Die zehn Zwerge der Tante Grünwasser

Es war einmal eine verheiratete Frau, die sich mit ihrem Ehemann überhaupt nicht vertrug, denn sie arbeitete nicht und hatte in ihrem Haushalt keine Ordnung. Sie fing eine Sache an und ging dann gleich zur nächsten über, und alles war nur halb getan, so daß der Ehemann, wenn er nach Hause kam, weder eine fertige Mahlzeit hatte, noch abends Wasser, um sich die Füße zu waschen, noch ein gemachtes Bett. So ging es, bis der Ehemann schließlich die Hand gegen sie erhob und sie verprügelte, und sie ein sehr schlechtes Leben hatte. Die Frau war traurig, weil ihr Mann sie schlug, und sie hatte eine Nachbarin, bei der sie sich beklagte, und diese war eine alte Frau, von der es hieß, daß die Feen ihr helfen würden. Man nannte sie die Tante Grünwasser.

»Ach, Tante, Ihr könntet mir in dieser Not beistehen.« »Aber ja, Kind, ich habe zehn Zwerglein, die prächtig Ordnung zu halten wissen, und die schicke ich in dein Haus, damit sie dir zur Hand gehen.« Und die Alte begann, ihr zu erklären, was sie tun mußte, damit die zehn Zwerge ihr halfen: Nämlich sofort, das Bett zu machen, wenn sie am Morgen aufstand,[175] darauf das Feuer anzuzünden, danach den Wasserkrug zu füllen, das Haus zu fegen, die Wäsche zu flicken und während der Zeit, wo sie das Abendessen kochte, ihre Flachsstränge zu haspeln, bis ihr Ehemann nach Hause kam. So zeigte sie ihr, was sie zu tun hatte, und bei alledem würden ihr die zehn Zwerge helfen, ohne daß sie es gewahr würde. Die Frau tat wie ihr geheißen, und sie tat ihre Arbeit gut und alles gelang ihr vortrefflich. Gleich bei Einbruch der Nacht ging sie zur Tante Grünwasser, um ihr dafür zu danken, daß sie ihr die zehn Zwerge geschickt hatte, die sie weder gesehen, noch gehört hatte, durch deren Hilfe ihr die Arbeit aber wie durch Zauberei von der Hand ging. So gingen die Dinge ihren Gang, und der Ehemann staunte, seine Frau so ordentlich und reinlich zu sehen. Nach acht Tagen konnte er sich nicht zurückhalten und sagte ihr, daß sie eine ganz andere Frau geworden sei, und daß sie so wie Gott mit seinen Engeln leben würden. Froh darüber, daß sie nun glücklich war, und auch, weil das Haushaltsgeld länger reichte, ging die Frau zur Tante Grünwasser, um ihr für die Gunst, die sie ihr erwiesen hatte, zu danken. »Ach, meine Tante, Eure zehn Zwerglein haben mir einen großen Dienst erwiesen. Jetzt habe ich alles in Ordnung und mein Mann liebt mich sehr. Worum ich Euch jetzt bitten möchte ist, sie bei mir zu lassen.« Die Alte entgegnete ihr: »Ja, ja, gewiß. Hast du denn die zehn Zwerglein noch nicht gesehen?« »Nein, noch nicht. Ich möchte sie wirklich gerne sehen.« »Sei nicht töricht. Wenn du sie sehen willst, so schau auf deine Hände, deine zehn Finger sind nämlich die zehn Zwerglein.« Da verstand die Frau und ging mit sich selbst zufrieden heim, weil sie wußte, wie man seine Arbeit recht verrichtet.

Quelle:
Braga, T.: Contos tradicionaes do povo portuguez. [I:] Contos de fadas - Cassos e facecia - Notas comparativas. 2. Auflage, Lisboa 1914, S. 169-170,175-176.
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