Vorbemerkung zu Brehms Thierleben, Chromo-Ausgabe

Das Ideal der Illustrirung eines naturgeschichtlichen Werkes ist selbstverständlich die farbige Darstellung der Objekte, da selbst bei genauester Wiedergabe der Form und plastischen Erscheinung durch den Holzschnitt in der Beschreibung der Farbennüancen, welche die Gattung oder Art charakterisiren, dem Texte eine Aufgabe zufällt, die er nur in höchst unvollkommener Weise ausführen kann. Trotz der vielfachen Aufforderungen, welche dieserhalb an uns ergingen, und deren Berechtigung wir vollauf anerkennen mußten, vermochten wir uns nur schwer dazu zu entschließen, das Wagestück zu beginnen, denn die Schwierigkeiten, die wir von vornherein übersehen konnten, wiesen darauf hin, daß im Verlaufe der Arbeit sich neue, noch nicht erkennbare aufthun würden, deren Ueberwindung immerhin fraglich blieb. Wenn diese eintraten, aber auch, wovon ein Blick auf das Werk überzeugen kann, aus dem Wege geräumt wurden, so haben wir es nur der Ausdauer und Hingabe aller derer zu danken, welche an der Herstellung der kolorirten Tafeln betheiligt waren.

Die Schwierigkeit steigerten sich zumeist dadurch, daß wir keinen Augenblick die Verpflichtung aus dem Gesicht verloren, welche die in verhältnismäßig kurzer Zeit errungene Weltberühmtheit von »Brehms Thierleben« auf uns, als die Verleger des Werkes, häufte. Diese wurde eben nur durch die Gewissenhaftigkeit erreicht, welche den Verfasser wie den Herausgeber beseelte; der Weltruf wurde nur dadurch erworben, daß von Dr. Brehm selbst, wie von den Zeichnern und Holzschneidern innerhalb des ursprüngliches Programms das relativ Beste geleistet worden. Der neue Schritt vorwärts – und ein solcher war die Publikation einer kolorirten Ausgabe – mußte mit gleicher Gewissenhaftigkeit, mit dem bewußten Streben gethan werden, auch auf diesem Gebiete das Beste zu erreichen, was erreichbar war.

[1] Herr Dr. Brehm, dessen Oberaussicht über die Herstellung des Illustrationsapparates diesen so werthvoll gemacht hatte, war durch seine Reisen verhindert, die Kontrolle zu übernehmen; an seiner Stelle wurden die in den weitesten Kreisen bekannten Zoologen Herr Dr. med. A. Girtanner in St. Gallen für die Partien der »Säugethiere« und »Vögel«, Herr Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart für die Kontrolle der Bände »Kriechthiere« und »Fische« gewonnen, während die Herren Prof. Taschenberg in Halle und Prof. Schmidt in Straßburg die Revision der Tafeln »Insekten« und »Niedere Thiere« besorgten. Genannte Herren übernahmen die mühevolle und schwierige Arbeit, die Anfertigung der Kolorit-Vorlagen, welcher Herr Winkler, Maler aus Weimar, sich mit großem Fleiße und rühmenswerther Geschicklichkeit unterzog, zu leiten und zu überwachen. Einer der Gelehrten machte in Begleitung des Malers größere Reisen, um die besten Modelle benutzen zu können, und so gelang es durch die Unterstützung, welche die künstlerische Thätigkeit an dem Rathe und Hinweise des Fachgelehrten gewann, eine Lösung der Aufgabe herbeizuführen, die alle vernünftigen Wünsche befriedigen muß.

Wir glaubten die bisherigen Vollbilder des Werkes beibehalten zu sollen, weil die darin geübte Art der Abbildung dem Grundgedanken des Werkes, das Thier in seiner natürlichen Umgebung zu zeigen, entspricht. Daraus ergaben sich für den Maler freilich eine Reihe von erschwerenden Umständen, darin begründet, daß die Zeichnung ursprünglich nur für den plastischen, nicht auch für den malerischen Effekt berechnet war. Jeder Beschauer aber wird es mit uns dem Künstler danken, daß er sich durch diese Weiterungen nicht abhalten ließ, eine einheitliche Darstellung anzustreben.

Eine Schwierigkeit anderer Art resultirt aus den beschränkten Mitteln der Kunst, die für Nachbildung einer ganzen Reihe von natürlichen Farbentönen wenig zureichend sind, daher die ganze Geschicklichkeit des Malers es in solchen Fällen nicht weiter als bis zu möglichster Annäherung an die Farbe der Wirklichkeit treiben konnte. Hier muß und darf die Wiedergabe auf Nachsicht jedes Einsichtigen rechnen.


Die Verlagshandlung.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. I1-III3.
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