Salzburg. Nach einer Mittheilung in der Salzburger Landes-Zeitung 1856, Nr. 200: »Ueber Mozart's Wohnungen in Salzburg« gibt es deren zwei, erstens sein Geburtshaus, Nr. 225, das in der Getreidgasse steht, und dann das spätere Wohnhaus, in welches[139] der Umzug im Jahre 1769 stattgefunden haben dürfte, nämlich das Haus der Oberer'schen Buchdruckerei auf dem Hannibalplatze, wo die Familie 19 volle Jahre bis zu Vater Mozart's Tode wohnte.

Mailand, Rom, Bologna. Auf der Reise nach Italien, im Jahre 1770, wo Mozart in Mailand längere Zeit verweilte, fanden Vater und Sohn im Kloster der Augustiner von S. Marco eine sichere und bequeme Wohnung; in Rom wohnten sie im Hause des auf einer Reise abwesenden päpstlichen Couriers Uslinghi; auf der Reise nach Neapel fanden sie in Klöstern gastliche Aufnahme. Auf der Rückreise aber brachten sie den Monat August 1770 auf dem prächtigen Landgute des Grafen Pallavicini in der Nähe von Bologna zu.

Paris. Das Abendblatt zur neuen Münchener Zeitung 1857, Nr. 246 im Artikel »Das Mozarthaus in Paris« und A. Jai in seinem Dictionnaire critique de Biographie et d'Histoire. Errata et supplement pour tous les dictionnaires historiques (Paris 1867, Henri Plon, gr. 8) p. 895 im Artikel »Mozart« berichtet, daß Mozart in Paris in der Rue du Gros-Chenet in einem Hause gewohnt habe, das im J. 1778 zum Kirchspiel Saint Eustache gehörte und daß daselbst Mozart's Mutter am 4. Juli 1788 gestorben sei. Wenige Tage nach dem Tode seiner Mutter verließ Mozart dieses Haus, übersiedelte zu Baron Grimm, der in der Rue Basse-du-Rempart wohnte, in demselben Hause, welches um 1856 Rossini gekauft hat.

München. Das Oesterreichische Bürgerblatt (Linz 40.) 1856, Nr. 198 gibt »Nachricht, daß durch die Bemühungen des Magistratsrathes Schreyer das[140] Haus in München aufgefunden wurde, in welchem Mozart eines seiner bedeutendsten Werke, und das erste eigentlich große, den ›Idomeneo‹, componirt hat. Es befindet sich in der Burggasse und führt den im Hinblicke auf Mozart's dort geschaffenes Werk treffenden Namen ›Sonneneck‹«; – das Fremden-Blatt von Gustav Heine 1867, Nr. 206, 1. Beilage gibt im Artikel »Das Mozart-Haus in München« ausführlichere Nachricht über das Haus am Sonneneck, jetzt Burggasse Nr. 6, und meldet zugleich, daß im Jahre 1867 die Münchener Liedertafel dieses Haus durch ein großes, vom Bildhauer Friedrich Geiger ausgeführtes Porträtmedaillon aus bronzirtem Zink, für die Zukunft als Mozart's einstige Wohnstätte bezeichnet habe.

Olmütz. Als Vater Mozart mit seinen Kindern im Herbste 1767 zum zweiten Male in Wien war, zwang ihn die Furcht vor den Blattern, die immer heftiger um sich griffen, Wien zu verlassen und nach Olmütz zu flüchten, wo aber die Kinder bald nach ihrer Ankunft von den Blattern befallen wurden. In Olmütz wohnte nun die ganze Familie in der Domdechantei bei Leopold Anton Grafen von Podstatzky, Domdechant von Olmütz, der Mozart von Salzburg her kannte.

Prag. In Prag, wo Mozart im August 1787 ankam, wohnte er zuerst in den »drei goldenen Löwen,« dann vor dem Augezder Thor an der Straße nach Kosir, in einem Landhause, genannt Petranka (Smichow, Nr. 169). Dort componirte er den »Don Juan«. Noch vor etlichen Jahren zeigte der Eigenthümer Fremden gern das zweifenstrige Stübchen mit der Aussicht auf den westlichen Abhang des Laurentiusberges und im Garten unter schattigen Bäumen[141] den sogenannten Mozarttisch, an welchem er seinen »Don Juan« zu schreiben pflegte. – In Prag befand sich auch bis 1860 ein »Mozartkeller«; es war der Keller, den Mozart zu besuchen und daselbst ein Glas Wein zu trinken liebte. Derselbe ist nun der Industrie anheim gefallen und in eine Maschinenfabrik verwandelt. Die Stelle aber, an der Mozart zu sitzen pflegte, ist von dem gegenwärtigen Besitzer mit einer Marmortafel bezeichnet, an dem zwei Gedenkgedichte, eines in deutscher, das andere in echischer Sprache, angebracht sind. Das deutsche lautet:


»Der Ort, wo einst der Rebe Gluth

Zu Gast der Töne Meister lud,

Sei für der Nachwelt spät'ste Zeit

Hier der Erinnerung geweiht.« –


Wien. Die Wiener Theater-Zeitung 1860, Nr. 22, S. 86, bringt in dem Artikel: »Die Mozart-häuser in Wien«, eine gedrängte Aufzeichnung der zwölf Wohnungen, welche Mozart während seiner wiederholten Besuche Wiens mit seinem Vater, 1762 und 1767, dann während seines bleibenden Aufenthaltes, 1781–1791, inne gehabt. Eine solche Erinnerung bedarf wohl keiner Entschuldigung. Das erste Haus, welches Mozart in Wien bewohnte, war das Einkehrwirthshaus »zum weißen Ochsen« (heute »zur Stadt London«) am alten Fleischmarkt, damals die Nummer 729, später 684 tragend, heute Nr. 22. Es war dieß, als der Vater im Jahre 1762, mit seinen Kindern von München kommend, Wiens zuerst besuchte. – Bei dem zweiten Besuche Wien im Herbste 1767 wohnte er im zweiten Stocke des Hauses Nr. 25 der verlängerten Wipplingerstraße (damals hohe Brücke Nr. 387), das den Grünwaldischen[142] Erben gehörte. – Als Mozart das dritte Mal nach Wien kam, im Jahre 1781, von seinem Zwingherrn, dem Erzbischof Colloredo, aus München nach Wien befohlen, wohnte er zuerst im deutschen Ordenshause in der Singerstraße Nr. 856 (heute Nr. 7.) – Nachdem er dessen Dienste verlassen, zog er in die Spenglergasse in den zweiten Stock des Hauses »zum Auge Gottes« Nr. 577 (heute Nr. 6 der Tuchlauben), als Zimmerherr der Familie Weber. – Als er dieses Zimmer aufgab, weil der Vater sein Verhältniß mit Constanze Weber nicht billigte, zog er Michaeli 1781 auf den Graben in den zweiten Stock des Hauses Nr. 1175 (heute Nr. 8), welches damals der Frau Theresia Contrini gehörte, und wo er »Belmont und Constanze« und »Le nozze di Figaro« schrieb. – Nachdem er im August 1782 Constanze Weber geheiratet, bezog er wieder den zweiten Stock des schon erwähnten Grünwaldischen Hauses auf der hohen Brücke, welches er im December desselben Jahres mit einer Wohnung im dritten Stocke des kleinen Herberstein'schen Hauses am Salzgries, damals Nr. 437, heute Nr. 17, vertauschte. Schon zu Georgi 1783 übersiedelte er auf den Judenplatz in den dritten Stock des den Burg'schen Erben gehörigen, dann Managetta'schen Hauses Nr. 244, heute Nr. 3, wo er bis Michaeli 1784 blieb. – Darauf zog er in den ersten Stock des Camesina'schen Hauses Nr. 846, zuletzt 853 und 854 in der großen Schulerstraße, heute Nr. 8, wo er den »Schauspieldirector« schrieb. – Von Georgi 1787 wohnte er in der Vorstadt Landstraße, Hauptstraße Nr. 224, heute Hühnergasse Nr. 17, bis er im Sommer 1788 in der Alservorstadt, Währingergasse, in das Haus der Frau Regierungsräthin Schick »zu den drei Sternen,« und[143] nicht, wie bei Jahn (Bd. III, S. 238, in der Anmerkung), »zu den fünf Sternen,« Nr. 135, heute Nr. 16, übersiedelte, in welchem die komische Oper: »Cosi fan tutte« entstand. – Endlich bezog er Michaeli 1790 den ganzen ersten Stock der Vorderwohnung im kleinen Kaiserstein'schen Hause in der Rauhensteingasse Nr. 934, jetzt Nr. 8, und heute allgemein unter dem Namen »Mozarthof« bekannt, aus welchem Mozart in die letzte und engste Wohnung auf dem St. Marxer Friedhofe übersiedelte, welche, da die Pietät der Ueberlebenden sehr groß (!) und die Wohnung überhaupt eine gemeinschaftliche war, später gar nicht ermittelt werden konnte und daher zur Aufstellung eines Denkmals eine Stelle auf gut Glück gewählt werden mußte. – Das Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 40.) 1866, Nr. 334, 1. Beilage: im Artikel »Mozart's Wohnstätten,« 1) in Wien, 2) auf dem Lande und auf Reisen ergänzt wesentlich die vorerwähnte Mittheilung in der »Theater-Zeitung« 1860, Nr. 22. Sonach kommen zu den zwölf Wohnungen in der Stadt Wien noch hinzu zwei in Wiens Umgebung auf dem Kahlenberg und in Heiligenstadt im Badehause; über eine Wohnung, welche Mozart – oder vielmehr seine kranke Frau – in Baden innegehabt, finden sich leider nirgends Aufschlüsse. Hingegen meldet die Norddeutsche Zeitung 1865, Nr. 5111, über ein »Mozart's Lusthäuschen in Wien«, welches sich in dem gräflich Starhemberg'schen Freihause auf der Wieden befindet. Mozart componirte, oder richtiger vollendete darin die »Zauberflöte«. Der Graf Starhemberg ließ das Innere des Häuschens im Hinblicke auf seinen historischen Werth paffend restauriren, während das Aeußere im Alten blieb.

[144] Zur Literatur über Mozart's Wohnstätten. Mozart's Sterbehaus. Zur Feier des hundertjährigen Geburtstages herausgegeben (Wien, 1856. Josef Bermann, 8 S. und eine Adbildung. [Dieses Schriftchen enthält eine Beschreibung des Hauses Nr. 834 (alt) in der Rauhensteingasse, in welchem Mozart starb, eine Ansicht von »Mozart's Empfangszimmer«, einen Plan der ganzen von Mozart bewohnten Etage und eine Ansicht von »Mozart's Sterbehaus« vor seinem Umbau, nach welchem es den Namen »Mozarthof« erhielt]. – Illustrirtes Familienbuch zur Unterhaltung und Belehrung häuslicher Kreise, herausgegeben vom österreichischen Lloyd (Trieft, gr. 40.), II. Bd. (1852), S. 116:»Il cavalière filarmonico« [mit Abbildung des Hauses Nr. 934 in Wien, Stadt, Rauhensteingasse – jetzt »Mozarthaus« genannt – einem Plane der ganzen von Mozart innegehabten Wohnung und einer Ansicht seines Wohnzimmers, gezeichnet von J.P. Lyser.] – Sonntagsblätter von Ludwig August Frankl 1848, Beilage »Wienerbote,« Nr. 3, S. 19: »Sonntagsskizzen«. Von J.P. Lyser. Das »Mozarthaus in Wien« [darin werden manche Irrthümer über Mozart's Wohnungen in Wien berichtigt und auch bemerkt, daß im »Volkskalender« von J.N. Vogl für das Jahr 1843 das unrechte Haus als das »Mozarthaus« abgebildet sei]. – Neu Wien (Wiener Lokalblatt) 1858, Nr. 31: »Das Mozartzimmer am Kahlenberge«. [In dem sogenannten Casino auf dem Kahlenberge bei Wien zeigte man noch vor einigen Jahren das Stübchen mit dem Tische, auf welchem Mozart seine »Zauberflöte« schrieb] – Ein nichts Neues enthaltender Beitrag, aber doch zunächst nur hier einzutheilen, ist die Phantasie von[145] Carl Santner: »Eine Stunde vor Mozart's Geburtshause«, welche in Santner's »Musikalisches Gedenkbuch« (Wien und Leipzig 1856, 120.) S. 159–178, abgedruckt steht.

Ansichten von Mozart's Wohnstätten u. dgl. Mozart's Geburtshaus in Salzburg, in Kupfer gestochen, ohne Angabe des Zeichners und Stechers. – Mozart's Geburtshaus. Holzschnitt von Ed. Kretzschmar, als Initialverzierung der Illustrirten Zeitung (J J. Weber), Nr. 626, 26. Jänner 1856, S. 73. – Mozart's Geburtshaus. Salzburg 1756, Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in der »Illustrirten Zeitung«, Nr. 693, 11. Oct. 1856, S. 232. – Ansicht von Mozart's Geburtshaus in Salzburg. Ohne alle Schrift, Lithogr. im Anhange zu Nissen's Biographie Mozart's. – Familien-Journal, herausgegeben von Payne in Leipzig (40.) XXIV. Bd. (1865), Nr. 50 (Nr. 628), S. 373: Ansicht des »Mozarthauses«, Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen. – Die Taufcapelle im Dome zu Salzburg, wo Mozart am 28. Januar 1756 getauft wurde. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in der »Illustrirten Zeitung«, Nr. 693, 11. Oct. 1856, S. 240. – Mozart's Empfangszimmer in Wien: Holzschnitt in der »Illustrirten Zeitung«, Nr. 659, vom 16. Febr. 1856, S. 125. – Mozart's Wohnhaus in Wien, Holzschnitt in der »Illustrirten Zeitung«, Nr. 659, vom 16. Februar 1856, S. 125. – Mozart's Sterbehaus in Wien, Rauhensteingasse Nr. 934 (jetzt Mozarthof Nr. 934–39). Artist. Anstalt von Reiffenstein und Rösch (H. 41/2 Zoll, Br. 61/2 Zoll). Anderer Ansichten ist schon bei Aufzählung der verschiedenen Artikel über Mozart's Wohnstätten gedacht worden.

Quelle:
Mozart-Buch. Von Constantin von Wurzbach, Wien 1869, S. 138-146.
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