Die »Gasfabrik« des Fahrzeugmotors

[59] Aus den damals bekannten Treibstoffen für Gasmotoren hatte ich für meinen Fahrzeugmotor mit Bedacht das richtige »Futter« ausgewählt: Benzin. Weshalb ich dem Benzin als Treibstoff den Vorzug gab, zeigt der folgende von anderer Seite unfreiwillig angestellte Versuch. In einer Küche waren, etwa 6 m vom brennenden Herd entfernt, Handschuhe in einer Schüssel mit Benzin gereinigt worden. Trotz der großen Entfernung vom Herd fing das Benzin plötzlich Feuer, explodierte und verwandelte sich in ein einziges Feuermeer, das mehreren Personen Tod und Verderben brachte. Das Benzin ist eben so leichtflüchtig, daß es schon bei gewöhnlicher Temperatur, sogar bei Kälte, verdunstet. Die entstehenden Benzindämpfe sind schwerer als Luft und breiten sich im Raum am Boden aus, wobei sie sich mit der Luft zu einem mehr oder weniger explosiblen Gasgemisch vereinigen. Ein Streifen dieses Benzingas-Luftgemisches muß bis zum Herdfeuer gekommen sein, so daß die durch den Raum schießende Stichflamme im Augenblick ein Feuermeer erzeugen konnte.

Neben seiner leichten Flüchtigkeit schätzte ich beim Benzin besonders seine vollkommene Verbrennung, bei welcher keinerlei feste oder flüssige Rückstände entstehen. Vor allem aber war das Benzin durch seinen hohen Wärmewert (10000–11000 Wärmeeinheiten) und damit großen Arbeitsvorrat der gegebene Treibstoff für ein Motorfahrzeug.

Das Benzin befindet sich im Aufbewahrungsbehälter, dem Benzintank, in flüssigem Zustand. Ich mußte also zwischen Aufbewahrungsort und Motor eine kleine »Gasfabrik« einschalten,[60] d.h. einen Apparat, in dem das flüssige Benzin verdampfen und sich mit Luft mischen konnte. Ich benützte für meinen Motor einen Oberflächenvergaser. Bei diesen Vergasern gab man dem Benzin eine möglichst große Oberfläche, über welche man die zur Verbrennung notwendige Luft streichen ließ. Dieser Luftstrom vermischte sich gut mit dem leicht verdunstenden Benzin zu einem brennbaren Gasgemisch.

Derartige Oberflächenvergaser haben jedoch einen großen Nachteil. Da naturgemäß die leicht flüchtigen Bestandteile des Benzins zuerst verdunsten, wird der abnehmende Benzinvorrat immer reicher an schwer zu verflüchtigenden Kohlenwasserstoffen, so daß zum Schluß nur noch schlecht verdunstendes Benzin zurückbleibt. Um möglichst wenig Rückstände und dauernd sich ergänzendes frisches Benzin in den Vergaser zu bekommen, habe ich schon an meinem ältesten Vergaser (Abb. 9) den Vorratsbehälter V und das eigentliche Vergasergefäß G voneinander getrennt, wie aus der Patentschrift Nr. 37435 vom 29. Januar 1886 hervorgeht. Ich hatte auch vorgesehen, heiße Auspuffgase zum Vergaser zu leiten, um so eine Vorwärmung und bessere Verdunstung des Benzins zu bewirken.

In den nächsten Jahren arbeitete ich dauernd an der Vervollkommnung meines Vergasers. Am 8. April 1887 erhielt ich ein weiteres Patent auf »Neuerungen, welche die Verhütung starker Flüssigkeits-Bewegungen im Inneren des Gasapparates, die Erzielung eines gleichmäßigen Gemisches und endlich noch die Verhütung von Rückschlägen« zum besonderen Ziel hatten (DRP. Nr. 43638).

Um den Benzinstand im Vergasergehäuse selbsttätig immer auf derselben Höhe zu erhalten, ersetzte ich später den[61] Zulaufhahn zum Benzintank durch einen Ventilschwimmer, wie dies Abbildung 10 schematisch zeigt. In dem Maße, wie der Benzinspiegel sich durch das Verdunsten senkte, öffnete der absinkende Schwimmer das Ventil V. Infolgedessen fließt so lange Benzin aus dem Hauptbehälter nach, bis der steigende Schwimmer die Zuflußröhre vom Tank, also das Ventil V, wieder abschließt. Aus diesen Erkenntnissen heraus entstand später der in Abbildung 11 dargestellte Benz-Vergaser, der recht vorteilhaft arbeitete.

Der Motor saugte durch den Stutzen D sein Gasgemisch an. Die zur Verbrennung notwendige Luft konnte durch das Drahtnetz E (im Grunde der erste Luftfilter) in die Röhre F eintreten, perlte durch das Benzin empor und strich[62] nun, sich mit Benzindämpfen sättigend, entlang dem kegelförmigen Rohrstück G in das Ansaugrohr D des Motors. Die kleinen Pfeile zeigen, daß die Luft gezwungen wurde, einen möglichst großen Umweg zu machen, bis sie in das Ansaugrohr D eintreten konnte. Das hatte nicht nur den Zweck, sie innig mit Benzindämpfen zu vermengen. Vielmehr sollte das kegelförmige Rohrstück G ein Mitreißen von flüssigem Benzin in das Ansaugrohr D verhindern.[63] Der Ventilschwimmer B sorgte für geregelten Benzinzufluß aus der Rohrleitung C-B. Durch den unten sichtbaren Kanal H-J ließ ich heiße Auspuffgase zur Vorwärmung des Benzins hindurchstreichen. Da infolge des Verdunstens des Benzins bekanntlich Kälte erzeugt wird, war dieser Vergaser dank seiner Vorwärmung auch in der kalten Jahreszeit vor zu starker Abkühlung geschützt.

Quelle:
Benz, Carl Friedrich: Lebensfahrt eines deutschen Erfinders. Die Erfindung des Automobils, Erinnerungen eines Achtzigjährigen. Leipzig 1936, S. 59-64.
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